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Alte neue Welt Kleine putzige Fischerdörfer, eine zerklüftete Küste, Dutzende Leuchttürme: der nördlichste Abschnitt der Ostküste der USA im Bundestaat Maine verzaubert mit atemberaubender Schönheit. Und wer gerne Lobster isst, ist hier genau richtig – die Region am kalten Atlantik lebt vom Hummerfang. Text : Sandrine Moirenc fotos : Camille Moirenc Sieben Uhr morgens. Noch ist die Sicht getrübt. Eine Holzbrücke schwingt sich in einem mutigen Bogen übers Wasser, das Ende verschwindet im dichten Nebel. Erst nach ein paar Schritten lassen sich am Brückenende unzählige Schiffe ausmachen, die am schwimmenden Steg zu kleben scheinen. Die Szene hat etwas Mildes und Beruhigendes an sich. Doch ragt plötzlich ein dunkler Strich aus dem morgend lichen Sprühnebel: ein Laternenpfahl. Daneben lassen sich an Fassaden von Fischerhütten farbige Flecken ausmachen. Erst aus der Nähe wird klar: es sind bunt angemalte Bojen aus Holz. Aus der Ferne durchbricht ein Hornstoss die neblige Stille. Jetzt kann man das Meer spüren und riechen. Und ein erstes Lebenszei chen erkennen: Zwei Fischer auf dem Steg bereiten Reusen vor und wechseln ein paar Worte in einem speziell gefärbten, amerikanischen Englisch: Wir sind in Maine, dem nordöstlichsten Bundesstaat der USA. Ein Gebiet, das auch als Neuengland bezeichnet wird und an Kanada grenzt. Das streichelnde Licht der aufgehenden Sonne verwandelt den Nebel, der uns wie ein dampfender Mantel umhüllt, in salzige Tröpfchen. Der kleine Hafen von Kittery an der Grenze zwischen New Hampshire und Maine erwacht. Im Frisbee’s 1828 Market, einem der ältesten Generalstores der Neuen Welt, glaubt man dem Reisehandbuch, duftet es nach amerikanischem Kaffee, Hotdogs und heisser Suppe. Wir überblicken die ganze Bucht und sehen, dass auch Segelschiffe hier festgemacht haben. Ein kleines Stück entfernt, am York Beach, umspielt der Nebel noch den hübschen Leuchtturm am Kap marina.ch februar 12 februar 12 marina.ch Nuddick. Eine schöne Ecke. Wohl deshalb stehen hier, am Rand des kalten Atlantiks, mehrere charmante Häuschen: Es ist ein beliebter Badeort mit dem gewissen Extra. Chic! Bloss ein paar Meilen entfernt liegt das Dorf Ogunquit mit der berühmten Perkins Cove, den edlen Boutiquen und Fischrestaurants am kleinen Hafen, den eine Hebebrücke dominiert – eine wunderbare Szenerie für Maler. Klar, im Sommer ist es ein sehr touristischer Ort. Wie Wellen schwappen dann fröhliche Menschen dem Meeresufer entlang. Küstenfahrt Nordwärts, entlang der Küste, folgt eine Bucht auf die andere, dazwischen liegen immer wieder niedliche Häfen. Ein zauberhafter Streifen Land, den Menschen, Yachten und Segelschiffen beleben. Maines Hinter land hingegen besteht aus riesigen Wäldern und schönen, um die 2000 Meter hohen Bergen, den nördlichen Appalachen. Hier liegen verstreut 2500 Seen und rund 5000 Flüsschen. Sie alle enden an der teilweise schroffen Meeresküste und bilden zahl reiche geheimnisvolle Halbinseln. Vor ihnen ruhen, wie ins Wasser gestreute Konfetti, mehr als 3000 Inseln – ein maritimes Paradies! Dieses geschützte Refugium hat sich nicht nur zur beliebten Sommerresidenz reicher Amerikaner entwickelt, sondern ist auch für Touristen attraktiv, die auf der Suche nach natürlichen Bademöglichkeiten sind oder die Region für die Freizeitschifffahrt nutzen wollen. Maine besitzt eine traditionsreiche Geschichte des Holzabbaus und des Schiffbaus. Dazu ein starkes Fischereiwesen mit einer Spezialität: Hummer. In diese Ambiance lässt es sich leicht eintauchen, sind doch hier fast alle Dörfer gleichzeitig Fischerdörfer. Überall in den Häfen kann man beobachten, wie Reusen mit Heringen als Köder für Hummer bestückt werden. Vielerorts servieren so genannte «Lobster houses» entlang der Quais Hummersuppe. In diesen «Snack-Boutiquen» kann man die begehrten Krustentiere auch zum Mitnehmen kaufen – und zwar garantiert frisch! Dann treffen wir in Kennebunkport ein: Wunderschön liegt es zwischen dem gleichnamigen Fluss und dem Atlantik. Hübsche, farbige Cottages aus Holz bilden einen malerischen Ort. Einige der Häuschen sind auch Verkaufsbuden, die Hummer als Plüschtiere, als Schlüsselanhänger und auf Kugelschreibern anbieten – das Übliche. Die Souvenirhersteller schrecken vor nichts zurück. Zum Glück gibts hier im Hafen auch zahlreiche – echte! – Lobsterboote. Und kurz vor der Flussbrücke lässt sich degustieren, was das Meer vor der Haustüre ausser Hummer den Menschen auch noch schenkt: Muscheln in allen Formen und Farben. Auch sie kann man wie Hummer zum Mit nehmen einpacken lassen. Das Geschäft wurde zum Hauptlieferanten der Familie Bush, die ein Sommer haus beim Walker’s Point besitzt. Weit draussen steht der Leuchtturm der Ziegeninsel, Goat Island, unweit des Punktes, wo am Kap Porpoise, ein weiterer Leuchtturm die Navigation unterstützt und als letzter von Maine automatisiert wurde. Das geschah im Jahr 1990. Die Küste streckt sich weiter, von Strand zu Strand. Der Sand flirtet mit der Bran dung des kalten Atlantiks. Hier und dort stürzen sich ein paar Mutige in die erfrischenden Wellen. Die meist fotografierte Stadt Der Lobster ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Region. 72 Seaside marina.ch februar 12 Portland, die grösste Stadt von Maine, markiert den Anfang der prächtigen Casco-Bucht. Hier entwickelte sich ab dem 18. Jahrhundert zusammen mit der Schiffsbauindustrie die Hummerfischerei. In der Nähe thront hoch auf einer Klippe der Portland-Leuchtturm. Sein Licht signalisiert auch: Zu meinen Füssen liegt die älteste Stadt der Küste. Portland wurde 1790 ge gründet. Es ist die am meisten fotografierte und ge malte Stadt der USA. Fähren überqueren die CascoBucht und fahren Ausflügler zu jenen beliebten Ecken, wo sich – unschwer zu erraten – Hummer verspeisen lässt. Am nördlichen Ende der Bucht liegt Harpswell. Hier ist es weniger touristisch, das maritime Leben authentisch, obwohl auch hier die Häuser der Fischer mit Sommervillen kontrastieren. Vom nahen Bath aus könnte man auf dem Kennebec Fluss ins Innere des Bundestaates reisen, doch wir ziehen weiter. Denn Maines Leuchttürme sind ein weiterer Grund, wes halb das Revier ein magisches Ziel zum Segeln oder Mootorbootfahren ist: 65 dieser treuen, unermüdlich leuchtenden Seelen begleiten einen auf der Reise entlang der Küste, dieser scharf gezackten Grenze zwischen Meer und Land. Es ist als ob eine riesige Hand mit unzähligen Fingern sich im Meer festkrallen februar 12 marina.ch würde: Ein zerklüftetes Land, das von mehr oder weniger zurückgezogen lebenden Hummerfischern bewohnt wird. Die nächste Etappe führt uns nach Boothbay Harbor, dem Treffpunkt der Segler, die hier regelmässig Regatten veranstalten. Tief in der Bucht gelegen und von fantastischen, bewaldeten Inselchen geschützt, glänzt das Städtchen mit der weissen Kirche und den farbigen Häusern entlang der Lagune, die eine ausser gewöhnliche Brücke überspannt. Ein poetischer Ort an einem Meer, das im grellen Mittagslicht silbrig schimmert und gespickt ist mit tausenden farbiger Lobster-Bojen. Ein paar Meilen weiter die nächste Augenweide: Christmas Cove, die Verkörperung dessen, was man unter einem hübschen Hafen versteht. Je weiter wir vordringen, umso abgeschiedener, umso intensiver und wilder werden die Buchten – es ist ein Gang durch eine Schatzkammer. Und mittendrin strahlt der Herr der Leuchttürme: Pemaquid Point. Er steht hoch auf einem unglaublich zerklüfteten Felsen, gegen den das Meer unablässig anspült, manchmal stürmt, ihn bedrängt und langsam verformt. Info Klima: Im Sommer variieren dank des ausgleichenden Einflusses des Atlantiks die Temperaturen an der Küste zwischen 15° C bis 25° C. Im Landesinnern wird es mit 32° C deutlich wärmer. Im Herbst, dem Indian Summer, bieten die sich verfärbenden Wälder ein berauschendes Farbenspiel. Bootsmiete: Diverse Anbieter haben unterschiedliche Boote im Programm. Je nach Bedürfnissen und Törnplan gilt es, das passende Angebot zu finden. Die wichtigsten Adressen sind in Bootsbay Harbor (Midcoast Boat Rentals), in Rockland (Midcoast Yacht Sales and Rental und Bay Island Yacht Charters & Sailing) oder in Southwest Harbor (Manset Yacht Service, Mansell Boat Rental Company). seaside 73 Jetzt haben wir das Herz von Maine erreicht, die miteinander freundschaftlich rivalisierenden Orte Friendship und Port Cycle. Hier könnte man stunden-, ja tagelang verweilen und das zauberhafte Licht bewundern, die sanft schaukelnden Fischerboote betrachten oder zum Leuchtturm Marshal Point schlendern, der ein interessantes Museum zur lokalen maritimen Geschichte beherbergt. Der kleine Marktflecken Rockland, wo einmal jährlich ein Lobster-Festival stattfindet, ist ein weiterer Ort, der vom Hummer lebt. Im Hafen erklärt ein Fischer: «Ein guter ‹Lobsterman› muss wie ein Hummer denken, muss seine Gewohnheiten kennen und die Umgebung, in der er sich bevorzugt aufhält.» Derweil versuchen Möven im Sturzflug Heringe zu klauen, die von den Fischern als Köder eingesetzt werden. Auf einer letzten Etappe erreichen wir Camden. Eine Stadt, die Häuser aus dem 19. Jahrhundert dekorieren. Diese historischen Wohnsitze wurden vor allem von Kapitänen gebaut. Camdens Hafen wird gerne von Yachten aller Klassen angelaufen, denn in der Nähe liegt eine Perle der Küste, der Nationalpark Acadia – den Sonnenuntergang über der Bucht und neben dem Berg Cadillac sollte man nicht verpassen. KANADA KANADA at: 6,5 cm x 6,5 cm hoch Kohli Kartografie marina.ch Ralligweg 10 MAINE 3012 Bern Tel. 031 301 00 31 Augusta [email protected] www.marina-online.ch Tel. Abodienst: 031 300 62 56 74 Seaside marina.ch februar 12