SCHULEWIRTSCHAFT, Ausgabe 8/2
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SCHULEWIRTSCHAFT, Ausgabe 8/2
Siegel „Schule mit vorbildlicher Berufsorientierung“ Am 26. Juni ist es wieder soweit: Das Siegel "Schule mit vorbildlicher Berufsorientierung" wird vergeben.12 Schulen haben sich in diesem Jahr beworben, die im Mai und Juni durch Jurorenteams aufgesucht und auditiert wurden. Wir dürfen auf die Ergebnisse gespannt sein und werden in der nächsten Ausgabe von SCHULEWIRTSCHAFT berichten. In dieser Ausgabe setzen wir unsere Berichterstattung über erfolgreiche Siegel-Schulen fort. Sven Nack berichtet von der Gesamtschule Niendorf, die 2005 das Siegel erhielt. Berufsorientierung an der Gesamtschule Niendorf Die Gesamtschule Niendorf liegt im Herzen des Stadtteiles und wird von rund 700 Schülerinnen und Schülern besucht. Neben der Arbeit an der Lernmethodenkompetenz bildet der Bereich „Berufsorientierung“ einen besonderen Schwerpunkt unserer Schule. Für diese Arbeit sind wir im Sommer 2005 als Schule mit vorbildlicher Berufsorientierung ausgezeichnet worden. Kern unseres Konzeptes bildet ein strukturiertes Berufsorientierungscurriculum in den Jahrgängen 8 bis 10, das auf einem eigenen Elternabend aller 8. Klassen zu Beginn des Schuljahres vorgestellt wird. Vor den Herbstferien findet im Jahrgang 8 eine Projektwoche zum Thema Berufsorientierung statt. Hier gibt es neben Informationen zu unterschiedlichen Berufen und dem Training z. B. von Bewerbungssituationen auch „Lebensweltorientierung“ unter dem Titel „Was kostet das Leben“. Die Schülerinnen und Schüler untersuchen die Preise von Wohnungen, Lebensmitteln und ähnlichem und lernen z. B. Ausbildungsvergütungen kennen. Zusätzlich wird in dieser Woche eine erste Orientierung auf die individuellen Stärken und das eigene Profil versucht. Dabei wird z. B. über die „Schatzkärtchen-Methode“ den Schülerinnen und Schülern vermittelt, dass sie bereits als Achtklässler weit mehr können und mehr sind, als ihr Zeugnis ausweist. Für die letzten zwei Tage der Woche hat es sich bewährt, dass die Mädchen eine besondere „Berufsorientierung“ in Zusammenarbeit mit dem Haus der Jugend in Niendorf bekommen und die Jungen in dieser Zeit einen Schnuppertag im Betrieb absolvieren bzw. weiter an den Themen der Projektwoche in der Schule arbeiten. Im Februar schließt sich eine Betriebserkundung in Kleingruppen an, die in acht bis zehn Betrieben durchgeführt wird und jahrgangsübergreifend organisiert ist. Vorbereitet wird dieser Betriebserkundungstag in den Klassen am Tag vorher in Form eines Projekttages, auf dem unter anderem Berufsbilder kennen gelernt und Fragen an die Betriebe entwickelt werden; die Nachbereitung findet im Tutorenunterricht der einzelnen Klassen statt, in dem dann die Eindrücke aus den verschiedenen Betrieben und Berufen zusammengetragen werden. Im Juni schließt ein Besuch im Berufsinformationszentrum die Aktivitäten zur Berufsorientierung im Jahrgang 8 ab. Der Jahrgang 9 hat vor den Herbstferien ein erstes dreiwöchiges Betriebspraktikum, das im Arbeitslehreunterricht ausgewertet wird. Hier und im Deutschunterricht wird das Verfassen von Bewerbungsschreiben und Lebensläufen trainiert. Zu Beginn des zweiten Halbjahres findet für alle Schülerinnen und Schüler ein Bewerbungstraining bei einer Krankenkasse oder auch beim DGB statt. Für die Eltern und die Schülerinnen und Schüler wird zusätzlich im Februar ein Informationsabend zu BVJ, AVJ etc. sowie zu Betreuungsmöglichkeiten für Hauptschülerinnen und Hauptschüler organisiert. Der Jahrgang 10 hat – wiederum vor den Herbstferien – sein zweites Betriebspraktikum, dessen Arbeitsergebnisse Ende November in Form einer kleinen „Messe“ den Eltern, Mitschülern sowie den eingeladenen Praktikumsbetrieben vorgestellt werden. Zu dieser Veranstaltung wird jeweils ein Vertreter eines größeren Hamburger Ausbildungsbetriebes als Referent geladen, der über die Erwartungen Hamburger Ausbilder an die zukünftigen Auszubildenden sowie die jeweiligen Ausbildungsgänge in seinem Betrieb berichtet. Zu dieser Veranstaltung wird die örtliche Presse geladen. Ein Elternabend zu den weiterführenden Schulen im Februar ist die abschließende „Veranstaltung“ zur Berufsorientierung in diesem Jahrgang. Nachhaltigkeit Ähnliches findet sich wohl an einigen Schulen, wenn es um das Thema Berufsorientierung geht. Was macht also das „Vorbildliche“ unseres Konzeptes aus? Zunächst einmal wird es das hohe Maß an Verlässlichkeit in puncto Strukturen und Personal sein. Die Eltern wissen, wer sich um was kümmert, die Schüler erkennen die Struktur und finden die nötige Sicherheit, wenn es um Fragen, Hilfe oder auch „nur“ um Materialien geht. Und die Kolleginnen und Kollegen, die z.B. als Tutoren oder in den Projektphasen zur Berufsorientierung unterrichten, wissen, was zu tun ist, weil sie jeweils vorbereitet werden und mit Materialien in ihren Unterricht gehen. Zum zweiten kommunizieren wir das Thema „Berufsorientierung“ an unserer Schule stark. Sowohl am „Schwarzen Brett“ als auch in unserer Bibliothek finden Interessierte Informationen; am Tag der offenen Tür, mit unserem Internetauftritt sowie über die Presse gehen wir mit unserer Berufsorientierung in die lokale Öffentlichkeit. Auch die Einladung der Praktikumsbetriebe ist hier mehr als nur eine „nette Geste“. Zum dritten hat bei uns in der Schule die Berufsorientierung in der Arbeitslehre einen besonderen Stand, wenn z.B. betriebliche Arbeitsorganisation nachvollziehbar gemacht wird. Wir vollziehen im Jahrgang 10 den Unterschied zwischen Einzel- und „automatisierter“ Fertigung im Rahmen der Produktion von Klapphockern nach – einschließlich Kostenrechnung und Arbeitszeitmessung. Weitere Bezüge zum „Ökonomischen“ finden sich z.B. im 50/50-Projekt, bei dem Schülerinnen und Schüler den Sinn ökonomischen (und ökologischen) Handelns direkt in Form von teilweise selbst (mit-) bestimmten Schulanschaffungen erfahren. Zum vierten wird auch im Integrationsbereich (wir haben in jedem Jahrgang eine Integrationsklasse) deutlich und für die Schulgemeinschaft sichtbar zum Thema Berufsorientierung gearbeitet. So verkauft eine Schülerfirma „Last Minute“, die von Integrationsschülerinnen und –schülern gebildet wird, jede Pause Schreibwaren und Getränke in der Pausenhalle. Zum fünften arbeitet unser Beratungsdienst intensiv zum Thema mit denjenigen Schülerinnen und Schülern (und deren Eltern), die den „Königsweg“ einer geordneten Schulkarriere nur schwer schaffen. Auch hier ist die Verlässlichkeit sichtbar. Weiterentwicklung Wir sind mit unserer Berufsorientierung gut und effektiv aufgestellt. Trotzdem werden auch wir uns weiter entwickeln. So stellt sich die Frage, wie/ob wir das Thema „Kompetenzfeststellung“ in unserer Schule stärker verankern können. Es mag reizvoll sein, einige Elemente der Berufsorientierung als „Lebensorientierung“ auf untere Jahrgänge weiter wachsen zu lassen. Auch die Frage, wie wir zukünftig mit denjenigen Schülerinnen und Schülern, die von einem nur schwachen Haupt- oder gar keinem Schulabschluss bedroht sind, umgehen wollen, lässt sich vor dem „berufsorientierenden Blick“ diskutieren. Schule wird und muss sich verändern. Wir werden dabei an unserer Schule das Thema Berufsorientierung deutlich mit im Auge haben. Sven Nack, Gesamtschule Niendorf