Ansätze zur Steigerung der Produktivität

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Ansätze zur Steigerung der Produktivität
BETRIEB + MANAGEMENT
Angewandte Kybernetik im GaLaBau, Teil I
Ansätze zur Steigerung
der Produktivität
Der enorme Preisdruck hat zu einem Verdrängungswettbewerb
geführt, der teilweise zum Existenzkampf geworden ist. Ein
Überleben ist in erster Linie durch Steigerung der Produktivität
möglich. Prof. Dr. Rudolf Haderstorfer, FH Weihenstephan, und
Andreas Schlichting zeigen in einem vierteiligen Beitrag
praktische Lösungsansätze durch angewandte Kybernetik.
D
ie gegenwärtige Marktsituation im Garten-,
Landschafts- und Sportplatzbau ist gekennzeichnet
von Konjunkturflaute, Sparzwang und Haushaltssperren.
In dieser Lage ist hohe Produktivität eine zwingende Voraussetzung für das dauerhafte Bestehen eines Unternehmens.
Umso alarmierender ist das Ergebnis einer umfangreichen
Langzeitstudie innerhalb deutscher mittelständischer Unternehmen.
Ursachen nicht wertschöpfender
Arbeitszeit.
Mangelnde Planung und Steuerung
40%
Mangelnde
Qualifikation
5%
Ungenutztes
Produktivitätspotenzial
Es wurde festgestellt, dass nicht
einmal zwei Drittel der Arbeitszeit wertschöpfend genutzt werden, obwohl mit der
richtigen Betriebsorganisation
eine Ausnutzung von 85 % erreichbar wäre. Es bleibt also ein
ungenutztes Produktivitätspotenzial von über 20 %. Dies entspricht bei durchschnittlich
220 Arbeitstagen je Jahr immerhin rund 40 bis 50 Arbeitstagen, die zu keiner Wertschöpfung führen, also verschwendet werden.
Die Ursachen sind verschiedenen Aspekten geschuldet. Eine Untersuchung des Instituts
für Arbeitstechnik der Niederländischen
Bauindustrie
kommt zu dem Schluss, dass
lediglich 15 % der unproduktiven Zeit durch die Mitarbeiter
verursacht wird. Die Hauptverantwortung liegt danach beim
45/2004
Mangelnde
Arbeitsmoral
9%
Mangelnde
Führung
und
Aufsicht
19%
EDV-Probleme
9%
Mangelnde Kommunikation
18%
Mehr als drei Viertel der verschwendeten Zeit hängen direkt mit der
Organisation zusammen
Viel Geld
kann verloren
gehen, wenn
der Informationsfluss
zwischen
Baustelle und
Büro nicht
stimmt
AUSWAHL TÄGLICHER
VERSCHWENDUNGEN
➜ Mangelhafte/zu späte Einweisung vor Baubeginn
➜ Oberflächliche Überprüfung von Planunterlagen
➜ Zu späte Übermittlung
wichtiger Informationen
➜ Fehlende Kenntnis über
die Leistungsbeschreibung
hinsichtlich zusätzlicher Leistungen (zum Beispiel Nachträge)
➜ Unzureichendes Festhalten
später nicht mehr erkennbarer
Leistungen (Zwischenaufmaß,
digitale Fotos)
➜ Falsche und zu späte Materialbestellung
➜ Mangelhafte Überprüfung
von Materiallieferungen
➜ Ungeeigneter Personalund Maschineneinsatz
➜ Unsachgemäßer Umgang
mit Maschinen
➜ Wartezeiten, Standzeiten
Management. Hinzu kommt,
dass nach einer Erhebung in
mittelständischen Bauunternehmen bis zu 30 % der Kosten
durch mangelnde Organisation
und fehlerhafte Leistung entstehen. Es ist also nicht verwunderlich, dass nach einer
Untersuchung des Lehrstuhls
Ökonomie der Landespflege
der TU München bereits in den
Jahren 1999 bis 2001 unter
den befragten GaLaBau-Betrieben 80 % keine echten Gewinne erwirtschafteten. Wie drastisch sich die Situation seither
verschärft hat, spüren alle am
Bau Beteiligten sprichwörtlich
am eigenen Leib.
Der Pfusch am Bau verursacht
LITERATUR
Schlichting, A. (2000): Produktivitätsmanagement im Baubetrieb durch angewandte Kybernetik – eine Organisationstheorie mit Anwendungsmöglichkeiten
auch im praktischen Landschaftsbau.
Diplomarbeit an der FH Weihenstephan,
Fachbereich Landschaftsarchitektur/
Landschaftsbau, 185 S.
Internet: www.diplom.de
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BETRIEB + MANAGEMENT
Das Funktionsprinzip der Regelung, übertragen auf die
Bauabwicklung im Garten- und Landschaftsbau
Ziele/
Projektplanung
➜
Vorgaben, Auslösungs- und
Korrekturentscheidungen
Rückkopplung als
Kontrollnachricht
Bauleitung
alljährlich Milliardenschäden in
Deutschland. Die Mängelbeseitigungskosten werden auf jährlich 15 Mrd. e beziffert. Weit
übertroffen wird dieser Betrag
DIE AUTOREN
PROF. DR.
RUDOLF
HADERSTORFER
ANDREAS
SCHLICHTING
Prof. Dr. Rudolf Haderstorfer
(siehe DEGA 31/2004) ist Landschaftsbauunternehmer im niederbayerischen Ergolding, Präsidiumsmitglied beim VGL Bayern und Professor an der FH Weihenstephan. Haderstorfer hat die einmalige Möglichkeit, seine Lehre täglich in der Praxis
auszuprobieren und seine Praxiserfahrung täglich aktualisiert in die
Lehre einzubringen.
Andreas Schlichting ist Bau- und
Projektleiter bei der Planungs- und
Projektentwicklungsgesellschaft Lars
consult in Memmingen. Der doppelt
diplomierte Fachmann Landschaftsbau und Unternehmensführung im
Bauwesen hat sich im Rahmen seiner
ersten Diplomarbeit an der FH Weihenstephan intensiv mit der
Baukybernetik befasst.
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Baustelle
Leistungserstellung
➜
➜
Ressourcen
Projektcontrolling
Störungen
von den Kosten durch mangelnde
Organisation
und
schlechte Arbeitsabläufe. Der
Umfang der Mängel ist zudem
ein Indiz großer Defizite in der
Ablauforganisation.
Anstatt über schlechte Preise
zu lamentieren, sind die Landschaftsbauer gut beraten, ihre
Organisation gezielt zu verbessern und damit Arbeitsabläufe
zu optimieren.
Reduzierung von Verschwendungen, höhere Effizienz, Steigerung der Produktivität – Ziel
ist die Senkung der Produktionskosten durch bessere Ausnutzung der betrieblichen Ressourcen. Aber wie kann diese
Kernaufgabe der Unternehmensführung im Garten- und
Landschaftsbau gelingen? Zur
Beantwortung sollen im Rahmen dieser Beitragsreihe zwei
grundlegende Fragestellungen
geklärt werden:
➜ Wo müssen Maßnahmen zur
Steigerung der Produktivität ansetzen?
➜ Welche Mittel und Maßnahmen sind erfolgversprechend
und wie binden wir diese Maßnahmen organisatorisch in unseren Betrieb ein?
Die Baukybernetik als
Lösungsansatz
Als Lösungsansatz zum Erreichen einer effizienten Organisation empfiehlt sich die
➜
Bauleistung
Baukybernetik. Die Wissenschaft der Kybernetik liefert als
Lehre der Selbststeuerung von
Organisationsprozessen Grundsätze mit Gültigkeit für Struktur und Regelung von Organisationen jeder Art und Größe.
Als Baukybernetik bezeichnet
man die Übertragung kybernetischer Grundprinzipien in eine moderne Managementlehre
des Bauwesens. Sie liefert uns
UMFRAGEERGEBNISSE
➜ Grund für die Einführung
des KOPF-Systems war die
schlechte Ertragslage sowie
die Einsicht der Notwendigkeit zur Neuorientierung der
Organisation
➜ Nicht Einführung eines bestimmten Organisationssystems, sondern die betriebsspezifische Umsetzung kybernetischer Prinzipien entscheidet
➜ Überwindung von Rückfalltendenzen gelingt durch
Einsicht, Umdenken und
Selbstdisziplin
➜ Gewinn an Übersicht und
Transparenz reduziert Leerlaufzeiten und ermöglicht
frühzeitige Aktion anstelle der
ewig zu spät kommenden Reaktion
➜ Durch konsequente Umsetzung kybernetischer
Grundprinzipien lässt sich die
Produktivität in jedem Unternehmen steigern
anwendungsbezogene Handlungsgrundsätze, deren Umsetzung im Bauunternehmen zur
Optimierung betrieblicher Abläufe und damit zur Steigerung
der Produktivität verhelfen
kann.
Inhalt und Ziele der
Baukybernetik
Die Kybernetik betrachtet Organisationen – also Unternehmen – als Regelungssysteme
mit Einbindung aller Beteiligter. Selbstorganisation und
Selbstverantwortung der Mitarbeiter zählen dabei zu den wesentlichen Grundsätzen. Dem
Prinzip der Regelung folgend,
kommt der Information eine
Schlüsselrolle zu. In der Wissenschaft besteht überdies Einigkeit darüber, dass der Ablauf
des Projektmanagements dem
Funktionsprinzip der Regelung
folgt.
Ein Beispiel: Entsprechend
dem Baufortschritt ruft der Bauleiter 200 m² Beton-Rasenpflaster gemäß LV für die PkwStellplätze beim Lieferanten ab.
Bei Lieferung erfährt er von seinem Baustellenleiter, der Bauherr habe ihm vor einer Woche
gesagt, dass er sich nun doch
für die Ausführung als GranitRasenpflaster entschieden habe. Auch wenn der Auftraggeber nicht den richtigen Ansprechpartner für derartige Vertragsänderungen gewählt hat –
Ärger und Rücknahmekosten
schlagen auf Unternehmerseite
zu Buche.
Frühzeitige Weiterleitung
von Informationen aus der Leistungserstellung an den Bauleiter ist eine wichtige Form von
Rückkopplung. Durch die Rückkopplung setzt der Regelungsmechanismus korrigierend ein,
bevor Abweichungen auftreten
und nur unter großem Aufwand
wieder korrigiert werden können. Die falsche Materiallieferung wäre vermieden, Zeit und
Kosten gespart und der Ablauf
optimiert worden.
Im Regelfall werden die
Grundsätze der Kybernetik
längst auch im GaLaBau praktisch angewendet. Meist erfolgt
dies jedoch unbewusst und ohne Kenntnis der allgemeingülti-
45/2004
DEFIZITE IM
LANDSCHAFTSBAU
POTENZIALE DES
LANDSCHAFTSBAUS
➜ In der Hälfte der Betriebe gibt
es keinerlei Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung
➜ circa 50 % haben kein Organisationssystem
➜ keine exakte Arbeitsplanung
bei circa 30 %
➜ das praktische Wissen der Vorarbeiter wird organisatorisch kaum
genutzt
➜ in circa 50 % der Unternehmen
gibt es keine Fortentwicklung der
Mitarbeiterqualifikation
➜ in rund 60 % gibt es keinen Anreiz für die Mitarbeiter in Form von
Erfolgsbeteiligungen
➜ Den Mitarbeitern fehlt es folglich an Bewusstsein und Willen zur
Verbesserung
➜ Mangelhafte Kalkulation, wenig Marktorientierung, kaum Vergleich zur Konkurrenz und keine
laufende Nachkalkulation bei circa
30 %
➜ Mangelnder Informationsfluss
und fehlende Transparenz in der
Bauabwicklung
➜ alle an der Erhebung
beteiligten Unternehmen
erfassen betriebseigene
Kalkulationsdaten
➜ beinahe 90 % der Betriebe führen zumindest
nach Projektabschluss eine Nachkalkulation durch
➜ mehr als 90 % der Unternehmer zeigen Interesse und Bereitschaft zur
Weiterentwicklung der betriebsinternen Organisation
➜ sehr hohe Ausführungsqualität sowie
sehr motivierte und auch
zufriedene Mitarbeiter mit
einem guten Ausbildungsniveau bilden eine gute
Basis für gezielte Weiterentwicklung
gen Gesetzmäßigkeiten. Die
Organisationsstrukturen der
Unternehmen weisen deshalb
Lücken auf, die wesentlich und
unmittelbar zur Entstehung der
Produktivitätsdefizite beitragen.
Die Wertschöpfungskette als Ansatzpunkt
Die maßgebliche Kennziffer
zur Beurteilung der Produktivität ist die Wertschöpfung
(Erlös abzüglich Material,
Fremdleistung und Kosten für
Leistungsgeräte). Die Wertschöpfung je Produktiv-Stunde
stellt den Bruttolohn zuzüglich der erwirtschafteten Gemeinkosten sowie des erzielten Gewinns dar, bezogen auf
die produktiv geleistete Arbeitsstunde. Als realistischer
Mittelwert gelten im GaLaBau
45 e/h zuzüglich Mehrwertsteuer.
Maßnahmen zur Steigerung
der Produktivität müssen dort
ansetzen, wo Wertschöpfung
erzielt wird. Die drei Haupt-
45/2004
Praxiserfahrungen
mit Kybernetik
Inhalt einer mündlichen Befragung waren die praktischen
Erfahrungen von Unternehmen mit dem KOPF-System.
Das erklärte Ziel von KOPF
(Kybernetische Organisation,
Planung und Führung) besteht
darin, den Bauablauf unter
Berücksichtigung kybernetischer Erkenntnisse flüssiger zu
gestalten. Das von dem Architekten und Bauingenieur
Heinz Grote für den praktischen Einsatz in Unternehmen
der Baubranche entwickelte
Organisationssystem gilt als
Musterbeispiel angewandter
Baukybernetik. Die praktischen Erfahrungen der Betriebe
sollten
Erkenntnisse
grundsätzlicher Art liefern und
der Entwicklung konkreter Lösungsansätze dienen.
Aussagen zur eigenen
Organisation
phasen der Wertschöpfungskette im Landschaftsbau sind
Auftragsbeschaffung, Auftragsdurchführung und Auftragsnachbereitung. In der Auftragsdurchführung als Mittelpunkt der Wertschöpfungskette sind die Arbeitsvorbereitung und die Qualitätssicherung in der Leistungserstellung die Hauptprozesse. Der
Fokus der Produktivitätssteigerung richtet sich also auf die
Baustelle. Alle Maßnahmen
sind darauf auszurichten, die
Leistungserstellung zu optimieren.
Im Rahmen einer Studie an
der Fachhochschule Weihenstephan in Freising wurde der
Stand der Organisation in deutschen GaLaBau-Betrieben erfasst. Dazu wurden zwei voneinander unabhängige Umfragen durchgeführt. Auf Basis der
Kybernetik sollen entsprechend der Ausgangslage im
Landschaftsbau
praktische
Handlungsempfehlungen gegeben werden.
Gegenstand einer zweiten,
schriftlichen Umfrage war der
Stand der Organisation in der
Branche. Hier wurden zufällig
ausgewählte LandschaftsbauBetriebe angeschrieben. Beinahe 90 % der Befragten waren
der Auffassung, dass die größten Reserven im richtigen Management zu suchen sind. Etwa 85 % stimmten der Aussage
zu, dass dies bedeutet, Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Mitarbeiter zu ermöglichen und zu fördern. Bei
der Beurteilung betriebseige-
ner Faktoren wurde jedoch der
Selbstorganisation die schlechteste Bewertung aller Aspekte
attestiert, dicht gefolgt von
den Faktoren Produktivität
und Unternehmenserfolg.
Firmenphilosophie
als Basis
Die entscheidenden Grundlagen kybernetisch orientierter
Organisation sind Firmenphilosophie und Denkhaltung vor allem der Führungsebene. Nur
wenn im Unternehmen eine
Kultur der Offenheit und des
Vertrauens gepflegt wird, ist eine Umsetzung der Bestrebungen überhaupt möglich.
Das Streben nach ständiger
Verbesserung und Steigerung
der Produktivität muss im Betrieb aktiv gelebt werden und
jeden einzelnen Mitarbeiter erfassen.
Eine nähere Betrachtung der
Grundsätze der Kybernetik
und insbesondere deren praktische Übertragung auf den GaLaBau folgt im nächsten Beitrag in DEGA 47/2004. Es
werden konkrete praktische
Lösungsansätze aufgezeigt, zur
Steigerung der Produktivität
durch angewandte Kybernetik.
Weiterhin wird eine mögliche
Umsetzungssystematik zur organisatorischen Einbindung in
den eigenen Betrieb beschrieben.
Prof. Dr. Rudolf Haderstorfer, FH
Weihenstephan und Andreas
Schlichting, Ungerhausen
Bilder: Haderstorfer, Schlichting (2),
Wendebourg (1)
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