Assessment Center_Mi

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Lernen in komplexen Szenarien: Das Planspiel Schulalltag
Prof. Dr. Ulrike Starker, Prof. Dr. Margarete Imhof
Szenario: Die Lehramtsstudentin / der Lehramtsstudent hat studiert, reflektiert, gelernt und
Klausuren bestanden und dann kommt die erste Schulstunde und alles ist ganz anders als in den
Büchern. Die volle Komplexität des Lehrberufs schlägt auf einmal zu: Da sitzen lebendige Schüler und
Schülerinnen, die unterschiedliche Vorkenntnisse haben, in einer Klasse, sie bringen unterschiedlich
viel Bereitschaft mit, sich zu interessieren, sich anzustrengen, sie haben unterschiedliche Gefühle,
wenn sie an Schule und die Aufgaben, an die Mitschüler und Mitschülerinnen und – nicht zuletzt über
sich („Bin ich cool?“) nachdenken; dann gibt es die Schüler und Schülerinnen, die sich nicht
konzentrieren können oder mögen, diejenigen, die ihre Noten schon „sicher“ haben und diejenigen,
die sowieso schon lange nicht mehr glauben, dass sie durch eigene Anstrengung etwas ändern
können, ganz abgesehen davon, dass es viel wichtiger ist, sich mit der Freundin über die neusten
Entwicklungen in Sachen Freundschaften auszutauschen.
Dem steht die (zukünftige) Lehrerin gegenüber, die überrascht ist, wie aufgeregt sie ist, das Herz
schlägt bis unter die Halskrause, der Mund wird so komisch trocken und man fühlt sich von den
vielen Augenpaaren beobachtet und gescannt. Während man die Aufgabe erklärt, hören einige nicht
zu, fragen nach, was man eben gerade mitgeteilt hat, man schaut auf die Uhr, Zeit verfliegt, man fängt
an sich zu ärgern, gibt eine knappe Antwort, fühlt, dass sich die Flecken am Hals zeigen und wünscht
sich, man könnte gerade nochmal von vorne anfangen, verheddert sich im Satz. Über die Kriterien
für effiziente Klassenführung hatte die Lehrerin unter dem Stichwort classroom management sogar ein
Referat gehalten … – Und dabei haben wir von allen anderen Dingen noch gar nicht näher
gesprochen, die Eltern, die nachher in die Sprechstunde kommen, weil sie mit einer Note ihres
Sohnes nicht einverstanden sind, die anstehende Sitzung über die versetzungsgefährdeten Schüler und
Schülerinnen der 10b und die Mahnung des Schulleiters im Hinterkopf, dass Klassen zusammengelegt
und der Zusammenhang zwischen Bildungsstand der Herkunftsfamilie und Schulerfolg in Deutschland
so hoch ist, dass es nicht so bleiben sollte. … und dann soll die Inklusion auch noch kommen …. So
kommt es, dass Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht Verhaltensweisen zeigen, von denen sie im
ruhigen Gespräch jederzeit sagen würden, dass sie diese weit von sich weisen.
Kurz: Unterricht organisieren ist eine komplexe Aufgabe, die zusätzlich dadurch charakterisiert wird,
dass stets Emotionen mit im Spiel sind. Wir wissen von Emotionen, dass sie das Nachdenken,
Problemlösen und Handeln beeinflussen. Fühlen sich Menschen gut und sicher, entspannt und
wertgeschätzt, kommen sie zu qualitativ und quantitativ anspruchsvollen Lösungen. Zu Kurzschlüssen
und wenig nachhaltigen Problemlöseversuchen kommt es, wenn negative oder unerwartete
Emotionen im Spiel sind. Denn: Fühlen sich Menschen wütend, ängstlich, unsicher, bedroht oder
gelangweilt, wird die Lösung eines anspruchsvollen Problems kaum befriedigend gelingen. Aus der
Forschung weiß man, dass Menschen, die erfahren und gelernt haben, ihre Emotionen zu erkennen
und zu regulieren, zu besseren Problemlösungen gelangen.
Das Planspiel ist eine innovative Methode, diese Emotionen zugänglich zu machen und zu bearbeiten,
zu erkennen, wie und welche Emotionen in komplexen Situationen entstehen, welche Konsequenzen
sie haben, und welche Handlungs- und Regulationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dieses
Handlungswissen läßt sich nicht aus Büchern und Texten lernen, sondern erfahrungsbasiert. Genau
dies geschieht in der Planspielmethode. Dort werden einerseits ausführliche eigene Erfahrungen
zusammengetragen und im Anschluss ausgewertet. Dabei kommen theoretische und empirische
Befunde der Psychologie zum Tragen. Ziel der Veranstaltung ist es, Dimensionen der eigenen und
fremden Emotionen wahrzunehmen, Handlungsrepertoire zu erweitern und Möglichkeiten der
Emotionsregulation kennenzulernen und auf ihre Wirkung auszuloten.
Diese Methode wird hier erstmals auf die Situation von Lehrern und Lehrerinnen im Unterricht
übertragen. Als Expertin ist Frau Privatdozentin Dr. Ulrike Starker in die Abteilung Psychologie in
den Bildungswissenschaften eingeladen, mit ihrem Team das Planspiel durchzuführen. Am 7.6., am 14.
und 28.6. findet die Großaktion in den Räumen des Psychologischen Instituts statt. Wenn sich die
Methode in der Ausbildung bewährt, soll sie weiterentwickelt und als Angebotsform im
Lehramtsstudiengang und ggf. auch in der Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern eingesetzt
werden.
Anmeldung für Studierende ist über das Studienbüro Bildungswissenschaften gegeben.