Ansprache zu Lukas 14,15-24 – Konfirmandenvorstellung am

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Ansprache zu Lukas 14,15-24 – Konfirmandenvorstellung am
Ansprache zu Lukas 14,15-24 – Konfirmandenvorstellung am verkaufsoffenen Sonntag
in der Michaelskirche Gerstetten am 27. September 2015 – Pfarrer Maisenbacher
Liebe Gemeinde, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
wahrscheinlich wart ihr am vorletzten Montag auch genauso glücklich wie eure Eltern und Lehrer,
dass die Sommerferien endlich zu Ende sind, und euch der Schulalltag wieder ganz in Beschlag nimmt
– oder etwa nicht? Haben euch die Ferien gereicht? Konntet ihr euch gut erholen? Oder seid ihr nach
den ersten beiden Schulwochen, mit all den schulischen und vereinsmäßigen Verpflichtungen schon
wieder so gestresst, dass ihr heute Morgen am liebsten noch ein bisschen länger im Bett liegen
geblieben wärt? Seit letzter Woche kommt ja zu euren regelmäßigen Wochenterminen noch ein
weiterer am Mittwochnachmittag hinzu, an den ihr euch für das nächste Dreivierteljahr schon mal
gewöhnen könnt. Pfarrer Bosch und ich selbst natürlich auch freuen uns schon sehr auf die
gemeinsame Zeit, freuen uns auf euch, eure Fragen und all das, was ihr so mitbringt in unsere
Gemeinde. Um aber nochmals auf die Sommerferien zurückzukommen…
Ich selbst hab meinen Urlaub sehr genossen. Nachdem ich hier jetzt 11 Monate am Stück mehr oder
weniger ohne Pause durchgearbeitet hatte, machte ich mich Anfang August auf in sommerliche
Gefilde, um jenseits der Alpen an der kroatischen Adriaküste zu entspannen und mich ganz dem
Müßiggang hinzugeben. Was nicht ganz so entspannend war, war die Tatsache, dass ein in unmittelbarer Nähe meines Feriendomizils befindliches Café jeden Morgen um 7 Uhr öffnete und dann auch
gleich mal die Musikanlage aufdrehte – und das nicht zu leise versteht sich. Da der Besitzer
offensichtlich nur eine einzige CD in seinem Café hatte, lief dort an jedem Tag immer die ein und
dieselbe CD, die jeden Morgen auf’s neue mit immer demselben Titel – nämlich einem der Hits dieses
Sommers – begann.
Ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden kennt ihn sicher ganz gut. Aber auch die Erwachsenen
haben das Lied in den vergangenen Monaten sicher an der ein oder anderen Stelle schon einmal
vernommen. Es heißt „Waiting for love“ und ist von dem schwedischen DJ und Musiker Avicii. Ich
spiele es Euch und ihnen mal kurz vor. [Lied läuft]
Ein absolutes Gute-Laune-Lied, das in den vergangenen Wochen landauf landab bei Festen, in
Diskotheken und nahezu allen Radiosendern gespielt worden ist. Man möchte am liebsten mittanzen,
wenn man diese Beats und diese sehr eingängige Melodie hört. Ein Ohrwurm eben, der sicher zu
Recht zu den TOP 5 der diesjährigen Sommerhits zählt.
Sicher haben die meisten von ihnen dieses Lied gekannt, aber weiß denn auch irgendjemand von euch
/ von ihnen, was der gute Herr Bergling as known as Avicii da genau singt? Nein?
Nachdem mich dieses Lied während meines gesamten Urlaubs verfolgt – oder sagen wir besser –
begleitet hat, setzte ich mich – wieder zurück im herbstlichen Gerstetten – an den Schreibtisch und
schaute mir den Text des Liedes mal genauer an – und war dann doch etwas erstaunt als ich diesen
auf Deutsch vor mir liegen hatte:
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, irgendwie schön
Und jede Nacht hat ihren Tag, so zauberhaft
Und wenn es die Liebe in diesem Leben gibt, gibt es kein Hindernis,
das nicht überwunden werden könnte. […]
Da ist also ein junger Mann auf der Suche nach Liebe – wahrscheinlich nach der Liebe. Und wenn es
diese je geben sollte, dann kann sich ihm nichts und niemand in den Weg stellen, um ihn bei dieser
Suche aufzuhalten. Und um das Rastlose seiner Suche besser zu veranschaulichen, zählt er die
einzelnen Wochentage auf, indem er beschreibt, was er wann gemacht hat. Das hört sich auf Deutsch
dann so an:
Am Montag war ich am Boden zerstört
am Dienstag hatte ich die Hoffnung [schon] aufgegeben
am Mittwoch waren meine leeren Arme ausgebreitet
am Donnerstag wartete ich auf Liebe
[Gott] sei Dank, es ist Freitag
Ich brenne darauf am Samstag endlich wieder loszulegen und außer Kontrolle zu geraten.
Ich schätze, am Sonntag werde ich nicht in die Kirche gehen
Ich werde auf die Liebe warten, auf die Liebe
Dass sie vorbei kommt…
Als Pfarrer bin ich natürlich an der Stelle des Liedes hängen geblieben, wo der junge Mann für sich
entscheidet, an diesem Sonntag nicht in den Gottesdienst zu gehen. Wenn die Liebe, nach der er sucht
ihm am Samstagabend beim Feiern nicht begegnet, dann wird er halt weiter warten, bis sie schließlich
zu ihm kommt. So weit so gut. Auf die Idee, dass er der Liebe, nach der er sucht, vielleicht am Sonntag
und dann gerade in der Kirche begegnen könnte, kommt der junge Mann nicht. Schade eigentlich.
Denn sonntags im Gottesdienst, dem zentralen und damit konstituierenden Ort unserer Kirchengemeinde, da gäbe es doch so viele Gelegenheiten, mit der einen wahren Liebe in Kontakt zu treten.
Dies passiert in der Regel mit Hilfe der Bibel, die ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden am Ende
dieses Gottesdienstes als Geschenk eurer Kirchengemeinde überreicht bekommt. Für Christen ist die
Bibel das absolut wertvollste Zeugnis ihres Glaubens – das haben übrigens vor zwei Wochen auch die
vielen Kinder bei der Dorffreizeit gelernt – sie wird euch durch eure gesamte Konfirmandenzeit – und
hoffentlich auch darüber hinaus – begleiten. Wir werden es sicher nicht schaffen, sie einmal komplett
im Unterricht durchzulesen aber wir werden uns die ein oder andere Stelle anschauen, bei der es
auch um die Liebe geht – nämlich um die eine wahre Liebe. Eine davon findet sich im Buch des
Evangelisten Lukas: Dieser berichtet uns in seinem 14. Kapitel von folgender Begebenheit:
Jesus war zu einem Fest eingeladen. Nach dem Essen sprach er vom Reich Gottes, vom Fest, das es
dort dann geben wird und von dem Lohn, den die Geladenen Gottes dort einmal empfangen werden,
weil ihnen in dieser Welt Gottes Worte und Gebote wichtig waren. Lukas berichtet weiter:
„Als einer von den Gästen das hörte, rief er: ‚Was für ein Glück muss das sein zu Gottes Fest eingeladen zu
werden!‘ Jesus antwortete mit einer Geschichte: ‚Ein Mann bereitete ein großes Festessen vor, zu dem er viele
Gäste einlud. Als er fertig war, schickte er seinen Boten zu den Eingeladenen: ’Alles ist vorbereitet, kommt!’ Aber
niemand kam. Jeder hatte auf einmal Ausreden. Einer sagte: ‚Ich habe ein Grundstück gekauft, das muss ich
unbedingt besichtigen. Bitte entschuldige mich!’ Ein anderer: ‚Es geht leider nicht. Ich habe mir fünf Gespanne
Ochsen angeschafft. Die muss ich jetzt ansehen!’ Ein dritter entschuldigte sich: ‚Ich habe gerade geheiratet. Du
wirst verstehen, dass ich nicht kommen kann.’ Der Bote kehrte zurück und berichtete alles seinem Herrn. Der
wurde sehr zornig: ‚Geh gleich auf die Straßen und Plätze der Stadt und hole die Bettler, Krüppel, Lahmen und
Blinden herein!’ Der Bote kam zurück und berichtete: ’Es sind viele gekommen, aber noch immer sind Plätze frei!’
‚Geh auf die Landstraßen’, befahl der Herr, ‚und bringe her, wen du finden kannst! Jeder ist eingeladen. Mein
Haus soll voll werden. Aber von denen, die ich zuerst eingeladen hatte, soll keiner einen Bissen bekommen.’“
Warum erzählt Jesus so eine Geschichte? Und: Was sollen wir heute hier in Gerstetten damit
anfangen? Die Antwort ist einfach: Läuft das nicht bei vielen Christen in unserer Zeit auch so? Bei
Menschen, die wahrscheinlich als Säugling einmal getauft wurden und sich dann haben konfirmieren
lassen, also vor Gott und der versammelten Gemeinde bei ihrem Leben geschworen haben, sich zu
Gott zu bekennen, ihm nachzufolgen und nach seinen Weisungen und Geboten zu leben. Gut, das mag
bei den meisten von uns schon eine ganze Weile her sein. Aber angesichts dieser 38 jungen Menschen,
die sich seit vergangener Woche zusammen mit uns Pfarrern auf die Suche nach Spuren des
lebendigen Gottes in unserem Leben gemacht haben, gilt es heute schon zu bedenken, wie authentisch wir selbst eigentlich vorleben, was wir da von den Jungen verlangen, wie ernst es uns überhaupt
damit ist. In meiner Stuttgarter Gemeinde ereignete sich Sonntag für Sonntag unmittelbar vor und
nach dem Gottesdienst immer ein und dasselbe Ritual: In zweiter Reihe parkte eine nicht enden
wollende Schlange an SUVs, und Obere Mittelklassewagen, aus denen die Konfirmandinnen und
Konfirmanden raussprangen, um ihr Soll an Gottesdienstbesuchen zu erfüllen, während die Eltern
wieder ab nach Hause düsten. Eine Stunde später dann wieder die gleiche Szene. Und wenn der
Gottesdienst dann mal etwas länger ging – was bei mir ja dann und wann auch mal der Fall sein kann
– dann kam eben der gesamte Innenstadtverkehr zum Erliegen. Wie authentisch leben wir denn vor,
was wir von anderen verlangen? Wie wichtig ist uns heute denn dieses große Fest, zu dem Gott
einlädt? Ich denke, es ist ganz gut, dass Jesus diese Geschichte erzählt hat, denn sie trifft unsere
Lebenswirklichkeit mehr als uns lieb sein kann, vielleicht sogar schon so sehr, dass es weh tut.
Vorhin in der Schriftlesung (Joh 14,1-6) hörten wir eines der bekanntesten Worte Jesu, das am Ende
der Konfir-mandenzeit jeder von euch auswendig können wird. Der sagt von sich selbst: „Ich bin der
Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh 14,6) In das Haus des
Vaters, das für jeden einzelnen von uns eine eigene Wohnung bereithält, kommt man nur, wenn man
dran bleibt am Ball und nicht unmittelbar nach der Konfirmation wieder alles schleifen lässt, wenn
man der Einladung folgt, die da einmal an uns ergangen ist und von der wir wissen.
Dass das in unserem hektischen, oft total vollgestopften Alltag nicht immer ganz einfach ist, kann ich
schon verstehen. Letztlich verhält es sich bei uns hier und heute nicht anders als bei den Menschen in
der Geschichte, die Jesus da erzählt: Unsere Gemeinde feiert hier in unseren Kirchen Sonntag für
Sonntag ein Fest, zu dem alle geladen sind. Klar, man hat sich daran gewöhnt eingeladen zu sein, so
sehr, dass es einem gar nicht mehr bewusst ist, dass das ein Privileg, eine unverdiente Ehre ist.
Als Kirchengemeinde haben wir Anfang des Jahres 41 Familien angeschrieben und die Söhne oder
Töchter eingeladen zum Konfirmandenunterricht und zur Vorbereitung auf die Konfirmation 2016.
Fast alle sind heute gekommen, einige aber auch nicht, weil sie vielleicht in einer anderen Gemeinde
konfirmiert werden wollen oder erst ein Jahr später. Zur Vorbereitung auf die Konfirmation gehört
der Gottesdienst dazu. Denn das ist der Ort, an dem alle, die an Gott glauben sich versammeln um
miteinander zu feiern. Das ist der Ort, an dem die eine wahre Liebe zu einem kommt und man nicht
weiter nach ihr suchen muss. Eine Liebe, die viel weiter reicht als all das, wonach der Sänger des
vorhin gehörten Liedes gesucht hat – eine Liebe, die eben mehr ist, als sich im stressigen Alltag nur
von Wochenende zu Wochenende, von FCH-Spiel zu FCH-Spiel, von Event zu Event zu hangeln und
dabei das Wesentliche – nämlich die Einladung Gottes – aus dem Blick zu verlieren.
Wie gesagt, die Einladung gilt, wir wissen davon und was tun wir? Wir suchen nach Ausreden. In dem
Gleichnis Jesu sind die Begründungen für das Nicht-Erscheinen der Besitz, die Arbeit und die Familie.
Erstaunlich, wie ähnlich die Menschen sich damals und heute doch sind.
Besitz, das heißt doch, ich hab schon so viel. Ich wüsste gar nicht woher ich die Zeit nehmen sollte in
den Gottesdienst zu gehen, zu beten oder in der Bibel zu lesen. Ich komm ja jetzt schon nicht rum.
Man muss sich doch kümmern! Bei den Jungen ist es die Schule, das Training, die Spiele, die Freunde,
die Musik, weitere Hobbies, Social-Networking und so viel mehr… Bei den Älteren das Haus, der
Garten, der Verein, der Urlaub, die Sammlung, die Bücher, der Fernseher…
Unser Besitz, das Viele, was wir besitzen hindert uns oft daran Gottes Einladung wirklich
anzunehmen – ich nehme mich da selbst bestimmt nicht aus. Vielleicht ist es gut – auch angesichts
des Erntedankfestes am übernächsten Sonntag – mal darüber nachzudenken, was wir so alles
besitzen… Oder besitzt es uns? Sind wir gar besessen davon?
Die Arbeit, die man hat, die man verlieren könnte oder die man schon verloren hat, kann auch so ein
tückischer Entschuldigungsgrund sein. Da sind die einen, bei denen der Druck am Arbeitsplatz immer
größer wird oder der Kostendruck, der Konkurrenzdruck. Oder der Perfektionsdruck: Ich muss noch
mehr leisten, noch besser sein. Es gibt Druck, der von oben kommt, vom Chef, oder von außen, von
der Gesellschaft. Es gibt auch viel Druck, den wir uns selber machen: Immer muss alles Tip-Top sein,
originell, nie da gewesen, noch besser als beim letzten Mal, aufwändiger als beim Nachbarn oder
Kollegen. Vor lauter Arbeit und Druck bleibt keine Zeit mehr für Gottes Fest und dafür, seiner
Einladung Folge zu leisten. Denn der lädt uns ein, nicht nur zu arbeiten, sondern auch mal zu ruhen,
zu entspannen, auf seine Worte zu hören. Aber wir schaffen die Feiertage ab, entwerten den Sonntag,
indem wir einen nicht ganz geringen Teil unserer Bevölkerung dazu nötigen, heute den ganzen Tag
zu arbeiten und gönnen uns selbst darüber hinaus auch keine Ruhe. Rastlos unterwegs, der moderne
Mensch. Er jettet, jobbt und joggt durchs Leben und verpasst dadurch womöglich das Fest Gottes.
Wenn ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden am Ende Eurer Konfi-Zeit für die Zeit nach der
Konfirmation nur eine einzige Sache gelernt habt, dann bitte diese: Jesus, das Licht der Welt, streckt
uns seine Hände entgegen und sagt: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid“ (Mt
11,28): alle, die ihr überlastet, enttäuscht, ausgenutzt, missbraucht, verlassen, abgeschoben,
gedemütigt, verraten, alleingelassen seid, - kommt her zu mir alle, ich will euch erquicken, ich will
euch Gutes tun. Erquickung brauchen die gedrückten, gejagten und ausge-brannten Menschen
unserer Zeit. Die Jungen wie die Älteren. Alle brauchen solche Wohltaten. Wellness - nicht nur für den
Körper, sondern noch viel mehr für die Seele. Denn nur wenn man zur Ruhe kommt, seinen inneren
Frieden findet, sich geborgen und angenommen fühlt genauso wie man ist, kann man voller Hoffnung
und Zuversicht all die neue Aufgaben anpacken, die im Laufe eines Lebens noch vor einem liegen.
Das alles findet übrigens nur, wer mit Gott das Leben feiert, wer sich von Jesus zum Fest einladen
lässt, wer das Leben als ein Fest mit Gott versteht und dadurch lebt aus der einzig wahren Liebe, die
die Quelle unseres ganzen Lebens sein will. Amen.