Die neue Aktienkultur - Communications Consult, Presse
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Die neue Aktienkultur - Communications Consult, Presse
Communications Consult Dr. Jürgen Simons © Communications Consult, Dr. Jürgen Simons Die neue Aktienkultur – Shareholder Value oder Casino? Prof. Dr. Berthold Eichwald Mitglied des Vorstandes der DG BANK Deutsche Genossenschaftsbank AG Vortrag an der TU Weihenstephan am 6. Juni 2000 Anteile der Aktionäre an der Gesamtbevölkerung 1999, in % Bei einem solch großen Anteil von NichtAktionären läuft man auch nicht Gefahr, sich zu outen, wenn man, wie unser verehrter Bundeskanzler, sich offen als Zugehöriger der großen Mehrheit bekennt. 25 24 23 10 7 Vor nicht allzu langer Zeit wurde noch beklagt, daß die Deutschen kein Volk von Aktionären seien. Wenn wir uns mit anderen Staaten vergleichen, dann ist der Aktionärsanteil in der deutschen Bevölkerung kaum der Rede wert. Herr Schröder scheint es, wie die meisten Deutschen mit Mark Twain zu halten, der meinte: „Für Börsenspekulationen ist der Februar einer der gefährlichsten Monate. Die anderen sind Juli, Januar, September, April, November...“ 14 .0 .0 14 14 14 14 14 14 DAX-Index An dieser Aktien-Antipathie hat sich erst seit vergangenem Herbst einiges geändert. Seit Oktober sind die Aktienindizes auf ungeahnte Rekordhöhen gestiegen, ohne daß sich an Der unerwartete Aufschwung 2 50 den fundamentalen Unternehmens- oder D A X -In d ex 2 25 Wirtschaftsdaten etwas geändert hätte. N em ax-In d ex 2 00 Die sonst meist allwissenden Analysten 1 75 zuckten die Schultern und beriefen sich 1 50 auf ihren verstorbenen Guru Kostolani, 1 25 der gesagt hatte: An der Börse ist alles 1 00 möglich. Auch das Gegenteil. 75 2. 00 99 99 00 2. 1. 99 99 99 9 99 .9 99 9. 8. 7. 0. 1. .1 .1 .1 .0 .0 .0 6. 5 .0 .0 14 14 14 Dabei war die Ursache für den unerwarteten Kursaufschwung einfach zu finden: Es lag zum einen an dem zusätzlich in den Aktienmarkt einströmenden Kapital, das bis dato in weniger renditeträchtigen Anlageformen geschlummert hatte. So spendierten etwa die Anleger den Unternehmen, die ihre Aktien an den Neuen Markt brachten, im vergangenen Jahr rund 40 Milliarden Mark. Kurzum: Die Deutschen haben die Aktie entdeckt. Pressearbeit - Öffentlichkeitsarbeit - Finanzkommunikation - Redendienst 2 Gründe dafür lassen sich leicht finden – ohne die Sparbuch-Aktion einer grünen Beraterbank bemühen zu müssen: Langfristig gesehen gehört die Aktie zu den renditestärksten Anlageformen. Weder festverzinsliche Anleihen noch Immobilien lassen so hohe Profite erwarten, daß private Altersvorsorger, Erben und neue Selbständige ihre Billionen dort anlegen. Die Geldanlage in Aktien ist einfach nicht zu schlagen – trotz der immer wiederkehrenden Einbrüche, die an vielen Stel- DAX-Rendite seit 1954 in % 90 19 19 19 75 60 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 -10 -20 -30 -40 len für eine Bereinigung der Kurse sorgen. .0 5. 00 DAX-Index 14 00 9 9 00 00 3. 4. .0 .0 14 14 1. 00 2. .0 .0 14 14 .9 99 2. 1 .1 99 .9 9. 99 99 99 99 7. 8. 0 .1 .0 .0 .1 14 14 14 14 .0 5. 6. .0 .0 14 14 14 14 Gerade einen solchen Einbruch mußten die frischen Aktionäre im April in ihrer Der weltweite Absturz erst kurzen Börsen-Biografie erlebt. Ein 250 D A X -In dex N em ax-Ind ex 225 heilsamer Schock? Alles in allem sind die N asdaq -In dex 200 Kursverluste ungleich geringer als die 175 Gewinne aus den vergangenen zwölf Mo150 naten. Trotzdem herrschte Aufregung da125 rüber, daß die Wall Street zwar eine Ein100 bahnstraße ist, nicht aber die Börse. Bin75 nen Stunden fiel der Dow Jones um mehr als fünf Prozent. Die Rückkehr zur Vernunft hätte schlimmer nicht kommen können. Der amerikanische High-Tech-Index Nasdaq jagte um 550 Punkte nach unten. Selbst solide Unternehmen wie der kalifornische Software-Konzern Sun büßten zeitweise fast ein Viertel ihres Wertes ein. Binnen eines Tages hatten Anleger in den USA bis zu 1.400 Milliarden US-Dollar verloren, bevor die Kurse wieder nach oben schnellten. Besonders gebeutelt wurden die Aktien der am Neuen Markt gehandelten Unternehmen. Im Sog der Wall Street verloren die im Nemax erfaßten Unternehmen fast 34 Prozent an Wert. Nach der kurzen Erholungsphase, die Ende April, Anfang Mai eintrat, liegt der Nemax nun etwa 40 Prozent unter seinen Höchstständen. Was war passiert? Antwort: Die Vernunft hält wieder Einzug. Denn mit Vernunft hatte das, was sich im Verlauf der letzten neun Monate an der amerikanischen Nasdaq, an Hongkongs Growth Enterprise Market oder am Neuen Markt in Frankfurt abspielte wenig zu tun – und damit bin ich beim verspäteten „Andererseits“ was die Gründe für den enormen Kursaufschwung zum Ende des letzten Jahres angeht. Erfolgreiche Spekulanten der vergangenen Dekaden, wie etwa der Amerikaner Warren Buffett, wählten ihre Aktien nach sorgfältigem Studium von Umsatz, Gewinn, Cash-flow und dem Management aus und zogen so ihre Schlüsse auf die künftigen Gewinnerwartungen und die Kursentwicklungen. Ohne daß das Wort damals schon zu den Unwörtern gehörte, die DaimlerChrysler- Communications Consult 3 Chef Schrempp mittlerweile meidet, wie der Teufel das Weihwasser, achten überlegt handelnde Investoren auf den shareholder-value der jeweiligen Aktie. Alfred Rappaport, der wohl als Urheber des Begriffs gelten kann, hat damit nichts anderes beschrieben, als den Geldwert, den ein Aktionär, also der shareholder, mit seinem Anteil an einem Unternehmen erlösen kann. Das ist zum einen natürlich die Dividende, die alljährlich ausgeschüttet wird. Wobei diese immer mehr in Shareholder-Value Vergessenheit gerät. In den Vordergrund tritt nämlich die Entwicklung des gesamAktienten Unternehmenswertes, der sich wiekurs derum im Aktienkurs niederschlägt. Investments in Aktien erfolgen daher vor allem in der Hoffnung auf einen steigenden Unternehmenswert, der sich wiederum in Fundamentalanalyse einem steigenden Aktienkurs niederschlaChartanalyse Dividende gen soll. Um Aussagen über den möglichen künftigen Aktienkurs machen zu können, bedient man sich zwei verschiedener Analyseansätze. Beiden Analyseansätze gehen davon aus – oder sind von dem Bemühen geprägt – aus historischen, also die Vergangenheit beschreibenden Daten, fundierte und sichere Aussagen über den zukünftigen shareholder-value und damit dem Kursverlauf der Aktie zu gewinnen. Die Fundamentalanalysten haben dafür ein ganzes Reportoire an Instrumenten parat, mit denen sie ein Unternehmen auf P/BV ROE Herz und Nieren prüfen, um so zu einer P/CE Aussage über die Höhe des Aktienkurses EV/VFCF EV/EG zu gelangen. Neben der Ertragslage etwa P/AV die Kostenstruktur, die Qualität des ManDY P/E P/FCF agements, das Know-how, das Wettbewerbsumfeld oder die Zukunftschancen WACC ROCE der hergestellten Produkte. Wie in der SOP Banking-Community üblich, handelt es sich dabei ausschließlich um englische Begriffe, die auf noch griffigere Drei- oder Vierbuchstabenkürzel reduziert werden. So ist dann etwa von PBV für Price Book Value die Rede, von DY für Dividend Yield, von P/FCF für Price At Free Cash Flow oder von ROCE für Return of Capital Employed. Der Einsatz dieser Instrumente setzt natürlich ein gewisses Maß an Kenntnisreichtum und Wissen voraus. Nicht zuletzt ist die Fundamentalanalyse mit diesen Werkzeugen vor allem aber zeitintensiv und aufwendig. In den Banken sind daher auch ganze Heerscharen von Researchern beschäftigt, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als sich mit den Fundamentaldaten der Unternehmen auseinanderzusetzen und sie zu analysieren. Der Werkzeugkasten der Fundamentalanalyse Wer jeden Tag auf dem Börsenparkett auf der Jagd nach dem schnellen Profit ist, hat natürlich keine Zeit, sich lange mit der Fundamentalanalyse eines Unternehmens herumzuschlagen. Das ist mehr etwas für den langfristig orientierten Anleger. Da, wo schnelle Reaktionen gefragt sind und man sich nicht mit fundierten Untersuchungen herumschlagen möchte, wird der Kursver- Communications Consult 4 lauf selbst als Kriterium für die künftige Entwicklung des Aktienkurses herangezogen. Statt der Fundamentalanalyse setzt man auf die Chartanalyse. Natürlich gibt es auch hier die eine oder andere Methode, wie etwa die Berechnung der 200-Tage-Linie oder der Vergleich des Kursverlaufes eines Unternehmens mit der Entwicklung des Branchenindex, die die korrekte Anwendung der Grundrechenarten voraussetzt. Selbst wenn inzwischen mathematische und computergesützte Berechnungsmethoden eingesetzt werden, wird in den meisten Fällen nicht mehr als die unfallfreie Bedienung von Lineal und Bleistift verlangt. Die Kunst der Chartanalyse Da werden dann zunächst einmal Unterstützungs- und Widerstandslinien in die Kursgrafik eingezeichnet. Aus ihrer Lage glaubt der Chartanalyst dann ablesen zu können, ob der Aktienkurs noch weiteres Kurssteigerungspotential besitzt oder die Gefahr eines Absturzes kurz bevor steht. Fast schon esoterisch geht es dann aber zu, wenn man beginnt, eine Wimpelformation, eine Kopf-Schulter-Formation oder eine Untertasse in den Kursverlauf hineinzudeuten. Um Ihnen zu zeigen, wie genau man mithilfe der Chartanalyse den künftigen Kursverlauf vorhersagen kann, werfen wir einmal einen Blick auf den Verlauf des Nemax der letzten zwölf Monate. Die Kunst der Chartanalyse Nemax50 9000 8000 7000 6000 5000 Wie Sie erkennen können, bewegte sich der Nemax von Mai bis September des vorigen Jahres innerhalb einer unteren Unterstützungs- und einer oberen Widerstandslinie. Da beide parallel verlaufen, schließt der Analyst auf einen Kursverlauf, der sich innnerhalb dieser Bandbreiten entwickeln wird. Was dann auch prompt geschah - der Nemax fiel. „Na3000 türlich“, entgegneten die 05/99 06/99 07/99 08/99 09/99 10/99 11/99 12/99 01/00 02/00 03/00 04/00 05/00 Chartanalysten – schließlich ist man hinterher immer schlauer: „Wir haben es hier mit einer klassischen Kopf-Schulter-Formation zu tun“. Bei Kopf-Schulter Formation wird der Kurs immer nachhaltig sinken. 4000 Der Nemax nahm sich diese Prognose natürlich zu Herzen - und stieg wieder. Bei einem solch rasanten Aufstieg fragt man sich natürlich: Einsteigen oder lieber die Gewinne mitnehmen und aussteigen? Zumal der Kursverlauf ja schon ein wenig einbricht. Zum Glück haben die Chartanalysten die Zukunft schon wieder fest im Griff. Sie konstatierten eine Wimpelformation. Bei Wimpelformation mit nach untem zeigenden Fähnchen sinkt der Kurs. Immer. Communications Consult 5 Und wie der Bayer sagt: Schau´n mer mal, dann werden wir seh´n: Der Nemax erklomm ungeahnte Höhen. Sehr zum Verdruß all derer, die ihre Aktien in Erwartung sinkender Kurse verkauft hatten. Sie alle saßen in der Bärenfalle. Angesichts dieses Kursverlaufes machte sich dann natürlich langsam Ratlosigkeit breit. Setzt sich der steile Aufwärtstrend fort oder geht dem Aufschwung die Luft aus? Wie Sie alle wissen, ging dem Aufschwung recht nachhaltig die Luft aus. Nun sahen sich die Bullen in der Falle. Nun fragt man sich, wie wird es weitergehen? Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wie Sie sehen, finden sich genügend Anhaltspunkte für Widerstandslinien, eine Wimpelformation und eine Kopf-Schulter-Formation mit der sich jede zukünftige Entwicklung im Nachhinein plausibel erklären läßt. Sie sehen, meine Damen und Herren, neben der Fundamentalanalyse, gibt es eine ganze Reihe von Methoden, mit denen man absolut sichere Aussagen über den künftigen Verlauf eines Aktienkurses und damit dem shareholder-value machen kann. Es gibt sogar spezielle Aktiendepots und -fonds, bei denen sich nicht leibhaftige Trader um den Zu- oder Verkauf kümmern, sondern Computer die Charts nach technischen Kauf- oder Verkaufssignalen auswerten und dann automatisch die entsprechende Transaktion in Gang setzen. Über den Erfolg solcher Aktienfonds brauche ich nach dieser kurzen Demonstration wohl kein weiteres Wort verlieren. Wer sich allerdings weder mit der Fundamental- noch mit der technischen Analyse belasten möchte, der reduziert seine Kriterien allein auf die Frage der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und der hergestellten Produkte. Und genau mit diesem Kriterium verläßt die Analyse den festen Boden und wagt sich ziemlich nah an das Kaffeesatzlesen. Denn, wie wir alle wissen, sind Prognosen vor allem dann besonders schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen. Von allen Kriterien der Unternehmens- und Aktienanalyse sind es denn auch die Zukunftschancen, bei denen sich jeder als Experte betrachtet. Um hier eine Prognose abgeben zu können, bedarf es weder weitreichender Kenntnisse in der Bilanzanalyse noch der virtuosen Bedienung von Lineal und Bleistift, es reicht ein fundamentales Bauchgefühl. Und wer hat das nicht? Das fundamentale Bauchgefühl ist es denn auch, das die Geldanlage heute zu einem Modegeschäft hat werden lassen. Inzwischen bestimmen die so genannten Momentum-Player die Richtung der Aktie: Sie kaufen, weil die Kurse steigen. Altbörsenmeister Kostolani hatte dafür noch den despektierlichen Begriff der Milchmädchen- oder Hausfrauen-Hausse parat. Doch was heute da an Geld in die Hand genommen wird, geht weit über die Summen hinaus, die sich in einer durchschnittlichen Haushaltskasse finden. Um 67 Prozent jagten die Anlager die Notierungen der amerikanischen Computerbörse in den vergangenen zwölf Monaten nach oben, um 229 Prozent im Fernen Osten und um fast 100 Prozent am Neuen Markt. Der durchschnittliche Jahresanstieg der Aktienwerte im vergangenen Jahrhundert betrug dagegen gerade mal sieben Prozent. Gewiß, Computerrevolution und Internet verändern die Wirtschaft schneller und grundlegender als jeder technologische Durchbruch in den zurückliegenden 100 Jahren. Firmen wie der Internet-Service Yahoo oder der OnlineTechnikhersteller Cisco wachsen zwischen 50 und 100 Prozent im Jahr. Doch schon seit langem klettern die Kurse der neuen Firmen schneller als ihre Gewinne und selbst ihre Umsätze. So rieten etwa Anlageberater und Analysten im Jahr 1998 nahezu einstimmig zum Kauf von Cisco-Aktien. Bis Anfang März diesen Jahres hatte sich der Aktienkurs der Firma verfünffacht, doch weiterhin krönte die Cisco-Aktie fast jede Empfehlungsliste. Drei Wochen später war der Kurs Communications Consult 6 noch einmal um 20 Prozent gestiegen. Obwohl der Konzern, der gerade zwölf Milliarden Dollar Umsatz macht, mittlerweile eine halbe Billion Dollar wert war und damit zur teuersten Firma der Welt geworden war, lautete die Empfehlung vieler Börsenprofis immer noch: „Strong buy“ – „unbedingt kaufen“. Nur zum Vergleich: ein Unternehmen wie DaimlerChrysler kam letztes Jahr auf New economy vs. Old economy einen Umsatz von 42 Milliarden Dollar, die Börsenkapitalisierung von DaimlerChrysler 42 Mrd. $ 12 Mrd. $ schwankt so um die 78 Milliarden Dollar, Umsatz also etwa dem Doppelten des Umsatzes. 500 Mrd. $ Bei Cisco lag die Börsenkapitalisierung zeitweise bei mehr als dem Vierzigfachen Börsenwert des Jahresumsatzes. Oder anders ausgedrückt: Bei aller Internet-Euphorie kön78 Mrd. $ nen die Geschäftsaussichten von Cisco so gut nicht sein und bei DaimlerChrylser in Anbetracht der rot-grünen Koalition in Berlin wiederum so schlecht nicht sein, als daß sie diese eklatante Diskrepanz rechtfertigten. Doch ebenso irrational wie der Kursanstieg war auch der Absturz bei Cisco. Weder hatte eine Erdbeben Silicon Valley eingeebnet, noch hatte Notenbankchef Alan Greenspan die Spekulanten mit einer unerwarteten Zinserhöhung geohrfeigt. Stattdessen hatten ein paar einflußreiche Zeitungskommentatoren und Investmentbanker mit ein paar pointierten Beiträgen den Markt schlicht heruntergeredet. Die eigentliche Ursache für die Zitterbörse sind daher auch nicht ein paar launische Veteranen, sondern ein Millionenheer von Anlegern und Börsenprofis, das sich zunehmend von Stimmungen statt von Analysen leiten läßt. In den Clubs und Kneipen von Hamburg, Berlin oder München gehört das Gespräch über die Börse zum Abendtalk. Die Aktien von Konzernen wie America Online oder Yahoo gehören heute in das Portfolio eines jeden Szenemenschen, weil, wie ein Münchner Party-Gänger berichtete, die Namen der amerikanischen Online-Firmen „einfach so schick klingen“. Langsam wird aber auch deutlich: Ein „dotcom“ wird nicht mehr ausreichen, um Investoren zu locken. Sie werden lieber auf Firmen setzen, die nicht nur rosige Phantasien wecken, sondern auch schwarze Zahlen erwarten lassen. Die Neue Wirtschaft war bei Börsianern über Gebühr in Mode. Heute lassen sich die meisten Investment-Banker aber nicht mehr von „hohlen Internetbegriffen“ oder dem unkonventionellen Haarschnitt der Unternehmer blenden. Was zählt – nicht zuletzt auch bei einer erfolgreichen Plazierung eines Unternehmens an der Börse – ist eine makellose und überzeugende equity-story. Die Kurseinbrüche im April haben viele Anleger ärmer gemacht – zumindest auf dem Papier. Bill Gates wird nach einem Buchverlust von rund elf Milliarden Dollar immer noch nicht am Hungertuch nagen, aber viele Aktionäre und Fondsmanager haben die Turbulenzen hart getroffen. Wer allerdings nur auf die Kursrückschläge starrt, der verkennt, daß in Wahrheit eine riesige Vermögensumverteilung stattgefunden hat. Wer seine Papiere vor nicht allzu langer Zeit zu Communications Consult 7 Höchstkursen verkauft hat, gehört zu den Gewinnern – wo sich wieder einmal die Erkenntnis bewahrheitet, daß an mitgenommenen Gewinnen noch niemand verarmt ist. Wer seine Aktien jedoch in Panik mit Verlust losgeschlagen hat, befindet sich im Lager der Verlierer. Wer mit ruhiger Hand sein Depot gepflegt, den Internet-Wahn vermieden und nicht sein ganzes Geld in Aktien gesteckt hat, der konnte auf günstige Einstiegskurse lauern und sich womöglich in die Schar der künftigen Gewinner einreihen. Die Entscheidung jedoch, was zu tun ist, kann dem Anleger niemand abnehmen. Vor allem eins gilt es zu bedenken: Einen Crash muß man aussitzen können. Die Börse ist beileibe kein Spielcasino, wie manche behaupten. Im Casino gewinnt langfristig immer die Bank. Am Aktienmarkt dagegen, dies zeigt die Erfahrung, ist es auf Dauer der Aktionär. Eines allerdings ist auch sicher: Heftige Kursschwankungen wird es an den Börsen künftig immer öfter geben. Es sind nicht nur mehr Anleger an der Börse unterwegs, auch die neuen Techniken machen die Börsen instabiler. In den USA werden bereits bis zu einem Drittel aller privaten Aktiengeschäfte per Internet in Gang gebracht. Für den einzelnen Börsenzocker mag es beruhigend sein, daß er den Aktienmarkt immer besser Blick hat: Per Fernsehmonitor beim Mittagessen, per Internet auf seinem Schreibtisch, per WAP-Handy unterwegs. Doch in der Masse hat die Info-Flut vom Börsenparkett einen fatalen Effekt. Geraten irgendwo die Kurse in Bewegung, wissen alle sofort Bescheid. Eine Massenpanik kommt dann umso leichter in Gang. Populäre Anlegertipps: Für den Privatanleger macht das die Entscheidung, die richtigen Aktien auszuwählen, natürlich nicht gerade leichter. Mit Rat sind viele zur Stelle. So auch die große deutsche BoulevardZeitung, deren knapper Titel eher auf großflächige Abbildungen denn auf tief schürfende Abhandlungen schließen läßt. So bewahrheitet sich denn auch immer wieder die Einsicht, die der berühmte Ökonom John Maynard Keynes schon hatte: Das Geheimnis des erfolgreichen Börsengeschäfts liegt darin, zu erkennen, was der Durchschnittsbürger glaubt, daß der Durchschnittsbürger tut. Communications Consult