Die Zucht von neuen Pilzarten wird erforscht

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Die Zucht von neuen Pilzarten wird erforscht
SBAU V1
Seite 17
Schwarz
D O S S I E R • 17
Donnerstag, 31. Juli 2003
Die Zucht von neuen Pilzarten wird erforscht
Hinter der Pilzzucht
steckt viel Forschungsarbeit. Jean Keller* ist seit
zwei Jahren pensioniert
und investiert nun seine
Zeit ehrenamtlich je zur
Hälfte in sein Projekt Mycorama und in sein Labor
Mycotec SA in Cernier.
INTERVIEW:
MICHÈLE FREIBURGHAUS
«Schweizer Bauer»: Jean Keller, Ihr Spezialgebiet ist es, die
Zucht von neuen Pilzarten zu
erforschen. Bitte erklären Sie
das Vorgehen.
Jean Keller: Seit 10 Jahren erforscht Dr. Daniel Job an der
Universität Neuenburg die
Züchtung verschiedener Pilzarten unter Laborbedingungen.
Zurzeit handelt es sich dabei um
rund 20 Arten. Gewisse Pilzarten benötigen 5 bis 6 Jahre Forschungsarbeit, um die Grundlagen für eine Züchtung zu schaffen. Seit 8 Jahren arbeiten wir
auch an einem Pilotversuch in
Payerne VD, wo wir pro Woche
10 bis 30 Kilo seltene, meist nur
in Asien bekannte Pilzarten ernten können. Wir sind besonders
stolz darauf, weltweit die Einzigen zu sein, denen die Züchtung
des Sparassis crispa und des
Sparassis laminosa gelingt. Die
Produktion ist aber heikel, einige Vorarbeiten sind noch notwendig, um eine regelmässige
industrielle Züchtung zu Stande
zu bringen.
Seit zwei Jahren besteht das
Mycotec in Cernier. Welche
Aufgaben übernimmt dieses
Labor?
Jean Keller: Im Mycotec produzieren wir, das heisst jeweils
Jean Keller mit der Tannenglucke. Dieser Pilz könnte wegen
seines Geschmacks und seiner Festigkeit zu einer gastronomischen Spezialität werden. (Bild: Roland Grandjean)
4 bis 5 Teilzeitmitarbeiter und
ich, zurzeit rund 6 bis 7 Pilzarten, das Ganze ist eine Art Zwischenstufe zwischen Forschung
und Produzenten, die so genannte vorindustrielle Phase.
Der Ertrag beläuft sich auf etwa
30 bis 40 kg Pilze pro Woche,
welche hauptsächlich vom
Grossisten Gastroservice und
von regionalen Restaurants bezogen werden.
Jean Keller: Der Betrieb ist
durch die Abkäufe leider momentan noch nicht finanzierbar.
Unser Partner Mycobio ist deshalb neu für den kommerziellen
Teil verantwortlich und wurde
mit dem Vertrieb unserer Produkte betraut. Das Interesse der
Konsumentinnen und Konsumenten an neuen Pilzspezialitäten ist vorhanden, leider fehlt
uns das Geld für die Finanzierung deren Lancierung und Bekanntmachung. Dieses Projekt
könnte übrigens eine gute Kapitalanlage für einen grossen Investor bilden.
Wirklichkeit. Was dürfen wir
erwarten?
Jean Keller: Am Anfang stand
der Wunsch, die weit gehend
unbekannte Welt der Pilze einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Das Konzept ist
es, in diesem internationalen
Zentrum der Mykologie die Pilze in ihrer ganzen Vielfalt vorzustellen: Pilze zwischen Magie
und Mythos, Wissenschaft und
Volksglauben, Medizin und
Gastronomie. Auf dem Site de
Cernier oberhalb von Neuenburg fanden wir einen idealen
Standort für unsere Pilzwelt.
Welche Pilzarten verwenden
Sie für Ihre Zuchtversuche?
Jean Keller: Erstens nehmen wir
nur Pilze, die gemäss Lebensmittelverordnung auf der Liste
der erlaubten Pilze stehen.Weitere Auswahlkriterien bilden
der Geschmack eines Pilzes und
damit dessen Eignung als Speisepilz. Ein Erfolg versprechender Pilz ist beispielsweise der
Blazei-Champignon, der würziger und geschmackvoller ist als
der Champignon de Paris. Der
Blazei wird in Brasilien bereits
erfolgreich gezüchtet und unter
dem Namen Portobello in die
Staaten exportiert.
Ein ambitöses Projekt …
Jean Keller: Ja, aber wir sind zuversichtlich. Die Vereinigung
Mycorama zählt mittlerweile
bereits über 600 Mitglieder. Wir
benötigten rund 5 Jahre, um die
nötigen Mittel für die Planung
und die erste Bauphase zusammenzubringen. Baubeginn ist
jetzt voraussichtlich im Oktober
2003, Eröffnung, wenn alles
rund läuft, im Jahr 2005. Wir
verbauen jeweils nur das Geld,
das vorhanden ist, sind also weiterhin auf Spenden, Mitgliederbeiträge und allfällige Sponsoren angewiesen.
Welche weiteren Ziele verfolgen Sie mit dem Mycotec?
Jean Keller: Das Mycotec ist für
uns eigentlich in erster Linie eine Visitenkarte und eine wichtige Vitrine für die Öffentlichkeit,
für potenzielle Sponsoren, Investoren und andere interessierte Kreise zur Veranschaulichung
unserer Arbeit im Hinblick auf
unser Grossprojekt Mycorama.
Mit dem Mycorama wird eine
Ihrer grossen Visionen bald
Ist das wirtschaftlich?
Sehen Sie in der Pilzzucht die
Chance für einen lukrativen
Nebenerwerb z. B. für Landwirte?
Jean Keller: Der Markt der bekannten Zuchtpilzarten wie
Champignons, Pleurotus und
Shii-take ist mehr als gesättigt,
hier rate ich dringend von den
nötigen hohen Investitionen ab.
Gewisse Chancen sehe ich inskünftig eher im Bereich der
Züchtung von neuen Arten, von
Spezialitäten. Bei einem täglichen Einsatz von 1 bis 2 Stun-
den – einer idealen Arbeit auch
für eine Frau – könnte ein gewisser Gewinn möglich sein,
wenn der Standort stimmt, das
heisst, wenn sich Spezialitätengeschäfte, Hotels und/oder Restaurants in der Nähe befinden,
die als Abnehmer in Frage kommen.
Sie betreiben aber auch Forschung für Bauern?
Jean Keller: Stimmt. Eines unserer gegenwärtigen Projekte, dessen Investitionskosten von
20 000 bis 30 000 Franken übrigens vom Landwirtschaftsdepartement mitgetragen werden,
starten wir im Januar 2004 auf
einem landwirtschaftlichen Betrieb. Die Produktion unterliegt
den Richtlinien des biologischen Anbaus und läuft über ein
Jahr unter optimalen Bedingungen für eine neue Pilzart. Mycotec begleitet das Projekt wissenschaftlich und informiert das
Landwirtschaftsdepartement
laufend.
Um was geht es?
Jean Keller: Das Versuchsprojekt soll unter anderem aufzeigen, ob sich ein solcher Nebenerwerb finanziell letztlich rechnet und ob sich die Idee des
Recyclings von Hof- und Forstabfällen in der Realität umsetzen lässt. Konkrete Ergebnisse
liegen 2005 vor. Wir werden
aber das Projekt über insgesamt
10 Jahre begleiten.
●
* Dr. Jean Keller, Jahrgang 1941, war
Gymnasiallehrer für Biologie, Privatdozent für Mycologie an der Universität
Neuenburg und acht Jahre lang Präsident
des Verbandes Schweizer Vereine für
Pilzkunde. Gleichzeitig betrieb er seine
Forschungen zum Thema Elektronenmikroskopie von Pilzen, zu diesem Thema
erschien 1998 mit einem umfassenden
Nachschlagewerk auch seine erste Publikation.
Verkaufsförderung für Kulturpilze aus Schweizer Produktion
MICHÈLE FREIBURGHAUS
Wer weiss, wie aufwändig und
heikel die Zucht von Pilzen ist,
wie viel Pflege und Aufmerksamkeit an 365 Tagen im Jahr
diese voraussetzt, betrachtet
auch den populären Champignon plötzlich als kleine Kostbarkeit.
Im Gegensatz zu grünen Gewächsen brauchen Pilze kein
Sonnenlicht. Der Pilz selber ist
eigentlich nur das Fortpflanzungsorgan, der so genannte
Fruchtkörper Er wächst aus
dem Myzel, einem Netz aus feinen Zellfäden. Dieses benötigt
als Basis einen Nährboden, bei
den Wildpilzen ist dies der
Waldboden, bei den Zuchtpilzen ist dies das so genannte Substrat. Jeder Zuchtpilz benötigt
ein anderes Substrat. Der
knackige Champignon gedeiht
hauptsächlich auf einem Nährboden aus Pferdemist, Stroh
und Hühnerdung, die aromatischen Pleuroten/Austernpilze
ziehen Stroh als Grundnahrung
vor, während der würzige Shiitake eine Mischung aus Holzschnitzeln und Stroh mag. Dem
blumenkohlförmigen Pom Pom
mit dem speziellen Duft
schliesslich beliebt gehäckseltes
Holz als Nahrungsquelle.
Allen Zuchtpilzen sind zwei
Dinge eigen: Erstens, sie benötigen alle optimale, jeder Wachstumsphase angepasste klimatische Bedingungen, die bei den
Pilzproduzenten in modernsten
Kulturräumen, die Investitionen in Millionenhöhe bedingen,
gewährleistet sein müssen.
Zweitens, das Pflücken sowie
das Verpacken der heiklen Naturprodukte sind bei jeder Art
nach wie vor Handarbeit. Nach
der Ernte ist schliesslich die rasche Lieferung unter idealen
Temperaturbedingungen
bei
den Schweizer Pilzproduzenten
Garant für erntefrische, erstklassige Ware auf dem Tisch der
Konsumenten.
Dass Schweizer Pilze mit dem
Markenzeichen «Champignons
Suisses» dank den kurzen Lieferwegen in jedem Falle frischer
in die Läden kommen als ihre
ausländischen Konkurrenten,
liegt auf der Hand. Diesen Umstand aber auch zu kommunizieren, dies ist unter anderem eine der Aufgaben des zentralen
Marketings des Verbandes
Schweizer Pilzproduzenten.
Dem Verband kann als Mitglied beitreten, wer die Pilzproduktion hauptberuflich betreibt
und einige weitere Auflagen erfüllt. Mittlerweile sind dies 16
Pilzproduktionsbetriebe in der
ganzen Schweiz (siehe Anhang).
Das zentrale Marketing gibt die
Strategie vor und sorgt für einheitliche Kommunikationsmittel für den Marktauftritt mit dem
Ziel, «Champignons Suisses»
auf dem Markt zu etablieren und
die Kaufpräferenzen der Käuferschaft gegenüber den Importpilzen weiter zu erhöhen. So wurde beispielsweise eine Rezeptbroschüre mit 41 kreativen Pilzrezepten herausgegeben, die gegen einen Unkostenbeitrag beim
Verbandssekretariat (c/o BNPO
Schweiz, Löwenplatz 3, 3303 Je-
KONSUMFRISCHE CHAMPIGNONS IN DER SCHWEIZ
aus Inlandproduktion
in Tonnen
Total
10 000
9 000
8 000
7 000
6 000
5 000
© GRAFIK: Bruno Wanner, Schweizer Nauer
«Hüt gits Pilze», der neue
Slogan des VSP, soll kommunizieren, dass die feinen Zuchtspeisepilze eine
vollwertige und gesunde
Mahlzeit darstellen und
für eine Verwendung nur
in Saucen eigentlich viel
zu schade sind.
4 000
3 000
2 000
1 000
0
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
Schweizer Zuchtpilze haben das ganze Jahr Saison. Dass sie reichlich konsumiert werden, zeigt die Statistik.
2002
genstorf) bestellt werden kann.
Ein «Gastro-Set» wurde geschaffen, gratis für Wirte und
Hoteliers. Letztes Jahr lancierte
der Verband den «Champ», eine
Informationszeitschrift für das
Fachpublikum, und neu in diesem Jahr kleine Faltprospekte
für jede Pilzart, mit praktischen
Tipps, Warenkunde und Rezepten, die am Verkaufspunkt zum
Mitnehmen aufliegen.
Der Homepage www.champignonsuisse.ch können Interessierte alles Wissenswerte über
den Verband, seine Mitglieder,
über die Pilze, die Pilzproduktion und neue Zubereitungsarten
entnehmen.
●
VSP-Mitglieder: –Bitterli Pilze, 4445 Häfelfingen, Shii-take, 062 299 13 56, [email protected]. – Champignonkulturen Brechbühler, 4563 Gerlafingen,
Champ., 032/675 67 73. – VEGEtech,
1566 St-Aubin, Grifola/Kräuterseitlinge,
026 677 07 87, vegetech@ bluewin.ch. –
Champignonkulture Denier, 3076 Worb,
Champ., 031 839 02 82. – Kernser Edelpilze GmbH, 6370 Oberdorf, Shii-take,
Pom Pom, 041 660 49 49. – Champignonkulturen Bänninger, 5703 Seon,
Champ., 062 775 12 17, [email protected]. – Wauwiler Champignons AG,
6242 Wauwil, Champ. /IP, 041 984 10 20,
info@ wauwiler.ch. – Mycotec SA, 2359
Cernier, Entwicklung div, 032 853 15 86,
[email protected]. – Köhli Pilze,
3283 Kallnach, Shii-take/IP, 032 392 55
63, [email protected]. – Lupi Pilze,
6370 Oberdorf-Stans, Pleurotus / Bio, 041
610 23 33, [email protected]. –
Läubli AG, 4556 Bolken, Champ. 062 961
17 36. Champignons SA, 1580 Avenches,
Champ., 026 675 14 02. – Romanens Pilz
GmbH, 8625 Gossau ZH, Shii-take/Bio,
01 975 16 70, romanenspilz@ shii-take.ch.
– Suter Champignon-Kulturen, 5070
Frick, Champ., 062 871 18 25, [email protected]. – Cultures de champignons, 1860 Aigle, Champ./IP , 024 466
21 49, stadlerr@ bluewin.ch. – Zürcher
Champignonkulturen AG, 3123 Belp,
Champ. / IP, 031 960 46 46, info@ champignon-zuercher.ch.

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