Nierenfunktion ***** Glomeruläre Filtrationsrate (GFR)

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Nierenfunktion ***** Glomeruläre Filtrationsrate (GFR)
Die glomeruläre Filtrationsrate als Marker der Nierenfunktion
Eine verringerte Filterleistung der Niere ist das wichtigste Kriterium zur Diagnose der renalen
Dysfunktion. Pro Minute erzeugt die gesunde Niere ca. 130 ml Ultrafiltrat. Die Filterleistung
wird durch die glomeruläre Filtrationsrate quantifiziert. Die Indikationen zur Bestimmung der
glomerulären Filtrationsrate (GFR) der Niere sind zahlreich.
Indikationen zur Bestimmung der GFR
¾ akute und chronische Nierenerkrankungen
¾ Nierenbeteiligung anderer Erkrankungen
¾ Medikamente mit renaler Elimination –
Akkumulation bei verringerter GFR
¾ Medikamente mit nephrotoxischen Nebenwirkungen
¾ Hämodialyse, Nierentransplantation
Die GFR wird bestimmt durch die Clearance einer Substanz, die idealerweise frei glomerulär
filtriert wird und keiner tubulären Sekretion oder Rückresorption unterliegt. Unter Clearance
versteht man das Plasmavolumen, das von der Niere pro Minute von der Substanz befreit
wird. Exakt bestimmbar ist die GFR nur mit Hilfe aufwendiger Isotopenverfahren. Es gibt
aber mehrere labormedizinische Möglichkeiten, die GFR abzuschätzen:
Kreatinin
Kreatinin entsteht im Muskel aus (Phospho-)Kreatin. Die Blutkonzentration schwankt
interindividuell stark, so dass der Referenzbereich breit ist. Kreatinin wird glomerulär filtriert,
jedoch auch aus den Tubuli rückresorbiert und tubulär sezerniert, so dass Kreatinin kein
idealer Marker der GFR ist. Darüber hinaus führen schwere körperliche Arbeit und der
Verzehr von gekochtem (nicht gebratenem) Fleisch zu einem Anstieg der KreatininKonzentration im Blut.
Material: Serum / Plasma
Nachteile der Kreatininbestimmung im Blut
¾
¾
¾
¾
¾
Abhängigkeit von der Muskelmasse
Abhängigkeit von Alter und Geschlecht
Abhängigkeit von Ernährungsgewohnheiten und körperlicher Arbeit
Störanfälligkeit der Meßmethoden durch endogene Pseudokreatinine und Medikamente
Anstieg der Kreatininkonzentration im Blut erst bei einer Reduktion der GFR auf unter
50%. Geringe Nierenschäden bleiben unerkannt („Kreatinin-blinder Bereich“ zwischen
40 – 70 ml/min).
Kreatinin-Clearance
Um die eingeschränkte Aussagefähigkeit durch den „Kreatinin-blinden Bereiche“ zu
umgehen, wird die Kreatinin-Clearance aus der Kreatininkonzentration im Blut und
Sammelurin bestimmt. Erforderlich ist die Sammlung von Urin über 24 Stunden und im
Idealfall je eine Blutentnahme zu Beginn und am Ende dieser Sammelzeit.
Kreatinin-Clearance (ml/min) = (Kreat.U x UV ) : (Kreat.S x t )
(Kreat.U=Kreatinin-Konz. im Urin (mg/dl), UV=Urinvolumen (ml), Kreat.S = Mittelwert beider KreatininKonz. im Serum (mg/dl), t=Sammelzeit in min.)
Material: 24-Stunden-Sammelurin (hiervon ca. 30 ml ins Labor schicken)
+ Serum / Plasma
Nachteile der Kreatinin-Clearance-Bestimmung
¾ alle o.g. Nachteile der Kreatininbestimmung im Blut
¾ Urinsammlung oft fehlerhaft, zeitaufwendig, ggf. unmöglich
Rechenformeln
Es existieren mehrere Formeln zur Abschätzung der glomerulären Clearance, die ein
aufwendiges Urinsammeln erübrigen. Eine allgemein akzeptierte Gleichung für Erwachsene
ist die MDRD-Formel (Modification of Diet in Renal Disease Study Group).
Für Frauen: GFR = 0,742 x (186 x Kreat.-1,154 x Alter –0,203)
Für Männer: GFR = 186 x Kreat.-1,154 x Alter –0,203
(Kreat. = Kreatinin-Konz. im Blut in mg/dl)
Material: Serum / Plasma
Vorteil der MDRD-Formel:
¾ Keine Urinsammlung erforderlich (oft fehlerhaft, zeitaufwendig)
Nachteile der MDRD-Formel:
¾ alle o. g. Nachteile der Kreatininbestimmung im Blut
Cystatin C
Cystatin C ist ein kleinmolekularer (13,4 kD) Proteinase-Inhibitor, der in allen kernhaltigen
Zellen gebildet und in den Extrazellularraum sezerniert wird. Die Konzentration von Cystatin
C im Blut ist individuell sehr konstant und hauptsächlich durch die GFR bestimmt. Es wird
glomerulär frei filtriert wird. Cystatin C wird zwar auch tubulär rückresorbiert dabei aber
abgebaut. Somit ist Cystatin C ein idealer Marker der GFR. Die Korrelation zwischen
Cystatin C und GFR ist daher besser als zwischen der Kreatinin-Clearance und GFR. Es
besteht eine reziproke Beziehung zwischen Cystatin C und der GFR: Mit abfallender GFR
steigt die Cystatin C-Konzentration im Blut an.
Seit 01.01.2008 ist die Cystatin C-Bestimmung eine Kassenleistung.
Material: Serum / Plasma
Vorteile der Cystatin C-Bestimmung
¾
¾
¾
¾
¾
Cystatin C-Anstieg bereits im „Kreatinin-blinden Bereich“ (< 80 % der normalen GFR)
(fast) keine Alters- und Geschlechtsabhängigkeit
keine Abhängigkeit von der Muskelmasse oder Ernährungsgewohnheiten
nur eine Blutentnahme erforderlich
EBM-Ziffer 32463: bei einer GFR von 40 bis 80 ml/(Minute/1,73 m²) (berechnet nach der
MDRD-Formel) sowie in begründeten Einzelfällen bei Sammelschwierigkeiten
Nachteil der Cystatin C-Bestimmung
¾ hohe Glucocorticoidgaben erhöhen die Cystatin C-Konzentration
Für Rückfragen steht Ihnen Frau Dr. Thiele unter Tel.: 05205/7299216 zur Verfügung.
Sie finden diesen Artikel auch im Internet unter www.DIAMEDIS.eu in der Rubrik „Infos und Aktuelles“ zum
Download.
Literatur: Guder, W., Nolte, J.: „Das Laborbuch für Klinik und Praxis“ , 1. Auflage 2005, Urban & Fischer
Verlag; Thomas, L.:“Labor und Diagnose“, 6. Auflage 2005, TH-Books