3D wird Standard

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3D wird Standard
© 2009 Carl Hanser Verlag, München
www.cad-cam.de
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
D AT E N A U S TA U S C H
METHODEN
JT von der ISO akzeptiert
3D wird Standard
Schon lange warten CAD/CAM-Anwender auf ein neutrales Format, das die Zusammenarbeit
über Systemgrenzen hinweg erleichtert. Ebenso lange sehnen sich die Beteiligten anderer Prozesse danach, 3D-Modelle auch für ihre Arbeit problemloser nutzen zu können. Die International Organization for Standardization (ISO) hat nun das Format JT (Jupiter Tesselation) offiziell
zur Veröffentlichung in Form einer Publicly Available Specification freigegeben. Damit erhält
die ohnehin bereits erstaunlich weite Verbreitung einen neuen Schub. Der Prostep iViP Verein
und VDA AK PLM sorgen für die Qualitätssicherung auf hohem Niveau.
Autor : Ulrich Sendler, sendler/circle
verfügbar sein. Da es aber nach wie
vor mehr als eine Handvoll Systeme
und einige Hände voll Versionen
gibt, hat das Stöhnen über den hohen Aufwand des Datenaustauschs
nicht aufgehört. Noch wichtiger:
Für sehr viel mehr Aufgaben außer
der
eigentlichen
Entwicklung
braucht man gar keine Originaldaten. Für Prüfung, Berechnung, Simulation, digitalen Zusammenbau,
Kollisionscheck,
VR-Darstellung
und Visualisierung wären auch neutralisierte Modelle ausreichend.
Einen bidirektionalen DatenausMit JT existiert solch
tausch gibt es auch in Zukunft.
ein Format, in das sich
E b e n s o w i r d d i e Q u a l i t ä t g e l i e f e r t e r mittlerweile die Daten jedes CAD-Systems und
Daten weiterhin mit Argusaugen
noch einiger anderer
Quellen konvertieren lasbeobachtet werden müssen. Dass
sen. Es hat sich in den veraber die neue Norm einen großen
gangenen Jahren derart
ausgebreitet, dass man es
Schritt in der langen 3D-Geschichte
bereits als ›Quasistandard‹
darstellt, ist wohl unstrittig.
bezeichnen kann.
NEUTRALISIERTE
MODELLE.
Kaum noch ein Konstrukteur, der
nicht für die Entwicklung seiner
Produkte, für Änderungen und die
Kommunikation mit Partnern und
Lieferanten auf 3D setzt. Und doch
gibt es noch Barrieren zu beseitigen,
bevor die digitalen Produktmodelle
tatsächlich den Nutzen entfalten, in
den die Unternehmen bei der 3DEinführung investiert haben.
Für viele Arbeitsschritte müssen
Originaldaten eines CAD-Systems
Zwei prominente Beispiele: Siemens PLM Software zählte im Mai
2009 rund 50 000 Kunden mit etwa
4,8 Millionen JT-Anwendern. Bei
Siemens ist JT seit 2008 zur Langzeitarchivierung zugelassen. Bei
Daimler wird jedes Catia-Modell
beim Check-in automatisch auch
als JT-Datei gespeichert. Allein hier
waren bis zum Frühjahr über
2 Millionen JT-Files im PDM-System Smaragd abgelegt und rund
3 000 JT-Anwender aktiv – beides
seit mehreren Jahren mit stark steigender Tendenz. JT ist bei Daimler
inzwischen auch das bevorzugte
Format zum Datenaustausch von
Daten zwischen Engineering und
Digitaler Fabrik.
Auf lange Sicht reicht ein
Quasistandard nicht aus
Doch Quasistandard ist nicht genug, wenn ein Format zur Langzeitarchivierung Verwendung finden
soll. Es muss sichergestellt sein, dass
CAD CAM 11-12/2009
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anderes über das neutrale JT. Das
aber heißt: Es ist nicht nur wichtig,
ob JT-Daten den gelieferten Originaldaten entsprechen, sondern
auch, ob aus JT umgekehrt CADDaten erzeugt werden können, mit
denen sich dann tatsächlich auch
Konstruktionsaufgaben erledigen
lassen.
Neben der Neutralität ist einer der wichtigsten Gründe für die JT-Ausbreitung das
kleine Datenformat, das Prozesse beschleunigen hilft.
sich entsprechende Daten auch in
zehn oder mehr Jahren öffnen und
nutzen lassen. Das war der Hauptgrund dafür, dass neben der Automobilindustrie auch Unternehmen
wie Siemens und Bosch nach einer
ISO-Norm riefen.
Seit 2006 ist das Format JT veröffentlicht und jedermann zugänglich. 2007 hat sein damaliger Besitzer UGS PLM Solutions – kurz vor
der Übernahme durch Siemens
und die Umbenennung in Siemens
PLM Software – bei der ISO den
Antrag auf Standardisierung eingereicht. Am 18. September hat die
ISO JT nun zur Veröffentlichung in
Form einer Publicly Available Specification (PAS) freigegeben.
Eigentlich war das Format nur
zum Visualisieren komplexer 3DModelle gedacht. Engineering Animation (EAI) hatte es unter dem
Namen ›DirectModel‹ entwickelt,
um in Gerichtsverfahren mithilfe
animierter Modelle technisch komplizierte Verkehrsunfälle und andere komplexe Schadensfälle zu veranschaulichen. Dafür musste das
Datenformat die schnelle Darstellung sehr großer Baugruppen mit
Abertausenden von Komponenten
gestatten. 1999 wurde EAI von UGS
übernommen und damit das Datenformat als JT weiterentwickelt.
Schon die reine Visualisierung
und Animation ist in Zeiten weltweit verteilter Entwicklungsprojek1 4 CAD CAM 11-12/2009
Prüfstand für
Konverter und Systeme
Dafür ist ein ISO-Dokument allein
keine Hilfe. Hier müssen Konverter
und beteiligte Systeme auf den
Prüfstand, um sicherzustellen, dass
die Qualität der 3D-Daten bei der
Konvertierung in vollem Umfang
gewährleistet ist. Der VDA-Arbeitskreis PLM und der Prostep iViP
Neben den in unterschiedlicher Genauigkeit tesselierten Geometrien gestattet es JT
auch, B-REP-Daten und PMI-Informationen darzustellen und zu übertragen.
te eine große Hilfe. Aber die Anwender haben dabei nicht haltgemacht. Längst fungiert JT als Eingabe für DMU-Prüfung, alle Arten
von Simulation und Berechnung,
NC-Programmierung und Rapid
Prototyping, kurz alles, was nicht
unmittelbar der Konstruktion oder
der Konstruktionsänderung dient.
Inzwischen gibt es nicht wenige
Anwender, die JT auch als Standardaustauschformat nutzen wollen. Von einem CAD-System in ein
Verein haben sich zusammengetan
und einen JT-Benchmark durchgeführt. Es wurden 72 Testfälle definiert, um die wichtigsten Systeme
in diesem Zusammenhang zu prüfen. Dabei untersucht man Catia V5
R19, MicroStation V8 XM, NX 5
und Pro/Engineer Wildfire 4.0 als
Autorensysteme in allen denkbaren
Kombinationen mit den Konvertern von CT Core Technologie, Siemens PLM Software, T-Systems
und Theorem. Die Ergebnisse sind
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Qualitätssiegel für die Systeme, die
den Benchmark bestanden haben.
Gleichzeitig verfügt die Industrie
damit über Vergleichsdaten, anhand derer sich auch alle anderen
Tools überprüfen lassen. Um dies
zu erreichen, wird für alle Tests dasselbe Beispielmodell genommen.
Es ist eins, das die Beteiligten gut
kennen: In seinen wesentlichen Bestandteilen ist es identisch mit dem
Modell, das sich seinerzeit bei der
Standardisierung von Step bewährt
hat.
In dem ebenfalls vom Prostep
iViP Verein und dem VDA etablierten JT Workflow Forum, in dem die
Industrie ihre wesentlichen Use Cases zu JT definiert, haben sich die
Teilnehmer auch darüber ausgetauscht, welchen Nutzen sie sich
von dem neuen Standard versprechen. Trotz aller verständlichen
Vorsicht, Zahlen zu nennen, waren
sie sich in einem Punkt einig: Rund
30 Prozent hoffen, Lizenzkosten für
CAD einsparen zu können. Und
das ist immer noch ein gewaltiger
Kostenblock.
Damit sind nicht alle Probleme
von Multi-CAD-Umgebungen gelöst. Einen bidirektionalen Datenaustausch wird es auch künftig geben, und die Qualität gelieferter
Daten wird weiterhin mit Argusau-
METHODEN
Um derartige Fehler bei der Konvertierung zu übertragen, setzen VDA und
der Prostep iViP Verein auf einen Vergleichstest der Konverter.
gen beobachtet werden müssen.
Aber dass die neue Norm einen
großen Schritt in der langen 3DGeschichte darstellt, ist wohl unstrittig. Umso mehr sollte die anwendende Industrie darauf achten,
dass JT nun wirklich Standard
wird. Denn gleichzeitig stehen andere 3D-Formate, beispielsweise
Collada, zur ISO-Normierung an.
Auch wenn hier der Prozess nicht
so weit fortgeschritten ist, weil die
nötigen Spezifikationen noch nicht
eingereicht wurden, könnte es zu
dem Paradox kommen, das eigentlich keiner will: Nach 30 Jahren ohne Standard gibt es gleich mehrere,
und damit wieder keinen wirklichen. Bleibt zu hoffen, dass die
Verantwortlichen in der Industrie
diese Gefahr erkennen und nicht
wieder verspielen, was sie endlich
JRü
erreicht haben.
/
www.vda.de
@ www.prostep.org
Diesen Artikel finden Sie auf unserer Homepage
www.cad-cam.de unter der Dokumentennummer CC110080.