28 GELD BEOBACHTER KOMPAKT 10/2008 Kuwait Stock

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28 GELD BEOBACHTER KOMPAKT 10/2008 Kuwait Stock
28 GELD BEOBACHTER KOMPAKT 10/2008
Kuwait Stock Exchange, 2005
Amsterdam Stock Exchange, neunziger Jahre
geld BEOBACHTER KOMPAKT 10/2008 29
rohstoffe
Mangelware bringt Profit
Das Angebot ist knapp, die Nachfrage riesig – in der Folge steigen die Preise:
Das macht Rohstoffe zu einer beliebten Anlageform. In den ärmsten Ländern der Welt
sorgt diese Entwicklung allerdings für gewaltige Probleme. Text: Ulrich W. Hanke
E
FOTOs: yasser al-zayyat/AFP, sergio pitamitz/corbis/RDB
s beginnt mit dem Einschalten des
Lichts am Morgen. Zum Frühstück
gibts Kaffee und Weizenmehlbröt­
chen. Der Morgenmantel ist aus Baum­
wolle, und die Armbanduhr ist vergoldet.
Dann gehts zur Arbeit – mit dem Auto, das
aus diversen Metallen besteht und betankt
ist mit Benzin oder Diesel.
Der Tag fängt mit Rohstoffen an – und sie
begleiten uns bis am Abend. Trotzdem
inves­tieren nur wenige Privatanleger in
diesen Bereich. Obwohl im Zusammen­
hang mit Rohstoffanlagen seit geraumer
Zeit von einem «Megatrend» die Rede ist,
bei dem grosse Gewinne möglich sind.
Das war früher schon mal anders: In den
achtziger Jahren gab es Basis- und Edel­
metalle sowie Agrarrohstoffe im Überfluss
– und niemand sprach von Energieproble­
men. Die Preise für Rohstoffe dümpelten
vor sich hin, und Investitionen, etwa für
die Erschliessung neuer Vorkommen, blie­
ben weitgehend aus. Folge: Die Produk­
tion nahm ab, bis sich ab 2002 ein Nach­
frageüberhang gebildet hatte. Das knappe
Angebot – das auch noch unelas­tisch ist,
denn Rohstoffe sind nicht von heute auf
morgen abbaubar – führte zu höheren
Preisen.
Dieser Trend ist noch immer an den Roh­
stoffmärkten zu beobachten und wird die
nächsten Jahre anhalten. Grund dafür ist
der wirtschaftliche Aufbruch in Schwel­
lenländern wie zum Beispiel Brasilien und
vor allem die rasante Entwicklung in Chi­
na. Die Volksrepublik mit ihren rund 1,3
Milliarden Menschen hat einen fast unstill­
baren Energiehunger. Der Nachholbedarf
gegenüber den Wohlstandsländern ist rie­
sig, das Wachstum rasant. Ein Beispiel:
Auf 1000 Einwohner kommen in China
acht Autos, in den USA sind es 770.
In welche Rohstoffe können Anleger inves­
tieren, und wo lohnt es sich am meisten?
Einen Anhaltspunkt können die Lager­
bestände an den Rohstoffbörsen wie zum
Beispiel der London Metal Exchange
Drei Fragen zum Thema Rohstoffe
Gibt es einen wertvolleren Rohstoff als Gold?
Ja. Platin kostet etwa doppelt so viel
pro Feinunze (31,1 Gramm). Der Grund:
Platin ist 30-mal seltener als Gold. Zudem liegen die grössten Vorkommen
von Platin, rund 80 Prozent, konzen­
triert auf einem Fleck der Erde: im
­südafrikanischen Bushveld-Komplex
nördlich von Johannesburg.
Wie viel Gold gibt es noch in der Erde?
2 Nach Schätzungen des US-Geologiedienstes sind weltweit noch rund
42 000 Tonnen abbaubare Goldreserven
im Boden. Beim heutigen Stand der
Technik sind diese in 17 Jahren geför-
1
(www.lme.com) bieten. Grundsätzlich
gibt es vier Möglichkeiten zum Kauf: die
Rohstoffe selbst (über Terminwaren­
geschäfte oder teils physisch), strukturier­
te Produkte auf die Rohstoffpreisentwick­
lung oder ein Rohstoffindex, Fonds mit
Rohstoffaktien (Minen, Gas- und Ölförde­
rer) oder einzelne Rohstofftitel. Dabei
­variiert vor allem das Risiko. Einzelne
­Minenaktien sind besonders spekulativ,
weil der Anleger mit ihnen auch erhebliche
Risiken eingeht. Das können Minen­
unglücke oder schlechtes Management
sein. Sicherer sind Rohstofffonds, die
­einen Korb aus Minenaktien abbilden und
die Risiken verteilen. Auch dabei ist der
Privat­anleger praktisch Aktionär.
Anders ist dies wiederum bei struktu­
rierten Produkten (siehe Seite 34). Diese
bilden den einzelnen Rohstoffpreis oder
­einen Rohstoffindex nach. Bekannte Roh­
stoff­indizes sind etwa der Commodity Re­
search Bureau Index (CRB-Index), der
Rogers International Commodity Index
(RICI) und der Goldman Sachs Commo­
dity Index (GSCI). Um deren Entwicklung
nachzubilden, verwenden die Emittenten
dert. Dann ist Schluss. Es sei denn, die
bis heute nicht abbaubaren 50 000 Tonnen können dank neuen Technologien
gehoben werden. Die weltweite Goldmenge beträgt rund 252 000 Tonnen.
es Möglichkeiten, in Rohstoff­
3 Gibt
aktien zu investieren, ohne auf Minen
oder Öl- und Gasförderer zu setzen?
Durchaus. Die Chancen bei Unternehmen, die Equipment zur Förderung
oder zum Anbau von Agrarrohstoffen
herstellen, sind sogar sehr gut. Allerdings kauft der Anleger damit oft nicht
ein reines Rohstoffunternehmen und
investiert so auch nicht in die reine
Rohstoffpreisentwicklung.
der Produkte Warentermingeschäfte (Fu­
tures). Dabei wird ein Rohstoff zu einem
bestimmten Termin in der Zukunft ge­
kauft. Da der Finanzinvestor – im Gegen­
satz zum verarbeitenden Unternehmen –
aber den Rohstoff zu diesem Termin gar
nicht geliefert bekommen möchte, muss er
den Future vor Ablauf der vereinbarten
Frist wieder verkaufen und in den nächs­
ten einsteigen (Fachbegriff: Rollen). Nun
kommt es darauf an, ob das nächste Termin­
geschäft zu günstigen oder weniger güns­
tigen Konditionen abgeschlossen werden
kann. Das hängt von der Marktmeinung
ab. Ist der nächste Future teurer, nennt
man das Contango. Der umgekehrte Fall
wird mit Backwardation bezeichnet. Wa­
rum ist das wichtig? Bei strukturierten
Produkten können so zusätzliche Gewinne
oder Verluste entstehen.
Als Alternative bietet sich der Kauf von
­Futures selbst an. Dies ist für Privatanleger
bisher nur über wenige Broker und Direkt­
banken möglich. Der Anleger muss dabei
einen Teil des Kapitals als Sicherheit hin­
terlegen. Dieses kann jedoch zinsbringend
angelegt werden und gleicht so oftmals
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Karachi Stock Exchange, 2008
Rohstoffzyklus: Wechselspiel von Angebot und Nachfrage
niedrigere
Produktion
Investitionen
im Rohstoffsektor
Rohstoff-
ausbleibende
Investitionen
19
82
20
Preiszerfall
zyklus
2010
199 0
hohe
Nachfrage- Rohstoffüberhang
preise
höhere
Produktion
Angebotsüberhang
5
95
2002
06
19
Jede Hausse hat ein Ende: Beim Rohstoffzyklus ist voraussichtlich um
das Jahr 2015 Schluss. Seinen Anfang nahm der Zyklus 1982, als Roh­
stoffe billig waren. Dadurch lohnten sich Investitionen für die Rohstoff­
firmen kaum, die Produktion nahm ab. Die Nachfrage konnte dann ab
2002 nicht mehr befriedigt werden. Dadurch stiegen wiederum die Preise.
1
0
2
FOTO: fareed khan/AP/keystone
Quelle: Deutsche Rohstoff AG
e­ twaige Verluste (durch den Contango)
aus. Zu guter Letzt hat ein Anleger noch
die Möglichkeit, Rohstoffe physisch zu er­
werben. Was beispielsweise bei Gold sinn­
voll und möglich ist, ist bei Schweine­
bäuchen oder Jungrindern graue Theorie.
Es sei denn, man besitzt ein Kühlhaus oder
eine Weide.
Bei lagerbaren Rohstoffen gilt: Es fallen
Gebühren für die Aufbewahrung an. Wer
die Münzen oder Barren nicht im Bank­
schliessfach lagert oder unters Kopf­kissen
legt, der muss darauf achten, dass ihm im
Zweifelsfall auch der Gold- oder Silber­
barren ausgeliefert werden kann. Das ist
etwa bei Edelmetallkonten im Fall einer
Insolvenz der Bank nicht der Fall. Auch
Exchange Traded Funds beschränken sich
bei der Sachauszahlung auf ganze Barren,
was bei kleinen Anteilen die tatsächliche
Auslieferung zur rein theoretischen Va­
riante macht. Wer Münzen kauft, der zahlt
ein Aufgeld, das für Massenmünzen bei
rund vier Prozent über dem eigentlichen
Materialwert liegt. Als Faustregel gilt: Je
grösser die Einheit, desto günstiger. Aller­
dings kann sich nicht jeder Anleger einen
12,5 Kilogramm schweren Goldbarren für
rund 30 000 Franken leisten.
Im Mittelpunkt des Interesses stehen oft der
Gold- und der Erdölpreis. Wie viele andere
Rohstoffe werden sie aus historischen
geld BEOBACHTER KOMPAKT 10/2008 31
Gründen in US-Dollar gehandelt. Daher
ist für Rohstoffinvestoren wichtig, sich ge­
gebenenfalls gegen Währungsverluste ab­
zusichern. Sowohl Gold als auch Öl sind
jedoch mehr als reine Rohstoffe: Das gelbe
Edelmetall gilt als sicherer Hafen – ins­
besondere bei der momentanen Dollar­
schwäche –, das schwarze Gold wiederum
ist Spielball der Spekulanten und der Poli­
tik. Dennoch können Anleger von beiden
Rohstoffen profitieren, die langfristig wei­
tere Höchstkurse ansteuern werden.
Der Goldboom wird angesichts der florie­
renden Schmuckindustrie weiter anhalten,
und Erdöl ist der Motor der Weltwirt­
schaft. Die aufstrebenden asiatischen
Staaten benötigen Kupfer für den Aufbau
der elektrischen Infrastruktur sowie Stahl
(aus Eisen­erz und Kohle) für die Bauwirt­
schaft. Und der Trend zu Biosprit treibt die
Agrarrohstoffpreise (Weizen, Mais, Soja,
Zu­cker) zusätzlich in die Höhe – mit dem
negativen Effekt, dass die Preise für Lebens­
mittel weltweit weiter steigen werden, was
in Schwellenländern zu Hungerkrisen
führt. Mitte April haben Uno und Hilfs­
organisationen Alarm geschlagen: Sie be­
fürchten Unruhen in zahlreichen armen
Ländern. Die kräftig steigenden Lebens­
mittelpreise hatten bereits in Haiti, Ägyp­
ten, Mexiko oder in Burkina Faso gewalt­
tätige Proteste zur Folge.
Wann ist diese Spirale zu Ende? Der renom­
mierte Rohstoffinvestor Jim Rogers geht
in einem Interview mit dem Schweizer
­Anlegermagazin «Stocks» davon aus, dass
dies zwischen 2018 und 2020 der Fall sein
wird. Denn bis neue Rohstoffvorkommen
erschlossen und auf den Markt gebracht
werden können, dauert es in der Regel
rund zehn Jahre.
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Weitere Infos
w Buchtipp
Jim Rogers: «Rohstoffe – der attraktivste Markt der Welt»; FinanzbuchVerlag, 2005, 292 Seiten, Fr. 44.90