Wenn bei Andrin die rote Sonne …
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Wenn bei Andrin die rote Sonne …
KOLUMNE Andrin SChweizer Wenn bei Andrin die rote Sonne … Auch das WAr Virtuelle Realität: Unser Kolumnist lüftet nach dem Geständnis aus dem letzten Heft auch dieses Mal wieder ein Geheimnis. Er hat nämlich eine verflossene Liebschaft in Sachen Wohnen, verrät uns hier ANDRIN SCHWEIZER. E rinnern Sie sich noch an die gute alte Fototapete ? An die wandfüllenden Sonnenuntergänge und Herbstwälder ? Meine Erinnerung daran hat die letzten 25 Jahre sanft vor sich hin geschlummert und ich war nicht unglücklich darüber. Doch zwei Ereignisse haben sie in den letzten Wochen jäh wachgerüttelt. Das eine war ein verregneter Sonntagnachmittag im Haus meiner Eltern. Es war alles Wichtige und Neue erzählt, als meine Mutter auf die Idee kam, alte Fotoalben anzuschleppen. Und da waren sie dann ! Die Zeugnisse meiner verflossenen Liebe zu wandfüllenden Motiven. Es muss 1985 gewesen sein, als ich endlich genug Geld gespart hatte, um mir eine kaufen zu können. Wie oft war ich zuvor im Do-It-Yourself-Geschäft am Drehständer gestanden und hatte in den verkleinerten Ansichten von Fototapeten geblättert. Es dauerte Wochen, bis ich mich zwischen dem Frühlingswald mit den plätschernden Bächlein und dem Traumstrand mit Palmen entscheiden konnte. Schliesslich ILLUSTRATION gewann meine pubertäre Sehnsucht nach dem Fremden, den Wald hatte ich ja vor der Haustüre, dazu brauchte ich keine Fototapete, da reichte der Blick aus dem Fenster. Zunächst waren meine Eltern ja noch angetan, dass ich meine Ersparnisse nicht für Zigaretten oder Schlimmeres verwendete, sondern für die Gestaltung meiner «eigenen» vier Wände. Doch sie hatten noch nicht geahnt, wie weit mein Gestaltungswille gehen sollte. Denn mit der Fototapete war es längst nicht getan, ich wollte den Trompe-l’oeil-Effekt im Rest meines Teenager-Zimmers weiterführen. So kaufte ich mir einen Liegestuhl, einige kleine 66 traumhaus 6 | 2012 ALICE WELLINGER Trompe-l’oeil Ich wollte den Effekt im Rest meines Teenager- Zimmers weiterführen – natürlich mit echtem Sand. Palmen und als Krönung habe ich das ganze Zimmer mit einer dicken Schicht feinem weissen Sand aus dem Baumarkt gefüllt. Wellengeräusche, mit dem Kassettenrekorder am Ufer des Bodensees aufgenommen, sollten die Illusion perfekt machen. Spätestens beim Strand hat sich meine Mutter wohl insgeheim gewünscht, dass ich doch zum Raucher geworden wäre, denn der feine Sand blieb selbstverständlich nicht in meinem Zimmer, sondern verteilte sich schön im ganzen Haus. Es brauchte doch einiges an gutem Zureden (sprich mit Taschengeldentzug drohen) meiner Mutter und eine nächtliche Hinterlassenschaft unserer Katze, die meinen Strand ganz offensichtlich für eine grosse Dependance ihres Katzenklos hielt, bis ich den Sand reumütig entfernte. Die Strandtapete allerdings hat mir noch längere Zeit Freude bereitet. Mindestens so lange, bis ich die nächste verrückte Idee für mein Zimmer hatte. Da schien sich schon sehr früh ein Berufswunsch herauszukristallisieren. Das zweite Ereignis, das meine Erinnerung wachrüttelte, war der Stand eines Tapetenproduzenten auf der Messe in Paris. Da waren sie wieder in ihrer vollen Pracht ! Fototapeten so weit das Auge reichte. Die Motive haben sich allerdings sehr gemacht in all den Jahren. Holzverkleidungen, Naturstein- oder ganze Bücherwände lassen sich heute täuschend echt mit Tapeten an die Wände zaubern. Ich bin mir fast sicher, dass die eine oder andere Wand in meiner Wohnung bald mal dran glauben muss. ANDRIN SCHWEIZEr ist Architekt ETH mit eigenem Büro in Zürich. Bekannt wurde er als Einrichtungsprofi der SF-Sendung «Happy Day».