Schriftkategorien
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Typographische Grundlagen Das typographische Detail Seit vor Jahrhunderten die ersten handgeschriebenen Bücher entstanden, war das vorrangige Ziel der Schreiber, Texte lesbar zu machen. Wenn die Typographie die Information eines Dokuments schwerer lesbar macht, egal wie ‹schön› das Seiten layout gelungen ist, oder wie ‹einzigartig› die Schriftauswahl ist, hat das Dokument in der wichtigsten Sache versagt: die Information dem Leser effizient mitzuteilen. Leichtere Lesbarkeit führt zu leichterem Verständnis. Der Leser nimmt Schrift in unterschiedlicher Weise wahr: als eigentliches Lesen, indem er gesehene Buchstabenfolgen in Gedanken umsetzt, aber auch als (meist unbe wusstes) bildhaftes Sehen, das Erinnerungen an bereits früher Gesehenes wachruft oder Gefühle assoziiert. Schrift hat somit verschiedene Aufgaben zu erfüllen: eine Titelzeile in einer Anzeige oder eine Überschrift auf einem Plakat haben ganz andere Funktionen als ein fortlaufender Text in einem mehrseitigen Dokument, wie etwa Buch. Das eine Mal soll die Schrift sehr präsent sein und auf sich aufmerksam machen, das andere Mal soll sie nicht bewusst wahrgenommen werden, sondern einfach nur unauffällig und gut lesbar sein. Um dies für den Leser optimal zu gewährleisten, ist es ratsam einige Grund sätze zu beachten, die zum Bereich der sogenannten Detail- oder Mikrotypographie gehören und auf die Verhältnisse zwischen Schrift Format, Schriftgröße, Buchstaben abstände, Wortabstände, Zeilenlänge, Zeilenabstand und Anzahl von Kolumnen eingehen. Schriftkategorien Schriften gibt es in unzähligen Formen und Ausprägungen. Manche der Unterschiede zwischen verschiedenen Schriften sind sehr subtil, es gibt jedoch auch Schriften, die um jeden Preis auffallen wollen. Zahlreiche Schriftklassifikationsmodelle versuchen die Zigtausend verschiedenen Schriften der lateinischen Schriftsprachen zu ordnen. Zunächst lässt sich folgende, vereinfachte Kategorisierung aufstellen: → Antiqua- oder Serifen-Schriften → Serifenlose oder Sanserif-Schriften → Schreib- und Pinselschriften → Gebrochene Schriften → Dekorative und Display Schriften → Technische Schriften (z. B. maschinenlesbare oder mono-spaced) Diese grobe Einordnung wird noch weiter unterteilt in jeweils verschiedene Schrift modelle, die nachfolgend kurz vorgestellt werden. © 2011 Jürgen Weltin, type matters www.typematters.de Typographische Grundlagen 2 ▶ Antiqua- oder Serifen-Schriften Schriften mit kleinen, strichartigen Endungen, die man Serifen nennt. Diese sind die am häufigsten verwendeten Leseschriften für lange Texte. Sie lassen sich formal unterscheiden zwischen: → RenaissanceAntiqua (Oldstyle, Humanistic, Garaldic) 1 → BarockAntiqua (Transitional) 2 → Klassizistische Antiqua (Didone, Modern) 3 → Serifenbetonte LinearAntiqua (Egyptienne, Slab Serif, Square Serif) 4 1) Humanistic 1) Garaldic 2) 3) (Egizio) 2) ▶ Serifenlose- oder Sanserif-Schriften Endstrichlose Schriften mit meistens optisch gleichstarken Strichen. Der daraus resultierende geringere Strichwechselkontrast ergibt ein deutlich anderes Schriftbild als das von Serifenschriften. Auch hier gibt es formale Unterscheidungen: → Grotesk (Grotesque) 1 → Geometrisch 2 → Gothic (American Gothic) 3 → Humanistisch 4 → Hybrid ⁵ Helvetica 1) Futura 2) News Gothic 3) Gill Sans Goudy Sans Syntax 4) Optima ⁵) ▶ Schreib- und Pinselschriften Schriften, die Handschriften imitieren gibt es in großer Bandbreite, je nach dem Vorbild des Schreibwerkzeugs und der persönlichen Ausdruckskraft. Viele Schreib schriften sind so gestaltet, dass die Buchstaben einander berühren. Sie eignen sich kaum für Mengentext, sondern z. B. für Einladungen, gelegentlich auch als Headlines. Da ihre Großbuchstaben meist sehr schwungvoll sind, sollten diese Schriften nie nur in Großbuchstaben gesetzt werden, weil sie so kaum lesbar sind. Bickham Script Zapfino Brush Script Caflish Script NICHT IN VERSALIEN SETZEN! ▶ Gebrochene Schriften Diese werden in vier Gruppen unterteilt: → Textur 1 → Rotunda (Rundgotisch) 2 → Bastarda (Schwabacher) 3 → Fraktur 4 Anhand des kleinen ‹o› lassen sie sich sehr leicht unterscheiden: © 20 Jürgen Weltin, type matters www.typematters.de Typographische Grundlagen (Goudy Text) 1) Textur (San Marco) 2) Rotunda (Clairvaux) 3) Bastarda (Fette Fraktur) 4) Fraktur ▶ Dekorative und Display Schriften Nicht für den Mengensatz bestimmte Schriften. Sie werden hauptsächlich in werb lichen Anwendungen eingesetzt für Headlines oder als eye-catcher. ▶ Technische Schriften Maschinenlesbare Schriften wie OCR-A, Pixelschriften, oder ‹mono-spaced› (die Buchstaben haben alle dieselbe Breite, siehe Schreibmaschinenschriften, wo ‹i› und ‹m› gleich breit sind. Courier ist ‹mono-spaced›. Bildschirmschriften (Tahoma, Verdana, Georgia, Arial) sind für die Lesbarkeit am Bildschirm optimierte Schriften und nicht für Drucksachen bestimmt. Schriftstile und Familien Viele Schriften, insbesondere reine Textschriften, gibt es in mehreren Varianten, auch Stile oder Schriftschnitte genannt. Der normale Schnitt ist mit Regular, Normal oder Plain benannt. Daneben gibt es eine kursive Auszeichnungsschrift (Italic, bei SanserifSchriften auch Oblique genannt) und einen fetten und einen fett-kursiven Schnitt (Regular, Italic, Bold, Bold Italic). Manche Programme erzeugen diese Schnitte künst lich über einen Bold- (B) oder Italic-Button (I ). Es wird tatsächlich aber nur auf die korrekten Schnitte zugegriffen, wenn diese auch existieren oder installiert sind. Wenn nicht, wird eine Kursive nur durch Schrägstellen des normalen Schnitts erzeugt (falsche Kursive — echte Kursive [von der kalligraphischen Grundform abgeleitet]). Ein fetter Schnitt wird analog nur durch eine mathematische Verfettung erzeugt. Dasselbe gilt für falsche Kapitälchen, die nur eine mathematische Verkleinerung der Großbuchstaben darstellen und keine eigens gezeichnete Version mit angepasster Strichstärke sind: falsche Kapitälchen — echte Kapitälchen. Um dies zu vermeiden, sollte man den richtigen Schriftschnitt immer aus dem Schriftmenu direkt auswählen. ▶ Schriftfamilien Unter einer Schriftfamilie versteht man unterschiedliche Fonts desselben Designs aber mit unterschiedlichen Strichstärken in aufrechten und kursiven Schnitten. Neben den vier oben erwähnten Schnitten kann eine Schriftfamilie aber auch aus viel mehr Schnitten bestehen, von ganz leichten (Ultralight) bis ganz fetten (Black), aus engen © 2011 Jürgen Weltin, type matters www.typematters.de Typographische Grundlagen (Condensed) und sehr weiten (Extended, Wide). Ebenso gibt es Textschriften, die spezielle optische Schriftgrößen aufweisen und die man für die beabsichtigte Text größe setzen muss: → Bildunterschriften: Caption → Fließtext: Regular → Überschriften: → Headline/Display: Subhead Display ▶ Schrift auswählen Um zu entscheiden, welche Schrift man in welcher Größe nehmen soll, ist es leichter, wenn man einige Dinge kennt, die die Lesbarkeit einer Schrift beeinflussen. Ganz wesentlich dabei ist das Verhältnis der Kleinbuchstabenhöhe (x-Höhe) zur Größe der Versalien und der Ober- und Unterlängen. Erschwerend hinzu kommt, dass Schriftgrö ßen nicht einheitlich sind. So sieht eine Times New Roman in 11 Punkt* viel größer aus als eine Garamond in 11 Punkt*, eine Helvetica in 11 Punkt* größer als eine Gill Sans in 11 Punkt*. *) → Der typographische Punkt (Pt) ist die kleinste Einheit im typographischen Maßsystem. Er definiert die Schriftgröße, den Zeilenabstand und Linienstärken. Der DTP-Punkt hat eine annähernde Größe von 0,35277 mm und hat die früheren Einheiten Didot-Punkt (0,37597 mm) und Pica-Punkt (0,35147 mm) abgelöst. Eine Schrift wird in ihrer Höhe unterteilt in Schriftgröße (Kegelhöhe), Versalhöhe, Ober- und Unterlänge sowie Mittellänge (x-Höhe). Die Schriftgröße misst die Distanz von der Oberkante der Oberlänge zur Unterkante der Unterlänge plus einem kleinen zusätzlichen Raum, der verhindert, dass sich Ober- und Unterlängen nicht berühren, wenn die Schrift ohne einen Zeilenabstand (kompress) gesetzt ist. Hhgx Hhgx Hhgx Schriftgröße/Kegelhöhe Hhgx Versalhöhe Mittellänge/x-Höhe Unterlänge Hhgx Oberlänge Bei verschiedenen Schriften sind die Verhältnisse der einzelnen Schriftenhöhen bei gleicher Schriftgröße ganz unterschiedlich: Schriften mit großer Mittellänge benötigen mehr Zeilenabstand, da das weiße Band zwischen den Zeilen kleiner ist als bei Schriften mit kleiner Mittellänge: 10/11 Pt · Agilita LT Pro große x-Höhe ⇨ Zeilenabstand zu klein! © 2011 Jürgen Weltin, type matters 10/11 Pt · LTC Italian Old Style 10/12,5 Pt · Agilita LT Pro große x-Höhe ⇨ größerer Zeilenabstand! www.typematters.de