Coaching: Vom Sportplatz in die Ausbildung

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Coaching: Vom Sportplatz in die Ausbildung
D O S S I E R Lehrlingsbetreuung
Coaching: Vom Sportplatz
in die Ausbildung
Der Begriff Coaching stammt aus dem Sport und wurde dann auf die Beratung und Unterstützung von Führungspersonen übertragen. Heute trifft man ihn vielerorts und in den unterschiedlichsten Ausprägungen an. Die Lehrerin
und Supervisorin Gerda Germann vertritt die Meinung, Coaching werde auch in der (Berufs)bildung ein Muss.
Foto: Christian Beutler
Woher kommt der Begriff?
Er stammt aus dem Sport. Dies hat den Vorteil, dass der Begriff vor allem bei Jugendlichen gut ankommt. Beratung oder Supervision haben einen psychologischen Anstrich, während Coaching an Sport, Leistung
und Erfolg denken lässt. Heute wird der Begriff vorwiegend im Zusammenhang mit der
Beratung von Führungskräften benutzt.
Wie unterscheidet sich Coaching von
der Supervision?
Supervision ist die lösungsorientierte Konfliktbewältigung im Arbeitsalltag durch eine
externe Moderatorin oder einen externen
Moderator. Daneben gibt es noch die Intervision, bei der innerhalb der Gruppe gemeinsam nach Lösungen gesucht wird.
Coaching dagegen ist wie gesagt leistungsbezogen und richtet sich in der Regel an Einzelpersonen. Es gibt allerdings auch das
kollegiale Coachen in der Gruppe. Dabei
unterstützt die Gruppe ein Gruppenmitglied
bei der Zielformulierung und -erreichung.
Die Begriffe Coaching und Supervision werden häufig durcheinander gebracht.
«Der Begriff des Coachs stammt aus dem
Sport und kommt deshalb bei vielen Jugendlichen gut an.»
Res Minder
PANORAMA: Was ist unter Coaching
zu verstehen?
Gerda Germann: Es ist eine Form von Beratung. Ein Mensch wird begleitet und unterstützt, damit er in einer bestimmten Frist
sein Ziel erreicht. Im Coachingprozess geht
es darum, im Dialog konkrete Ziele zu entwickeln und zur Erreichung dieser Ziele zu
motivieren. Dies bedingt ein Vertrauensverhältnis zwischen Coach und gecoachter
Person.
PANORAMA 4/2001
Welche Bedeutung hat Coaching in
Bildungsprozessen?
Die Lernenden werden heute mit neuen
Lehr- und Lernformen, einer Tendenz zur
Modularisierung, einer Informationsflut
und komplexer werdenden Aufgabestellungen konfrontiert. Da wird eine Begleitung
immer mehr zum Muss. Das gilt allerdings
nicht nur für die Zeit der Grundausbildung,
sondern auch für später. Aber es ist wichtig, dass der Umgang mit Begleitpersonen
schon in der Schule erfahren und gelernt
wird, damit ein natürlicher und fruchtbarer
Umgang mit diesem Angebot früh eingeübt
werden kann.
Heute übernehmen oft Lehrlingsbetreuer im
Betrieb und Lehrerinnen und Lehrer in der
Schule eine coachende Funktion. Allerdings
fungieren sie immer auch als Bewertende.
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Diese Doppelfunktion ist problematisch,
denn Coaching sollte grundsätzlich beurteilungsfrei sein. Die Lernenden wenden sich
nur dann unbefangen an eine Person, wenn
sie wissen, dass diese sie nicht auch qualifiziert. Das Coaching ist – wie ich es verstehe – eine Begleitung des Lernenden ohne
Noten, ohne Bewertungen und ohne Einfluss
auf die Qualifikation.
Allerdings sollten Ausbildungsverantwortliche mit der Methode des Coachings vertraut sein. Sie können im Bezug auf Personen, für die sie nicht Ausbilder sind, durchaus als Coach fungieren. In der Lehrerbildung wird ein solches Know-how noch zu
wenig vermittelt.
Neben den Lernenden sollten meines Erachtens auch die Ausbildungsverantwortlichen vermehrt gecoacht werden.
Auch im Zusammenhang mit dem Lernen
am Arbeitsplatz kann Coaching, namentlich
das kollegiale Coaching, zu einem wichtigen
Instrument werden.
Wo gibt es heute bereits Coaching in
der Berufsbildung?
Im Rahmen des DBK-Projekts für leistungsstarke Jugendliche 1 wurde die Idee der
Portfolio-Ausbildung entwickelt. Gemeint ist
damit eine gewisse Individualisierung der
Ausbildung, indem die Ausbildungsgänge
den Bedürfnissen der Jugendlichen angepasst werden. Dies bedingt eine engere
Begleitung und Betreuung der Jugendlichen.
Im Moment sind in diesem Rahmen Pilotprojekte am Laufen. Daneben gibt es eine
ganze Reihe von Projekten mit allerdings
recht unterschiedlichen Ansätzen (vgl.
Kasten).
Wie könnte es in den Betrieben und
Schulen organisiert werden?
In den Betrieben müssten Betreuerinnen
und Betreuer für die Aufgabe freigestellt
werden, damit sie wirklich Zeit dafür
haben. Das Gleiche gilt für die Schule. Die
DOSSIER
Wo gibt es Coaching in der Berufsbildung?
Es gibt bereits eine grosse Zahl von Betrieben, Schulen, Institutionen und Angeboten
aus der Berufsbildung, die mit Coaching
oder vergleichbaren Methoden arbeiten. Die
verwendete Terminologie ist dabei sehr vielfältig. Hier drei Beispiele:
Projekt «Coaching in der Berufsbildung»
des Kantons Zürich im Rahmen des Lehrstellenbeschlusses 2
Das Projekt, das Mitte Jahr gestartet ist, will
bereits bestehende und neue Coaching-Konzepte in Schulen und Betrieben erfassen,
fördern, entwickeln und sie auf ihre Wirkung
untersuchen.
Daneben werden während eines Jahres Ausbildungsverantwortliche geschult. Nach Angaben des Projektverantwortlichen, Hansueli Leeser, von der Fachstelle Förderung
und Integration des Mittelschul- und Berufsbildungsamts des Kantons Zürich ist das
Interesse am Ausbildungsangebot so gross,
dass nicht alle Anmeldungen berücksichtigt
werden können.
Ein weiteres Ziel des Projektes besteht darin, Verbände, Betriebe, Schulen und Institutionen im Zusammenhang mit der Frage des
Coaching zu vernetzen.
Nach zwei Jahren wird das Projekt abgeschlossen werden. Resultieren wird unter
anderem ein Handbuch.
Nähere Informationen und Kontaktadressen
finden sich unter www.lehrstellenbeschluss2-zh.ch
UBS: Personalberater Nachwuchs
Den Lernenden bei der UBS steht während
der gesamten Lehrzeit ein so genannter
Doppelfunktion als Coach und beurteilende
Person müsste dabei vermieden werden. In
kleinen Betrieben könnte das ein Problem
darstellen. Eine mögliche Lösung wären
überbetriebliche Coachs, die für mehrere
Betriebe oder eine Region zuständig wären.
Es müsste sich dabei erstens um eine
qualifizierte Person handeln, andererseits
auch um jemanden, der nicht polarisiert. Es
besteht sonst die Gefahr, dass er zur
Konkurrenz der Lehrlingsbetreuerinnen
wird oder von diesen als Konkurrenz empfunden wird.
Eine solche Lösung kostet zwar etwas,
aber die Resultate wiegen dies auf. Durch
das Coaching erwerben die Jugendlichen
Sozialkompetenz, die Fähigkeit zur Selbstreflexion und sie lernen sich selber einzuschätzen.
PANORAMA 4/2001
«Personalberater Nachwuchs» zur Seite. Er
bespricht mit den Lernenden regelmässig
Arbeitsplatzqualifikationen und Zeugnisse,
plant die Praxiseinsätze und unterstützt sie
bei der beruflichen Laufbahn. Er steht auch
als Ansprechperson bei Problemen oder Unklarheiten zur Verfügung.
ascom Berufsbildung Bern
Alle Lernenden erhalten anfangs Lehre
einen persönlichen Coach, der sie während
der Lehrzeit begleitet, unterstützt und fördert. Der Coach übernimmt nicht die Aufgabe der fachlichen Ausbildung, sondern ausschliesslich die auf die Person bezogene
Führung der Lernenden. Mit diesem Coaching-System haben die Lernenden über
die gesamte Lehrzeit den gleichen Ansprechpartner und ein Vertrauensverhältnis
kann aufgebaut werden. Ihre Fähigkeiten
und Neigungen werden erkannt und eine
auf die Person abgestimmte Lehrablaufplanung wird möglich.
Wie werde ich Coach?
Es gibt eine ganze Reihe von Anbietern von
Coaching-Ausbildungen. Der Berufsverband
für Supervision und Organisationsberatung
(BSO) hat Kriterien für die Anerkennung
von einschlägigen Ausbildungen entwickelt. Seine Aufnahmekommission prüft die
Lehrgänge. Eine Liste der BSO-anerkannten
Lehrgänge mit Kurzbeschrieb findet sich
auf der Webseite des Berufsverbandes
(www.bso.ch).
Als Bedingung für die Zulassung wird von
den meisten Anbietern das Diplom einer Höheren Fachschule oder einer Hochschule
und einige Jahre Berufserfahrung verlangt.
Gerda Germann ist Mittelschullehrerin und
Supervisorin BSO. Sie war Mitglied der DBKArbeitsgruppe, die das Projekt «Angebot für
Leistungsstarke» betreute. Sie führt Evaluationen, Lehrerberatungen und Teamentwicklungen durch. Adresse: Tramstrasse 69,
8050 Zürich, [email protected]
1 vgl. den Beitrag von Emil Wettstein in PANORAMA 3/2000
Nähere Informationen und Kontaktadressen finden sich unter
www.lehrstellenbeschluss2-zh.ch.
Eine Liste der BSO-anerkannten Lehrgänge findet sich auf der Webseite des Berufsverbandes
www.bso.ch.
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Coaching: du stade
à la formation
Le concept de «coaching» vient du sport et
a ensuite été transféré au conseil et à l’appui de personnes dirigeantes. On le retrouve
aujourd’hui à de multiples endroits et dans
les acceptions les plus diverses. Dans un
entretien, Gerda Germann explique ce
qu’elle entend par là et comment on peut
mettre en œuvre cet instrument dans les processus de formation. Le coaching est une
forme de consultation. Dans le processus de
coaching, il s’agit de développer des objectifs concrets au moyen du dialogue et dans
un délai déterminé, et de créer la motivation
pour les atteindre. Les personnes en formation sont confrontées aujourd’hui à de nouvelles formes d’enseignement et d’apprentissage, une tendance à la modularisation,
un flot d’informations et des tâches devenant de plus en plus complexes. Dans ces
circonstances, le sens d’un accompagnement gagne en importance. Aujourd’hui,
des responsables de l’encadrement d’apprentis en entreprise, des enseignantes et
enseignants à l’école professionnelle prennent souvent une fonction de coach. Ils continuent cependant à jouer un rôle d’évaluateurs. Cette double fonction est problématique, car le coaching devrait fondamentalement être libre de tout jugement. En plus
des personnes en formation, le coaching
pourrait trouver des applications plus
fréquentes auprès des responsables de formation ou de personnes en relation avec
l’apprentissage à la place de travail.
Dans les entreprises et les écoles, les personnes assumant des tâches de coaching
devraient être libérées pour qu’elles en
aient vraiment le temps. Pour les entreprises plus petites, il devrait être possible de
mettre sur pied un coaching interentreprises. Il devrait s’agir de personnes qui ne polarisent pas l’attention, sinon on court le
risque qu’elles soient ressenties comme une
concurrence par les responsables des
apprenti-e-s. Les coûts d’une telle solution
devraient être compensés par l’accroissement des compétences des jeunes. Dans le
cadre de l’arrêté sur les places d’apprentissage 2, le canton de Zurich conduit un
projet de coaching, au centre duquel figurent les apprenti-e-s rencontrant des
difficultés de formation. L’UBS et la formation professionnelle ascom à Berne sont
deux exemples d’entreprises qui ont déjà
concrétisé le coaching dans la formation de
leurs apprentis.
AM/RA

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