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36 REISE Donnerstag, 11. Juli 2013, Nr. 158 DEFGH ENDE DER REISE Ballaststoffe zum Vergessen Wer das wunderbare Märchen von Hans im Glück tatsächlich nie gehört oder wie unnötigen Ballast aus seinem Gedächtnis geworfen hat – es geht, stark gekürzt, ungefähr so: Hans erhält als Lohn für jahrelange Arbeit einen Klumpen Gold, so groß wie sein Kopf. Er tauscht den Klumpen gegen ein Pferd, für das Pferd bekommt er eine Kuh, für die Kuh ein Schwein, für das Schwein eine Gans und für die Gans zwei Steine. Am Ende fallen ihm die beiden Steine in den Brunnen. Das erleichtert den armen Hans so dermaßen, dass er mit Tränen in den Augen auf die Knie sinkt und schließlich frei von aller Last von dannen springt. Das Reisen folgt ziemlich häufig dem Hans-im-Glück-Prinzip – nur leider in genau umgekehrter Richtung. Reichte früher ein Kinderkoffer mit drei Pumucklkassetten, zwei Wimmelbilderbüchern und einem Stoff-Marsupilami, wurde der Koffer im Laufe der Zeit immer größer, hatte schon bald die Größe eines Schweins, einer Kuh, eines Pferdes. Irgendwann hängt einem das Gepäckstück wie ein Klumpen Gold um den Hals. Das hat sicher nichts damit zu tun, dass die Pumucklkassetten mittlerweile als MP3 im iPhone stecken. Vielmehr kann die Industrie sehr überzeugend das Gefühl vermitteln, dass der Urlaub ohne Gämsenabwehrspray und Ganzkörperseepferdchenschutz garantiert in einer Katastrophe endet. Ein Wanderrucksack zum Beispiel ist heute kein Wanderrucksack mehr, sondern eine Ansammlung technologisch hoch entwickelter Utensilien. Silberionen-Shirts Mehr Meer VON PATRICIA BRÖHM W enn über der Oosterschelde die Sonne scheint, dann ist es ein guter Tag für Hummerfischer Gerrie van den Hoek. Nicht nur, weil die Arbeit auf dem kleinen Fischkutter, wo man den Launen des Wetters ungeschützt ausgesetzt ist, dann angenehmer ist. Sondern vor allem der Hummer wegen. Auch sie haben es gerne wärmer. Ist die Wassertemperatur mit unter zwölf Grad ungemütlich kalt, dann bleiben sie in den Felslöchern nahe der Küste, wo sie sich einkauern. „Bei 16 Grad Wassertemperatur werden sie hungrig und gehen auf Beutezug, das ist gut für uns“, sagt Gerrie van den Hoek. Die Arbeit auf dem kleinen Boot ist für ihn und seinen Kollegen ohnehin hart. Wie die sprichwörtliche Nussschale schaukelt es bei rauer See auf den Wellen, während die Männer im Eiltempo die Reusen einholen, in denen sich mit etwas Glück der eine oder andere Hummer findet. Bald kriechen immer mehr der urzeitlich wirkenden Tiere über die Planken des Bootes, schwarz schillern die Panzer im Sonnenschein. Jedes Tier wird gemessen, nur ausgewachsene Männchen wandern in das Salzwasserbecken an Bord, jüngere Tiere und Weibchen mit Eiern unter dem Bauch werden wieder in die Wellen befördert. Bis zu zwölf Stunden verbringt van den Hoek zwischen Anfang April und Mitte Juli täglich auf See: „Die Saison ist so kurz.“ An guten Tagen fängt er bis zu 100 Hummer, das entspricht etwa 70 Kilo. Rund 20 Euro pro Kilo erzielen die Tiere auf der Fischauktion im nahen Colijnsplaat. Gerrie van den Hoeks Heimat ist die Provinz Zeeland im Südwesten der Niederlande, die aus einer Reihe von Inseln und Halbinseln sowie einem Stück Festland an der Hinweis der Redaktion: Die Recherchereisen für diese Ausgabe wurden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen. Im Meeresarm Oosterschelde werden nur ausgewachsene männliche Hummer gefangen. FOTO: ANP KOEN SUYK/DPA/PICTURE-ALLIANCE Grenze zu Belgien besteht. Gerrie, dessen Vater und Großvater schon Fischer waren, ist einer von nur 23 Fischern mit Lizenz für den Hummerfang an der Oosterschelde. Die zeeländischen Krustentiere sind bei uns zwar nicht so bekannt wie ihre Artgenossen aus der Bretagne, aber mindestens so gut. Das liegt an der einzigartigen Wasserqualität in der Oosterschelde, einem Meeresarm der Nordsee mit besonders sauberem Wasser – das mögen die Schalentiere. Mit 340 Quadratkilometern ist die Oosterschelde der größte Nationalpark der Niederlande. Ihr Wasser, das ständig durch den Zufluss aus der Nordsee erneuert wird, enthält rund 90 verschiedene Mineralien, die Fischen und Meeresfrüchten den besonderen Geschmack verleihen. Auch bei Tauchern aus aller Welt ist der Meeresarm wegen seines Artenreichtums beliebt. Zum frischen Hummer wird Salzmelde gereicht, ein Strandgewächs Hummer wird während der Saison überall in Zeeland tagesfrisch serviert – das Angebot reicht von der rustikalen Fischbude bis zum Sternerestaurant. Der beste Ort, um die zeeländische Delikatesse zu genießen, ist das Restaurant Inter Scaldes in Kruiningen, mit dem reetgedeckten Dach und dem gepflegten Garten eine kleine Idylle. Patron Yannis Brevet, der unter anderem auch im Münchner Tantris gearbeitet hat, erkochte sich hier zwei MichelinSterne. Er kauft den Hummer direkt beim Fischer und serviert ihn butterzart gegart mit Spargelspitzen, jungem Fenchel, dem Strandgewächs Salzmelde und einer Sauternes-Sauce, deren leichte Süße perfekt mit den Aromen des Meerestieres harmoniert. „Unser zeeländischer Hummer schmeckt etwas jodiger als der bretonische“, schwärmt der Koch, „und ausgesprochen nussig.“ Auf den Hummer folgt im Inter Scaldes ein Gericht, das Brevet rund um eine Seezunge gestaltet hat. Zum Fisch werden verschiedene Meeresgemüse serviert, Seekohl und Meeresalgen, Mönchsbart und Seeaster, von den Einheimischen Lamsor genannt, weil die Form der grünen Blätter an die Ohren eines Lämmchens erinnert. All diese Meeresgemüse wachsen rund um die Deiche, überall dort, wo die Pflanzen bei Flut zweimal täglich von Meerwasser umspült werden. So entwickeln sie ihren leicht salzigen Geschmack, den Brevet geschickt zu nutzen versteht: Für seine Seezunge „Silt Symbioses“ musste in der Küche kein Körnchen Salz zugefügt werden – die natürliche Würze genügt. Kruiningen liegt auf der Halbinsel ZuidBeveland, von hier aus sind es nur ein paar Kilometer ins Städtchen Yerseke, das direkt ans Wasser der Oosterschelde grenzt und als Muschelhochburg der Niederlande gilt. An der Uferstraße liegen etliche große Muschelfarmen, aber auch kleine Familienbetriebe. Schon sein Urgroßvater fischte hier nach Muscheln, erzählt Jean Dhoogen. Er setzt die Tradition fort und eröffnete vor zwei Jahren in einem alten Lagerhaus seine Oesterij, eine Austernfarm, die Führungen und Verkostungen für Besucher anbietet. Bei schönem Wetter kann man auf der Terrasse sitzen und zuschauen, wie in den Austernbassins gearbeitet wird. Was auf den Tisch kommt, war 15 Minuten vorher noch im Wasser. „Wir servieren hier drei Arten von Austern“, sagt Jean Dhoogen, „und jede schmeckt anders.“ Nacheinander bringt er zwei Sorten der zeeländischen Creuse, einmal die jodigere Version aus der Oosterschelde, einmal die leicht süßliche aus dem Grevelingenmeer. Eine Besonderheit ist die Zeeuwse Platte, eine flache Austernart von eher runder Form, die nur in den Niederlanden vorkommt. „Sie schmeckt so delikat, dass man sie unbedingt roh essen sollte, um den vollen Geschmack auszukosten“, sagt der junge Austernfischer. Auch für Zeeland gilt die Faustregel, dass man Austern nur in den Monaten essen sollte, die ein R im Namen tragen, also von September bis April. Im Sommer ist Schonzeit, damit sich die Bestände regenerieren können. Dafür beginnt im Juli schon wieder die Muschelsaison. Die schönste Art, sich in Zeeland fortzubewegen, ist natürlich das Fahrrad. Man radelt durch schmucke Dörfer mit reetgedeckten Häusern, durch lichte Wäldchen, wo Fasane und Kaninchen am Wegesrand vorbeihuschen. Und immer wieder über die Deiche und am Wasser entlang. Weil das Pedaletreten an der frischen Meeresluft Appetit macht, trifft es sich gut, dass in Kerkwerve direkt am Deich das Restaurant De Heerenkeet auftaucht. Im Sommer sollte man im Voraus reservieren, denn das sympathische Lokal mit Blick auf den alten Hafen Flaauwers ist sehr beliebt. Zur Vorspeise gibt es die kleinen frischen Nordseekrabben, anschließend einen saftigen Kabeljau, mit Speck umwickelt und in einer würzigen Senfsoße. Dass hier nur beste Qualität auf den Teller kommt, ist Ehrensache, denn das Wirtsehepaar Marion und Richard Snijder betreibt ein paar Hundert Meter die Straße hinunter einen gut sortierten Fischladen, wo man all die Delikatessen, die das Meer schenkt, in Augenschein nehmen kann. Da sind die Kokkels, die hübschen kleinen Muscheln, die so typisch für die Region sind, da liegen in Reih und Glied kleine Seezungen, die sehr beliebten Slibtongs, da locken Austern, Hummer und Muscheln jeder Spielart. Eine lokale Spezialität sind die Strandschnecken: „Wenn man sich zwischen der Hoch- und Niedrigwasserlinie, auf den Wellenbrechern und Provinz Zeeland Oo Nordsee s te Colijnsplaat Middelburg r sc he ZuidBeveland Wes te r sch lde Yerseke Kruiningen elde NIEDERLANDE BELGIEN 10 km SZ-Karte zwischen den Steinen umsieht, dann kann man die Krukels mit ihren dunkelbraunen Häusern am Strand selbst sammeln“, sagt Richard Snijder. Zum Abschied reicht er noch einen Leckerbissen über den Tresen, Palingbroodje, ein Aalbrötchen. Traditionell wird der Aal im Hefeteig mitgebacken. „Das Wichtigste ist der Pfeffer. Der Aal muss schwarz sein davon.“ Das Meerwasser ist in Zeeland allgegenwärtig. Es formte nicht nur die weite, flache Polderlandschaft und prägt Flora und Fauna, auch in der Küche wird es in unterschiedlichster Form genutzt. In manchen Restaurants werden Gemüse in Meerwasser gekocht, und findige Produzenten setzen es heute in den unterschiedlichsten Lebensmitteln ein. In seiner kleinen Chocolaterie Ticho in Yerseke stellt Timo Cornelisse Trüffel mit Meerwasser her, und der Bäcker Marcel Spelt in Bruinisse bietet gar ein Brood van de Zee an, ein mit Salzwasser gebackenes Brot. Die Idee dazu kam ihm, als er eines Tages nach Hause radelte und ihm die salzige Seeluft um die Nase wehte: „Ich wollte ein Brot machen, das nach Zeeland schmeckt. Alle Zutaten kommen aus einem Radius von 20 Kilometern um die Bäckerei.“ Das pain de mer verkauft sich gut, inzwischen bietet Spelt auch Brot an, das mit Muscheln, Nordseekrabben oder Austern gefüllt ist. Es ist ein Brot wie Zeeland: Jeder Bissen schmeckt nach Meer. Anreise: mit Lufthansa von München nach Rotterdam, hin und zurück ab 99 Euro, www.lufthansa.com Unterkunft: Grand Hotel Ter Duin in BurghHaamstede, DZ ab 129 Euro, Tel. 0031/111/65 52 00, www.grandhotelterduin.nl; Landgoed Rijcksholt in Geersdijk, B&B ab 99 Euro/P., Tel. 0031/113/30 21 00, www.zeelandbedandbreakfast.nl Weitere Auskünfte: www.vvvzeeland.nl/de; www.holland.com; Manoir Restaurant Inter Scaldes in Kruiningen, www.interscaldes.nl; Restaurant De Heerenkeet (mit Fischladen) in Kerkwerve, www.deheerenkeet.nl; Oesterij (Austernzucht mit Bistro) in Yerseke, Tel. 0031/113/760400, www.oesterij.nl; De Viskeete (Fischladen und -restaurant) in Yerseke, Tel. 0031/113/573426, www.pietvanoost.nl FOTO: CHARRON/HULTON ARCHIVE/GETTY Aal in Hefeteig, süße Auster, Mönchsbart und Seeaster: In der niederländischen Provinz Zeeland gibt es jetzt ganz besondere Delikatessen liegen neben der Windshell-Jacke mit „7 Denier Ballistic Air-light rip-stop nylon Polkatex DWR-Beschichtung“ (kein Witz, das heißt wirklich so) und dem Outdoorkocher „OD-1NP Muka Stove“. Vom wasserabweisenden Kunstfaserschlafsack und der Biodegradable Bottle (vulgo: Trinkflache) ganz zu schweigen. Diese ganzen Ballaststoffe sind so belastend, dass für andere Gedanken natürlich keine Zeit bleibt. Und wenn man dann wirklich alles eingepackt hat – die Reisezahnbürste in die Reisezahnbürstenplastikbox, die Reisezahnbürstenplastikbox in den Reisekulturbeutel, den Reisekulturbeutel in die Reisekulturbeutelregenhülle, den Reisekulturbeutel in den Reisekoffer und den Reisekoffer in den Kofferraum –, und wenn man sich an der Grenze zu Österreich noch immer absolut hundertprozentig sicher ist, dass man garantiert nichts vergessen hat, dann stellt sich die Fragen aller Fragen: Haben wir eigentlich die Kaffeemaschine ausgemacht? DOMINIK PRANTL VERANTWORTLICH: JOCHEN TEMSCH Gärten und Cottages – Per Rad durch Südengland Für Naturfreunde ist Großbritanniens Süden ein wahres Paradies. Landschaftlich arrangieren sich wildromantische Küstenabschnitte, verträumte Flussufer, lichte Heideflächen sowie uralte Bäume und Hecken zu einem harmonischen Szenario. Das milde Klima des Golfstromes bietet in dieser Region geradezu ideale Bedingungen für exotische Gartenkompositionen und lässt sogar mediterrane Pflanzen gedeihen. So wundert es nicht, dass hier einige der schönsten Parkanlagen Europas entstanden sind. Auf größtenteils ebenen Wegen und durch welliges Land geht es vorbei an Flüssen, Küsten und Kanälen. Diese einzigartige Radreise führt von den weißen Klippen von Dover bis zum Naturparadies New Forest im Westen und vom ehrwürdigen Oxford bis zur Isle of Wight im Süden. thinkstockphoto/Mat Monteith Reisehöhepunkte Dover: Unter römischer Herrschaft wurde der Ort zur wichtigen Hafenstadt. Deren strategische Bedeutung manifestierte sich spätestens im Mittelalter mit dem Bau des Dover Castle. Canterbury: Die weltberühmte Kathedrale der Stadt in der Grafschaft Kent ist Sitz des Erzbischofs von Canterbury, dem Oberhaupt der Anglikanischen Kirche von England. Sissinghurst: Der Weiße Garten des vom Schriftstellerpaar Vita Sackville-West und Harold Nicolson angelegten Areals gilt vielen als schönster Blütengarten Englands. Oxford: Bekannt ist die Stadt vor allem für ihre altehrwürdige Universität. Bath: Die Geschichte des Ortes spiegelt sich vor allem im Stadtkern wider, wo sich ein römischer Tempel- und Badekomplex sowie filigrane Renaissance-Bauten befinden. Stonehenge: Die Anfänge der mystischen Kultstätte mit ihren konzentrischen Steinkreisen, die in mehreren Phasen entstand, gehen bis zur Jungsteinzeit zurück. Isle of Wight: Kreideklippen, Sandstrände, reetgedeckte Bauernhäuser und idyllische Gärten bestimmen den Charme dieser Insel. Eingeschlossene Leistungen: - Flug von München oder Frankfurt nach London und zurück Alle zurzeit gültigen Flughafensteuern und Gebühren Transfer vom Flughafen zum Hotel und zurück 9 Übernachtungen in 3- bis 4-Sterne-Hotels inklusive umfangreiches Frühstück 9 ausgewählte mehrgängige Abendessen Leihgebühr für ein leicht laufendes Tourenrad mit 8-Gang-Nabenschaltung u. Rücktritt Fahrradtasche für das Tagesgepäck Gepäcktransport und -service Picknickservice Alle Transfers, Besichtigungen und Eintrittsgelder laut Reiseverlauf Kleinbus als Begleitfahrzeug Deutsch sprechende Reiseleitung per Rad, zweiter Reiseleiter als Fahrer des Busses Reisetermin: 21. bis 30. August 2013 Reisepreis pro Person im Doppelzimmer 2.475 € im Einzelzimmer 2.850 € Veranstalter: Die Landpartie Radeln und Reisen GmbH, Industriehof 3a, 26133 Oldenburg In Kooperation mit: Beratung und Prospekt: Telefon: 0421/322 68 87, Mo.–Fr. 8–20 Uhr, Sa. 8–14 Uhr Fax: 0421/322 68 89, E-Mail: [email protected], Internet: www.sz.de/leserreisen Persönlicher Kontakt: Hapag-Lloyd Reisebüro, Theatinerstraße 32, 80333 München DIZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten –- Süddeutsche Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München DIZdigital: Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichung und und nicht-private nicht-privateNutzung Nutzungexklusiv exklusivüber überwww.sz-content.de www.sz-content.de Jegliche escholz SZ20130711S1783861