BBH-News zur Preiskontrolle nach § 315 BGB Februar / März 2008

Transcription

BBH-News zur Preiskontrolle nach § 315 BGB Februar / März 2008
BBH-News zur Preiskontrolle nach § 315 BGB
Februar / März 2008
BBH-News zur Preiskontrolle nach § 315 BGB
Februar / März 2008
Im vergangenen Jahr hat sich in Bezug auf die Anwendung des § 315 BGB einiges getan: Nicht nur, dass der Bundesgerichtshof (BGH) richtungweisende Entscheidungen in Bezug auf die Anwendbarkeit des § 315 BGB im Hinblick auf Strom- und Gaspreise getroffen hat. Viele Versorgungsunternehmen waren Nachforderungen im Hinblick
auf Netzentgelte aus den Jahren 2003/2004 ausgesetzt.
Im folgenden Newsletter möchten wir Ihnen die jüngere Entwicklung der Rechtsprechung näher bringen und Ihnen
aufzeigen, welche Handlungsalternativen sich hierbei für Sie ergeben.
Inhalt
A.
B.
C.
A.
Die „Stromentscheidung“ vom 28.03.2007
I.
Der Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt
II.
BGH: Keine Überprüfung des Ausgangspreises
III.
Auswirkungen des BGH-Urteils für die Stromversorger
Die „Gaspreisentscheidung“ vom 13.06.2007
I.
Der Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt
II.
Kernaussagen des BGH
III.
Auswirkungen des BGH-Urteils für die Gasversorger
Klagen der LichtBlick u.a. wegen Netzentgelte
Die „Stromentscheidung“ vom 28.03.2007
II.
BGH: Keine Überprüfung des Ausgangspreises
Die erste Entscheidung des vergangenen Jahres war
die Entscheidung vom 28.03.2007 (Az. VIII ZR 144/06, Die Entscheidung des BGH enthält für die StromversorN&R 2007, 116 ff. mit Anm. Wollschläger). Hier standen
ger eine Kernaussage. Der Ausgangsdem BGH die Entgelte, welche ein
preis zwischen den Kunden und den
§ 315 BGB
Stromversorgungsunternehmen
von
Versorgern, also der einmal vereinbarseinem Endkunden verlangte, zur
Bestimmung der Leistung
te Preis, ist gerichtlich nicht mehr üdurch eine Partei
Überprüfung.
berprüfbar!
Im Einzelnen gilt dabei Folgendes: Ein
Stromversorgungsunternehmen vereinbart mit seinen Endkunden bei Vertragsabschluss einen Preis für die
In dem Verfahren stritten die Parteien
Stromlieferung. Dies erfolgt auch
um die Zahlung des Entgeltes für gelieferten Strom. Zwischen ihnen be- (2) Die Bestimmung erfolgt durch dann, wenn der Kunde nicht schriftlich
stand in dem geltend gemachten Zeit- Erklärung gegenüber dem anderen den Vertrag abschließt, sondern einen
so genannten faktischen Vertrag
raum ein Sondertarifvertrag. Der Kun- Teil.
(schlichte Entnahme des Stromes aus
de widersprach einer angekündigten
(3) Soll die Bestimmung nach billigem
Preiserhöhung durch den Versorger. Ermessen erfolgen, so ist die getroffe- dem Netz) schließt. Insoweit stellt der
Hierauf kündigte der Versorger den ne Bestimmung für den anderen Teil BGH auf das „Kennen müssen“ des
Sondertarifvertrag und versorgte den nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit Kunden ab: Gesetzlich ist jeder
Kunden fortan im (teureren) Allgemei- entspricht. Entspricht sie nicht der Stromversorger verpflichtet, seine EntBilligkeit, so wird die Bestimmung
nen Tarif weiter. Über die Wirksamkeit durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, gelte öffentlich bekannt zu machen
und zusätzlich auf der Internetseite zu
der Kündigung hatte der BGH nicht zu wenn die Bestimmung verzögert wird.
veröffentlichen. Mithin steht bei Verentscheiden, es ging vielmehr allein
tragsschluss das zu zahlende Entgelt
darum, ob ein Stromkunde die vom
fest,
ein
einseitiges
Bestimmen des Entgeltes, wie es
Versorgungsunternehmen geforderten Entgelte für die
der
§
315
BGB
voraussetzt,
erfolgt durch das VersorStromlieferungen in Anwendung des § 315 BGB übergungsunternehmen
gerade
nicht.
prüfen kann.
I.
Der Entscheidung zu Grunde
liegende Sachverhalt
(1) Soll die Leistung durch einen der
Vertragsschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen,
dass die Bestimmung nach billigem
Ermessen zu treffen ist.
11
BBH-News zur Preiskontrolle nach § 315 BGB
Februar / März 2008
Bei der Beurteilung des Falles hat sich der BGH auch
damit beschäftigen müssen, ob Stromversorgungsunternehmen noch eine marktbeherrschende Stellung innehaben. Er hat dies verneint und festgestellt, dass es
einem Stromkunden bei der Vielzahl von Stromanbietern jederzeit möglich sei, seinen Stromlieferanten frei
zu wählen. Aufgrund dieser vielfältigen Möglichkeit
des Strombezugs besteht für den Kunden auch keine
Notwendigkeit, eine gerichtliche Preisüberprüfung
nach § 315 BGB durchführen zu lassen.
begehrte der Kunde die richterliche Feststellung, dass
die Preiserhöhung nicht der Billigkeit entsprach.
II.
Kernaussagen des BGH
III.
1.
Anfangspreis ist nicht überprüfbar
Auswirkungen des
Stromversorger
BGH-Urteils
für
die
Kunden von Stromversorgungsunternehmen können
sich nach dem BGH-Urteil nicht mehr auf §
315 BGB berufen - jedenfalls hinsichtlich
des Ausgangspreises steht dies nunmehr
unzweifelhaft fest. Sofern ein Kunde gleichwohl eine Prüfung dieses Preises durchführen möchte, kann und sollte dies aufgrund
der klaren Ausführungen des BGH zurückgewiesen werden.
Hinsichtlich etwaiger Preisveränderungen
hat sich der BGH in dem Urteil nicht geäußert und auch nicht äußern müssen. Im
Hinblick auf diese Frage liegt also noch keine höchstrichterliche Entscheidung vor.
B.
Die „Gaspreisentscheidung“ vom
13.06.2007
Neben der Stromentscheidung wurde die
Entscheidung über die Klage eines pensionierten
Richters aus Heilbronn mit besonderer Spannung erwartet. Sie erinnern sich sicherlich, dass es das der
BGH - Entscheidung zu Grunde liegende erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Heilbronn gewesen ist,
welches die Welle der Widersprüche nach § 315 BGB
richtig in Gang gesetzt hat.
Mit dem Urteil vom 13.06.2007 (Az. VIII ZR 36/06) hat
der BGH erstmals zur Frage der Überprüfung von
Gaspreisen Stellung genommen und hierbei zu zahlreichen Fragen die zwischen Verbrauchern und Versorgern aber auch zwischen den unterschiedlichen
unterinstanzlichen Gerichten kontrovers diskutiert wurden.
I.
Der Entscheidung zu Grunde liegender
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall hatte der Kunde eines Gasversorgungsunternehmens „Widerspruch“ gegen Gaspreiserhöhungen eingelegt. Als das Versorgungsunternehmen hiernach bei seiner Preisfestsetzung blieb,
Die Argumentation des Versorgungsunternehmens lief
darauf hinaus, dass die Preisanpassung allein auf die
Höhe real gestiegener Bezugskosten zurückzuführen
sei. Hierfür legte es ein Testat eines Wirtschaftsprüfers vor.
Auch bei der Gasversorgung ist der Anfangspreis
nicht überprüfbar. Dies begründete der BGH allerdings nicht – wie beim o.a. Strompreisurteil
– mit der Liberalisierung des Gasmarktes.
Denn diese sei nicht so weit fortgeschritten, dass der Gaskunde unter einer Vielzahl von Gasanbietern wählen kann. (Vor
dem Hintergrund des Markteintritts der
e.on-Tochter E-Wie-Einfach u.a. wäre dies
in weiteren Verfahren erneut zu bewerten.).
Allerdings hat der BGH auf die Ausweichmöglichkeit des Kunden zum Wärmemarkt
abgestellt. Hier bestehe ein relevanter Substitutionswettbewerb mit Anbietern konkurrierender Heizenergieträger wie z. B. Heizöl, Strom, Kohle und Fernwärme. Die Neukunden würden nur die (langfristig) günstigere Versorgungsmöglichkeit wählen. Der
daraus resultierende Wettbewerbsdruck
wiederum komme auch den Bestandskunden zugute,
da der Versorger augrund der Pflicht zur Gleichpreisigkeit gegenüber allen Kunden diesen im
(Substitutions-) Wettbewerb gebildeten Preis verlangen muss. Die grundsätzlich in Betracht zu ziehenden
Kosten für die Versorgungsumstellung, die die Bestandskunden theoretisch belasten und den Wettbewerbsvorteil aufheben würden, könnten damit außen
vor bleiben. Damit löst sich der BGH mit bemerkenswerter Klarheit von einer vielfach vertretenen Auffassung, die den Wärmemarkt als nicht konkurrierend
zum Gasmarkt ansah.
2.
Veränderungen des Gaspreises im laufenden Vertragsverhältnis
a)
Versorgungsunternehmen dürfen ihre Entgelte anpassen
Vor der Frage, ob eine Preisveränderung der Prüfung
nach § 315 BGB zugänglich ist, hatte der BGH sich
zunächst mit der Problematik zu beschäftigen, ob Ver2
BBH-News zur Preiskontrolle nach § 315 BGB
Februar / März 2008
sorgungsunternehmen überhaupt berechtigt sind,
Preisänderungen vorzunehmen. Dies ist von Verbraucherverbänden und Kunden regelmäßig verneint worden. Umstritten war hierbei insbesondere, ob der § 4
Abs. 2 AVBGasV (bzw. nunmehr § 5 Abs. 2 GasGVV)
lediglich regelt, dass Preisänderungen öffentlich bekannt gemacht werden müssen oder aber auch, ob
diese Norm auch ein sog. materielles Preisänderungsrecht darstellt. Der BGH hat sich sehr deutlich für ein
materielles Preisänderungsrecht ausgesprochen, so
dass die Berechtigung für die Durchführung einer
Preiserhöhung künftig außer Frage steht.
§ 4 Abs. 2 AVBGasV/ § 5 Abs. 2 GasGVV beruht auf
denselben Erwägungen, mit denen Kostenelementeklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei
anderen langfristigen Lieferverträgen begründet werden. Dem Verwender dieser Klauseln soll das Risiko
langfristiger Kalkulationen abgenommen werden und
seine Gewinnspanne soll, trotz nachträglich belastender Kostensteigerungen, gesichert sein. Gleichzeitig
soll auch der Vertragspartner des Verwenders geschützt werden, nämlich davor dass erwartete künftige
Kostensteigerungen bereits bei Vertragsschluss durch
Risikozuschläge in den Preis einkalkuliert werden.
b)
Unwidersprochene
nicht überprüfbar
Preisänderungen
sind
Wichtig ist auch folgende Aussage: Hat der Kunde
den nach dem Vertragsabschluss durchgeführten
Preisanpassungen nicht widersprochen und die ihm
gelegten Rechnungen vollständig gezahlt, so sind solche Preisanpassungen nicht mehr gem. § 315 BGB
gerichtlich prüfbar. Hier nimmt der BGH eine erneute
Vereinbarung des für die Gaslieferung zu zahlenden
Entgeltes an.
Das Gericht fordert insoweit ein zeitnahes Geltendmachen eines Widerspruchs, ohne hierbei allerdings die
zeitlichen Grenzen klar zu definieren. Hier stellt sich
nun die Frage, ob es für den Beginn der Zeit des
„Geltendmachens“ auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Preisänderungen oder auf die Jahresendabrechnung ankommt. Da nunmehr der Kunde über
jede Preisänderung schriftlich informiert werden muss
(§ 5 Abs. 2 GasGVV), lässt sich hier sehr gut argumentieren, dass es auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Preisänderung ankommt. Hier wird die weitere Rechtsprechung abzuwarten sein.
c)
Prüfungsumfang: Preisveränderung
Von besonderer Bedeutung ist auch die Frage, in welchem Umfang das Gasversorgungsunternehmen die
Billigkeit nachweisen muss. Hierbei gilt (nunmehr)
grundsätzlich: Eine vollständige Darlegung der gesamten Kalkulation ist nicht erforderlich. Vielmehr
muss das Versorgungsunternehmen lediglich darlegen, aus welchen betriebswirtschaftlichen Gründen es
die Entgelte angepasst hat, wobei nach der Aussage
des BGH die bloße Weitergabe von Kostensteigerungen an die Kunden nicht zu beanstanden ist.
Regelmäßig fußen die Kostensteigerungen bei den
Versorgungsunternehmen auf gestiegenen Bezugskosten beim Gaseinkauf. Die Weitergabe der Bezugskosten stellt ein berechtigtes Interesse des Versorgungsunternehmens gegenüber seinen Kunden dar,
Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit weiterzugeben. Ob diese ordnungsgemäß weitergegeben
wurden, wird durch das Gericht geprüft. Was allerdings der gerichtlichen Prüfung nicht unterzogen ist,
ist die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses mit
dem Vorlieferanten. Hier prüft das Gericht nicht, ob eine dort enthaltene Preisänderungsklausel beispielsweise gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstößt. Für die Überprüfung der Billigkeit
der einseitig bestimmten Preise darf nur das Vertragsverhältnis zwischen der die Leistung bestimmenden
Partei (Versorgungsunternehmen) und der dieser Bestimmung unterworfenen Partei (Kunde) herangezogen werden. Soweit dieser einseitig bestimmte Preis
der Billigkeit entspricht, kann nicht auch die Billigkeit
des mit dem vorgelagerten Lieferanten vereinbarten
Preises der gerichtlichen Billigkeitsprüfung unterliegen. Folglich ist die Vereinbarung der HELPreisbindung mit dem Vorlieferanten in diesem Letztverbraucherverhältnis nicht zu thematisieren.
Im Hinblick auf die Bezugskostensteigerung stellt sich
jetzt oftmals die Frage, wie eine Preisveränderung
nachzuweisen ist. Den BGH hat die Vorlage eines
Wirtschaftsprüfer-Testats zufrieden gestellt, die meisten Instanzengerichte folgen dem und lassen einen
solchen Nachweis genügen. Letztlich ist dies aber
nicht die einzige Möglichkeit des Nachweises der Bezugskostensteigerung. Es ist weiter möglich, z. B.
durch Vorlage von Preisänderungsschreiben des Vorlieferanten oder durch Rechnungen den Nachweis der
Weitergabe der Bezugskostensteigerung zu führen.
Neben den Änderungen der Bezugspreise hat der
BGH allerdings auch einen weiteren Blick auf die
sonstige Kostenentwicklung geworfen. Sofern die Bezugskostensteigerung durch eine gegenläufige Kostenentwicklung in anderen Bereichen kompensiert
wurde, werden die Kostensteigerungen dann nicht
vollständig weitergegeben werden können. Da es für
den BGH auf diese Frage aus prozessualen Gründen
allerdings nicht ankam, ist seine Meinung über den
Umfang eines diesbezüglichen Nachweises nicht be3
BBH-News zur Preiskontrolle nach § 315 BGB
Februar / März 2008
kannt. Allerdings ist es nicht notwendig, die vollständige Kalkulation offen zu legen. Auch wenn nicht alle
Gerichte, wie das LG Dessau, davon ausgehen werden, dass der Kunde das Sinken der sonstigen Kosten
belegen muss, so genügt es den Gerichten in aller Regel, wenn die größten Positionen der sonstigen Kosten (z. B. Personal, Steuern, Abschreibungen) dargestellt und deren Entwicklung aufgezeigt wird.
III.
Auswirkungen des BGH-Urteils für die Gasversorger
Das im Ergebnis erfreuliche Urteil des BGH stellt für
die Gasversorger damit klar:
■
Gasversorger sind zur Anpassung der Preise berechtigt.
■
Der bei Vertragsschluss geltende Preis ist zwischen Versorger und Kunde vereinbart
und unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle.
■
Soweit ein Kunde durchgeführten Preisveränderungen nicht zeitnah widerspricht, so ist dieser
Preis vereinbart und unterliegt ebenfalls keiner
gerichtlichen Prüfung.
■
Überprüft werden kann nur die Höhe der Preisänderungen. Diese sind nicht zu beanstanden,
wenn lediglich die Kostenentwicklung weitergegeben wird. Der Nachweis der Bezugskostenveränderung lässt sich in aller Regel durch ein
Wirtschaftsprüfertestat erbringen.
C.
Unter Bezugnahme auf die Stromnetzentgeltenscheidungen des BGH vom 18.10.2005 (Az.: KZR 36/04)
und 07.02.2006 (Az.: KZR 8/05 und KZR 9/05) fordern
Stromhändler einen (nicht unerheblichen) Teil der gezahlten Entgelte für die Nutzung des Stromnetzes zurück. Hierbei wird sehr pauschal vorgetragen, dass die
Netzentgelte aller Netzbetreiber insgesamt überhöht
waren und die Regulierungsbehörden unter Geltung
der StromNEV eine deutliche Senkung der Netznutzungsentgelte herbeigeführt
haben.
Teilweise fordern die
Gerichte unter Bezugnahme auf diese
Entscheidung
von
den Netzbetreibern
die Offenlegung der
Kalkulation. Über den Umfang, wie offen gelegt werden soll, ergehen hier allerdings von gerichtlicher Seite eher wenige Hinweise. Oftmals wird nur von einer
„nachvollziehbaren“ Kalkulation gesprochen, wie dieses aussehen soll, bleibt offen. Einige Gerichte sprechen auch von einer Kalkulation nach der StromNEV.
Ein solches Ansinnen ist unserer Ansicht schlechterdings nicht möglich, da die StromNEV zum Zeitpunkt
der streitbefangenen Jahre nicht gegolten hat. Nicht
alle Gerichte sehen dies allerdings ebenso.
Neuere
Rechtsprechung
Klagen der LichtBlick u.a. wegen Netzentgelte
Neben den Strom- und Gasentgelten stehen derzeit in
großem Umfang auch die Netzentgelte vergangener
Jahre zur Prüfung an. In den letzten Jahren waren hier
neben der LichtBlick - die Zukunft der Energie GmbH
& Co. KG im Wesentlichen auch die Insolvenzverwalter der DSA und der ares aktiv. Ende des letzten Jahres kamen dann die Ensys AG und die Yello Strom
GmbH als flächendeckend auftretende Anspruchssteller hinzu. Während die Yello Strom AG Ende letzten
Jahres zahlreiche gerichtliche Mahnbescheide beim
AG Euskirchen eingeleitet hat, ist von der Ensys AG
noch keine Klage bekannt geworden. Allerdings ist
auch hier mit Klageverfahren zu rechnen.
I.
mündliche Verhandlungen durchgeführt. Im Ergebnis
zeigt sich ein sehr differenziertes Bild hinsichtlich der
einzelnen Gerichte, die wir im Folgenden zusammenfassend wiedergeben möchten.
Neuere Rechtsprechung
BBH hat im letzten Jahr vor allen Kartellgerichten
Eine zunehmende Zahl von Gerichten stellt nun gar
nicht (mehr) auf die Offenlegung der Kalkulation ab.
Beispielsweise hat sich das Landgericht München I
von einem Netzbetreiber die Kalkulation zeigen lassen
und in einer auf die Offenlegung folgenden mündlichen Verhandlung angekündigt, die Klage abweisen
zu wollen, weil der Anspruch verwirkt sei. Auch das
Landgericht Mainz geht in von uns vertretenen Fällen
davon aus, dass die Klagen verwirkt sind, dass heißt
LichtBlick bzw. ares zu lange mit der Geltendmachung
der Ansprüche gewartet haben.
Die Landgerichte Potsdam und Magdeburg haben
Klagen abgewiesen, weil es nach Vertragsschluss keine Änderungen des Netzentgeltes gegeben habe und
der Ausgangspreis (in Anwendung der Gaspreisentscheidung des BGH vom 13.06.2007) nicht überprüfbar ist. Die gleiche Rechtsauffassung hat i. Ü. auch
das Landgericht Mainz in einer mündlichen Verhandlung mit mehreren Netzbetreibern geäußert.
Jüngst hat das Landgericht Kassel eine Klage abge4
BBH-News zur Preiskontrolle nach § 315 BGB
Februar / März 2008
wiesen, da es der Ansicht war, dass nicht LichtBlick,
sondern die Kunden Netznutzer waren und LichtBlick
insoweit kein Klagerecht hat.
Nach unserer Einschätzung ist in den letzten Monaten
eine gewisse Bewegung in die Rechtsstreite um Preise gekommen, die allgemeine Stimmung scheint insbesondere zu Gunsten der Netzbetreiber zu kippen.
Wir möchten aber nicht verhehlen, dass viele Gerichte
nach wie vor die Frage nach ihrer Kalkulation aufwerfen und deren Vorlage teilweise für den Erfolg einer
Verteidigung gegen die Klage abhängig machen. Wie
aber etwa der Fall des Landgerichts München zeigt,
wird eine vorgelegte Kalkulation dann aber nicht zwingend Grundlage der Gerichtsentscheidung. Im Übrigen sind die regelmäßig erhobenen Anwürfe gegen
vorgelegte Kalkulationen meist von allgemeiner Natur
und beschäftigen sich kaum bis gar nicht mit der individuell vorgelegten Kalkulation.
II.
nutzern umgehen. Wie die aktuelle Entwicklung
(Ensys, Yello) zeigt, drohen immer mehr Unternehmen mit Klagen, was eine vergleichsweise Einigung
mit einzelnen Unternehmen, hier zur Vermeidung von
Klage- und Verteidigungsaufwand, eher schwierig und
im Zweifel auch teuer macht. Andererseits zeigen die
jüngeren positiven Urteile insbesondere auch „nach
dem BGH“, dass bei den Gerichten durchaus Verständnis für Anbieter herrscht. Allerdings ist dieses
sehr stark vom jeweiligen Gericht abhängig.
Mit diesen Fragen werden Sie sich nach unserer Einschätzung mindestens bis zum erstmaligen Genehmigungsbescheid der Bundesnetzagentur/ Landesregulierungsbehörde beschäftigen müssen. Ob es auch
danach noch Anwürfe der Netznutzer gibt, ist abzuwarten.
Noch Fragen? Wir stehen Ihnen dafür gern zur Verfügung.
Was ist zu tun?
Was ist zu tun? Grundsätzlich sollten Sie im Unternehmen gut überlegen, wie Sie mit Klagen von NetzWeiterführende eigene Literatur:
♦ Zenke/Wollschläger, § 315 BGB: Streit um Versor-
gerpreise, VWEW Energieverlag, Frankfurt am Main
2007
♦ Wollschläger, Anmerkungen zum Urteil des BGH
vom 28. März 2007 – VIII ZR 144/06 in: Netzwirtschaften und Recht (N&R) 2007, S. 116 ff.
♦ Wollschläger, Anmerkungen zum Urteil des BGH
vom 13.06.2007 – VIII ZR 36/03 in: IR 09/2007
♦ Zenke, „Das haben wir nicht gewollt““
in: Energie & Management (E&M), 22/2006, S. 4 f.
Eine Bitte in eigener Sache: Wie Sie den
Literaturhinweisen entnehmen können,
geben wir das Buch Zenke/Wollschläger,
§ 315 BGB: Streit um Versorgerpreise,
VWEW Energieverlag, Frankfurt am Main
2007, heraus. Wir arbeiten derzeit an der
2. Auflage und bemühen uns um stetige
Aktualität. Haben Sie Urteile erwirkt, die wir
nicht kennen, aber im Markt von Interesse
sein könnten? Bitte übermitteln Sie uns
diese möglichst via E-mail. Herzlichen
Dank.
Herausgeber:
Becker Büttner Held, Rechtsanwälte · Wirtschaftsprüfer · Steuerberater
Köpenicker Straße 9, 10997 Berlin, www.bbh-berlin.de
Tel. 030 6112840-80 / Fax 030 6112840-99
RAin Dr. Ines Zenke, Partner
[email protected]
RA Stefan Wollschläger, Partner
[email protected]
RA Torsten Schröder
[email protected]
5

Documents pareils