FRep FolienF12 ff - Prof. Dr. Reinhard Singer
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Prof. Dr. Reinhard Singer Sommersemester 2009 Universitätsrepetitorium Crash-Kurs – SchuldR (27.7.09) Fall 12: Schadensrecht; Nutzungsausfall I. Anspruch G – S: §§ 823 I; §§ 7, 18 StVG (+) II. Rechtsfolge: Schadensersatz 1. Grundsatz: ersatzfähig sind nur Vermögensschäden 2. G hat durch Ausfall der Nutzungsmöglichkeit keine Einbuße in seinem Vermögen, sondern beklagt lediglich eine „individuelle Genussschmälerung“, also einen immateriellen Schaden a) § 253 II BGB (-); nicht einschlägig b) Entschädigung für Nutzungsausfall von Sachen (1) Seit langem gewährt Rspr. Nutzungsentschädigung bei beschädigten Kraftfahrzeugen für die Zeit, in der KfZ nicht genutzt werden kann Grund: Schmerzensgeld des „kleinen Mannes“; Gleichbehandlung mit Geschäftsleuten, die Mietwagenkosten abrechnen können; Verzicht auf Mietwagen soll Schädiger nicht entlasten (BGHZ 45, 212, 216; 98, 212, 214). (2) Problem: Abgrenzung zu anderen Nutzungsausfall-Schäden schwierig, z. B. Schwimmbad (BGHZ 76, 179: Becken undicht), Pelzmantel (BGHZ 63, 393: mangelhafter Ottermantel) oder Motorboot (BGHZ 89, 60). Rspr. lehnte dort Entschädigung ab, weil es sich dabei nicht – wie bei KfZ – um unentbehrliche Güter, sondern um bloße Liebhaberei, Luxusgüter oder Mittel der Freizeitgestaltung handelte. (3) Neuordnung der Rspr. durch großen Senat (BGHZ 98, 212): (a) Ausgangspunkt: - Vermögen erschöpft sich nicht im Haben, sondern umfasst auch die Möglichkeit, dieses zur Verwirklichung der Lebensziele zu nutzen - bei einem erwerbswirtschaftlichen Einsatz der Sache schlägt sich Nutzungsausfall in einem entgangenen Gewinn nieder, der gem. § 252 BGB ersatzfähig ist. - danach könnten Gewerbetreibende Ersatz für den Nutzungsausfall erlangen, nicht aber derjenige, der sein Eigentum privat nutzt. - Auch die „eigenwirtschaftliche“ Nutzung hat Vermögenswert; KfZ ist häufig die Grundlage für die wirtschaftliche Lebensführung (etwa für Berufstätige für Fahrten zur Arbeit) (b) Konsequenzen: (aa) Rspr. erkennt Nutzungsentschädigung an „bei Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung des Eigentümers angewiesen ist“ = nur Wirtschaftsgüter von zentraler Bedeutung für die Lebenshaltung (= bei der vermögensmehrenden, erwerbswirtschaftlichen Verwendung des Wirtschaftsgutes) arg.: Rechtssicherheit; sonst uferlose Ausdehnung des § 253 auf Nutzungsausfall (bb) Einzelfälle: (1) Nicht ersatzfähig daher Nutzungsausfall von Pelzmantel (BGHZ 63, 393), privates Schwimmbad (BGHZ 76, 179), Wohnwagen (BGHZ 86, 128), Sportmotorboot BGHZ 89, 60). (2) Umgekehrt ist ersatzfähig der Gebrauch einer selbstgenutzten Wohnung, wenn diese vollständig unbenutzbar geworden ist BGHZ 98, 212: Nutzungsverbot aufgrund eines vom Nachbarn ausgelösten Erdrutsches BGHZ 75, 366: teilweise Unbewohnbarkeit, z.B. weil Sprengarbeiten Risse verursachten, genügt nicht (cc) Fallbezogen: Wohnmobil dient anders als Wohnwagenanhänger der Personenbeförderung Aber: G muss auf Mobilität nicht verzichten, weil er einen PKW besitzt und diesen zur Personenbeförderung nutzen kann. Wohnmobil nach Gesamtumständen nicht zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung erforderlich, sondern zur – intensiven - Freizeitgestaltung Ergebnis: S muss keinen Ersatz für Nutzungsausfall leisten. Fall 13: Erforderliche Mietwagenkosten des Geschädigten Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten I. Anspruchsgrundlagen: §§ 823 I BGB; 7, 18 StVG 2 II. Schaden: § 249 Abs. 2 S. 1 – Anmietung eines Ersatzfahrzeugs gehört zu den Kosten der Naturalrestitution (= Wiederherstellung des Zustandes, der ohne das schädigende Ereignis besteht) 1. Aber: Geschädigter kann gem. § 249 Abs. 2 S. 1 nur die „erforderlichen“ Kosten ersetzt verlangen Aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit leitet die Rechtsprechung ein Wirtschaftlichkeitsgebot ab: von mehreren möglichen muss Geschädigter den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung wählen. 2. Konsequenz: da KfZ-Vermieter neben dem Normaltarif (NT) einen häufig 2 – 3 mal so teueren Unfallersatztarif anbieten, muss Mieter den günstigeren Normaltarif in Anspruch nehmen (BGH NJW 2008, 2910). Ausnahme: Höhere Sätze sind durch Zusatzleistungen gerechtfertigt (z.B. Nacht/Feiertagsbereitschaft). Instanzgerichte gewähren pauschal 20 % Zuschlag zum Normaltarif und erlauben Orientierung an Schwacke-Preisliste. 3. Ferner kann sich Kunde damit entlasten, dass ihm günstigerer Tarif „nicht zugänglich“ war, z.B. weil sich Unfall zur Nachtzeit oder an einem Feiertag ereignet hat. Im konkreten Fall kein Anhaltspunkt für „Unzugänglichkeit“ a) BGH : bei einem Tagesmietpreis von rund 181 € (brutto ohne Nebenkosten) für einen Mietwagen der Gruppe 5 (hier: Subaru Impreza 2,0) hätten sich Zweifel an der Angemessenheit und die Notwendigkeit einer Nachfrage nach günstigeren Tarifen auch bei anderen Anbietern - aufdrängen müssen. b) K hat sich zwar vom Vermieter beraten lassen, aber Beratung und die Preise betrafen lediglich das Unfallersatzgeschäft und waren deshalb für den Vergleich mit einem günstigeren "Normaltarif" für Selbstzahler ungeeignet c) Die umstrittene Schwacke-Mietpreisliste 2006 (wird von Instanzgerichten als überteuert abgelehnt) wies zwar für Wagenklasse 5 eine Preisspanne zwischen 345,00 € und 1.196,00 € für die wöchentliche Anmietung und eine Preisspanne zwischen 87,00 € und 176,00 € für die eintägige Anmietung aus. erst recht Veranlassung, nach einem günstigeren Tarif als dem ihm zunächst angebotenen zu fragen und ggf. - bei anderen Anbietern - ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen. Ergebnis: K blieb auf teueren Mietwagenkosten sitzen 3 -------------------------------------------------------------------Exkurs: Vermieter muss Mieter über die Anmietung zum Unfallersatztarif bestehenden Risiken aufklären (BGH NJW 2006, 2618). Falls Vermieter Aufklärung unterlässt, haftet er gem. §§ 280 I, 241 II auf Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen Normaltarif und Unfallersatztarif. Vermieter muss Mieter aber nicht auf günstigere Konkurrenzangebote hinweisen, sondern nur auf Risiken, so dass Kunde selbst recherchieren muss (Internet!), BGHZ 168, 168, 178. --------------------------------------------------------------------- Fall 14: Schadensersatzanspruch des Leasinggebers; Mitverschulden des Leasingnehmers A. Ansprüche G – S: §§ 823 I BGB, 7, 18 StVG Rechtsgut: G = Eigentümerin des KfZ B. Mitverschulden des Leasingnehmers (50 %)? I. Anrechnung gem. § 17 II iVm I StVG: Mitverschulden der Fahrzeughalter untereinander entsprechend dem jeweiligen Verursachungsbeitrag anzurechnen 1. Fahrzeughalter ist, wer es für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt (BGHZ 13, 351; 87, 133, 135). Entscheidend ist nicht, wer Eigentümer ist, sondern wer tatsächlich und wirtschaftlich der eigentlich Verantwortliche für den Einsatz des Kraftfahrzeuges im Verkehr ist und die Gefahren schafft, für die man nach § 7 StVG einstehen soll (BGHZ 87, 133, 135). = Leasingnehmer, nicht der Leasinggeber, auch wenn diesem das Eigentum verbleibt 2. Aber § 17 Abs. 3 S. 3 StVG n.F. geht davon aus, dass § 17 Abs. 1, 2 möglicherweise anwendbar ist, wenn Eigentümer nicht der Halter ist. BGH: Gesetzesmaterialien zur Neufassung lassen erkennen, dass eine Gleichstellung der Haftung nur für den Fall des unabwendbaren Ereignisses erfolgen sollte "Idealfahrer" sollte davor bewahrt werden, vom "Eigentümer des anderen Unfallfahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden (BT-Drs. 14/8780, 22 f.). durchgehende Gleichstellung von Eigentümer und Halter – also bei nicht unabwendbaren Ereignissen – war nicht beabsichtigt. 4 II. Anrechnung des Mitverschuldens gem. § 9 StVG 1. Gem. § 9 StVG ist Anrechnung des Mitverschuldens gegenüber allgemeinen Regeln erweitert. a) Das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt (sog. Bewahrungs-gehilfe), steht dem (Mit-)Verschulden des Verletzten gleich. b) § 9 StVG bezieht sich aber nur auf Ansprüche aus der Gefährdungshaftung, nicht auf deliktische Schadensersatzansprüche gem. § 823 BGB. Gem. § 254 BGB ist im Gegensatz zu § 9 StVG dem Geschädigten das Verschulden desjenigen nicht zuzurechnen, der die tatsächliche Gewalt über die (beschädigte) Sache ausübt. Grund: § 9 StVG ist Ausgleich für strenge Gefährdungshaftung des StVG, daher Anwendung auf Verschuldenshaftung nicht gerechtfertigt. 2. Anwendung des § 254 BGB auf Verschulden des Leasingnehmers a) Dem Geschädigten G ist kein Mitverschuldensvorwurf zu machen b) Anrechnung des Mitverschuldens von Erfüllungsgehilfen gem. § 254 II 2 aa) § 254 II 2 ist nicht nur auf § 254 II 1 (Schadensminderungspflicht) anwendbar, sondern auch auf § 254 I (Mitverschulden bei Schadensentstehung) bb) Aber nach h.M. ist § 254 II 2 Rechtsgrundverweis, d.h. zwischen dem Geschädigten und Schädiger muss im Augenblick des schädigenden Ereignisses ein Schuldverhältnis bzw. eine Sonderverbindung bestanden haben. Zwischen G und S bestand jedoch keine Sonderverbindung c) Anwendung des § 254 Abs. 1 auf mitwirkende Betriebsgefahr BGHZ 12, 124, 128: grundsätzlich ist mitwirkende Betriebsgefahr des Geschädigten auch bei § 254 I zu berücksichtigen (erweiternde Auslegung) Aber dies gilt nur, wenn Geschädigter für Betriebsgefahr des KfZ einstehen muss. Daran fehlt es, weil G nicht Halter ist (BGHZ 173, 182, 188). Ergebnis: keine Einstandspflicht des G Armbrüster JZ 2008, 154 kritisiert das Urteil, weil S auf Regress gegen Leasingnehmer gem. § 426 I verwiesen wird und im Ergebnis dessen Insolvenzrisiko tragen muss. Außerdem hätte es nahegelegen, § 9 StVG auch auf § 823 I anzuwenden, weil der Eigentümer davon profitiert, dass er die risikoträchtige Nutzungsbefugnis auf einen Dritten überträgt (vgl. schon Prölss VersR 2001, 166 f.). 5 Fall 15: Vorteilsausgleich Anspruch S – F auf Schadensersatz Anspruchsgrundlage: §§ 634 Nr. 4, 280 I, III, 281 (Hinweis: der Fall wurde noch nach altem Werkvertragsrecht gelöst; danach war Anspruchsgrundlage § 635 a.F.) S ist als Zessionar wie der Zedent B berechtigt (§ 398). I. Voraussetzungen: - mangelhaftes Werk - Fristsetzung zur Nacherfüllung - Vertretenmüssen: Mangelhafte Herstellung der Fenster verstieß gegen anerkannte Regeln der Technik II. Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung (= Kosten der Mängelbeseitigung) 1. B kann die Kosten für die Beseitigung des Mangels grundsätzlich verlangen, ohne zur Mangelbeseitigung verpflichtet zu sein. 2. Allerdings sind uU Vorteile anzurechnen, die daraus resultieren, dass der Nachunternehmer wegen der mangelhaften Fenster nicht in Anspruch genommen wird und dies auch nicht mehr werden kann. a) Grundsätze der Vorteilsausgleichung beruhen auf dem Gedanken, dass dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen sind, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Wird bei einem Verkehrsunfall der Bruder des Verletzten getötet, so ist der dadurch eingetretene Erbfall kein anrechenbarer Vorteil (!), weil die Tötung des Bruders eine gegenüber der Verletzung des Geschädigten unabhängige unerlaubte Handlung darstellt (BGH NJW 1976, 747) b) Der Geschädigte darf nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde; dem steht das aus der strikten Anwendung der Differenzhypothese folgende schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot entgegen. Was gerecht ist, folgt aber letztlich aus Wertungen und § 242 BGB. c) Fallgruppen: aa) Vorteile durch Leistungen Dritter sind nicht schadensmindernd anzurechnen, da der Zweck dieser Leistungen nicht darin besteht, den Schädiger zu entlasten. Meistens sieht Gesetz eine Legalzession der Ansprüche des Verletzten vor; diese liefe leer, wenn die Leistung den Schaden beseitigen würde. Bsp.: §§ 116 I SGB X; 67 I VVG, 6 EFZG 6 bb) Auch Unterhaltsleistungen sollen den Schädiger nicht entlasten, wie § 843 IV BGB zeigt. Dies gilt allerdings nicht für Versorgungsleistungen, die der Witwe des Getöteten im Falle einer Eheschließung zufließen; arg.: Versorgung steht nun wegen §§ 1360, 1360a BGB auf einer neuen sicheren Grundlage (BGHZ 91, 357, 359) cc) Bei einer Versorgung durch Partner einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft soll dies wegen Fehlens eines Unterhaltsanspruchs der Witwe gem. §§ 1360, 1360 a BGB nicht gelten (BGHZ 91, 357, 360); Vorteile aus freiwilligen Zuwendungen des Partners nicht anzurechnen, weil diese mit dem Schadensereignis nicht korrespondieren (363) dd) Eigene Anstrengungen des Geschädigten sind zu berücksichtigen, wenn sie nicht überobligatorisch sind Bsp.: Wenn der Geschädigte, der Ansprüche wegen vertanen Urlaubs geltend macht, den Urlaub auf später verschiebt und stattdessen weiterarbeitet, so liegt darin – oder in einem Ersatzurlaub - kein anrechenbarer Vorteil, weil der Geschädigte gegenüber dem Reiseveranstalter nicht zu solchen „Ersatzaktivitäten“ verpflichtet ist (BGHZ 161, 389, 396). ee) Abzug neu für alt: (1) Grundsatz: durch Reparatur oder Ersatzlieferung einer neuen Sache kann sich Werterhöhung ergeben. (2) Voraussetzung für Vorteilsausgleich ist aber, dass wirklich eine Werterhöhung eingetreten ist: bei Gegenständen, die üblicherweise nicht verkauft werden, ist dies grundsätzlich nicht der Fall Bsp.: Beschädigung einer Brille (Rep GesSVe Fall 2) oder Krone/Brücke (3) Bei Kraftfahrzeugreparaturen wird im Allgemeinen keine Werterhöhung angenommen, wenn einzelne Teile erneuert werden (z.B. Kotflügel)! Grund: Kotflügel hat keine längere Lebensdauer als Fahrzeug insgesamt (KG NJW 1971, 142; Palandt/Heinrichs, § 249 Rn. 26; vor § 249 Rn. 146); keine Aufwendungsersparnis Ausnahme: Einbau eines generalüberholten Motors (Koblenz VRS 88, 170); SVSt: Werterhöhung des KfZ (4) Vorteilsausgleich bei der Anmietung eines Ersatzwagens während der Dauer der Reparatur: Mieter erspart dadurch eigene Aufwendungen; Praxis zieht deshalb 10 % der Mietwagenkosten ab; Mieter kann Abzug vermeiden, indem er ein Fahrzeug der nächst niederen Preiskategorie anmietet (Palandt/Heinrichs, § 249 Rn. 32). 7 ff) Fallbezogen: (1) Ältere Rspr.: Anrechnung des Vorteils abgelehnt, wenn Besteller von seinen Auftraggebern nicht in Anspruch genommen wurde. Begründung: Schaden und Vorteil sind nicht durch dasselbe Ereignis verursacht worden (BGH NJW 1977, 1819). (2) BGH modifiziert Rspr.: Vorteilsausgleichung gerechtfertigt, wenn – wie hier feststeht, dass Gläubiger des Schadensersatzanspruchs seinerseits nicht mehr wegen dieses Mangels von seinem vorgeschalteten Vertragspartner in Anspruch genommen werden kann, weil dieser verjährt ist; arg.:. - Wirtschaftlich betrachtet ist der Nachunternehmer B lediglich Zwischenstation innerhalb der Leistungskette - Leistung betrifft wirtschaftlich Bauherrn; wenn dieser mit dem Werk „zufrieden“ ist oder jedenfalls nicht gegen Nachunternehmer B unternimmt, erscheint es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben geboten, den Vorteil für B an den Lieferanten F weiterzugeben. Ergebnis: Kein Schadensersatzanspruch wegen Vorteilsausgleichung. Fall 16: Schuldnerverzug durch Übersendung einer Rechnung I. Anspruch G – S auf Ersatz ihrer Aufwendungen und Zinsen II. Anspruchsgrundlage: § 280 Abs. 1, 2; 288 Abs. 1 iVm § 286 BGB Ersatz des Verzögerungsschadens Voraussetzung: Verzug des Schuldners (§ 286 Abs. 1): 1. Fälligkeit der Forderung (§ 271 BGB): im Zweifel sofort 2. Mahnung des Gläubigers nach dem Eintritt der Fälligkeit oder Entbehrlichkeit der Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB a) Entbehrlichkeit der Mahnung: wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. „dies interpellat pro homine“ 8 aa) Bestimmung muss durch Rechtsgeschäft - in der Regel in dem zugrunde liegenden Vertrag -, durch Gesetz oder in einem Urteil getroffen worden sein. einseitige Festlegung einer Leistungszeit durch den Gläubiger reicht nur, sofern dieser nach § 315 BGB zur Bestimmung der Leistung berechtigt ist, also im Allgemeinen nicht (h.M.; BGH NJW 2005, 1772; MünchKomm/Ernst, BGB, 5. Aufl., § 286 Rn. 55; Palandt/Heinrichs, BGB, § 286 Rn. 22). bb) LG Ansbach NJW-RR 1997, 1497; ebenso Fahl JZ 1995, 341, 343: nach den Motiven des BGB soll eine einseitige Leistungsbestimmung genügen. cc) BGH: historischer Gesetzgeber wollte einseitige Leistungsbestimmung nur akzeptieren, wenn dies nach dem Inhalt des zugrunde liegenden Schuldverhältnisses berechtigt war. Materialien zur Schuldrechts-Modernisierung (BT-Drs. 14/6040 S. 145 f.): wie bisher soll einseitige Bestimmung für § 286 Abs. 2 Nr. 1 nicht genügen. Zahlungsverzugsrichtlinie (RL 2000/35/EG) vom 29. 6. 2000: Zinsen sind ab dem Tag zu zahlen, der auf den "vertraglich" festgesetzten Zahlungstermin oder das "vertraglich" festgesetzte Ende der Zahlungsfrist folgt. b) Mahnung gem. § 286 Abs. 1 BGB durch Rechnung der G? aa) Mahnung =jede eindeutige und bestimmte Aufforderung, mit der der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt - auf die Rechtsfolgen eines Verzugs muss nicht hingewiesen werden - Mahnung kann zudem mit der die Fälligkeit begründenden Handlung verbunden werden (RGZ 50, 255, 261; BGH WM 1970, 1141) und kann deswegen auch in einer Rechnung enthalten sein bb) BGH: Ausnahmefälle; erstmalige Zusendung einer Rechnung - selbst mit Angabe eines Zahlungsziels - wurde schon bisher im Verkehr üblicherweise nicht als Mahnung verstanden § 286 Abs. 3 S. 1 verlangt vom Gläubiger Verbrauchern gegenüber eine zusätzliche Belehrung; Vorschrift liefe leer, wenn bereits die Übersendung der Rechnung eine Mahnung darstellte Allerdings gilt u.U. etwas anderes, wenn Schuldner zugleich auf den Verzugseintritt hingewiesen wird (BGH aaO.) hier (-) 9 c) Spätere Zahlungsaufforderungen vom 25. 5. und 9. 11. 2005 als Mahnung? aa) Tatbestand: + bb) Aber Zugang fehlt (§ 130 BGB); Beweislast: Gläubiger G cc) Treuwidrige Berufung auf Mangel des § 130 ? (1) Schuldner muss bei bestehenden vertraglichen Beziehungen im Falle eines Umzugs Vorkehrungen für den Zugang rechtsgeschäftlicher Erklärungen seines Vertragspartners treffen (Palandt/Heinrichs, aaO, § 130 Rn. 17). (2) Hierfür genügt bei Verbrauchern Nachsendeauftrag bei der Post (+). (3) Fehler der Post hat S nicht zu vertreten, weil G die Hausnummer der alten Anschrift unrichtig angegeben hatte. Ergebnis: Klage der G unbegründet. Fall 17: Beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit V 433 611 K Lieferung Fernsehgeräte (Gewinn 120.- €/Stück) Einkaufspreis 700.- € A I. Anspruch K – V: 433, 275 I (-) Unmöglichkeit der Leistung: Zwar Gattungsschuld, diese ist jedoch gem. § 243 Abs. 2 konkretisiert worden; mit Übergabe an die Transportperson - auch die eigenen Leute - hat V das Erforderliche getan. II. Anspruch V – K: 1. § 326 I: passt nicht ohne weiteres, weil Verantwortung des K unberücksichtigt bleibt 2. § 326 II 1: passt ebenfalls nicht, weil Gläubiger K nicht allein oder überwiegend (90 %) verantwortlich 10 3. Maßgebliche Wertungen: a) Prinzip der Selbstverantwortung (§ 254 BGB) aa) Konsequenz: K muss einen seiner Verantwortung entsprechenden Teil tragen (hier: 50 %) bb) Nicht überzeugend daher RGZ 71, 187: je nachdem, wessen Verschulden überwog, hatte K Anspruch auf Schadensersatz gem. § 325 (aF) [=§§ 280 I, III, 283 S. 1] oder V einen Anspruch aus § 324 II [= § 326 II], der um den jeweiligen Verantwortungsteil gekürzt werden muss - Modell versagt, wenn beide gleiche Verantwortungsteile (50 : 50); hier überwiegt keiner! - Außerdem Verstoß gegen § 326 II 1 nF: Norm setzt voraus, dass K weit überwiegend verantwortlich (90 - 100 %). - Umkehrschluss: bei „einfachem“ Überwiegen keine Anwendung des § 326 II!! (so Canaris, FS Lorenz 2004, 156) b) Außerdem Äquivalenzprinzip zu beachten: Begründung: aa) § 326 II 1 – Schuldner bekommt bei Vertretenmüssen des Gläubigers keinen Schadensersatz, sondern behält vereinbarte Gegenleistung (erhält Äquivalenz) bb) § 441 III: Berechnung der Minderung wahrt vertragliche Äquivalenz c) Lösung: aa) Primärleistungsansprüche: (1) Bei Unmöglichkeit erlischt Primärleistungsanspruch: § 275 I (2) Grundsätzlich erlischt auch Anspruch auf die Gegenleistung: § 326 I Ausnahme des § 326 II 1 nur, wenn Gläubiger K praktisch alleine verantwortlich 11 bb) Sekundäransprüche: (1) Anspruch K – V auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, III, 283 S. 1 Schaden: entgangener Gewinn 120.- € / Stück Mitverschulden (§ 254 I): 50 % K erhält dann 60.- Euro/Stück). Ergebnis: Anspruch K – V 60.- € x 10 = 600.- € (2) V hat gegen K ebenfalls einen Schadensersatzanspruch: Anspruchsgrundlage § 280 I (nicht Schadensersatz statt der Leistung, sondern Schadensersatz statt der Gegenleistung) Schaden des V: Wegfall des Vergütungsanspruchs gem. § 326 I (= 7.000 €) § 254 I: Kürzung um die Hälfte: 3.500 €. Gesamtergebnis: 1. V – K 3.500.- : K – V 600.- 2. Differenz zugunsten des V in Höhe von 2.900 €. 3. V – K = 2.900.- 12