Der praktische Fall (<1MB)

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Der praktische Fall (<1MB)
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Der praktische Fall
Peter A. Suter
AXA Winterthur
Zusammenfassung
40-jähriger Bergführer mit durchgemachtem Höhen-Lungenödem beantragt eine Todesfallversicherung und
eine Erwerbsunfähigkeitsrente.
Auf Basis eines speziellen Fragenbogens erhielten wir Angaben, dass der
Antragsteller alle 2-3 Jahre Expeditionen im Himalaya-Gebiet (Höhe über
7‘000 m) durchführt.
In der Gesamtbeurteilung wurden aufgrund der massiv erhöhten Risikoexposition keine Versicherungsdeckung bei
Todesfall und Erwerbsunfähigkeit für
Ereignisse, welche sich im Zusammenhang mit Bergsteigen/Expeditionen ereignen, angeboten.
Ein Jahr später verstarb der Kunde
während einer Himalaya Expedition.
Die Police wurde annulliert ohne
Leistungserbringung.
Trotz des tragisch verlaufenen Falles
war aus Sicht des Versicherers der Entscheid keine Versicherungsdeckung anzubieten richtig.
Es ist Aufgabe des Underwriters Spitzenrisiken von Normalrisiken zu tren-
nen und je nach Risikoexposition eine
Versicherungsdeckung mit entsprechender Mehrprämie oder Deckungsausschluss anzubieten.
Résumé
Un guide de montagne de 40 ans ayant
déjà souffert d‘un œdème pulmonaire
en raison de l’altitude, conclut une assurance risque décès ainsi qu’une rente en
cas d’incapacité de gain.
Au moyen d’un questionnaire spécifique,
il est apparu que le demandeur prenait
part tous les 2 à 3 ans, à une expédition
dans la région de l’Himalaya (altitude au
dessus de 7‘000 m).
Lors de l’appréciation générale, en raison
du degré massivement élevé du risque, il
a été décidé de n’accorder aucune couverture en cas de décès ou en cas d’incapacité
de gain pour des événements en relation
avec l’alpinisme ou les expéditions.
Une année plus tard, le client est décédé au cours d’une expédition dans
l’Himalaya. La police a été annulée sans
aucun versement de prestation.
Du point de vue de l’assureur et mal­gré
l’issue tragique du cas présenté ici, la décision de ne donner aucune couverture
était correcte.
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La tâche d’un underwriter est justement
de reconnaître et de séparer les risques
élevés des risques normaux et, le cas
échéant en relation avec le degré de
risque présent, de proposer une couverture d’assurance avec une surprime correspondante ou alors de décider d‘exclure
la couverture.
Beim Bergsteigen sind Todesfälle und
Verletzungen vor allem auf falsche
Techniken und Fehleinschätzungen der
Bergsteiger sowie auf wetterstürze und
Steinschlag zurückzuführen. Nicht unwesentlich für die Risikoeinschätzung
ist somit auch die Erfahrung des Antragstellers sowie seine Fähigkeit, Risiken richtig einzuschätzen.
Antragsteller
40-jähriger Bergführer verheiratet, beantragt folgende Versicherungen auf
Endalter 65:
• Todesfallversicherung CHF 250’000
• Jährliche Erwerbsunfähigkeitsrente
von CHF 48‘000 mit einer Wartefrist
von 3 Monaten
• Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit mit einer Wartefrist von 3
Monaten
Die in den Personenfragen gestellte Frage nach speziellen Bergsteigerrisiken
wurde mit Höhenbergsteigen und Trekking-Touren beantwortet.
Mittels eines speziellen Fragebogens erhielten wir zusätzlich folgende Angaben:
«Subjektives Risiko»
Die Einschätzung von Berufsrisiken wie
Bergsteigen ist sehr vielschichtig. Vom
Underwriter wird viel Erfahrung und
Fingerspitzengefühl verlangt. Nebst
dem erhöhten Unfallrisiko oder technischem Versagen sind auch die gesundheitlichen Aspekte entsprechend
mitzuberücksichtigen.
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Alle 2-3 Jahre längere Aufenthalte im
Himalaya-Gebiet mit:
• Trekking-Touren im Grenzgebiet
Nepal/Tibet
• Expeditionen im Hochgebirge mit
Besteigung der höchsten Gipfel des
Himalayas
• Bereits bestiegene Gipfel:
– Dhalaugiri 8‘167 m
– Annapurna II 7‘937 m
• In nächster Zukunft geplante Gipfelbesteigungen:
– Annapurna I 8‘091 m
– Mount Everest 8‘848 m
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Medizinischer Befund
(«Objektives Risiko»):
Der aufgrund der beantragten Versicherungsleistungen nötige ärztliche
Untersuch ergab aktuell keine gesundheitlichen Auffälligkeiten. Für unsere
Risikobeurteilung
mitberücksichtigt
wurde jedoch folgende Angabe:
• Status nach Höhen-Lungenödem
1999 bei Trekking Tour in Nepal, erfolgreiche Behandlung, keine Folgen.
Höhen-Lungenödem:
Beim Höhen-Lungenödem handelt es sich
um ein Ödem in der Lunge. Flüssigkeit tritt
aus den Kapillaren ins Lungengewebe und
behindert die Atmung. Besonders gefährdet sind Bergsteiger, die ohne entsprechende Akklimatisation zu schnell aufsteigen.
Es handelt sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung mit einer Mortalität von
50%, falls keine adäquate Therapie möglich ist (schneller Abstieg/ Sauerstoffzufuhr/Einnahme von Nifedipin). Gemäss
Untersuchungen in den Walliser Alpen an
Bergsteigern mit dokumentiertem HöhenLungenödem zeigten, dass mit einer Rezidivhäufigkeit von 60 – 70% zu rechnen ist.
Da gemäss Angaben des Antragstellers
weitere Gipfelbesteigungen geplant
sind, haben wir aus versicherungsmedizinischer Sicht folgende Einschätzung
vorgenommen:
• Mehrprämie von CHF 750.00 auf die
beantragte Todesfallversicherung
• Mehrprämie von CHF 450.00 auf die
beantragte Erwerbsunfähigkeitsrente
Subjektive Beurteilung:
Die subjektive Risikoeinschätzung erfolgte aufgrund von günstigen und
ungünstigen
Faktoren
betreffend
Ausbildung, Erfahrung, Sicherheitsvorkehrungen und der Expositionszeit.
Aufgrund der doch massiv erhöhten
Risikoexposition wurde keine Versicherungsdeckung bei der Todesfallversicherung und der Erwerbsunfähigkeitsrente für Ereignisse, welche sich
im Zusammenhang mit Bergsteigen/Expeditionen ereignen, angeboten.
Der Antragsteller hat diese Bedingungen akzeptiert und der Antrag konnte
policiert werden.
Weiterer Verlauf
Der Versicherte nahm ein ein Jahr später an einer Himalaya Expedition teil,
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mit dem Ziel einer Mount Everest Besteigung. Nach vierwöchiger Akklimatisation brach die fünfköpfige Expedition
vom letzten Hochlager zur Gipfelbesteigung auf. Aufgrund einer plötzlichen
Wetterverschlechterung musste die
Gruppe kurz vor dem Gipfel umkehren,
während des überstürzten Abstieges
kam es beim Versicherten ohne Vorwarnung zu einem Leistungsabfall (schaumiger Husten/Zyanose/Dyspnoe).
Trotz sofortiger Sauerstoffzufuhr verstarb der Versicherte und er musste
aufgrund des schlechten Wetters zurück gelassen werden. Die restlichen
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Expeditionsteilnehmer erreichten mit
letzter Kraft das Hochlager.
Fazit
Trotz des tragisch verlaufenen Falles
war aus Sicht des Versicherers der Entscheid keine Versicherungsdeckung anzubieten richtig.
Es ist Aufgaben des Underwriters Spitzenrisiken von Normalrisiken zu trennen und je nach Risikoexposition eine
Versicherungsdeckung mit entsprechender Mehrprämie oder Deckungsausschluss anzubieten.
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Kurs über Risikoprüfung in der Lebensversicherung
Eine Gruppe von Versicherungsfachleuten und Medizinern hat einen Kurs über die Risikoprüfung in
der Lebensversicherung ausgearbeitet. In diesem Kurs werden die Produkte, die Technik sowie die
Prozesse in der Lebensversicherung dargestellt und danach, anhand von verschiedensten Beispielen,
das medizinische und nichtmedizinische Underwriting näher gebracht.
Kursdatum: 21. Januar 2010 von 13:30 bis 17:30 Uhr
Ort: Swiss Re, Tüfihaus Adliswil
Kurskosten: Der Kurs ist kostenlos
Credits: 4 Credits der SIM, 3 Credits der FMH
Kursinhalt:
• Ausgangslage
• Bedarfsermittlung
• Produkte der Lebensversicherer
• Technik der Lebensversicherung
• Prozess in der Einzellebensversicherung
• Risikoprüfung anhand von Fallbeispielen
o Medizinisches Underwriting
o Nichtmedizinisches Underwriting
Referenten:
• Dipl. math. ETH, Silvia Knutti, Generali, Leitung Underwriting Leben
• Dr. med. Stéphanie Randon-Altwegg, Swiss Re, Swiss Re Life & Health
• Dr. med. Bruno Soltermann, Präsident SIM, Chefarzt SVV
• Dr. med. Urs Widmer, Swiss Re, Chief Medical Officer
Anmeldungen per Anmeldeformular (auf unserer Homepage publiziert). Bei Überbuchung wird eine
Warteliste geführt, Sie werden umgehend darüber informiert.
Auskunft:
Geschäftsstelle SIM
c/o Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie
Im Park, St. Georgenstrasse 70
Postfach 958, 8401 Winterthur
Tel. 058 934 78 77
Fax 058 935 78 77
www.swiss-insurance-medicine.ch
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