Religionen III: Islam - Katholische Universität Eichstätt
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Religionen III: Islam - Katholische Universität Eichstätt
Magazin der Eichstätter Studierendenschaft · kostenlos · Mai 2009 kuAktuell Religionen III Islam Editorial Editorial Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, liebe Leser und Leserinnen, Inhalt Was wäre der Westen ohne den Osten, das Morgenland ohne das Abendland? Wie profitieren von dem Dialog beide Seiten - nicht nur indem sie sich voneinander abgrenzen, sondern auch, indem sie aufeinander zugehen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede entdecken? In dieser Ausgabe werdet ihr viele persönliche Artikel zum Titelthema finden, die einzelne Facetten einer fremden Kultur beleuchten, die in den deutschen Medien vielleicht weniger präsent sind – an dieser Stelle vielen Dank an alle Gastautoren! Es geht um den Alltag von Paaren, die aus unterschiedlichen Kulturen stammen, um Probleme und Kompromisse. Um Diskussionen mit Familie, Freunden, Kollegen, die vor übertriebener Anpassung warnen. Um die Erkenntnis, dass nicht jede kleine Abweichung von kulturellen Gegebenheiten einen Verlust der kulturellen Identität bedeutet. Es geht um das das Frühlingsthema schlechthin: die Liebe. In einer Gesellschaft, die uns fremd ist und zugleich fasziniert. Um die Bereitschaft, sich mit einer anderen Denkweise auseinanderzusetzen und eine Kultur näher kennen zu lernen, die unsere eigene seit Jahrhunderten beeinflusst und das nicht nur in der bildenden Kunst. Es geht um Angst, ob begründet oder unbegründet, und um diejenigen, die sie schüren. Es geht darum, Aussagen zu einem Thema zur Kenntnis zu nehmen, über das man sich bereits ein Urteil gebildet hat. Darum, dass es keine Schwäche ist, seine Meinung zu ändern - frei nach John Maynard Keynes: „When the facts change, I change my mind. What do you do, Sir?” 2 Editorial 3 Das Schwarze Brett Was Wann Wo? Was die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Türkei über den geplanten EUBeitritt denken, wird beispielweise selten thematisiert. Und wenn Orhan Pamuk nicht den Nobelpreis gewonnen hätte, würde sein Buch „Schnee“ auch nicht in jeder gut sortierten Buchhandlung erhältlich sein. Und Spiegelleser wissen bekanntlich mehr, wer muss da noch auf quantara.de nachlesen oder aljazeera konsultieren? Es gibt schließlich genug selbsternannte Islamexperten - aber ob die auch kompetent sind? Oder qualifiziert? Schwer zu sagen… Die Teilnehmer der großen Exkursion nach Syrien und Jordanien hatten jedenfalls die Gelegenheit, „fernab von Aladin und seiner Wunderlampe, fliegenden Teppichen und verschleierten Haremsdamen“ ein eigenes Orientbild zu entwerfen. Wen die Situation vor Ort interessiert, kann dem Türkischen Verein einen Besuch abstatten oder an dem „Projekt zur Bildungsintegration von Migranten“ teilnehmen. Das Thema „Bildung“ bewegt auch weiterhin die Gemüter, sowohl im Hinblick auf die geplanten Proteste gegen Studiengebühren als auch auf die Präsidentenwahl – es bleibt spannend. Mit dieser Ausgabe schließen wir die Reihe der drei großen Buchreligionen ab: eine gute Gelegenheit, Lessings Ringparabel zu zitieren, oder auch einfach nur viel Spaß beim Lesen zu wünschen… Karen Schewina 4 5 6 7 8 9 10 12 14 20 21 22 23 24 24 25 Impressum Auflage: 500 Exemplare Herausgeber Öffentlichkeitsreferat des Konvents der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt Redaktionsleitung für diese Ausgabe Christopher Knoll, Karen Schewina, V. i. S. d. P. kuAktuell-Redaktion Texte: Dorothee Barsch, Robin Baumgartner, Anne Deremetz, Christian Hübner, Christopher 2 Knoll, Tina Riedel, Karen Schewina, Benjamin Wech und Gastautoren. Layout: Sebastian Gruber. Titelillustration: Sebastian Gruber. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche Meinung der Autoren wieder und sind als Beitrag zur Meinungsbildung oder zumindest zur geistigen Erbauung gedacht. * [email protected] 8 www.ku-konvent.de/kuaktuell 26 28 28 Titel: Islam Subjektivität vs. Objektivität am Beispiel der Weltreligionen Eine Ehe, zwei Weltreligionen Gedanken zur Islam-Ausgabe Halbmond überm Ochsenbräustadel – die muslimische Gemeinde in Eichstätt Die Liebe im Islam Die Kunst im Islam Auf den Spuren des Islam in der Schatzkammer des Orients Die Fremdwahrnehmung der Türkei in Europa: Gegner und Verfechter des türkischen EU-Beitritts La terreur dans l’Histoire Hochschulpolitik Interview mit dem Sprecherrat zum Thema Studiengebühren und Präsidentschaftswahlen 10 Weltrechte Campus Eichstätter GeographieStudenten auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin Moderne Begrifflichkeiten, Folge 3: Kompetenz Die große Wirtschaft und die kleine Bildung Kurzmeldungen Projekt zur Bildungsintegration von Migranten Kultur Die Buchrezension: W. G. Sebald: Austerlitz Das Ende 10 Fragen … Comic-Suche Die nächste Ausgabe von kuAktuell (»Asiatische Religionen«) erscheint im Juni. Gastartikel sind willkommen! Mai 2009 kuAktuell Das Schwarze Brett Was Wann Wo? jeder Donnerstag im Semester Sprechstunde des AK International Aktuelle Informationen auch auf dem Schwarzen Brett im Foyer der Zentralbibliothek oder auf der Homepage. Konventsbüro (KG 1 C) / 13:30–15:30 Uhr 8 www.ku-konvent.de/ak-international * [email protected] 5. Mai · Dienstag Sport emotions around the world Das Sportzentrum lädt zur Sport-Show ein, um das Angebot vorzustellen. Eintritt: VVK 2 Euro, AK 3 Euro. Vorraum der Aula / 19 Uhr: Sektempfang Aula / 19:30 Uhr: Show VVK: 27. April bis 4. Mai jeweils von 11–13 Uhr im Foyer der Aula. Warum ich wegen des Bologna prozesses meinen Lehrstuhl räume Diskussion mit Prof. Dr. Marius Reiser, Professor für Neues Testament an der Universität Mainz. KHG / 20:15 Uhr 12. Mai · Dienstag Hilfe Studium! Gesprächsabend zur Überforderung im Studium mit Stefanie Potsch-Ringeisen. KHG / 20:30 Uhr 14. Mai · Donnerstag Jazz/Funk-Jamsession Improvisieren und ausprobieren. Studihaus / 20 Uhr Instrumentenabsprachen und sonstige Organisationsanfragen an * [email protected]. 6. Juni · Samstag Incoming-Outgoing-Day Austausch mit ausländischen Studierenden und Informationen aus erster Hand über ihre Wunschuniversität für Studierende aus Deutschland, die ein Auslandsstudium planen. Studihaus / 15 Uhr AK International * [email protected] kuAktuell Mai 2009 KunstgeschichtsExkursionen Die Fachschaft Kunstgeschichte organisiert auch dieses Semester wieder einige Exkursionen in nahegelegene Museen, Ausstellungen und Galerien. Die Teilnahme ist auch für alle anderen Mitglieder der Universität möglich. Fragen, Anregungen oder auch Anmeldung für Exkursionen gerne per Mail an: * [email protected] 9. Mai · Samstag Museum für Konkrete Kunst Camill Leberer, Anita Stöhr Weber, Christian Megert. Eintritt: 3,00 €, ermäßigt 1,50 € Ingolstadt 8 www.mkk-ingolstadt.de 23. Mai · Samstag Kunsthalle Frans Hals und Haarlems Meister der Goldenen Zeit. Eintritt: 8,00 €, ermäßigt 4,00 € München / Abfahrt 8:44 Uhr* 8 www.hypo-kunsthalle.de 8. Mai · Freitag Der Wert der Menschenrechte in Europa Barbara Lochbihler (ehem. Vorsitzende von Amnesty International, Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahlen) spricht über Europas Migrations- und Menschenrechtspolitik. Studihaus / 10 Uhr 30. Mai · Samstag Kulturspeicher Berliner Impressionismus – Corinth, Liebermann, Slevogt. Eintritt: 3,50 €, ermäßigt 2,00 € Würzburg / Abfahrt 8:44 Uhr* 8 www.kulturspeicher.de 20. Juni · Samstag Museum Brandhorst Eintritt: 7,00 €, ermäßigt 5,00 € München / Abfahrt 8:44 Uhr* 8 www.museum-brandhorst.de 4. Juli · Samstag Glaspalast Kunstmuseum Walter und Galerie Noah im Glaspalast. Eintritt: 6,00 €, ermäßigt 4,00 € Augsburg / Abfahrt 8:44 Uhr* 8 www.glaspalast-augsburg.de * Abfahrtsbahnhof ist Eichstätt Stadt. AK Theater: Stirb langsam Eine Komödie. Kein Bruce Willis. Gestorben wird trotzdem. Aula der Universität 14. Juni (Sonntag) 18 Uhr 16. Juni (Dienstag) 20 Uhr 18. Juni (Donnerstag) 20 Uhr Allgemeine Hochschulwahlen Lest dazu auch unser Wahlspezial! (Erscheint rechtzeitig) Foyer der Aula 16. Juni (Dienstag) 9–16 Uhr 17. Juni (Mittwoch) 9–16 Uhr 3 Titel: Islam Subjektivität vs. Objektivität am Beispiel der Weltreligionen D ie Ambivalenz zwischen Objektivität und Subjektivität ist nicht neu, sondern sie existiert seit eh und je. Bis auf ein paar allgemein anerkannte Tatsachen in unserem Alltag gilt die Grenze zwischen objektiver und subjektiver Wahrnehmung als sehr umstritten. Zum Beispiel steht die Objektivität der folgenden Aussage außer Frage: wenn man einige Zeit nicht trinkt und nicht isst, muss man vom Leben Abschied nehmen. Die Sache wird noch komplizierter, je mehr wir uns aus unserem konkreten Alltag entfernen und desto mehr wir uns mit abstrakten Gegenständen befassen. Zum Beispiel bei der Wertung von literarischen Werken, sprich: Kritik und Rezension. Soll die Kritik und Rezension nach objektiven Maßstäben erfolgen, wenn ja, nach welchen objektiven Maßstäben, oder doch nach subjektivem Maßstab? Gibt es denn überhaupt eine rein objektive Sichtweise, wo gar keine subjektive Sichtweise präsent ist? Das gleiche kann auch bei Geschmack oder Musik beobachtet werden, in dem Einige manche Sachen oder Musik »rein objektiv« ganz toll finden und noch manch Anderen dagegen von desselben Sachen wiederum »rein objektiv« gar nichts halten. Natürlich besitzt jede Gesellschaft und Kultur ihre ungeschriebenen moralische Schranken und Werte, die bei der Wertung und Einordnung der Sachen erheblich beitragen. Aber die Problematik liegt darin, dass in manchen Gesellschaften und Kulturen einige oder auch viele »objektive« Sachen gar nicht mehr »objektiv«, sondern schlicht und einfach als »subjektiv« eingestuft werden und umgekehrt. Vielmehr scheint aber der »objektive« bzw. »subjektive« Standpunkt auch von der jeweiligen Perspektive abhängig zu sein. Genauso passiert es bei den größten Buchreligionen der Welt: Christentum, Judentum und Islam, in dem sie »rein objektiv« nach ihrem Friedenspotential und Gewaltbereitschaft in einer hierarchischen Skala eingeordnet werden. Nach dieser Einordnung gewinnt der Islam eindeutig als »gewaltbereite« und »friedensferne« Religion unter anderen Buchreligionen, zumindest nach der öffentlichen Meinung. Man spricht hierfür gelegentlich sogar von »Islamophobie«. 4 Davon zeugt auch die überproportionale Präsenz des Thema in der öffentlichen Massenmedien, und zwar mit negativer Konnotation: »Wie gefährlich ist der Islam?« (Stern-Titel 38/2007), »Der Koran. Das mächtigste Buch der Welt« (SpiegelTitel 52/2007) oder »Papst contra Mohammed. Glaubenskampf um den Islam, die Vernunft und die Gewalt« (Spiegel-Titel 32/2006) etc. Inwieweit sind diese Aussagen einzuschätzen: als »objektiv« oder doch »subjektiv«? – Im Folgenden wird der Aussage nachgegangen um sie zu verifizieren oder zu falsifizieren. Grundsätzlich besitzen alle monotheistischen Religionen sowohl ein Gewaltpotential, als auch einen friedenstiftenden Charakter. Dies betrifft genauso den Islam, wie auch das Christentum sowie das Judentum. Den eindeutig und klar formulierten Suren zu verschiedenen Arten der Gewalt und deren Ausübung im Koran stehen die Verse, in denen wiederum der Krieg und Gewalt, sowie der Kampf gegen die Ungläubigen als unerwünscht ausgelegt wird, entgegen (Koran 109,6; 42,15; 6,106f.). Martin Riesebrodt (2000), der berühmte US-Religionssoziologe, hat zurecht gesagt, dass man explizite Werturteile über Religionen besser vermeiden soll, indem man sie nach hierarchischer Einordnung in gute und schädliche, in legitime und illegitime oder in höhere und niedere unterteilt. Diese grundlegende Widersprüchlichkeit der Religionen hat Markus Weingardt (2008) am Besten auf den Punkt gebracht: »Religionen verfügen über ein Potenzial, das in Konflikten zur Legitimierung, Mobilisierung und Ausübung von unvorstellbarer Gewalt herangezogen werden kann – ein Konflikt- und Gewaltpotenzial also, das auf Beherrschung statt Verständigung, auf Eskalation statt auf Frieden gerichtet ist. Politische Führer bedienen sich deswegen der Religionen, und religiöse Führer bieten sich der Politik willig an, um gewaltsame Konfliktaustragungsformen zu unterstützen. Das ist weder neu noch auf bestimmte Religionen oder Kulturen beschränkt.« Und genau diese Zweideutigkeit der Religionen gibt eine umfassende Möglich- keit für den gezielten »selektiven« Umgang mit Quellentexten. Je nach Perspektive wird entsprechend mit den Quellentexten »objektiv« oder »subjektiv« umgegangen. Aufbauend auf der oben erfolgten Argumentation kann gesagt werden, dass die Aussagen über den Islam mit negativer Konnotation als »subjektiv« eingeschätzt werden können, da sie offensichtlich auf Vorurteile beruhen. Und diesen Vorurteilen liegt die Tatsache zugrunde, dass nicht alle Muslime Terroristen sind, aber viele Terroristen konfessionell dem Islam angehören, und damit eine kleine Zahl der Gläubigen für die große Masse der Muslime spricht. Hierzu ist noch essentieller zwischen der Religion »Islam« und dem »Islamismus« bzw. »islamischer Fundamentalismus«, die mit politischem Islam gleichzusetzen sind, zu unterscheiden. Dazu kommen noch gesellschaftliche und kultursoziologische Ängste von der zunehmender »Islamisierung« der westlichen Gesellschaften aufgrund der rapiden demographischen Zunahme des islamischen Bevölkerungsanteils. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Grenze zwischen »Objektivität« und »Subjektivität« bei konkreten Dingen ziemlich eindeutig sind, und je weiter wir uns von den konkreten Dingen entfernen, desto schwieriger wird es, die Grenze zwischen den Begriffen zu erkennen. Schließlich hängt die objektive bzw. subjektive Sichtweise von der Gesellschaftsmoral im jeweiligen Kulturkreis und von der Perspektive ab.¶ Sanjar Islomov Sanjar kommt aus Usbekistan und studiert MA Internationale Beziehungen. Mai 2009 kuAktuell Titel: Islam Eine Ehe, zwei Weltreligionen I nterkulturelle Kommunikation – was für manche Studenten als Schlüsselqualifikation auf dem Stundenplan steht, gehört für andere zum Alltag. Zwei islamisch-christliche Paare erzählen, wie sie in ihrer Ehe zwei Religionen unter einen Hut bringen – Gespräche über Schweinefleisch, Feiertage und kulturelle Identität. Ein gemischtes Kind hat mehr Feiertage – Natalie, Ali und Noa Natalie und Ali lernen sich 2003 in Damaskus kennen. Sie ist für einen Monat in Syrien, trifft ihn bei Freunden, führt die Bekanntschaft per E-Mail weiter – und geht im Auslandssemester nicht wie geplant nach Kairo, sondern nach Damaskus zurück. Aus acht Monaten wird ein Jahr, während dem die beiden in Syrien religiös heiraten – um in Syrien zusammenleben zu dürfen, muss man verheiratet sein. Als Natalie am Ende des Jahres nach Berlin zurückkehrt, ist sie schwanger. Die Schwangerschaft verfolgt Ali per Skype und Webcam, während Natalie von Amt zu Amt zieht. Wenn ein Kind auf dem Weg ist, bedeuten zwei Staatsangehörigkeiten zuerst einmal eines: Viel Papierkram. Vier Monate nach der Geburt der kleinen Noa kann Ali nach Deutschland kommen. In diesem Alter werden in Deutschland die meisten Kinder getauft – eine Entscheidung, die in Noas Fall nicht so einfach zu treffen ist. Für die Eltern ist jedoch klar: Noa soll zwar nicht einer Religion zugeordnet werden, aber sie soll an Gott glauben und beide Religionen nahe gebracht bekommen. »Das ist im Moment eher kulturell als religiös. Es ist uns wichtig, dass Noa etwas darüber erfährt und entscheiden kann, wonach sie später leben will«, erklärt Natalie. Als konkrete Handlung gibt Alis Bruder Natalie den Auftrag, Noa nach islamischem Brauch den Gebetsruf »allahu akbar« ins Ohr zu flüstern – und ins andere Ohr das entsprechende christliche Pendant. Da Noa noch so klein ist, sind für sie die zwei Religionen in der Familie eher ein Vorteil als ein Nachteil: »Noa hat die meisten Feiertage im Jahr!« Sie feiert Ostern mit der gleichen Begeisterung wie das Zuckerfest. kuAktuell Mai 2009 Noa bekommt aber nicht nur die Feiertage aus beiden Kulturen mit, sie hat auch zwei Namen: Noa und Nur. Noa ist neben der biblischen Figur auch »der Friedensbringer«, Nur ist arabisch und heißt soviel wie Blume oder Licht, ist aber nicht die arabische Variante von Noa. Hinter den zwei Namen steht ein ganz praktischer Grund: Die syrische Familie kann »Noa« nicht aussprechen, die deutsche Verwandtschaft hat Probleme mit dem arabischen Namen. »Die Namensfindung war ganz schön kompliziert«, erklärt Natalie, aber sie findet die zwei Namen aus beiden Sprachen passend: »Sie ist ja auch ein gemischtes Kind.« Noa hat mit ihren zwei Namen jedenfalls keine Probleme, so wie andere Kinder eben auch mehrere Spitznamen haben. Dass das Arrangement mit beiden Religionen funktioniert liegt aber auch daran, dass beide Eltern nicht streng gläubig sind, so Natalie: »Wir führen eine eher säkuläre Beziehung, die Unterschiede liegen eher in der Sozialisation und weniger in der Religion. Das klappt dann deswegen, weil wir gleich gestrickt sind. Schwieriger wäre es nur, wenn einer religiös wäre und der andere nicht. Konflikte gibt es vor allem, wenn beide auf ihrem Standpunkt beharren.« Dass das Aufwachsen mit zwei Religionen für Noa möglicherweise nicht immer so unkompliziert bleiben wird, dessen ist sich Nadine bewusst. Für welchen Lebensweg sich Noa später entscheiden wird, ist schließlich noch nicht abzusehen. »Von der Vernunft her bin ich entschlossen, sie mit jeder Entscheidung zu unterstützen. Aber wie ich dann damit umgehe, wenn sie älter ist und vielleicht einen anderen Weg einschlagen will, das wird sich dann zeigen.« Dann macht er eben schon mal den Salat – Bettina und Otito Bettina und Otito sind seit vier Jahren verheiratet. Die Zeit, die sie zusammen verbracht haben, können sie in Monaten zählen: Sie studiert in Berlin, er in Kairo. Dort haben sich die beiden während ihres Auslandsjahrs kennengelernt. Noch bevor Bettina nach Deutschland zurückkehrt, heiraten sie traditionell muslimisch mit einem Ehevertrag. Der wird zwar bei einem Anwalt mit Zeugen unterschrieben, hat in Ägypten aber keine Rechtsgültig- keit. Die standesamtliche Hochzeit folgt im Herbst 2007, ebenfalls in Kairo. Ein Einreisevisum bekommt Otito erst im Frühjahr 2009. Neben verschiedenen Heimatländern, Studienplänen und Sprachen müssen die beiden in ihrer Fern-Ehe auch zwei verschiedene Religionen unter einen Hut bringen – er ist gläubiger Moslem, sie gläubige Christin. Otito fällt die Trennung zwischen Kultur und Religion leichter. Er lebt und studiert in einem Land, in dem der Islam die vorherrschende Religion ist. Geboren und aufgewachsen ist er jedoch im Togo, wo Christen und Moslems je 30 % der Bevölkerung ausmachen. Die Religionen existieren nebeneinander und miteinander: Als Kind, erzählt Otito, wurden oft christliche und muslimische Feste in seinem Dorf gemeinsam gefeiert. Sein Onkel ist Christ, und in den Städten rufen Kirchenglocken und Muezzins gleichermaßen zum Gebet. Sowohl in Ägypten als auch in Deutschland ist das anders: Die Kultur des Landes ist eng verwoben mit der vorherrschenden Religion. Diese Verwobenheit von Religion und kultureller Identität nimmt für Bettina manchmal absurde Züge an: Soll aus Rücksicht auf muslimische Schüler kein Schweinefleisch mehr in Schulmensen ausgegeben werden, flammen entrüstete Debatten um bedrohte kulturelle Identität auf. Da hilft die Erfahrung aus der Multikulti-Ehe dabei, alles etwas lockerer zu sehen. Denn: »Eine Schweinefrikadelle macht noch keinen Christen«, meint Bettina. Soll heißen: Nicht jede kleine Abweichung von kulturellen Gegebenheiten bedeutet einen Verlust an kultureller Identität. Denn oft sind kulturelle Gegebenheiten nichts anderes als das: Gegebenheiten, Umstände, die eben nun mal so sind. Oder, wie Otito sagt: »Kultur ist etwas, was die Menschen gewohnt sind zu tun, egal ob es gut ist oder schlecht.« Sich auf andere Kulturen und Religionen und die damit verbundenen Bräuche einzulassen, kann manchmal auch bedeuten, Dinge aufgeben oder anpassen zu müssen. Dazu gehören Fragen der alltäglichen Lebensgestaltung ebenso wie der besonderen religiösen Bräuche. Bettina sieht jedoch zum Beispiel das Aufgeben 5 Titel: Islam von Gewohnheiten nicht pauschal als Verlust, sondern versucht es in Relation zu setzen: Da sie sowieso kaum Alkohol trinkt, macht es ihr wenig aus, darauf meistens zu verzichten. Denn: »Wenn ich mich an einem Abend entscheiden muss zwischen einer Flasche Bier trinken und meinen Mann küssen, dann küsse ich meinen Mann.« Oft vermuten Bekannte hinter solchen Handlungen religiöse Motive, warnen vor übertriebener Anpassung. Dass nur die Anpassung an religiöse Fragen so kritisch gesehen wird, ärgert Bettina: »Hätte ich einen Vegetarier geheiratet, dann wäre das eben eine Lifestyle-Entscheidung, wenn es sich aber um eine religiöse Eßvorschrift handelt, dann ist es ein Problem.« Diese religiösen Unterschiede stellen für die beiden aber kein großes Problem dar – das sind eben Aspekte des Ehealltags, die man in einer Beziehung aushandeln muss wie andere, nicht religiöse Fragen eben auch. Neben den Alltagsfragen stellt eine interreligiöse Ehe aber auch andere Gewohnheiten in ein neues Licht. So muss die aus der Kindheit mitgenommene Art, einen Feiertag zu begehen, neu reflektiert und gestaltet werden. Bettina gibt zu, dass das schwierig sein kann: Die aus der Familie mitgenommene Vorstellung vom gemeinsamen Kirchenbesuch an Ostern funktioniert nicht mehr: »Aber man gewöhnt sich daran, und dann denkt man, gut, dann macht er eben in der Zwischenzeit schon mal den Salat.« In solchen Dingen käme es darauf an, sich eine eigene Tradition und Familienkultur zu schaffen, anstatt auf überlieferten Traditionen zu beharren. Für Bettina ist das wichtigste in einer interreligiösen Ehe: »Dass interreligiöse Kommunikation nur gelingen kann, wenn man sich nicht bedroht fühlt von der Religiosität des anderen.« Das mußte auch Bettina erst lernen: Am Anfang hatte sie in der ägyptischen Gesellschaft das Gefühl, sich und ihren Glauben verteidigen zu müssen. Das hat sich jedoch mit der Zeit gelegt. Die beiden führen viele Diskussionen und Gespräche: Zum Beispiel über Jesus, der zwar in beiden Religionen existiert, aber eine unterschiedliche Rolle spielt. Beide empfinden die Beschäftigung mit dem Glauben des anderen als Bereicherung. »Es gibt keine allgemeinen Wahrheiten oder Selbstverständlichkeiten, sondern man beginnt, vieles zu reflektieren, was man vorher nicht reflektiert hat«, so Bettina. Auch die Art, wie man seinen Glauben nach 6 außen vertritt, wird durch die Konfrontation mit dem anderen Glauben in Frage gestellt. Beide sind oft in der Rolle des Aufklärers, müssen ihre eigene Religion und die des Partners erklären. Neben den kulturell und religiös geprägten Unterschieden zählen in einer Ehe aber auch, und noch viel mehr, die Gemeinsamkeiten: Gemeinsame Werte, Verhaltensweisen, Vorstellungen vom Leben. Otito hat in Bettina Qualitäten gefunden, die zum ihm passen: »Unsere Religion ist verschieden, aber wir haben die gleichen Verhaltensweisen. Bettina verhält sich mehr wie eine Muslima als viele muslimische Frauen die ich kenne. Sie passt besser zu mir, deswegen war es sinnvoller, sich für Bettina zu entscheiden als für eine andere, muslimische Frau. Wir haben die gleichen Vorstellungen.« Auch Bettina findet nicht, dass ein unterschiedlicher Glaube ein Problem sein muss: »Man kann auch unterschiedliche Religionen haben und sich trotzdem gegenseitig in seiner Religion bestärken, indem man es als Gemeinsamkeit erkennt, überhaupt religiös zu sein. Das kann man unabhängig von der Religion teilen, als Sicht auf die Welt.«¶ Dorothee Barsch Gedanken zur Islam-Ausgabe Kleiner Bruder Mohammed, Du weisst wie’s heutzutage steht gelangest nie zu Weltenruhm, bist jünger als das Christentum aber wie’s uns dabei nun geht Dich zu emanzipieren, das willst Du nicht kapieren Du bist einer von uns Dreien die Anspruch auf die Welt begehren doch wir werden’s nicht bereuen nicht Deinen Gott zu ehren Wir ham ja unsren eigenen, der wird sich nicht so schnell verzehren Ihr lebt bei uns in Minderheit das kann ich Euch beweisen und wegen der Gerechtigkeit ziehen wir den weisen aber ganz bestimmten Schluss, dass Eure Unterlegenheit zumindest toleriert werden muss. Doch nicht des Genierens wegen muss es ausgesprochen werden, Euer Paradies auf Erden bringt den Christen keinen Segen Eines kann Euch keiner rauben. Trotz, Eile, Hetze, Mehrheitswahl, Ihr lebet Euren Glauben und das wirklich überall. Ihr brauchet nicht das Gotteshaus, Ihr brauchet nur die Zeit, kommt ohne Requisiten aus, doch auch nicht ohne Streit. Mohammed, ich bitte Dich, wir sind doch alle eben aber Weltanspruch für sich kann keiner von uns mehr erheben. Der Glaube, der steckt in der Krise, Eurer lebt sich zwar nicht schlecht, und wenn es sich beweisen ließe, gäb’ ich Eurem sogar Recht. Uns Sekten gibt’s wie Sand am Meer, uns allen hoch der Glauben steht doch einzig all-verbunden wär’s erst durch Solidarität.¶ Anne Deremetz Mai 2009 kuAktuell Titel: Islam Halbmond überm Ochsenbräustadel – die muslimische Gemeinde in Eichstätt D ie Anträge auf einen deutschen Pass sind in den letzten Monaten rapide zurückgegangen. Immigrationswilligen wird durch die rigiden Einbürgerungstests die Integration nicht gerade erleichtert. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen möchte, muss sich auf die Verhältnisse hierzulande einstellen, bisweilen auch umstellen. Dass sich aber durch die vielen Neuzugänge auch die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern, wird in den Debatten um eine deutsche »Leitkultur« immer noch gerne totgeschwiegen. Dabei sind die mehr als drei Millionen Muslime, die derzeit in Deutschland leben, nicht mehr zu übersehen. Auch in Eichstätt hat sich die islamische Gemeinde einen festen Platz im kulturellen Leben der Stadt geschaffen. »Kultur ist für mich sehr wichtig«, sagt Birol Günay, Vorsitzender des türkischislamischen Kulturvereins Ditib Eichstätt. »Wenn ein Mensch seine Kultur und seine Herkunft nicht kennt, kann er anderen Kulturen gar nicht behilflich sein. Integration zum Beispiel. Jeder sagt: Leute, ihr müsst integrieren! Ich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen sagen: um integrieren zu können, brauchen wir zwei Leute. Also auch die Leute, die wollen und wünschen, dass wir integrieren, müssen uns entgegenkommen.« Dass dieses Entgegenkommen auch funktionieren kann, zeigt sich am Hauptgebäude des türkisch-islamischen Vereins. Der alte »Ochsenbräustadel« – so der ursprüngliche Name der 1787 errichteten Hopfenscheuer – wurde 1995 von der islamischen Gemeinde erworben und mit Unterstützung des bayerischen Landratsamts für Denkmalpflege originalgetreu restauriert. Beide Seiten, Türken und Deutsche, beteiligten sich an der Instandsetzung des alten Jurahauses. Nun beinhaltet das Baudenkmal einen türkischen Lebensmittelladen, Aufenthaltsräume für Feste, Vorträge und Vereinssitzungen und natürlich eine Moschee. Traditionell getrennt sind die Gebetsräume für Männer im ersten, für Frauen im zweiten Stockwerk. Insgesamt bietet das Gotteshaus rund 1000 Gläubigen Platz. Den braucht die islamische Gemeinde in Eichstätt auch. Wenn sie sich unter der kuAktuell Mai 2009 Der Ochsenbräustadel in der Weißenburger Straße Woche, besonders aber freitags, zum Gebet versammelt, kommen nicht nur viele Mitglieder der 40 ortsansässigen Familien herzu, sondern auch zahlreiche Angehörige aus dem ganzen Landkreis. Insgesamt leben derzeit etwa 2500 Muslime in Eichstätt und Umgebung. Darunter nicht nur Türken, sondern auch Ägypter, Libyer, Syrer und viele andere Gläubige aus aller Herren Länder. »Nationalität spielt hier keine Rolle«, sagt Birol Günay. »Ob ich jetzt Deutscher oder Türke bin, das ist uninteressant für mich. Ich bin Türke, ich schließe mich dem islamischen Glauben an, daran halte ich mich.« Dass in Eichstätt die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Muslimen so gut funktioniert, liegt nicht zuletzt am gegenseitigen Interesse, dem Willen, miteinander in Dialog zu treten. So treffen sich christliche und islamische Gemeinde jedes Jahr kurz vor Weihnachten immer abwechselnd in einem evangelischen, einem katholischen Gotteshaus oder der Moschee, um dort gemeinsam zu beten. Diese Initiative verdankt sich auch der Arbeit des türkischen Kulturvereins, der großen Wert auf gegenseitiges Verständnis legt. Birol Günays Einschätzung fällt in dieser Hinsicht jedenfalls sehr positiv aus: »Wir Eichstätter sind glaube ich schon integriert, ich glaube es nicht, sondern ich bin sicher, wir sind integriert. Zum Beispiel haben wir jetzt am 16. und 17. Mai Tag der offenen Tür, ›Kermes‹, und da kommen auch Eichstätterinnen und Eichstätter und fragen: ›wann macht’s ihr mal wieder so a Festla?‹« Über die Kermes hinaus bietet der türkische Verein Ditib Eichstätt mit dem Jugend-, dem Frauenbund, dem FC Türk- gücü (einem eigenen Fußballclub) und dem deutsch-türkischen Elternbeirat eine Vielzahl an Angeboten, die eigene Kultur im Dialog mit der deutschen zu gestalten und zu leben. Man muss also nicht auf seine ursprüngliche kulturelle Identität verzichten, um in Deutschland Fuß zu fassen. »Ich fühle mich hier zu Hause, ich habe meine Familie hier, ich habe meinen Vater hier, meine Geschwister sind hier, meine Freunde sind hier«, meint Birol Günay und lächelt dabei, »ich fühle mich hier zu Hause, obwohl ich türkischer Staatsbürger bin, einen türkischen Pass habe.« – Erfolgreiche Integration bedarf nicht unbedingt eines deutschen Ausweises. Trotzdem steckt hinter der Vergabe dieses Stückchen Papiers viel mehr, als ein bloßer bürokratischer Akt. Dass die Ausstellungskriterien nun wieder verschärft wurden, zeigt, dass noch viel Arbeit nötig ist, um sich über ein Zusammenleben in Freundschaft und Respekt zu verständigen. Birol Günay jedenfalls ist zum Dialog bereit: »Unsere Tür ist für jedermann offen, jederzeit!« Weitere Informationen über die islamische Gemeinde und den türkischen Kulturverein Eichstätt gibt es unter 8 www.ditib-eichstaett.de sowie am Tag der offenen Tür (16./17. Mai 2009, Weißenburger Str. 28, 12–20 Uhr)¶ Christian Hübner 7 Titel: Islam Die Liebe im Islam Ü ber einhundert verschiedene Wörter kennt das Arabische für die Liebe, ihre Spielarten und Seelenzustände und das beschreibt, wie tolerant und aufgeschlossen die Kultur des Islams ist. Der Mensch muss nur die Liebe in Gott und in sich selbst entdecken und diese beiden Formen der Liebe in Verbindung bringen, damit er ein friedliches, idyllisches und versöhnliches Leben leben kann. Rabia al-Adawiyya al-Qaisiyya, eine islamische Mystikerin, sagte: »Alle Liebe zielt auf Einssein. Die höchste Liebe zielt auf das ewige Einssein mit Gott. Sie sucht den Geliebten, nicht seine Geschenke, nicht »Die Liebe« Visionen, Wunder und Macht über die Materie. Liebe ist der Schlüssel zum Einssein.« Eine Formungsgrundlage im Islam, wie in den anderen »himmlischen« Religionen, ist »Die Liebe für Gott, zu Gott und in Gott«, die man auch im Christentum findet. »Gott ist die Liebe« steht als Hauptdefinition Gottes in der Bibel. Und im Koran steht: »Er hat Zuneigung und Barmherzigkeit zwischen euch gesetzt« (Sure 030, Die Byzantiner (Ar-Rüm)). Der Islam ist eine unkomplizierte Religion, er feindet die Liebe nicht an, er bestreitet sie auch nicht. Im Gegenteil: er diszipliniert sie und fordert die Geliebten auf, ihre Gefühle zu bekunden und öffentlich über sie zu reden. Aber muss alles in 8 einem bestimmten Rahmen und unter einer Bedingung sein und zwar, dass diese Liebe heiter und ungetrübt ist und auch weit weg von den verbotenen Begierden ist. Ihr einziges Ziel ist die Heirat, da eine vollendete Gläubigkeit eine Ehe braucht. Der Mensch im Islam muss auf die Freuden der Liebe keineswegs verzichten. Im Gegenteil. Selbst der Prophet Mohammed betonte: »er sei auf Erden drei Dinge zu lieben gelehrt worden: die Düfte, die Frauen und das Gebet.« Der Islam hat das Thema der menschlichen Liebe nicht ausgelassen, sowie auch andere menschliche Bedürfnisse wie Hass, Trauer, Angst und Hunger nicht, da sie die natürlichen Veranlagungen sind, mit denen Gott den Menschen geschaffen hat. Aber er hat sie diszipliniert, und fordert den Mensch auf, sie nicht einzudämmen, sondern mit ihnen ideal umzugehen und sie zu erwidern. Der Islam fordert von dem verliebten Mensch Ehrlichkeit und Fairness, und er gibt ihm die einfache normale Lösung für seinen Zustand und zwar sich zu verheiraten, um diese Liebe zu vertiefen und befestigen. In der Geschichte der muslimisch geprägten Staaten gibt es Dutzende von Liebesgeschichten über platonische Liebe und Bücher, die zeigen, dass der Islam die Liebe nicht verboten hat, wie manche Konservative es darstellen. Das Buch Halsband der Taube, von der Liebe und den Liebenden von Ibn Hazm ist eine Liebeslehre in Prosa und Vers. Dem Buch mangelt es an keiner Facette und es ist das berühmteste Buch über das Thema Liebe, das innerhalb des muselmanischen Kulturbereichs in Andalusien gelebt, gedacht und geschrieben wurde. Ibn Hazm warnt vor den Leidenschaften und der Sünde und lobt in seinem Buch die Keuschheit. Er sagte: Ein junges Reh, dem vollen Monde gleich, Der Sonne, die aus Wolken sich enthüllt, Fing ein mein Herz mit Blicken seufzerreich Und einem Leib, der Gerte Ebenbild. Ich beugte mich, wie’s ein Verliebter tut, hab mich erniedrigt, weil das Herz mir bricht. Sei meine, Geliebte, doch wie’s recht und gut; Denn sündhaft dir vereint sein mag ich nicht. Die Romanze und die leidenschaftlichen Liebesgedichte zwischen dem Dichterfürsten Ibn Zaydûn und der dichtenden Kalifenprinzessin Wallâda ist auch bekannt. Er schrieb: Wie könnt ich dein Gelöbnis brechen Und wie vergessen dein Versprechen? Erfüllt in dir ist all mein Hoffen Und mehr als dich begehr ich nicht. Ach, fühltest du die Leidenschaft Für mich, die ich für dich empfinde! Die Nacht mir fern, sie sei dir lang, wie fern von dir sie mir sich dehnt! Verlang mein Leben – du bekommst es! Wie könnt ich etwas dir verweigern? Das Schicksal ist mein Sklave, seit In Liebe ich dein Sklave wurde.¶ Ibrahim Charaf Mai 2009 kuAktuell Titel: Islam Die Kunst im Islam E ntgegen der allgemeinen Ansicht war es in der islamischen Kunst jederzeit möglich, Aspekte der illusionistischen Malerei in ein Bild zu integrieren. Vor allem im privaten Bereich stellte eine figürliche Darstellung kein Problem dar (Abb. 1), im sakralen Raum hingegen war dies nahezu völlig undenkbar. Sicherlich überwiegt in der islamischen Tradition die Negation der realen Wiederholbarkeit, trotzdem gab es Ausnahmen. Als in der frühchristlichen Kunst, die sich anfänglich gegen die Abbildung ihrer Heiligen aussprach, längst der Ikonenkult seinen Siegeszug angetreten hatten, gelingt es dem Propheten Mohammed Mekka zu erobern. Dort lässt er lediglich einzelne Bilder erhalten: das Mariens und Abrahams. Wie das europäische Mittelalter bewegt sich auch die Bilderwelt des Islams in einer Spannung zwischen Faszination und Negation illusionistischer Kunst. Entscheidet sich die Renaissance für die Anwendung der Zentralperspektive und den damit verbundenen Realismus in der Ausgestaltung, ist die Lebendigkeit der Figur im Osten weiterhin nicht möglich. Abbildung 2 zeigt eine Miniatur mit den Propheten Moses und Mohammed im Vordergrund, die dem Betrachter scheinbar bereits zu naturalistisch erschien. Zu einem heute unbestimmbaren Zeitpunkt wurden die dargestellten Akteure wahrscheinlich im Nachhinein bearbeitet: Im Bereich des Halses ist bei den Propheten und Engeln ein Schnitt zu erkennen, der sie nun geköpft, eben nicht lebendig auftreten lässt. Eine geometrische, zweidimensionale Kunst geht im Islam einen anderen Weg, obwohl ihr die gleichen Mittel zur Verfügung stehen, wie dem europäischen Westen. Allein die Kalligraphie kann als eine Kombination aus Wort und Bild gelesen werden. Die riesigen Medaillons in der islamisierten Hagia Sophia (Abb. 3) zeigen Schriftzüge, die den jeweiligen Stifter benennen, statt ihn auf einem Porträt zu Abb. 2 Pia Rudolph Der Beitrag beruht auf einem Vortrag von Prof. Dr. Avinoam Shalem (LMU) und dem neuesten Werk von Hans Beltig: Florenz und Bagdad. Eine westöstliche Geschichte des Blicks. Bildquelle: Prometheus-Bildarchiv Abb. 1: Miniatur: »Fleischerladen im Basar von Isfahan«, 1590. Museum für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin. Abb. 2: Miniatur: »Die Propheten Moses und Mohammed sowie der Erzengel Gabriel im Gespräch«, 2. Hälfte 16. Jh. Museum für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin. Abb. 3: Innenansicht der Hagia Sophia (Weisheit Gottes). Istanbul (Türkei), 6. Jh. Abb. 4: Hagia Sophia, südliche Galerie. Abb. 1 Abb. 3 kuAktuell Mai 2009 bannen. Wort und Bild verweisen gegenseitig aufeinander, womit eine wechselseitige Beobachtung einhergeht, da das Gemälde ohne Schrift weniger kontrollierbar scheint. Das Heilige wird vorzugsweise durch Metaphern repräsentiert, insbesondere durch Licht. Eine Kunst die Schatten wirft, sollte dabei möglichst vermieden werden. Vor allem die Skulptur beinhaltet einen zu hohen Grad an Materialisierung. Bereits eine kleine Lampe in einer Nische versinnbildlicht die Präsenz Gottes (Abb. 4). Das Bild entsteht dabei nicht auf einer Leinwand, sondern im Kopf des Betrachters.¶ Abb. 4 9 Titel: Islam Auf den Spuren des Islam in der Schatzkammer des Orients Die Große Exkursion nach Syrien und Jordanien – ein Reisebericht ein »Miteinander« der Kulturen zu erleben. Zudem wollten wir das westliche Bild des Orients hinterfragen, zum Teil waren -l-l-a-h-u a-k-b-a-r! Blechern nehmen viele von uns noch nie zuvor in einem vom wir in den frühen Morgenstunden den Islam geprägten Land, und fernab von Alanoch leicht heiseren Gebetsruf des Muez- din und seiner Wunderlampe, fliegenden zins in der nahegelegenen Moschee wahr. Teppichen und verschleierten HaremsdaEs ist das erste der insgesamt fünf Gebete, men, die authentische orientalische Welt zu denen er an diesem Tag noch rufen kennenlernen. wird. Jetzt, kurz vor Sonnenaufgang, liegen die Straßen Aleppos noch ruhig in der Morgendämmerung. Nur vereinzelt huscht ein mit einer Thawb, dem traditionellen Gewand, bekleideter Einheimischer durch die engen Gassen. Unter dem Arm: ein Stapel frischgebackenes, duftendes Fladenbrot. Jetzt sind die Straßen noch fast Ein wahrer Schmelztiegel der Kulturen menschenleer, später werden Touristen- ist die syrische Hauptstadt Damaskus. gruppen, Eselskarren und scheppernde Hier steht die große Omayyaden Moschee, Mofas sich ihren Weg hindurchbahnen… im 8. Jahrhundert auf den Mauern eines und auch wir sind dabei, 25 Geographiestu- römischen Jupitertempels erbaut. Hier denten und unser Professor Dr. Hopfinger, treffen sich auch heute noch Sunniten, die wir für 18 Tage das noch winterliche Schiiten und selbst Christen, in dem mit Deutschland hinter uns gelassen haben Marmorfliesen vertäfelten Innenhof. Ja, und Syrien und Jordanien im Rahmen richtig gelesen.!Auch Christen wird Eineiner Großen Exkursion auf eigene Faust lass gewährt. erkunden und entdecken möchten. Männer haben es hierbei jedoch erhebSyrien – einerseits die Wiege der Kultu- lich leichter als Frauen. Sie müssen nur ren und ein Land, in dem die drei großen am Eingang ihre Schuhe ausziehen. Wir Weltreligionen scheinbar friedlich zusam- Frauen wurden hingegen mit braunen Kutmen leben. Auf der anderen Seite erwartet ten ausgestattet, verbargen bestmöglich, einen die »Achse des Bösen«, »Terroris- unser teilweise verräterisch schimmernmus«, »der Nahost-Konflikt«, »Unterdrü- des blondes Haar hinter einem Schal, der ckung der Frau« oder »der Karikaturen- kurzzeitig als Kopftuch herhalten musste streit«, Schlagwörter, die in den letzten und durften nur so, dick vermummt, die Jahren zuhauf unsere Zeitungstitel mehr Moschee betreten. oder weniger geschmückt haben. Worte, die eher Stirnrunzeln und Besorgnis her- Die zwei großen vorrufen, anstatt zukünftige Urlaubst- Glaubensrichtungen des Islam räume wachzukitzeln. Unser Ziel war es Wie ihr vielleicht wisst, teilt sich der Islam während unserer Reise, sowohl von der in verschiedene Glaubensrichtungen auf. fremdartigen Kultur, Tradition und Reli- Diese basieren auf geschichtlichen Hingion zu erfahren, als auch interkulturelle tergründen und Streitigkeiten um die Begegnungen und Dialoge aufzubauen Nachfolge des Propheten Mohammeds, und somit nicht einen »Kampf« sondern der Berechtigung zur Führung der Umma A 10 (also der islamischen Gemeinschaft) und der Legitimationsfrage islamischer Herrschaft. Die beiden meist vertretenen Richtungen sind die Sunniten und die Schiiten. Die Sunniten bilden mit etwa 90 Prozent die zahlenmäßig größte Gruppierung. Sie unterteilen sich wiederum in die sunnitischen Rechtsschulen der Hanafiten, Malikiten, Hanbaliten und Schafiiten. Die Unterschiede zur zweitgrößten Glaubensrichtung, deren Anhänger als Schiiten bezeichnet werden, liegen in der Überzeugung, auf welcher Grundlage sich die Herrschaft des obersten religiösen Führers (Kalif bei den Sunniten, Imam bei den Schiiten) gründet. Für die Sunniten ist der Kalif ein religiöser Führer, der von seinen Anhängern auf Grund seiner weltlichen, administrativen Fähigkeiten gewählt wird. Für die Schiiten kann der Imam hingegen nur ein rechtmäßiger Nachfolger Mohammeds sein und gleichzeitig auch Nachfolger Alis (des Schwiegersohns Mohammeds). Während der Kalif also nur ein weltlicher Verteidiger der Religionsgemeinschaft ist, stellt der Imam im Glauben der Schiiten ein unfehlbares und vollkommenes geistliches und mit diviner Macht ausgestattetes Oberhaupt dar. Aus diesen Tatsachen ergibt sich, dass innerhalb der schiitischen Gruppierungen dem religiösen Oberhaupt der Gemeinde eine vielfach größere Autorität zukommt, als bei den Sunniten. »Islam« bedeutet ins Deutsche übersetzt, die völlige Hingabe an den einen Gott. Auch hier kann man Unterschiede zwischen sunnitischer und schiitischer Glaubensausübung erkennen. Während den Sunniten nachgesagt wird, ihren Glauben eher moderat und gemäßigt auszuüben, ist bekannt, dass die Schiiten zu einer Verehrung neigen, die manches Mal zu richtigen Trancezuständen während des Gebets führen kann. Allgemein leben Mai 2009 kuAktuell Titel: Islam sie ihren Glauben nach strengeren Richtlinien aus, besonders fallen die Frauen durch ihre meist komplett in schwarz gehaltenen Gewänder auf . Hiervon konnten wir uns auch selbst auf unserer Reise überzeugen. Unweit von Damaskus, befindet sich ein heiliger, schiitischer Schrein und wir hatten es uns zum Ziel gemacht, am Freitag, also an dem Tag, an dem jeder Moslem versucht am Freitagsgebet der Moschee teilzunehmen, ausgerechnet eine schiitische Moschee zu besuchen….Nun ja, für die acht männlichen Teilnehmer unserer Reise müssen es sehr eindrucksvolle Minuten gewesen sein, wir Frauen hatten eher mit unseren Umhängen zu kämpfen, das Haar unter dem hindrapierten Kopftuch zu bändigen und nicht dazu noch über die Umhänge und Schleier der zahlreichen, dichgedrängten Besucher dieses Schreins zu stolpern. Wir hatten doch sehr großen Respekt vor dieser fremdartigen Religion und wollten als Eindringlinge an diesem sehr spirituellen Ort während der Hauptgebetszeit nicht negativ auffallen. Ein wirklich zweischneidiges Erlebnis… Natürlich entdeckten wir im Metzger- Abschiednehmen souk kein frischgeschlachtetes Schweine- Die 18 Tage vergingen für uns wie im Flug, fleisch und stiegen ohne Schwierigkeiten die Rufe der Muezzine waren keine »Highin unserer Ernährung auf Lamm- und lights« mehr, sondern wurden eher zu Zu Besuch beim Großmufti von Damaskus Durch die zahlreichen Kontakte unseres Professors, ergab sich in Damaskus die einmalige Gelegenheit den dortigen Großmufti persönlich zu treffen. Ein Mufti ist ein offizieller Erteiler von islamischen Rechtsgutachten. Er ist also Rechtsgelehrter, der ein islamrechtliches Gutachten (Fatwa) nach juristischen Maßstäben abgibt und dieses gemäß der von ihm befolgten Rechtsschule Schari‘a begründet. Der Mufti spielt also bei der Gestaltung des islamischen Gesetzes eine entscheidende Rolle. Von diesem Treffen kehrten wir einerseits überwältigt von dem modernen, palastähnlichen Gebäude und dem souveränen, staatsmännischen Auftreten des Großmuftis und andererseits beeindruckt von den taktisch geschickten Antworten auf unsere, zum Teil kritisch formulierten Fragen zurück. Das Bild eines überlieferten Islams, fernab von Werbematerial, Internetauftritten und DVDMitschnitten diverser Imamrufe, wurde zumindest an diesem Tag für uns durch ein neues, moderneres Bild ersetzt. Doch kamen wir nicht nur beim Besuch des Großmuftis in Kontakt mit dieser faszinierenden Weltreligion. Tagtäglich stolperten wir über die islamischen Einflüsse. kuAktuell Mai 2009 Verkäufer vor der Omayyaden-Moschee Hühnerfleisch um. Dasselbe galt für alkoholische Getränke. Für den Genuss eines kühlen Bieres zum Beispiel, hätte man auf umständliche Art und Weise spezielle Läden aufsuchen oder in der modernen Neustadt zwischen internationalen Modeketten und Shoppingmalls in einen der westlichen Pubs oder Bars ausweichen müssen. Die meisten von uns zogen dann frische Fruchtsäfte und kühle Pepsi vor… Unterwegs im traditionellen Gewerbeund Einzelhandelszentrum der orientalischen Altstadt, dem Souk, entdeckten wir auch zahlreichen Moscheen, die mehr oder weniger versteckt in dem Gewirr der Gassen und Läden, den Gläubigen Rückzug boten. Und natürlich die Gespräche der Einheimischen, in denen die enge Bindung an Gott ganz selbstverständlich lautstark verkündet wird. Ausrufe wie »Inschallah« (also: So Gott will, auf ein Ereignis in die Zukunft gerichtet), »Hamdullah« (also: Gott sei Dank! Auf ein Ereignis in der Vergangenheit gerichtet) oder »Bismillah« (eine Art, sich Gottes Segen sicher zu sein, bevor man etwas beginnt, egal ob es sich um die Autofahrt oder eine der Mahlzeiten handelt), wurden treue Begleiter unserer Reise. einem vertrauten Ritual im Tagesverlauf. Ein straffes Exkursionsprogramm und viele besondere Erlebnisse, wie das Nachtlager bei einer Beduinenfamilie mitten in der syrischen Steppe, fernab von Dusche und Ledercouch, oder in einem alten ökumenischen Kloster, sowie offizielle Treffen mit dem Tourismusminister Syriens oder dem Stellvertretenden Deutschen Botschafter, ließen die Tage schneller vergehen, als uns allen lieb war. Syrien und Jordanien werden uns allen jedenfalls sehr eindrucksvoll in Erinnerung bleiben. Wir haben zwei Länder mit sehr liebenswürdigen, hilfsbereiten und herzlichen Einheimischen kennenlernen dürfen, weit entfernt von Islamismus und den Schreckensnachrichten. Nicht umsonst heißt ja auch ein altes syrisches Sprichwort: »Jeder Mensch hat zwei Heimaten. Die Seine und Syrien …«¶ Sabine Weisel. Sabine studiert im 7. Semester Diplom-Geographie und nahm an der Großen Exkursion nach Syrien und Jordanien im Frühjahr 2009 teil. 11 Titel: Islam Die Fremdwahrnehmung der Türkei in Europa: Gegner und Verfechter des türkischen EU-Beitritts D ie veränderlichen Beziehungen zwischen den europäischen Staaten und dem Osmanischen Reich, bzw. der Türkischen Republik haben auch das Türkenbild im Laufe der Zeit verändert. Die Medien, besonders die visuellen Medien waren sehr wirksam bei der Einprägung und Ausbreitung des Türkenbildes. Sie sind es heute noch. […] Aber die Neigung des Menschen, zu verallgemeinern oder zu reduzieren führte leicht zur Bildung von negativen Klischees gegenüber den Anderen/Türken, die schwer zu überwinden sind. Gerade im Zusammenhang mit dem EUBeitritt lastet dieses von der Komparatistikprofessorin Nedret Kuran-Burçoğlu negativ skizzierte Bild auf der Türkei. Die Gegner einer Vollmitgliedschaft der Türkei – auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zählt zu ihnen – werfen dem EUAnwärter unter anderem Versäumnisse in der Zypernfrage vor. Ohne eine Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit dem griechischen Südteil der Insel sowie die Öffnung der türkischen Häfen für die EU auf Zypern wird es zu keiner EU-Aufnahme der Türkei kommen. Im Fokus der Öffentlichkeit steht ebenfalls die Menschenrechtsfrage in der Türkei. Dem Land wird vorgeworfen, mit dem Artikel 31 des Strafgesetzbuches, dem so genannten »Türkentum-Paragraph«, die Meinungsfreiheit zu unterbinden. Bevor der Paragraph im April 2008 abgeschwächt, jedoch nicht abgeschafft wurde, gab es mehrere Anklagen von nationalistischen (Staats-) Anwälten, die sich auf diesen Paragraphen beriefen und dem Angeklagten »Verunglimpfung des Türkentums« vorwarfen. Unter Anderem wurde auch gegen Orhan Pamuk Klage eingereicht nachdem er sich in der Öffentlichkeit kritisch über die Massenmorde an den Armeniern im Ersten Weltkrieg geäußert hatte. Dieser Vorfall spiegelt ebenfalls die Minderheitenproblematik in der Türkei wider, zu der auch die ungeklärte Kurdenfrage zählt. Immer wieder wurden seit der Gründung der Kurdischen Arbeiterpartei durch Abdullah Öcalan im Jahre 1978 Anschläge gegen den türkischen Staat verübt mit dem Ziel, einen unabhängigen Kurdenstaat bzw. 12 eine Autonomie auf türkischen Staatsboden zu erhalten. All diesen negativen Wahrnehmungen zum Trotz gibt es durchaus auch europäische Befürworter eines EU-Beitritts der Türkei. Zum einen betonen diese die wirtschaftlichen Vorteile, die sich durch eine Erweiterung in Richtung Osten ergeben würden. Das Land verbindet die kaspischen und mittelöstlichen Energiequellen mit Europa. Durch eine Aufnahme in die EU wäre in Bezug auf die Energieversorgung eine größere Unabhängigkeit von Russland gewahrt. Des Weiteren stellt die vergleichsweise junge türkische Bevölkerung eine Bereicherung für die zunehmend überalterte europäische Gesellschaft dar. Europa braucht auch immer mehr Arbeitskräfte. Durch den EU-Beitritt der Türkei würde der Zuzug von geeignetem Personal erleichtert und die Aufrechterhaltung des sozialen Gleichgewichts gefördert werden. Nicht zuletzt sei jedoch die immanente geostrategische Lage der Türkei in Bezug auf die Sicherheitspolitik erwähnt. Die Türkische Republik ist für Europa eine wichtige Brücke in den Nahen Osten und in die arabisch-islamische Welt. Sie trägt somit unweigerlich zur Stabilisierung dieser Region bei. Als NATO-Mitglied ist die Türkei bereits seit mehreren Jahrzehnten an der Seite von den Vereinigten Staaten als militärischer Partner aktiv im Einsatz. Gesellschaft: Islamisten, Terroristen, Geheimdienstler, Polizisten und Militärs, aufrechte Kemalisten und Vorbeter von Koranschulen, schöne Frauen und heruntergekommene Schauspieler. […][Der] Roman von Pamuk beschenkt uns mit einer akribischen, fast haushälterisch genauen Beschreibung seines Landes – letztlich der Zerrissenheit dieses Landes zwischen Tradition und Moderne, zwischen zwei Zivilisationen, zwei Religionen, zwei Haltungen, der islamischen und der westlich-atheistischen, der mystischen und der technikgläubigen Pamuks Roman spielt in Kars, einer verschneiten, ostanatolischen Provinzstadt, Anfang der neunziger Jahre. Erzählt wird der Roman von einem Ich-Erzähler, einem Freund des Protagonisten Ka. Ka ist ein türkischer Schriftsteller aus Istanbul, der lange Zeit im deutschen Exil gelebt hat. Er kommt nach Kars um über den Selbstmord mehrerer verschleierter muslimischer Mädchen zu schreiben. Es wird vermutet, dass die Selbstmorde in Zusammenhang mit dem kürzlich erlassenen Kopftuchverbot an Schulen und an der Pädagogischen Hochschule stehen, von denen die Selbstmörderinnen verwiesen worden sind, weil sie dieses Verbot nicht einhalten wollten. Des Weiteren will Ka über die anstehenden Bürgermeisterwahlen berichten, bei denen der islamistischen Wohlfahrtspartei Orhan Pamuks Roman Schnee große Gewinnchancen prognostiziert werals Spiegelung der türkischen den und seine große Jugendliebe treffen, Gesellschaft um sie nach Deutschland mitzunehmen. Der 1952 in Istanbul geborene Romancier Während des dreitägigen Aufenthaltes und Essayist Orhan Pamuk möchte in sei- besucht der Schriftsteller jedoch nicht nur nen Werken jedoch nicht nur den Teil der die Familien der Selbstmörderinnen und türkischen Bevölkerung hervorheben, die den Bürgermeisterkandidaten der Wohlwie er aus einem westlich geprägten und fahrtspartei, sondern trifft auch Männer privilegierten Milieu stammen. Sein in der und Frauen jeglicher politischer und reliTürkei 2002 erschienener Roman Schnee, giöser Strömungen, sowie verschiedener Pamuks größtes politisches Werk, lässt Volksgruppen. auch all jene türkischen BevölkerungsDem Titel des Buches kommt eine besongruppen in seinem Roman auftreten, die dere Bedeutung zu. Der türkische Titel Kar in Europa kaum Gehör finden. (Schnee) ist nicht nur eine Anspielung auf Der Lyriker und Intendant der Berliner die Stadt Kars und den Protagonisten Ka. Festspiele, Joachim Satorius, der längere Denn der Schnee spielt für Pamuk eine Zeit in Istanbul lebte, fasst Pamuks Roman zentrale Rolle: zum Einen steht er für die Schnee wie folgt zusammen: kalte, strenge politische Welt in der Türkei Das Personal im Roman Schnee […] und zum Anderen ist er ein Sinnbild der ist ein Aufriss der heutigen türkischen Poesie, eine Art Wunder. Mai 2009 kuAktuell Titel: Islam Die Romanfiguren: ihre Selbstwahrnehmung und ihre Stellung zu Europa als Schauplatz des Romans von Pamuk gewählt. Wie es für die beiden Romanfiguren Die Äußerungen diverser Romanfiguren nicht leicht ist, sich in der Provinzstadt aus Schnee spiegeln die divergierenden Kars für einen Platz der Türkei in Europa Einstellungen der Türken zu Europa wider. auszusprechen, so ist es in der heutiGleichzeitig geben sie uns aufschlussreiche gen Türkei ebenfalls nicht leicht, sich zu Einsichten in ein Land, das von Außen nur Europa zu bekennen. Die türkische Sichtschwer zu begreifen ist. Dieser Gedanke weise für einen EU-Beitritt der Türkei und wird in einem Dialog zwischen einem die damit verbundene Problematik fasst jungen türkischen Mann, ein ehemaligen Orhan Pamuk in »Der Blick aus meinem Koranschüler, und dem Ich-Erzähler, der Fenster« in einer emotional geladenen die Züge Orhan Pamuks trägt, zur Sprache Äußerung zusammen: gebracht: Der Anhänger der Verwestlichung »Wenn Sie mich in einem Roman vorkom- schämt sich zunächst, weil er kein Euromen lassen, der in Kars spielt, dann möchte päer ist. Dann schämt er sich für das, was ich dem Leser sagen, er soll nichts von dem er unternommen hat, um Europäer zu werglauben, was Sie über mich, über uns alle den (allerdings nicht immer). Er schämt geschrieben haben. Keiner kann uns aus sich dafür, daß er das, was er unternomder Ferne verstehen.« men hat, um Europäer zu werden, nicht »Es glaubt sowieso keiner so einen zu Ende geführt hat. Er schämt sich, daß Roman.« er seine eigene Identität verliert, weil er »Doch, sie werden das glauben«, sagte er Europäer werden will. Er schämt sich, weil erregt. »Um sich selbst klug, überlegen und er eine eigene Identität hat und weil er human zu finden, werden sie glauben wol- keine eigene Identität hat. Er schämt sich len, daß wir lächerlich und nett sind und für diese Gefühle der Scham, die er von daß sie uns so verstehen und sympathisch Zeit zu Zeit akzeptiert und die von Zeit zu finden können. Aber wenn Sie das, was Zeit heftiger werden. Er schämt sich dafür, ich jetzt sage, schreiben, bleibt bei ihnen daß über diese Schamgefühle überhaupt wenigstens ein Zweifel zurück.« (S. 511) gesprochen wird (S. 84). Nicht nur in Bezug auf den EU-Beitritt nehmen viele Türken die im Dialog erwähnte Überlegenheit des Westens wahr, die sich in Ressentiments gegenüber Europa äußert. Deswegen wählte Pamuk nicht zufällig für das 31. Kapitel seines Romans den provozierenden Titel »Wir sind nicht dumm, wir sind bloß arm« und lässt dort neben einigen EU-Befürwortern hauptsächlich EU-Gegner auftreten. Auch an anderen Stellen des Romans wird deutlich, dass eine wachsende Anzahl von Türken sich dagegen wehrt, als Volk zweiter Klasse abgestempelt zu werden. Sie wollen nicht aufgrund einer radikalen Assimilation an europäische Standards ihre eigene Kultur aufgeben. Wie bereits erwähnt wurde, nimmt Pamuk neben Islamisten verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen wie Kemalisten, Kurden, Koranschüler etc. in seinen Roman auf. All diese Gruppen spiegeln das in der Türkei vorherrschende WirGefühl wider, d.h. den Zusammenschluss zu Gemeinschaften mit unterschiedlichen politischen und religiösen Ansichten. Gerade in den ländlichen Gebieten kommt dieses Gefühl stark zum Ausdruck. Die Stadt Kars wurde gerade deswegen kuAktuell Mai 2009 Aussichten Ob nun die Türkei in die EU aufgenommen wird oder nicht, wird wohl noch länger ein strittiges Thema in Europa und der Türkei selber bleiben. Erst Anfang 2008 war der türkische Ministerpräsident und eigentliche EU-Befürworter Recep Tayyip Erdoğan mit einem drohenden Verbot seiner Regierungspartei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) negativ in die Schlagzeilen gekommen Seiner Partei wurde vorgeworfen, in der Kopftuch-Frage in öffentlichen Gebäuden gegen das kemalistische Prinzip des Laizismus verstoßen zu haben. Im September dieses Jahres gab es jedoch im Rahmen des türkisch-armenischen WMQualifikationsspiel eine bis dato einmalige diplomatische Annäherung der Türkei an seine armenischen Nachbarn. Als erster türkischer Staatspräsident bereiste Abdullah Gül auf Einladung des armenischen Staatspräsidenten Sersch Sarkisjan das Land, um gemeinsam das Fußballspiel anzusehen Auch wenn dies noch keine offizielle türkische Anerkennung des Völkermordes an 1,5 Millionen Armeniern im Ersten Weltkrieg zur Folge hatte, so stellt diese Geste einen ersten Schritt der Türkei auf ihrem Weg nach Europa dar. Die Wahl Istanbuls als europäische Kulturhauptstadt 2010 wird sich sicherlich ebenfalls in den nächsten zwei Jahren positiv auf den Europäisierungsprozess der Türkei auswirken. Bis 2010 soll auch das von Orhan Pamuk geplante »Museum der Unschuld« – ein Museum mit Ausstellungsstücken zu seinem gleichnamigen 2008 erschienen Roman – in Istanbul fertig gestellt werden. Nicht nur die Nachricht, dass Orhan Pamuks Heimatstadt Istanbul zur europäischen Kulturhauptstadt gewählt wurden, sondern auch die Tatsache, dass Orhan Pamuks Literatur spätestens seit der Verleihung des Nobelpreises für Literatur für seinen Roman Schnee als Weltliteratur angesehen wird und somit auch zur europäischen Literatur zählt, lässt darauf hoffen, dass sich diese Fortschritte in der türkischen Europapolitik fortsetzen.¶ Angela Szegedi Quellen • Pamuk, Orhan (2006): In Frankfurt und in Kars. Preisrede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises 2005 des deutschen Buchhandels in Frankfurt. In: Pamuk, Orhan: Der Blick aus meinem Fenster. München [u.a.]: Carl Hanser Verlag. • Sartorius, Joachim (2006): Die Welt im Bild des Dichters. Orhan Pamuks Beschreibungen der modernen Türkei. In: Haustein, Lydia: Modell Türkei? Ein Land zwischen Religion, Militär und Demokratie. Göttingen: Wallstein Verlag, S. 104. • Strittmatter, Kai (2008): FußballDiplomatie. In: Süddeutsche Zeitung 209, 8. 9. 2008, S. 7. • Tibi, Bassam (1998): Aufbruch am Bosporus. Die Türkei zwischen Europa und dem Islamismus. München [u.a.]: Diana Verlag. • 8 www.zeit.de/online/2008/31/ak p-verbot-abgelehnt-politischer-siegfuerdogan-2 13 Titel: Islam La terreur dans l’Histoire De la peur à la terreur : origine et sens d’un mot L’avènement de la dimension politique de la terreur Dieser Artikel lag wegen ÜberarLa première utilisation du mot terreur En 1793 s’établit en France le régime de La beitung der Redaktion zu Redak(emprunté au latin classique dans son sens Terreur, terme qui consacre l’avènement tionsschluss noch nicht übersetzt originel d’effrayer) a lieu en Provence en d’une dimension politique du mot terreur. vor, wird aber in Bälde in deutscher 1536. Le phénomène abstrait désigné par Son origine est aujourd’hui encore une Sprache auf der Website von kuAkce mot existe en réalité depuis le début de source de controverse historique. tuell erscheinen. l’humanité puisqu’il va de pair avec l’évoluCertains historiens comme Patrice Guetion des violence physiques et psychiques niffey, pensent que la philosophie contracqui s’abattent sur l’Homme lors des « Quelle que soit l‘importance des armes, ce « Il restera toujours la peur. Un homme peut dans les départepersécutions reli- n‘est pas en elle, Messieurs les Juges, que détruire toute chose en lui-même, l’amour, ments des reprégieuses, des guer- réside notre force. Non ! Ce n‘est pas l‘aptila foi, la haine, et même le doute, mais aussi sentants chargés de res, des pillages, tude des masses à tuer, mais leur disposition longtemps qu’il tient à la vie, il ne peut pas contrôler le pays. des massacres, des à mourir, qui garantira en dernier ressort la détruire la peur. » La suite de cette grandes épidémies victoire de la révolte du peuple. » — Joseph Conrad période sanglante ou même de l’appa- — Léon Trotsky est mieux connue. rition dans la reliDans son résumé gion chrétienne de du livre de l’histola notion punitive rien Patrice Guenifd’enfer qui dépossède l’Homme de l’assu- tualiste de Jean-Jacques Rousseau, qui fey, Les origines de la Terreur, une étudiante rance du paradis. inspire de nombreux députés dont Robes- en sciences politiques écrit: Pleinement reliée à la dimension pierre, porte déjà en elle les germes de « La Terreur est le produit dynamique de la humaine de vie et de mort physique et la Terreur : la notion d’un contrat social Révolution française, et peut-être de toute spirituelle, la terreur possède deux com- garant des libertés indivuelles justifie les Révolution. En effet, la Révolution franpensantes omniprésentes : la violence et la mesures d’exception ; la liberté des instituçaise se traduit en arrachement à l’ordre peur. Cette dernière a le pouvoir de tétani- tions fonde le caractère exceptionnel de la social préexistant par la volonté humaine ser notre sensibilité et donc de paralyser suspension provisioire de la liberté. et par la raison. La légitimité n’est plus partiellement notre conscience. Pour d’autres historiens comme Timofondée sur la tradition et les usages, elle Cette peur dont la Terreur émane a aussi thy Tackett, l’origine réelle de cette période appartient alors à ceux qui se maintienune histoire comme nous le rappelle Corey énigmatique qu’est la Terreur est la tentanent à la pointe extrême du combat contre Robin dans son ouvrage La Peur : Histoire tive de fuite du Roi à l’étranger le 25 juillet les ennemis et les traîtres. L’opposition d’une idée politique : 1791. Les écrits racontent que lors du pasdevient alors une erreur puis un crime face « La peur, lorsqu’elle surgit – le 11 septembre sage du carrosse royal dans Paris, suite à à la volonté générale. » l’a encore montré –, est nimbée d’un halo son arrestation à Varennes, l’ambiance est Au final, les lois pénales et d’urgence de présupposés intellectuels, dont certains lugubre, le peuple est silencieux, atterré censées mener la France vers une Constidatent de plusieurs siècles, qui façonnent que le Roi ait pu tenter de fuir. Certains tution envoient à la guillotine 16 594 nos perceptions et nos comportements. En sont armés de couteaux, de sabres. Le personnes, dont 31 % d’ouvriers, 28 % de tant qu’objet du débat public, la peur prend peuple français se détache de la figure paysans, 25 % de bourgeois, 8,5 % d’aristoforme au sein des élites politiques et cultu- paternaliste du Roi qui lui était pourtant crates et 6,5 % de prêtres. La volonté d’imrelles, qui suivent elles-mêmes dans cette chère. C’est l’incompréhension totale face poser par la force les notions républicaines voie les élites qui les ont précédées. » à cette trahison, à ce complot aristocrati- de Liberté, d’Égalité et de Fraternité, finit Si la peur a une histoire, il ne fait pas de que officialisé. Selon Tackett, c’est à partir dans un bain de sang “terrible”. Le droit et doute que la terreur aussi. de ce moment là que l’Assemblée, de peur la morale n’ont pas fait bon ménage. Au 18è siècle, l’emploi du mot se per- que cet épisode conspirationiste du Roi sonnifie : « une terreur » vient désigner menace concrètement la Révolution, va Quelle est l’originalité de La une personne responsable de l’asservisse- commencer à déveloper un autoritarisme Terreur durant la Révolution ment et des malheurs de la population ; en croissant des pratiques de gouvernement française ? France c’est le Roi Louis XVI que l’on dési- et de contrôle des administrations publi- Si Terreur et violences semblent indissogne ainsi. ques ainsi que des citoyens pour mesurer ciables, le récit des violences intenses de l’état de l’opinion publique. Les Consti- la Terreur a souvent servi à la stigmatiser tuants acceptent de prendre des mesures en tant que “Terreur”. Pourtant la Terreur parfois hors de la légalité, de procéder à n’est pas identifiable à un emploi spécifiune première levée en masse et d’envoyer que de violences. La monarchie précédem14 Mai 2009 kuAktuell Titel: Islam ment, l’Empire ensuite, mais aussi la Restauration, notamment dans le début de la colonisation, ont recouru à des violences, judiciaires ou militaires, qui n’ont rien à envier à celles qui eurent lieu pendant “la Terreur”. En fait, pour la première fois dans l’Histoire, les mesures “terroristes” semblent légitimées par un consentement populaire implicite dans la représentation, Cet épisode témoigne pour la première fois des dérives du pouvoir politique représentatif et de l’unanimité de la volonté générale dans un système se voulant démocratique. Certes, le régime de “La Terreur” et son procédé politique sont fondés sur la peur, sur l’emploi des mesures d’exception et de la violence. Cependant, la dictature politique est relayée par le peuple : les comités révolutionnaires, institués dans chaque commune, sont chargés de délivrer des certificats de civisme, de dresser la liste des suspects et de procéder aux arrestations. La Terreur touche l’individu dans ses relations quotidiennes, ce qui fait émerger celle qu’il a déjà en lui et qui est remise en scène. En 1794, on utilise la notion de terrorisme imputée au régime. Puis celle de terroriste attribuée à ses partisans et à ses agents et enfin l’anti-terrorisme en réaction aux journées révolutionnaires du Thermidor et tout particulièrement aux Conventionnels du 27 juillet 1794. Par extension, les termes terrorisme et terroriste s’appliquent aujourd’hui à l’emploi systématique de mesures violentes dans un but politique et très couramment à des actes de violence exécutés pour créer un climat d’insécurité. demeure la plus connue de toutes, et, à mon sens, la plus réaliste dans sa description des processus à l’oeuvre dans les régimes de terreur totale du 20ème siècle. Dans son livre La Peur : Histoire d’une idée politique, Corey Robin écrit à ce propos: « Ce qui est remarquable dans le regard d’Arendt sur les victimes des camps, c’est qu’il rejoint celui qu’elle porte sur la masse en général. Dans les camps, les hommes n’ont ni identité, ni volonté, ni indiviudalité. Ils sont réduits, malgré leur diversité, à l’espèce: l’Homme. Non seulement les individus disparaissent, mais leur souvenir également ; leur mort est aussi anonyme que leur vie. Chacun de ces éléments caractérise aussi la société de masse. C’est comme si les victimes des camps ne faisaient qu’expérimenter une mort dans la vie qui n’est qu’un peu plus épouvantable que celle qu’ils vivaient en dehors des camps. “L’extermination arrive à des êtres humains, qui, en pratique, sont déjà ‘morts’”, écritelle. C’est ainsi qu’Arendt considère les existences brisées de la société de masse. Pour cette raison, conclut-elle, “la terreur est parfaitement adaptée à la situation de masses toujours plus nombreuses”. Comme Montesquieu, Arendt a ainsi été amenée à suggérer que la terreur totale possède un ressort souterrain, que les individus de la société de masse ont laissé au repos tout au long du XIXè siècle pour s’abandonner déséspérement à son travail de destruction au siècle suivant. La civilisation et l’humanité, écrit-elle à plusieurs reprises, sont des édifices d’une hauteur inaccessible ; la terreur totale, elle, oeuvre dans les bas-fonds. (…) La terreur totale s’épanouit dans le démantèlement de Quelle a été l’évolution de l’oeuvre complexe et grandiose de la civilil’utilisation du terme “terreur” sation, dans la destruction de siècles d’efde la Révolution française à forts au nom d’un dessein créateur. Si elle nos jours ? n’est pas, à proprement parler, naturelle, Par extension à cette période de la Révolumais l’alliée d’une conception idéologique tion française, les termes “terrorisme” et de la nature, la terreur totale fraternise “terroriste” s’appliquent aujourd’hui à l’emdans avec celle-ci et se nourrit du désir de ploi systématique de mesures violentes l’individu de s’immerger tout entier dans dans un but politique et très couramment l’anonymat de son mouvement sans fin. à des actes de violence exécutés pour créer Comme nous le verrons, Arendt espérait un climat d’insécurité. que la lutte contre la terreur totale devienEn science politique, c’est la théorie drait le grand dessein contre-nature d’une d’Hannah Arendt, qu’elle exprime dans humanité régénérée. (…) son livre Les origines du totalitarisme, qui kuAktuell Mai 2009 Sansculottes (Source: Wikipedia) En soulignant que les exécuteurs de la terreur totale partagent le destin et les traits caractéristiques de ses victimes, Arendt élargit la perspective ouverte par Montesquieu, en même temps qu’elle s’en détourne. D’un côté, elle abolit la distinction que le penseur français faisait entre le terrorisé et le terroriste, invalidant l’idée que la terreur vise à satisfaire le plaisir de celui qui la met en oeuvre. De l’autre, elle porte sur les bourreaux le même regard que Montesquieu sur les victimes, pour affirmer que la terreur totale fait de tous ses protagonistes, bourreaux et victimes, les jouets impuissants d’une existence prédestinée. Ce faisant, elle développe une intuition de Montesquieu selon laquelle la terreur n’est “pas tant quelque chose que les hommes peuvent redouter qu’un mode de vie.” La terreur totale n’est pas politique: ce n’est ni un instrument de gouvernement, ni un moyen au service d’une fin. Elle exprime en réalité les penchants les plus profonds d’une humanité ravalée au rang de bête. Si la terreur totale est plus effrayante que la terreur despotique, c’est parce qu’Arendt pousse la théorie de Montesquieu jusqu’à son aboutissement logique : la terreur totale est son propre seigneur et maître, et des individus aussi puissants que Hitler et Staline, ses simples instruments. (…). » Aujourd’hui le sens des expressions “terreur” et “terrorisme” dans le language commun a bien changé. A la Terreur étatique, répond le terrorisme d’individus, arme utilisée par des groupes organisés, généralement minoritaires, pour faire triompher leurs idées ou revendications. Ce procédé marque la naissance de deux terrorismes, l’un exercé au nom d’une doctrine révolutionnaire, l’autre exprimant la lutte pour la reconnaissance politique ou religieuse. Les réseaux terroristes organisent des individus pour frapper les populations 15 Titel: Islam au hasard et en grand nombre – grâce à la vulgarisation des technologies –, comme ce fut le cas à New-York ou à Madrid. La difficulté de définition du terrorisme dans sa forme actuelle La page wikipedia consacrée au terrorisme rend bien la complexité de définition du phénomène. Une fois n’étant pas coutume, j’ai donc décidé d’en retranscire les passages les plus intéressants ci-dessous : « Une étude de l’armée américaine datant de 1988 a recensé plus de 100 définitions du mot “terrorisme”. Le terrorisme est un crime dans la plupart des pays et il est parfois défini dans les textes légaux. Des principes communs parmi les définitions légales du terrorisme font émerger un consensus sur la signification du concept et alimentent la coopération entre les personnels de police de différents pays. Ces principes communs situent le terrorisme quelque part entre un acte de guerre en temps de paix et un crime de guerre commis par un organisme non étatique. Parmi ces définitions, plusieurs ne reconnaissent pas la possibilité de l’utilisation légitime de la violence par des civils dans un territoire occupé et catalogueraient ainsi tous les mouvements de résistance comme groupes terroristes. D’autres font une distinction entre un usage légal ou illégal de la violence. Au bout du compte, la distinction est un jugement politique, qui ne peut être que biaisé par la conviction que ‚le criminel c’est l’Autre‘. La définition du terrorisme est de façon inhérente sujet à controverse. L’utilisation de la violence à des fins politiques est commune aux états et aux groupes non-étatiques. La difficulté est d’arriver à un accord sur une base déterminant quand l’usage de la violence (dirigée par qui, contre qui et pour quoi) est légitime. La majorité des définitions en usage ont été élaborées par des organes directement associés à un gouvernement, et ont un biais systématique excluant les gouvernements de la définition. Certaines de ces définitions sont si larges, comme le “Terrorism Act 2000”, qu’elles incluent la perturbation d’un système informatique sans intention ou conséquence violente. L’étiquette contemporaine de “terroriste” est hautement péjorative; c’est un signe qui dénote un manque de légitimité et de moralité. Il est important pour les groupes terroristes d’être accepté comme autre 16 chose qu’un groupe terroriste. Des groupes qui se définissent eux mêmes comme terroristes sont donc pratiquement inconnus. Il est tout aussi important pour les opposants à un tel groupe que l’étiquette de “terroriste” soit appliquée. L’appellation “terroriste” est donc toujours contestée. Les tentatives pour définir le concept soulèvent invariablement des débats parce que des définitions rivales peuvent être employées en vue d’inclure les actions de certains partis, et d’exclure celles des autres. » Dans son livre Les origines du terrorisme de 2001, le professeur et intellectuel américain d’origine palestinienne Edward W. Saïd dénonce le flou autour de cette notion : « “Terrorisme” est devenu synonyme d’antiaméricanisme, qui a son tour est devenu synonyme de critique des Etats-Unis, qui à son tour est devenu synonyme d’antipatriotisme. C’est une série d’équations inacceptable. Et je pense qu’il faudrait retourner, par exemple, aux débats des Nations-Unies dans les années 1970 sur ce qu’est vraiment le terrorisme. Je veux dire par là qu’on ne peut pas dire que les mujahideen en Afghanistan qui combattaient les Soviétiques en 1980 étaient des “combattants de la liberté”, et dire, maintenant qu’ils essayent de se défendre contre l’incursion d’autres pays en Afghanistan, qu’ils sont des terroristes. En particulier puisqu’il semble il y avoir une guerre à moitié déclarée contre les Talibans, qui ne sont cependant pas des gens très attirants. Je pense que la définition de la terreur et du terrorisme doit être plus précise, pour que nous puissions, en tant que Nations, faire une différence nette par exemple entre ce que les Palestiniens font pour combattre l’occupation militaire israélienne en place depuis maintenant 25 ans, et la sorte de terrorisme qui a aboutit aux attaques du World Trade Center. Par ailleurs, il ne faut pas oublier que le terrorisme d’Etat existe toujours. » « Il est très facile de faire des généralisations sauvages sur l’Islam. Tout ce qu’il suffit de faire c’est lire n’importe quelle édition de la New Republic (magazine américain) pour voir l’Islam associé au démon radical, et l’idée que les arables ont une culture dépravée, etc. Ce sont des généralisations impossible à faire sur quasiment aucune autre religion ou groupe ethnique dans le monde aujourd’hui, et notamment aux Etats-Unis où il y a une grande sensibilité, à juste titre, envers les Africains-américains, les Asiatiques-américains, les Latino-américains, et ainsi de suite. Mais ici cette pensée persiste, et une des raisons principales de sa persistance a été l’absence d’un réel engagement de la part des musulmans et des arabes dans ce débat. » En France, cela n’a pas été le cas. Très tôt, l’écrivain, poète, et professeur de littérature Abdelwahab Meddeb, a voulu faire connaître l’Islam en occident pour faire comprendre La maladie de l’Islam qu’est selon lui l’intégrisme. Meddeb souhaite arriver à faire comprendre les évènements qui ont forgé l’histoire duale et duelle de l’Islam. Pour ce faire, il analyse tout d’abord l’opposition radicale entre les Mo’tazalites, (mouvement “rationaliste” qui conteste quelques dogmes fondamentaux de l’interprétation intégriste du Coran) et les originels “traditionnalistes” (courant qui donnera naissance aux wahhabites d’Arabie Saoudite). Sur le site vox-populi.net, Jean Christophe Grellety, analyste de questions religieuses, commente la démarche intellectuelle de cet auteur : « Meddeb, ce citoyen appartenant à la “communauté des croyants”, ose exposer une analyse globale qui met en cause l’appropriation du Coran par quelques intégristes. Preuve de courage et d’engagement de la part d’un homme, profondément croyant, confronté à la logique totalitaire dominante de certains pays : l’Afghanistan des Talibans, l’Arabie Saoudite, l’Iran … (…) Au nom de quelques versets, des torches humaines d’Al-Qaeda sont mortes, L’amalgame entre Islam et Oussama Ben Laden ayant su les convainterrorisme. cre que leurs sacrifices agréeraient Allah et Depuis les attentats du 11 Septembre 2001, qu’ils entreraient ainsi dans la maison des le Coran et le monde islamique sont logiélus : “Dar es Salam”. Si Meddeb nous préquement au cœur de l’attention des pays sente par ailleurs quelques hommes dont le occidentaux, gouvernements et citoyens doux caractère et la volonté de commercer réunis. avec leurs frères humains réside dans une Dans l’entretien avec Edward Saïd prétolérance qui satisfasse l’image d’une piété cédemment cité, le professeur américain sincère, digne d’admiration et d’imitation, explique très clairement le problème, vu il reconnaît que ces hommes ne dominent depuis les Etats-Unis : pas l’Islam du haut de leur stature spiriMai 2009 kuAktuell Titel: Islam Le Pentagone en feu. (Source Wikipedia) tuelle. Comme il l’admet à regret, “le jour même où les deux Tours de New-York se sont effondrées (…) les télévisions ont montré des scènes de liesse en Palestine, au Liban (…)”. Il ajoute : “je sais que de telles images émanent un sentiment et une émotion partagés par nombre de sujets appartenant aux masses d’islam”. Sentiments effroyables, qui justifient qu’il “essaie de comprendre par quelles épreuves ou par quelle éducation est passé le sujet capable de se réjouir du crime”. Dépassant ce Coran devenu funambule, se maintenant en équilibre entre tolérance, intolérance, sérénité, amour et volontés meurtrières, Meddeb tente d’unifier une critique et une compréhension causaliste de l’Islam. Puisqu’il n’est pas encore tout à fait certain que notre siècle “sera religieux ou ne sera pas”, il s’agit également pour lui de constater et de reconnaître que les Musulmans en colère ont des raisons de l’être. A défaut d’être intelligibles si celles-ci doivent les enjoindre à s’engager sous la bannière d’un Djihad mondial, elles ont une pertinence : les Islams seraient l’objet d’agressions symboliques dans un monde dominé par les affaires judéo-palestiniennes et par les triomphes de l’hyperpuissance américaine. De même, le dernier chapitre, “l’exclusion kuAktuell Mai 2009 de mots comme otage, attentat. La notion de terrorisme est maintenant réduite aux actions qui suscitent la terreur. On s’intéresse très peu aux hommes ni aux causes mais aux passages à l’acte, ce qui permet une condamnation totale de ces derniers et justifie le contreterrorisme. Dans son travail intitulé Du bon usage de la terreur d’avril 2008, le chercheur de l’INFRI Marc Hecker écrit : « En mars 1986, peu après l’attentat contre la galerie Point Show des Champs Elysées, Charles Pasqua, alors ministre de l’Intérieur français déclare : “Il faut que la peur change de camp […]. Il faut terroriser les terroristes”. Cette petite phrase suscite aussitôt des vocations. En 2000, Vladimir Poutine se dit résolu à “buter les terroristes jusque dans les chiottes”. Quant à Moshé Yaalon, ancien chef d’état-major de Tsahal, il affirme, dans un article intitulé “Israël : terroriser les terroristes” qu’il faut traquer L’ambiguïté de la lutte contre les terroristes “jusque dans leur lit” et les le terrorisme éliminer physiquement quand leur arresEn 1960, le champ lexical du mot “terreur” tation est impossible. » s’élargit avec l’appartion de la notion de Tout cette pensée est transformée en contre-terrorisme qui utilise des moyens politique générale lorsque Georges Bush analogues à ceux des terroristes et qui s’ap- lance, après les attentats du 11 septembre, plique au contexte national et internatio- le processus de guerre des démocraties nal, en relation avec les valeurs nouvelles contre le terrorisme et la terreur en déclaoccidentale de l’Islam”, est ainsi l’occasion pour Meddeb de déterminer ses modalités et son ampleur. Par exemple, la légende des “Assassins”, serviteurs de Hassan-i Sabbâh, mérite bien un tel qualificatif alors même que l’Occident en a fait l’objet de récits prétendument historiques, même si Meddeb finit par admettre qu’il s’agit bien d’un mouvement politique réel, ayant donné naissance au “terrorisme”. Ouvrage à tiroirs, “La maladie de l’Islam” peut ainsi satisfaire le lecteur occidental qui se familiarisera avec 14 siècles de culture mahométane, tout en s’adressant aux musulmans qui y trouveront une critique raisonnée et prudente des Islams. Ce livre ouvre avec sérieux et passion l’espace d’un dialogue sur les principes et les caractéristiques de nos histoires qui se confondent l’une l’autre. Un pont entre deux cultures … » 17 Titel: Islam rant : « quiconque abrite des terroristes doit craindre les Etats-Unis et le reste du monde. » Marc Hecker poursuit: « Utiliser le terme générique de terroriste permet de jeter le discrédit sur l’ennemi et d’affirmer clairement que coopérer avec ce dernier revient à franchir une ligne rouge. Toutefois, ce terme est vague et recouvre une réalité si diverse – rebelles engagés dans une guerre révolutionnaire essentiellement rurale, guérilleros urbains, jihadistes posant sporadiquement des bombes dans des métropoles, etc. – qu’il paraît pour le moins difficile d’établir une doctrine générale pour lutter contre les “terroristes”, y compris en ce qui concerne la mise en oeuvre éventuelle d’une stratégie ou de tactiques utilisant des moyens de terreur. “Terroriser les terroristes” est donc une expression sibylline dont le manque de clarté tient à l’imprécision des mots “terroriste” et “terroriser”. La fermeté sonore de la formule peut avoir pour seule fonction de rassurer les civils. Quand le ministre de l’Intérieur (Charles Pasqua) l’a prononcée, sans doute voulait-il davantage réaffirmer un principe – le “monopole [étatique] de la violence physique légitime” ne saurait être contesté – que donner un blanc-seing à l’utilisation de n’importe quels moyens. Confronté à un adversaire asymétrique – a priori matériellement plus “faible” – il peut cependant arriver au “fort” de recourir à des moyens de terreur, même quand le “fort” est un Etat démocratique qui condamne habituellement l’emploi de tels moyens. » Et c’est bien ce qui est arrivé avec les prisons de Guantanamo ou encore avec les traitements de la prison d’Abu Ghraib. Cette question de la lutte contre le terrorisme consacre l’ambiguïté psychique et morale de toute la thématique de la terreur, que Marc Hecker explique bien dans son travail : « La limite entre les “méthodes coercitives” et la torture est floue et les critères permettant le passage de l’un à l’autre n’ont jamais été définis. Un critère informel existe. Il a donné lieu à une “règle” connue en anglais sous l’expression de “ticking time bomb theory”. Comme son nom l’indique, cette “règle” sous-entend que lorsque plane un danger imminent et vital, l’utilisation de la torture est possible. Pendant la guerre d’Algérie, c’est précisément cet argument qu’ont employé certains officiers français, à l’instar du colonel Trinquier : “Un après-midi, une de vos 18 patrouilles arrête un poseur de bombes. Il en a encore une. Vous la faites démonter ; elle est réglée pour exploser à 18h30. Il en a posé une, deux, trois …, et vous savez qu’une bombe fait une dizaine de morts et une trentaine de blessés. Le terroriste est près de vous. Qu’est-ce que vous faites ? […] Seule la souffrance physique et la crainte de la mort le feront parler”. Le même argument est utilisé plus récemment aux Etats-Unis par ceux qui s’opposent aux démarches entreprises, entre autres, par le sénateur John Mc Cain pour interdire les “traitements cruels, inhumains et dégradants” infligés aux prisonniers. Ainsi, Charles Krauthammer se demande, dans un article intitulé “The Truth About Torture”, non pas si la torture doit être totalement interdite mais à quelles conditions elle peut être autorisée. Il prend l’exemple d’un terroriste capturé juste après avoir placé une bombe sale au coeur de Manhattan. Dans ce cas, écrit-il, la torture devient un “devoir moral”. Cet exemple est extrême. Considérons un cas très concret qui ne relève ni du domaine de la lutte anti-terroriste ni de celui de la fiction. En septembre 2002, un étudiant allemand enlève un enfant, le cache près d’un lac et exige une rançon d’un million d’euros pour le libérer. Arrêté par la police, le kidnappeur refuse de dire où se trouve la cachette. Plus le temps passe et plus les chances de retrouver l’enfant vivant s’amenuisent. Le directeur adjoint de la police de la ville où se déroule l’affaire finit par menacer le suspect de “lui faire mal” s’il ne parle pas. Les menaces produisent leur effet et l’étudiant conduit les policiers à la cachette. Mais il est trop tard : l’enfant est mort. Bilan de cette affaire : le kidnappeur est condamné à la prison à perpétuité et le directeur adjoint de la police, accusé d’avoir menacé le suspect de torture, est sanctionné par sa hiérarchie. Imaginons maintenant que la scène se répète : un autre kidnappeur enlève un enfant. Le kidnappeur est arrêté. Il sait qu’il ne sera pas violenté car les policiers risquent une sanction. Parlera-t-il ? La répétition d’un tel scénario paraît peu probable. » Mais on ne peut pas évoquer le combat contre le terrorisme sans évoquer la thèse dérangeante mais au combien intéressante et pertinente de Jean Baudrillard, sociologue français, soutenue dans son livre L’esprit du terrorisme en 2001, peu après les attaques du 11 septembre. Selon lui, c’est l’hégémonie occidentale qui a fait naître naturellement ce terrorisme. Et cette hégémonie occidentale ne peut aujourd’hui plus rien faire contre ce terrorisme, car ce dernier joue avec elle à armes inégales en utilisant systématiquement la mort dans sa lutte : « Terreur contre terreur – il n’y a plus d’idéologie derrière tout cela. On est désormais loin au-delà de l’idéologie et du politique. L’énergie qui alimente la terreur, aucune idéologie, aucune cause, pas même islamique, ne peut en rendre compte. Ça ne vise même plus à transformer le monde, ça vise (comme les hérésies en leur temps) à le radicaliser par le sacrifice, alors que le système vise à le réaliser par la force. Le terrorisme, comme les virus, est partout. Il y a une perfusion mondiale du terrorisme, qui est comme l’ombre portée de tout système de domination, prêt partout à se réveiller comme un agent double. Il n’y a plus de ligne de démarcation qui permette de le cerner, il est au cœur même de cette culture qui le combat, et la fracture visible (et la haine) qui oppose sur le plan mondial les exploités et les sous-développés au monde occidental rejoint secrètement la fracture interne au système dominant. Celui-ci peut faire front à tout antagonisme visible. Mais l’autre, de structure virale – comme si tout appareil de domination sécrétait son antidispositif, son propre ferment de disparition –, contre cette forme de réversion presque automatique de sa propre puissance, le système ne peut rien. Et le terrorisme est l’onde de choc de cette réversion silencieuse. Ce n’est donc pas un choc de civilisations ni de religions, et cela dépasse de loin l’islam et l’Amérique, sur lesquels on tente de focaliser le conflit pour se donner l’illusion d’un affrontement visible et d’une solution de force. Il s’agit bien d’un antagonisme fondamental, mais qui désigne, à travers le spectre de l’Amérique (qui est peut-être l’épicentre, mais pas du tout l’incarnation de la mondialisation à elle seule) et à travers le spectre de l’islam (qui lui non plus n’est pas l’incarnation du terrorisme), la mondialisation triomphante aux prises avec elle-même. (…) Elle est ce qui hante tout ordre mondial, toute domination hégémonique – si l’islam dominait le monde, le terrorisme se lèverait contre l’Islam. Car c’est le monde lui-même qui résiste à la mondialisation. Le terrorisme est immoral. L’événement du World Trade Center, ce défi symbolique, est immoral, et il répond à une mondialisation Mai 2009 kuAktuell Titel: Islam qui est elle-même immorale. Alors soyons nous-même immoral et, si on veut y comprendre quelque chose, allons voir un peu au-delà du Bien et du Mal. (…) L’événement fondamental, c’est que les terroristes ont cessé de se suicider en pure perte, c’est qu’ils mettent en jeu leur propre mort de façon offensive et efficace, selon une intuition stratégique qui est tout simplement celle de l’immense fragilité de l’adversaire, celle d’un système arrivé à sa quasi-perfection, et du coup vulnérable à la moindre étincelle. Ils ont réussi à faire de leur propre mort une arme absolue contre un système qui vit de l’exclusion de la mort, dont l’idéal est celui du zéro mort. Tout système à zéro mort est un système à somme nulle. Et tous les moyens de dissuasion et de destruction ne peuvent rien contre un ennemi qui a déjà fait de sa mort une arme contre-offensive. “Qu’importe les bombardements américains ! Nos hommes ont autant envie de mourir que les Américains de vivre !” D’où l’inéquivalence des 7000 morts infligés d’un seul coup à un système zéro mort. Ainsi donc, ici, tout se joue sur la mort, non seulement par l’irruption brutale de la mort en direct, en temps réel mais par l’irruption d’une mort bien plus que réelle : symbolique et sacrificielle – c’est-à-dire l’événement absolu et sans appel. Tel est l’esprit du terrorisme. » d’autre part, l’argument du dérapage d’une minorité peut être utilisé pour masquer un usage bien plus large de méthodes de terreur. » Si cette dernière phrase vous intrigue, ou si, comme les élèves dans le film allemand En guise de conclusion de ces La Vague (sorti récemment), vous pensez recherches qu’aucune sorte de terreur et de peur n’est L’utilisation étatique de La Terreur qui à l’oeuvre dans nos sociétés démocratinaît en France a traversé les époques pour ques occidentales, il ne vous reste donc atteindre son paroxysme au 20ème siècle. plus qu’à vous procurer l’excellent ouvrage Dans sa forme et son application, ce que de Corey Robin, La Peur: Histoire d’une idée nous appelons aujourd’hui “terrorisme” politique, qui a servi de pierre angulaire à a peu de traits communs avec la terreur mes recherches.¶ totale étatique. Marck Hocker nous explique bien pourquoi dans son texte précé- Xavier Le Garrec demment mentionné : Xaviers Website: 8 http://ah-ca-ira.blogspot.com « Dans le premier cas, la décision d’user de méthodes de terreur est prise à très haut niveau et répercutée aux échelons inférieurs par des ordres plus ou moins clairs. Dans le second, un petit nombre d’hommes, agissant sans ordres voire contre les ordres, fait régner la terreur. Ce dernier cas de figure ne saurait être totalement éludé : d’une part, les exactions – même commises par un groupe restreint – sont susceptibles de produire des effets stratégiques ; Quellen Robin, Corey. Angst als Politikersatz. 2006. Baudrillard, Jean. Der Geist des Terrorismus. 2002. Online: 8 http://www.egs.edu/faculty/baudrillard/baudrillard-the-spirit-of-terrorism-french.html Kommentar des Buches von Abdelwahab Meddeb, Die Krankheit des Islam, von Jean-Christophe Grellety. Online: 8 http://www.vox-populi.net/article.php3?id_article=25 Hocker, Marc. Vom guten Gebrauch des Terrors. IFRI. 2006. Online: 8 http://www.ifri.org/files/Securite_defense/Focus_strategique_6_Hecker_Terreur.pdf Vermulen, Sylvie. Kurze Geschichte des Terrors. 2002. Online: 8 http://www.regardconscient.net/archives/0209histerreur.html Love, Nancy. Dogmas and Dreams, A Reader in Modern Political Ideologies. Chapter 46: »Edward W. Saïd: Origins of Terrorism (2001)«. 2006. Monasse, Hélène. Buchbesprechung: Die Politik des Terrors, Essay über die revolutionäre Gewalt 1789–1794, Patrice Guenifey. Unter die Betreuung des Geschichtsprofessors David Colon, Sciences Po Paris. Online: 8 http://pagesperso-orange.fr/david.colon/sc-po/PolitiquedelaTerreur.pdf Kommentar des Buches von Timothy Tackett, Der König flieht: Varennes und die Ursache des Terrors von Annie Duprat. 2006. Online: 8 http://ahrf.revues.org/document2172.html kuAktuell Mai 2009 19 Hochschulpolitik Interview mit dem Sprecherrat zum Thema Studiengebühren und Präsidentschaftswahlen I m Anschluss an die Konventssitzung am Was erwartet ihr euch von dieser Peti29. April 2009 sprachen wir mit Christo- tion? pher, Jakob und Jule. Jakob: Also erstmal waren wir an dieser kuAktuell: Es ist jetzt zwanzig nach Petition beteiligt, wir haben hier eine Zehn, wir haben eine heiße Sitzung hin- große Unterschriftenaktion veranstaltet ter uns, die erste Konventssitzung in bei uns in der Mensa und auch in einzeldiesem Semester und es waren vor allem nen Kursen, haben auch Werbemittel zur zwei Themen auf der Tagesordnung, die Verfügung gestellt für Online-Umfragen heute an Brisanz aktuellen Debatten in etc. Die Unterlagen hab teilweise ich als nichts nachstehen und zwar die Themen Senator erhalten, um die auch einzubrinStudiengebühren und Präsidentschafts- gen im Senat. Wie erfolgreich es ist, wird wahlen. Es findet am 13. Mai in Bayern abhängen von den Beteiligten an anderen eine Demo gegen die Gebühren statt an Universitäten. Wir hatten ziemlich viel fast sämtlichen bayerischen Hochschul- Zuspruch in dieser Hinsicht, trotzdem ist standorten, sogar an so kleinen Stand- es sicherlich immer noch ein umstrittenes orten wie Triesdorf, das eine FH hat. Thema in Bezug auf Studienbeiträge. Es findet aber keine Demo in Eichstätt statt, woran liegt das? Am 2. Dezember letzten Jahres hat unser hiesiger Wissenschaftsminister Jule: Ich habe die Info erst letzte Woche Herr Heubisch eine Pressemitteilung bekommen, gestern kam die Email, dass ausgegeben des Inhalts, dass die Studidas stattfindet, weil ich ja auch nicht mehr enbeiträge sozial verträglich wären, da in dem Ausschuss LAK bin, wo das the- ja 6 % Zuwachs unter den Studierenden matisiert wurde. Ich möchte auch sagen, im Jahr 2008 zu verzeichnen waren. Was in Eichstätt würden sich, glaube ich, sehr sagt ihr als Studierendenvertretung zu wenige daran beteiligen, weil wir auch diesem Argument der Sozialverträglicheine kleine Uni sind. keit der Studienbeiträge? Jakob: Grundsätzlich ist es nicht die Aufgabe vom studentischen Sprecherrat oder vom Konvent, das zu veranstalten, denn normalerweise gibt es ja separate Gruppen – beispielsweise haben wir auch einen AK Freie Bildung, der für so etwas zuständig wäre. Der ist momentan nicht besonders aktiv. Aber tendenziell hatten wir schon Erfahrungen mit Demonstrationen gemacht und insofern sind wahrscheinlich diese Art Erfahrungen ausschlaggebend, warum so was in Eichstätt momentan nicht stattfinden wird. Christopher: Ich wollte noch verweisen darauf, dass in der Woche vom 15. bis 19. Mai die Bildungsstreikwoche ist, die deutschlandweit stattfindet und daran werden sich hier einige beteiligen, zumindest werden wir dazu aufrufen. Mit dieser Demo und mit diesem Bildungsstreik ist ja auch eine Petition verbunden an den bayerischen Landtag, die Studiengebühren wieder abzuschaffen. 20 Jakob: Es gibt gegenteilige Studien. dass wir weniger zahlen, als die anderen. Aber das richtet sich auch danach, dass wir nicht darauf angewiesen sind, was vorgegeben wird vom Ministerium, weil wir ja in katholischer Trägerschaft sind. Also wir hätten da die Möglichkeit, uns nicht ans Hochschulrahmengesetz binden zu lassen. Denkt ihr, dass es da Aussichten gibt, wenn wir jetzt einen neuen Präsidenten kriegen, dass der die Grundordnung in dieser Hinsicht ändert und uns von dem Hochschulrahmengesetz bzw. von Studiengebühren befreit? Jakob: Also erstmal ist das nicht in der Grundordnung verwurzelt, die Studienbeiträge, sondern es gibt eine gesonderte Satzung, die Studienbeitragssatzung sozusagen, die den Betrag aber auch nicht festschreibt. Das ist eine Vorgabe und einfach auch eine Richtlinie, die das Präsidentschaftsbüro bzw. auch die Hochschulleitung mit vorgibt in Absprache mit Hochschulrat und Senat und insofern können wir da natürlich weiterhin Anträge einbringen und werden das wahrscheinlich auch machen, um die Studienbeiträge weiterhin zu reduzieren. Der Präsident selber wird da wenig Einfluss darauf haben, meiner Meinung nach. Christopher: Dem schließen wir uns an. Jule: Und man muss ja sagen, wir haben jetzt die Studienbeiträge und wir versuchen ja, für die Studierenden das Optimale herauszuholen. Es ist nicht so, dass das Geld irgendwo versickert, sondern man muss immer wissen, dass 40 % zentral sind und zum Beispiel in die verlängerten Öffnungszeiten der Bibliothek gehen oder dass im Sportzentrum die Kurse kosJule: Es ging um die Dauerstellen, näm- tenlos sind, dass es ein zusätzliches Spralich dass die Eichstätter Stellen oder ja chenangebot gibt. Das alles sind Sachen, überall die Stellen aus Studienbeiträgen die aus den Studienbeiträgen resultieren. auf zwei Jahre befristet sind und dass Wir stecken auch sehr viel Geld in zusätzman das gerne ausweiten möchte auf liches Personal, damit wir Kursgrößen von fünf Jahre bzw. auf eine Dauerstelle. Da jeweils 30 oder 40 Leute haben und dass gibt es auch schon in diesem Ausschuss nicht 100 Leute in einer Veranstaltung im Landtag eine Arbeitsgruppe, die sich sind. Das hat man jetzt den Studienbeiträdamit beschäftigt, dass man Dauerstel- gen auch ein bißchen zu verdanken. len oder zumindest Stellen auf fünf Jahre genehmigen kann. Das hat er uns noch Christopher: Fakt ist aber wahrscheinlich mal erzählt und er hat gefragt, wie viel trotzdem, meiner Meinung nach, dass die wir überhaupt zahlen und fand das gut, insgesamt kritische Masse nicht besteht, Dann war am 15. April Herr Sibler [Anm. der Red.: Vorsitzender des Hochschulausschusses im bayerischen Landtag] hier zu Besuch und ihr habt mit ihm gesprochen wegen der Studienbeiträge. Was gab es da konkret im Fall Eichstätt an Problemlagen? Mai 2009 kuAktuell Hochschulpolitik um wirklich noch extensiv mehr Stellen aus Studienbeiträgen zu finanzieren. Das heißt, ironischerweise – oder zynischerweise könnte man fast schon sagen – müssten sie wesentlich höher sein, damit man sozusagen wirklich die Lehre verbessert im Sinne des Betreuungssmaßstabs. Es gab ja auch bei dem Hearing zur Präsidentschaftskandidatur Aussagen hinsichtlich der Studiengebühren, allerdings nur von einem einzigen Kandidaten, der von sich aus auf das Thema eingegangen ist. Ich möchte den Namen jetzt nicht nennen, aber er hat auf jeden Fall gesagt, dass die Studiengebühren den Studierenden wieder zugute kommen sollen in Form von Tutorien, anderen Anstellungen als Hilfswissenschaftler usw. Wie steht ihr dazu? Jule: Ich habe ja auch eine Frage bei dem Hearing gestellt und ich glaube einfach, dass die Leute mit Studienbeiträgen nichts anfangen konnten, weil sie alle von anderen Hochschulen kommen. Gerade in Berlin gibt’s noch keine Studienbeiträge, der andere kommt aus Amerika, da ist der Betrag viel viel höher und da geht man ganz anders mit Studienbeiträgen um und der dritte Kandidat hat auch noch nichts groß damit zu tun gehabt, das hat man einfach auch gemerkt. Mir ist auch aufgefallen, dass sie sich einfach mit der Studentenstruktur hier in Eichstätt nicht richtig befasst haben. Jakob: Ich kann vielleicht noch was zum internen Hearing sagen. Da war es natürlich auch eine Frage, inwiefern wir uns zu einer Exzellenzuniversität entwickeln, die natürlich höhere Studienbeiträge verlangen würde. Und da gibt es schon Meinungen innerhalb der Kandidatenschaft, die es vertreten würden, dass teilweise höhere Studienbeiträge an der Universität, gerade auch mit unserer Sonderrolle als katholischer Universität, möglich sind, was ich eben kritisch sehe und das auch äußern würde und auch geäußert habe im Hochschulrat und im Wahlgremium. Dann noch mal zurück zum Hearing. Das Meinungsbild über die Präsidentschaftskandidatur ist ja sehr gespalten, es herrscht eine wahnsinnig große Heterogenität sowohl unter Lehrenden als auch unter Studierenden. Wie würdet ihr das sehen? Jakob, du bist ja gewesekuAktuell Mai 2009 ner studentischer Senatsvertreter, hast jetzt deine Stimme an Flora Neidlinger übertragen. Wie sieht unter euch Studierenden das Meinungsbild aus? Wird es überhaupt einen neuen Präsidenten geben? 1. Für jede Emotion ein Weltrecht. 2. Solange nicht andere dabei Schaden Jakob: Wir haben ja heute auch ein Meinehmen. nungsbild in unserer Sitzung gehabt und 3. Die beliebige, freiwillige Wahl des aufgenommen, wie ungefähr die MeinunAufenthaltsortes. gen waren. Insofern kann das gleiche auch 4. Mit beliebiger, freiwilliger Gestalvon uns Studierenden behauptet werden: tung der Lebenszeit. dass die Heterogenität sehr groß ist. Und 5. Jeder Mensch hat gleichen Zugang die Kunst des Hochschulrats wird es sein, zur individuellen Bedürfnisbefriesich zuerst auf zwei, dann auf einen Kandigung. didaten zu einigen, ohne Aussprache zwi- 6. Niemand hat das Recht, anderen zu schendurch. befehlen, was sie zu tun haben. 7. Jede Person hat effektiven Zutritt Jule: Wir sind uns auch nicht einig, wir zu den bereits erfolgten und noch sind uns ja im Vorstand schon nicht einig, kommenden Rechten. jeder hat eine andere Vorstellung, wie der 8. Jede Person kann jede andere PerPräsident sein soll und von daher, wie son an diesen Rechten anrufen. gesagt: Flora hat jetzt unser Meinungs- 9. Alle Träume sind in ihrer Ganzheit bild gehört und sie wird dann nach bestem unteilbar. Wissen und Gewissen ihre Stimme abge- 10. Alle Träume sind gleich wert. ben und schau’mer mal, wer dann der Präsident wird. Wir müssen damit dann leben, Christopher Knoll egal wer es ist. 10 Weltrechte Jakob: Grundsätzlich kann man aber glaube ich sagen – und das gilt glaube ich auch für die Studierendenschaft – dass man insgesamt eigentlich mit jedem irgendwie leben könnte, auch wenn es nicht ideal ist. Dann als Abschlussfrage: wie steht ihr zu dem Statement von einem der Kandidaten, der Eichstätt als »Lebensform« tituliert hat? Jule: Kein Kommentar. Das ist zu sehr auf einen Kandidaten zugeschnitten, da geben wir keine Aussage. Christopher: Wobei, das ist ja relativ neutral, ich würde sagen, Eichstätt als »Lebensform« ist eine nette, leere, nichtssagende Aussage, wie man auch andere leere, nichtssagende Aussagen formulieren könnte, also das ist – nett. Jakob: Lebensformen gibt’s ja in Eichstätt genug. (lacht) Vielen Dank für das Gespräch.¶ Christian Hübner 21 Campus Eichstätter Geographie-Studenten auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin D er Auftritt bei der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin (ITB) gehört zu den jährlichen Höhepunkten der Vereinstätigkeit von TOPAS (Touristische Organisation, Planung und Ausführung von Studenten). Und so reisten auch dieses Jahr rund 35 Geographie-Studenten, vom 10. bis 15. März 2009, in die deutsche Hauptstadt, um das Fach Geographie und seinen Schwerpunkt »Freizeit, Tourismus und Umwelt«, den Verein und die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, zu präsentieren. Am vergangenen Dienstag um vier Uhr morgens ging es los. Bis zum Messebeginn am nächsten Tag stand den Eichstätter Studenten noch viel Arbeit bevor: In der Halle 5.1, welche dem Schwerpunkt »Training and Employment in Tourism« gewidmet war, galt es den TOPAS-Stand »messetauglich« herzurichten: Wände tapezieren, Stellwand aufbauen, Mobiliar anordnen, Poster kleben. Seit November 2008 liefen die Vorbereitungen. Verschiedene Kompetenzgruppen beschäftigten sich u.a. mit dem Standdesign und der Sponsorenakquise. TOPAS stellte auf der ITB 2009 bisher durchgeführte Projekte vor und knüpfte Kontakte zu Interessenten und potentiellen zukünftigen Auftraggebern. Interessierte Messebesucher wurden über das Lehrangebot an der Universität EichstättIngolstadt und über das Fach Geographie, 22 mit seinem Schwerpunkt »Freizeit, Tourismus und Umwelt«, informiert und beraten. Ferner bot die Internationale Tourismusbörse jedem einzelnen Studenten die Chance neue Kontakte hinsichtlich Praktikumsstellen und Berufschancen aufzutun. Neben der Arbeit wurde für alle Teilnehmer ein breites Programm, von den beiden Vorständen Lukas Petersik und Benjamin Gottstein, organisiert. Höhepunkte waren die Eröffnungsfeier, das alljährliche Ehemaligentreffen am TOPAS-Stand, eine Berlin-Exkursion sowie ein Bundesligaspiel der Berliner Hertha. In den Abendstunden blieb genug Zeit, um das Berliner Nachtleben zu erkunden. Die Zeit auf der weltweit größten Reisemesse war für alle TOPASMitglieder interessant und spannend. Besonderer Dank gilt der Universität Eichstätt-Ingolstadt, dem Lehrstuhl für Kulturgeographie, dem Lehrstuhl Tourismus sowie der Brauerei Gutmann (Titting) ohne deren Unterstützung eine Teilnahme an der Messe nicht möglich gewesen wäre.¶ Lukas Petersik Über TOPAS TOPAS ist eine Gruppe von rund 100 engagierter Geographie-Studenten mit dem Schwerpunkt »Freizeit, Tourismus und Umwelt«. Seit über 16 Jahren besteht das zentrale Interesse von TOPAS darin, das Studium zu bereichern und Studierenden die Möglichkeit zu geben, schon während des Studiums praxisnahe Erfahrungen zu sammeln. Bei TOPAS haben interessierte Geographen aller Semester die Möglichkeit, sich bereits während des Studiums an konkreten Aufgaben und Projekten der Tourismusbranche zu beweisen. TOPAS übernimmt die Organisation von Infoveranstaltungen und Kongressen, Messen und Messeauftritten, bis hin zu Themenreisen und Auftragsstudien. Das in Zukunft immer wichtiger werdende Networking ist die Basis aller Aktivitäten. Weitere Informationen zum Verein und seinen Tätigkeiten findest Du unter: 8 www.ku-eichstaett.de/topas 1. Vorstand Mai 2009 kuAktuell Campus Moderne Begrifflichkeiten, Folge 3: Kompetenz D as Leben ist hart und ungerecht – diese Lektion lernt mensch beim Erobern feindlicher Sandburgen oder in der Puppenecke, wenn Miriam schon wieder die Mutter spielen will, obwohl sie versprochen hatte, dass man sich abwechselt. Mit dem Versprechen, dass sie auf jeden Fall zur nächsten Geburtstagsfeier eingeladen wird, lässt Miriam aber mit sich verhandeln, eventuell muss auch ein Teil des Mittagessens geopfert werden, bis ein Kompromiss gefunden ist. Diese scheinbare Alltagsszene ist für beider Leben von großer Bedeutung: Sie erlernen Kompetenzen, soziale Verhaltensmuster, die ihr später das Zusammenleben und -arbeiten mit anderen Menschen ihres Kulturkreises ermöglichen und erleichtern werden. Dazu gehören nach Elaine Gambill folgende Fähigkeiten: Neinsagen, Versuchungen zurückweisen, auf Kritik reagieren, Änderungen bei störendem Verhalten verlangen, Widerspruch äußern, Unterbrechungen im Gespräch unterbinden, sich entschuldigen, Schwächen eingestehen, unerwünschte Kontakte beenden, Komplimente akzeptieren, auf Kontaktangebote reagieren, Gespräche beginnen, Gespräche aufrechterhalten, Gespräche beenden, erwünschte Kontakte arrangieren, um Gefallen bitten, Komplimente machen, Gefühle offen zeigen. Das meiste davon haben wir im Kindergarten gelernt, ohne groß darüber nachzudenken. Inzwischen ist der Begriff Kompetenz aus Stellenanzeigen und Karriere-Ratgebern nicht mehr wegzudenken. Was früher unter dem Begriff »gute Kinderstube« wie selbstverständlich zum Repertoire sozial verträglichen Verhaltens gezählt wurde, muss jetzt in Seminaren erlernt und für den Lebenslauf bescheinigt werden. Schon für 1300 Euro können Young Professionals in 4 Tagen unerlässliche soft skills wie soziale Kompetenz, kommunikative Kompetenz, personale Kompetenz, Führungskompetenz, Umsetzungskompetenz und mentale Kompetenz erwerben – Übernachtung im 4-Sterne-Hotel inbegriffen. Wer also zu Schulzeiten zu beschäftigt mit Hausaufgaben war, um sich sozial zu engagieren, muss heute nicht verzweifeln. Seit die Personalabteilungen auf die Bedeutung zwischenmenschlicher KomkuAktuell Mai 2009 Kompetenz dagegen wird für die Umwelt erst durch selbstorganisiertes, angemessenes Handeln in einer unbekannten Situation sichtbar – einer der Gründe, warum Assessment Center auch im deutschen Sprachraum beliebter werden, denn so können Personaler sich ihre Bewerber in Ruhe in unterschiedlichen Situationen anschauen und entscheiden, wer alle gewünschten Kompetenzen in einer Person vereint. In vielen Fällen gehört dazu die Soziale Kompetenz. Über den Kompetenzbegriff kann man sich wie gesagt streiten, aber zusammen mit dem Wort »sozial« verliert er jede Kontur. Und wer definiert, was sozial ist? 8 Soft-skills.com antwortet auf diese Frage mit einer Aufzählung von Fähigkeiten, darunter »souverän, einfühlsam, fair und konstruktiv« mit Mitmenschen umzugehen, erwähnt Teamfähigkeit und Empathie, sowie das konstruktive Lösen von Konflikten und Bereitschaft zur Kooperation mit Menschen – womit wir wiederum bei Klein-Miriam im Kindergarten wären. Letztendlich wird man den Eindruck nicht los, dass es sich dabei um vom Arbeitsmarkt entwickelte Konzepte handelt, die je nach Bedarf und Änderung der Arbeitsbedingungen uminterpretiert werden können. Und auch ein noch so professionell durchgeführtes Kompetenz – Seminar kann für die Teilnehmer nur der Anfang eines langen Lernprozesses sein, in dem das Gelernte so lange wiederholt und reflektiert wird, bis es zum eigenen Handlungsrepertoire gehört. Kompetenzen lassen sich nicht auf theoretischer Basis erwerben, sie müssen durch langes ÜbenAusprobieren – Erfahren erlebt werden. Diejenigen unter uns, die sich jahrelang in ihrer Freizeit in Vereinen, Jugendgruppen o. Ä. engagiert haben, können daher sogar froh sein um die neue Bedeutung, die den zwischenmenschlichen Kompetenzen zugemessen wird – war schließlich auch harte Arbeit.¶ munikation aufmerksam geworden sind, hat sich ein ganzer Dienstleistungszweig rund um die Vermittlung grundlegender sozialer Fähigkeiten an Erwachsene gebildet. Der so inflationär gebrauchte Begriff ist aber keineswegs eindeutig definiert. Je nach Kontext bedeutet Kompetenz »Zuständigkeit« oder »Berechtigung«, beziehungsweise »Können« oder »Fähigkeit. Der lateinische Begriff competentia stammt von dem Verb competere ab – »zusammentreffen, zukommen, fähig sein zu«. Die römischen Rechtsgelehrten gebrauchten das Adjektiv competens im Sinne von zuständig, befugt, rechtmäßig, ordentlich – was immer letzteres im konkreten Zusammenhang auch bedeutet haben mag. Heute bedeutet Kompetenz im Staatsrecht die Zuständigkeit oder Befugnis von Staatsorganen und Behörden, wodurch sich die Frage der Kompetenzkompetenz ergibt, vor allem auf EU-Ebene, wenn es darum geht, eigene Kompetenzen teilweise auf EU-Gremien zu übertragen. In einem Kompetenzkonflikt ist der competitor hingegen nicht nur zuständig, sondern ein Mitstreiter oder ein Konkurrent: wir befinden uns also schon in einer competition, eventuell nicht um einen juristischen Fall, sondern um einen Arbeitsplatz. Sowohl in der Psychologie als auch in der Umgangssprache bezieht sich der Begriff verstärkt auf den Aspekt der Fähigkeit. So definiert der Linguistikprofessor Avram Noam Chomsky Kompetenz als die Fähigkeit von Sprechern und Hörern, mit Hilfe eines begrenzten Inventars von Kombinationsregeln und Grundelementen potenziell unendlich viele neue, noch nie gehörte Sätze selbstorganisiert bilden und verstehen zu können sowie einer potentiell unendlichen Menge von Ausdruckselementen eine ebenso potenziell unendliche Menge von Bedeutungen Dorothee Barsch und Karen Schewina zuzuordnen. Darüber hinaus wird in der Psychologie nochmals zwischen Qualifikation und Kompetenz unterschieden. Siehe auch Qualifikationen können in gängigen Test• 8 www.soft-skills.com verfahren abgeprüft und bestätigt werden. • 8 arbeitsblaetter.stangl-taller.at/ Ob jemand davon ausgehend auch selbstKOMMUNIKATION/ organisiert und kreativ wird handeln könSozialeKompetenz.shtml nen, kann durch die Normierungen und • 8 www.kayenta.de Zertifizierungen kaum erfasst werden. 23 Campus Die große Wirtschaft und die kleine Bildung Warum wir umdenken müssen Amerika. Ein Land, in dem, wie in keinem anderen die Freiheit der Märkte propagiert wurde, die Rendite der Sklaventreiber der Managerelite war und der Begriff der »sozialen Sicherung« allenfalls für ein gutes Gewissen bei den besser gestellten in der Gesellschaft sorgte. Amerika. Ein Land, in dem, wie in keinem anderen der Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär so leicht ermöglicht und so massiv beworben wurde. Amerika. Dieses Land hat sich in den letzten Jahren wie kein anderes selbst heruntergewirtschaftet. Der neoliberale Irrglaube vom unendlichen Wachstum und der Selbstregulierung der Märkte hat dazu geführt, dass Banken pleite gingen, Unternehmen um Staatshilfe bettelten und Menschen ihre Heimat, ihren Besitz und ihre Arbeit verloren. Wir brauchen mehr Staat, mehr Gesellschaft, mehr Menschlichkeit In Zeiten einer internationalen Finanzund Wirtschaftskrise ist endgültig klar, dass der Marktradikalismus abgewirtschaftet hat. Die Naivität seiner neoliberalen Verfechter hat dazu geführt, dass wir an einem Abgrund stehen und die gesamte Gesellschaft muss nun für die Fehler Einzelner zahlen. Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Es ist schwer vermittelbar, wenn Sozialeinrichtungen aus finanziellen Gründen gestrichen, Kindergärten und Schulen geschlossen und Sozialleistungen gekürzt werden, aber Milliarden für die Rettung von Banken zur Verfügung stehen. Es ist deshalb auch schwer vermittelbar, weil Menschlichkeit den Regeln des Marktes zum Opfer fällt. Jeder sieht nur noch sich und seinen Wert in der Gesellschaft, nicht 24 aber den Wert der Gesellschaft für den Einzelnen. Ein grundsätzliches Umdenken muss stattfinden! Der bisherige Raubtierkapitalismus darf nicht mehr geduldet werden. An seine Stelle muss eine verantwortungsvolle Gesellschaft treten, die mit Gütern und Menschen angemessen umgeht und sich nicht vor der hemmungslosen Profitgier einiger weniger verantworten muss. Nur eine Gesellschaft, die Wertschöpfung allein zum Wohle der Gesellschaft und nicht zum Wohle einer privilegierten Oberklasse betreibt, kann dauerhaft für Wohlstand sorgen. Was hat das mit mir an der KU zu tun? Jeder der Studiengebühren zahlt, wird sich ab und an die Frage stellen, welche Vorteile er nun wirklich von der »Verbesserung der Lehre« hat. Sei es nun der neue Tennisschläger für den Sportstudenten oder ein Tutorium für den Germanistikstudenten. Zweifelsohne wird das Geld sinnvoll vergeben und landet nicht, wie bei anderen Unis in er Sanierung einer Tiefgarage. Trotzdem ist die Frage nach dem abnehmenden Grenznutzen berechtigt. Denn: Was wird nach dem Tennisschläger gekauft? Vielleicht eine Sportmatte, die sowieso schon ersetzt werden musste oder ein neuer Dozent? Irgendwann werden die Ausgaben ihren Zweck nicht mehr erfüllen und wie man hört, ist dieser Punkt schon längst erreicht. Das Geld der Studenten, einer Gesellschaftsschicht, die von Natur aus – bis auf wenige Ausnahmen – finanziell schlechter gestellt ist, als der Rest der Gesellschaft, wird zur Aufrechterhaltung des Systems, in das immer weniger investiert wird, herangezogen. Wenn Milliarden für die Rettung von Banken vorhanden sind, die in absehbarer Zeit keinen Mehr- wert für die Gesellschaft bringen, warum muss die Zukunft unseres Landes für ihre Bildung selbst aufkommen? Obwohl es bewiesen ist, dass eine Investition in Bildung langfristig rentabler ist, als Investitionen an den Börsen, wird den Studenten trotzdem noch ein nicht unbeachtlicher Betrag abverlangt. Dass manche sich nun damit rühmen einen kleinen Verwaltungskostenbeitrag abgeschafft zu haben, kann nur noch als blanker Hohn verstanden werden. Ein Traum von Freiheit An diesem Punkt schließt sich der Kreis. Die Bildungspolitik unterwirft sich in Form von Exzellenzinitiativen und Hochschulrankings den Zwängen der Wirtschaft, fördert einige Wenige und lässt die breite Masse auf der Strecke. Transparenz, Effizienz und Exzellenz sind nur einige der inhaltsleeren Parolen, mit denen Kürzungen im Bildungssystem verbunden sind. Wenn man jetzt nicht damit beginnt, umzudenken und Bildung für jeden zugänglich zu machen, wird bald jeder für sich selbst sorgen müssen. Dann haben wir die amerikanischen Verhältnisse: Vom Abiturienten zum Tellerwäscher. Jan Heiermann Kurzmeldungen Gebrauchte Ordner Im Studihaus gibt es gebrauchte Ordner zum mitnehmen. Um eine Spende zugunsten des Kinderhauses wird gebeten.¶ SG Mai 2009 kuAktuell Campus Projekt zur Bildungsintegration von Migranten H allo Lehramtsstudierende – bitte mitmachen! An der Professur für Soziologie III läuft zurzeit ein Projekt zur Bildungsintegration von Migranten. Wir bitten um Eure Mithilfe: Die Situation von Zuwanderern im deutschen Aus- und Weiterbildungssystem ist die Thematik, mit der sich Soziologen der KU gemeinsam mit Forschern aus Italien, Spanien, Rumänien und Großbritannien im Rahmen des zweijährigen EU-Projekts »Education as laboratory for integration« beschäftigen. Das Projekt wurde von der Provinz Parma (Italien) initiiert und wird von der Europäischen Union bis November 2009 mit rund 300 000 Euro gefördert. Im Rahmen des EU-Programms für »Lebenslanges Lernen – Grundtvig« setzen sich die Projektpartner mit der Bildungssituation von Zuwanderern in den jeweiligen Partnerländern auseinander. Im ersten Projektjahr wurden in den Partnerländern nationale Forschungsberichte über die aktuelle Bildungsintegration von Migranten erstellt, zusätzlich wurde eine Best-Practice-Analyse mit gelungenen Beispielen zur Bildungsintegration durchgeführt. Die in den nationalen Berichten gewonnenen Erkenntnisse wurden dann in einer vergleichenden Studie untersucht. Ein zentrales Ergebnis: bei Vertretern der allgemeinen Schul-, der Berufs- und auch der Weiterbildung – sprich Lehrern – besteht ein Bedarf an Sensibilisierung für diese Thematik. Zu diesem Zwecke wurde ein E-Learning-Kurs für Lehrer, bestehend aus verschieden thematischen Modulen, entwickelt. Die Inhalte werden auf eine Online-Plattform hochgeladen und sind in unterschiedliche Kapitel aufgeteilt, ähnlich einem Buch. Über einen Gastzugang könnt Ihr die Module »Kooperatives kuAktuell Mai 2009 Lernen« und »Kulturelles Bewusstsein« an jedem beliebigen Computer mit Internetzugang testen. Im Modul zum »Kooperativen Lernen« wird diese Unterrichtsform vorgestellt und in jedem Kapitel findet man unterrichtsnahe Beispiele. Das Modul »Kulturelles Bewusstsein« ruft die Lehrer auf, sich näher mit dem Herkunftskontext ihrer Schüler zu beschäftigen (z. B. Geographie, Demographie/ Religion, Bräuche …), um somit ein besseres Verständnis für ihr Sozialverhalten zu erlangen. Diese Module sollen nun in einer Evaluations- und Experimentierphase auf ihre Qualität und Praktikabilität getestet werden. Hierfür benötigen wir Eure Hilfe. Im Idealfall solltet Ihr schon Praktikumserfahrung mitbringen, gleichzeitig soll die Teilnahme Euch die Möglichkeit eröffnen das Erlernte in kommenden Praktika oder im Referendariat kreativ umsetzen zu können. Für die Teilnahme an der Evaluation kann außerdem ein Zertifikat ausgestellt werden. Eure Mitarbeit hilft nicht nur uns, sondern auch Euch, vor allem aber Eurer Zielgruppe, den Schülern. Ende Mai werden die Trainingsmodule online verfügbar sein. Es wird ein Evaluationsbogen zur Verfügung stehen, um die Module hinsichtlich Methodik, technische Umsetzung und Inhalt zu bewerten. Die Bearbeitung eines Moduls kann zwischen zwei und acht Stunden in Anspruch nehmen. Da Euer Account zwei Wochen lang frei geschalten sein wird, könnt ihr euch die Zeit flexibel einteilen. Nähere Informationen zum Projekt gibt es auf der Uni-Homepage auf der Seite der Professur für Wirtschafts- und Organisationssoziologie (Prof. Dr. Greca) unter dem Link »Projekte«. Bei Interesse möchten wir Euch um eine Rückmeldung per E-Mail bitten, dann erhaltet Ihr in Kürze nähere Informationen. Für Eure Unterstützung möchten wir uns bereits jetzt bedanken. Ansprechpartner in diesem Projekt sind Eva-Maria Hinterding, Danielle Rodarius und Prof. Dr. Rainer Greca. Eva-Maria Hinterding * [email protected] * [email protected] * [email protected] 25 Kultur Die Buchrezension: W. G. Sebald: Austerlitz S tuttgart Hauptbahnhof. Ich warte auf den Nachtzug nach Paris Est. Noch eine halbe Stunde! Die Zeit versuche ich irgendwie zu überbrücken, schaue den ankommenden, den abfahrenden Reisenden nach, gehe auf den Bahnsteigen spazieren, lese ein Buch. Eine Durchsage kommt: Der Zug nach Paris fahre voraussichtlich fünfzig bis sechzig Minuten später hier ab. Ich schaue auf die Uhr, viertel vor zehn. Für den Anschlusszug morgen früh an der Gare d’Austerlitz wird es knapp werden. Uhren! Sie bestimmen unser Leben. Besonders, wenn wir auf verspätete Züge warten und andauernd auf allzu gemächlich vorrückende Zeiger starren müssen. Unbarmherzig langsam zerhacken sie die Zeit in monotone Sechzigstel und jeder Sekundenschritt stürzt sofort wieder zurück ins Bodenlose, als ob man in Treibsand strampeln würde. »Salles des pas perdus« – nicht von ungefähr heißen so die Wartehallen belgischer Großstadtbahnhöfe wie etwa der Antwerpener Centraalstation, Schauplatz meiner Reiselektüre. In jener »Halle der verlorenen Schritte« findet man sich also wieder, wenn man W. G. Sebalds Roman »Austerlitz« liest. Die Szenerie ist bedrückend. In ein »unterweltliches Dämmer« getaucht harren die Reisenden ihrer Züge und über allem thront eine mächtige Bahnhofsuhr, eine »Göttin der vergangenen Zeit«. Ihr gegenüber erscheinen die Menschen wie verkleinert, reglos, stumm. Nur einer der Anwesenden sticht heraus durch sein rege bekundetes Interesse an der Bahnhofsarchitektur, dem monumentalen Kuppelbau. Sonst aber wirkt auch er eher unscheinbar: Schwere Wanderstiefel, blaue Arbeitshose, altmodisches Jackett, so fertigt der blondgelockte Herr seine Aufzeichnungen an, fotografiert den Wartesaal mit einer alten Ensign. – Ob der das Zeug zum Romanhelden hat? Ich lege das Buch weg und kauf mir erst mal ’ne Cola am Bahnhofsimbiss. Als der Zug endlich ankommt, ist mein reservierter Sitzplatz nicht vorhanden. Ich quetsche mich in ein überfülltes Abteil, an Schlaf ist nicht zu denken. Also weiterlesen. Austerlitz, Jacques Austerlitz, so heißt jener blondgelockte Herr im Antwerpener Zentralbahnhof. Von ihm selbst erfährt man zunächst 26 wenig, ein paar Kenntnisse über den Fes- Vaters nach Paris, dem Abtransport der tungsbau vergangener Jahrhunderte kann Mutter nach Theresienstadt erzählt. Auf er vorweisen. Auch berichtet er von seiner der Suche nach weiteren Indizien über Kindheit in der walisischen Ortschaft Bala ihren Verbleib führt ihn seine Reise in im Hause seiner Adoptiveltern, von sei- das nahegelegene Konzentrationslager. Er ner Schulzeit in Stower Grange, den Jah- findet jedoch nichts, keine Spur. Zurück ren auf dem College in Oxford. Doch das in London und nach einem weiteren Neralles erscheint wie beiläufig erzählt, nicht venzusammenbruch beschließt er, mit der besonders erwähnenswert (wie eine abge- Suche nach dem Vater in Paris zu beginnen. takelte Lok auf dem Abstellgleis). Doch auch dies endet zunächst erfolglos. Seine wahre Geschichte gibt Austerlitz 03h43 Châlon: Die Reise durch die Nacht nur zögerlich preis, als ob er sie gegen andere scheint kein Ende zu nehmen. Austerlitz und auch gegen sich selbst abschotten müsste. wird erneut aus der Bahn geworfen. Nach Doch so langsam nimmt der Zug Fahrt auf. einem abermaligen NervenzusammenNach dem College führen ihn bruch erleidet er W. G. Sebald seine Wege nach London. Dort einen GedächtnisAusterlitz plagen ihn düstere Gedanken, verlust, erholt sich Fischer Taschenbuch, Frankfurt das rauchschwarze Gefühl »nie nur langsam, nach 2003, Roman, 417 Seiten wirklich am Leben gewesen zu langem KrankenISBN: 9783596148646 sein oder jetzt erst geboren zu hausaufenthalt werden«. In der Folge leidet und ausgedehnten er immer mehr unter SelbstSpaziergängen. In mordphantasien und einer der Pariser Natiodiffusen Angst, seine Persönnalbibliothek stößt lichkeit preisgeben zu müser schließlich doch sen. Er wandert ganze Nächte lang durch noch auf einen Hinweis über den Verbleib die Stadt, kann kaum noch sprechen und seines Vaters. Er wurde 1942 im Lager erleidet schließlich einen Nervenzusam- Gurs in den Pyrenäen interniert. Austermenbruch. Er droht zu entgleisen. Doch litz beschließt kurzerhand, dorthin aufzuzufällig kommt ihm eine Nachricht von brechen. Ob er schließlich auf weitere Spujenen Sondertransporten zu Ohren, die ren stoßen wird, bleibt jedoch offen. Hier jüdische Kinder zur Zeit der Naziherr- endet seine Reise. schaft aus dem besetzten Kontinent auf 06h57. Mittlerweile bin ich in Paris angedie britischen Inseln evakuierten. Da wer- kommen, an der Gare de l’Est. Es war eine den plötzlich Erinnerungen wach. Auster- schlaflose Nacht. Doch schuld daran war litz entsinnt sich eines Schiffes, auf dem nicht die späte Cola in Stuttgart, auch nicht er einst zusammen mit vielen anderen das Schnarchen meiner Abteilgenossen oder Kindern in England angekommen war: es das unsichere Wiegen der Waggons, sondern hieß Prague. meine Reiselektüre. Ich habe »Austerlitz« in 01h56 Strasbourg: Die Weichen werden einem Zug durchgelesen. Wie viele Seiten ich umgestellt. Nach den ersten 200 Seiten pro Kilometer verschlang, weiß ich nicht, nur beginnt nun offenbar eine lange Odyssee. dass ich eine Stunde vor Paris schon nichts Durch halb Europa zieht der walisische mehr zu Lesen hatte. Diese rasche Lektüre Adoptivsohn, begibt sich auf die Suche soll allerdings nicht vortäuschen, dass es nach seiner verlorenen Identität. Er macht sich um ein einfaches Buch handelt, im in Tschechien Station. Dort findet sich Gegenteil. Die Geschichte wickelt sich schließlich der Ort seiner wahren Her- nicht so schnurgerade, leichtfüßig, »stakunft. Es ist das Haus Nummer 12 in der tionsmäßig« ab, wie es hier den Anschein Prager Šporkova, in dem er, Jacques, einst erwecken mag. Die Stränge werden durchmit seinen Eltern Maximilian und Agáta einander gezogen, fahren keineswegs Austerlitz wohnte. Er trifft dort nur noch immer dieselbe Schiene, wechseln die Spusein altes Kindermädchen, Věra Ryšanová, ren, kreuzen sich mit anderen, manchmal an, die ihm schließlich die Geschichte sei- verknäueln sich die Fäden und entwirren ner Evakuierung, sowie von der Flucht des sich auch nicht mehr, ErzählperspektiMai 2009 kuAktuell Kultur ven verschieben sich, Vergangenheit und Gegenwart wechseln sich ab – und dennoch geht von der Komposition im Ganzen eine Anziehungskraft aus, die müden Augen den Schlaf Seite um Seite, Zeile für Zeile entzieht. Träume, Phantasien und Assoziationen werden in die Handlung eingeknüpft und erwecken die stumme Materie auf dem Papier, die grauen Steinmassen der europäischen Großstädte zum Leben. Austerlitz versucht der modernen, aus ihrer Bahn geworfenen Welt ein Stück weit ihres in den Kriegen des vergangenen Jahrhunderts verblassten Zaubers zurückzugeben. Ihre urbane Fassade entlarvt er als bloße Chimäre, die übersät ist von den Narben der Vergangenheit, von »Schmerzensspuren, die sich in unzähligen feinen Linien durch die Geschichte ziehen.« Manifest wird dieser steinerne Leidensweg der Menschheit in den Monumentalbauten der letzten Jahrhunderte. Eine Festung ist für Austerlitz nicht einfach nur eine Festung, ein Bahnhof nicht einfach nur kuAktuell Mai 2009 ein Bahnhof, sondern ein Schicksalsort, ein mit Leiden, aber auch mit Freuden, Ängsten, Hoffnungen aufgeladenes Archiv menschlicher Gefühlszustände. Von der Gare de l’Est aus haste ich weiter zur Metro, Linie 5 Richtung Place d’Italie. Die Verspätung in Stuttgart konnte nicht mehr eingeholt werden. Mit Sorge blicke ich auf die riesige Bahnhofsuhr, deren Zeiger allzu schnell vorrücken. Doch in der Metro steht die Zeit mit einem Mal still. Alles erscheint wie im Roman. Die Menschen klein und reglos, das Licht gedämpft, nur ein unterweltlicher Dämmer, inmitten der Fahrt eine unheimliche Stille. Die Welt, die Austerlitz für sich beschreibt, ist diese Welt; zeitlos, lichtlos, eine Reise durch die Nacht. Man kann versuchen, das Dunkel zu durchdringen, das sich als graues, steinernes Ungetüm seinen Weg durch die Zeit bahnt. Mit Glück stößt man zwischen den Seiten eines Buches oder den bleiernen Häuserblocks einer Großstadt noch auf seine Spuren. Als der Zug plötzlich aus seinem Tunnel hinaus ins Freie kriecht, sehe ich eine Stahlbrücke, dann einen Fluss, dann Notre Dame. Die Geschichte hat mich eingeholt: als einen ihrer Reisenden, die »nachdem sie die Seine überquert haben, über das eiserne Viadukt seitwärts in den oberen Stock des Bahnhofs hineinrollen, gewissermaßen verschluckt werden von der Fassade.« Ich bin angekommen an der Gare d’Austerlitz.¶ Christian Hübner 27 10 Fragen … … deren Antworten bei »Wer wird Millionär?« ganz sicher zum Gewinn führen!11!!eins1!!!!1elf!! 1. 2. Sie wollen etwas an der Wand befestigen. Womit können Sie das tun? a) Metzgernagel b) Fischerdübel c) Bauernschraube d) Schreinerhaken Welche Stadt galt lange Zeit als nördlichste der Welt? a) Schraubenzieherparty b) Feilenrave c) Bohrerfeier d) Hammerfest Höhe 122,767 mm 3. 4. 5. Sie gehen zum Arzt bei a) Milzwiese b) Lebermoos c) Herzrasen d) Lungenflechte 6. Das Resultat eines Amoklaufs heißt auch a) Wasserflur b) Tintenküche c) Blutbad d) Bierzimmer 7. Parallele Lichtstrahlen vereinigen sich nach dem Durchqueren einer Sammellinse im a) Kokelkomma b) Schwelsemikolon c) Brennpunkt d) Loderfragezeichen 8. Leckere Salami kommt unter Anderem aus a) Unstrippe b) Ungarn c) Unfaden d) Unwolle Michaela Schaffraths Künstlername in der Pornobranche war a) Alice Rind b) Roxy Fisch c) Mandy Geflügel d) Gina Wild 9. 10. Für die Erlangung eines akademischen Grads braucht es ein/e/n a) Doktorarbeit b) Pfarrerstelle c) Lehrerjob d) Juristenmaloche Leider ist diese Seite nicht besonders a) themenverkleidet b) themenbezogen c) themengestrichen d) themenverputzt Sie sitzen gerade vor einem …? a) Gemäldestock b) Zeichnungshut c) Fotomantel d) Bildschirm Breite 190 mm Wir suchen einen Comic, ein Bild, ein Foto, … am besten zum Heftthema, allgemein zur Uni, aber auch zu anderen Themen. Du schreibst gerade zu wenig Seminararbeiten? Deine Referate lasten dich nicht aus? Du möchtest noch mehr für die Uni tun? Dann melde dich und schick dein Machwerk in großer Auflösung an * [email protected]. Wir behalten uns die Auswahl des gedruckten Motivs natürlich vor. Wir bieten eine halbe Seite in Farbe. Anonym oder mit props und fame und respect, man! 28 Mai 2009 kuAktuell