Au terme de la présente étude, force est de constater que le cadre de

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Au terme de la présente étude, force est de constater que le cadre de
Factsheet
Unternehmensverantwortung im Schweizer Recht:
Gravierende Lücken
Selbstregulierung genügt nicht. Die auf Freiwilligkeit basierenden Initiativen zum Schutz von Mensch und
Umwelt hindern international tätige Unternehmen nicht daran, gegen Menschenrechte und
Umweltstandards zu verstossen. Es braucht gesetzliche Regelungen, um die Defizite im Schweizer Recht
zu beheben. Die Schweiz als Verfechterin der Menschenrechte, gleichzeitig aber auch als Hort einer
grossen Zahl international tätiger Konzerne, kann hier Zeichen setzen.
Zwei Fragen stehen im Zentrum der Diskussion:

Wie können die hier ansässigen Unternehmen in die Pflicht genommen werden für
Menschenrechtsverletzungen und Verstösse gegen Umweltstandards, die im Rahmen der
Geschäftstätigkeiten ihrer Tochter- und Zulieferfirmen im Ausland passieren?

Wie können die Opfer einen Zugang zur Schweizer Gerichtsbarkeit erhalten, damit sie eine Chance
auf einen fairen Prozess nach hier gültigem Recht bekommen – und nicht ein Verfahren nach dem
Recht ihres Heimatstaates anstreben müssen, das sich zu ihren Ungunsten auswirken kann?
Die Kampagne ‚Recht ohne Grenzen‘ beauftragte den Genfer Anwalt François Membrez, das Schweizer
Recht auf diese Fragen zu analysieren 1. Das Fazit ist eindeutig:
In der Schweizerischen Gesetzgebung findet sich keine einzige Bestimmung, die ein Unternehmen (als
juristische Person) oder dessen Management dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer eigenen Aktivitäten und
derjenigen ihrer Filialen und Zulieferfirmen im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards zu
respektieren. Danach besteht keine Möglichkeit, die Mutterkonzerne für die Verletzungen von
Menschenrechten und Umweltstandards ihrer Tochter- und Zulieferfirmen verantwortlich zu machen.
Schliesslich haben auch Opfer von Menschenrechtsverletzungen keine Möglichkeit, in der Schweiz
Wiedergutmachung einzufordern.
1) Grundrechte und Unternehmen
Die Menschenrechte sind im Rahmen der Grundrechte in der Bundesverfassung festgeschrieben. Sie
werden durch den Staat gewährleistet und richten sich gegen ihn, d.h. ein Individuum kann sich
grundsätzlich nur gegenüber dem Staat auf die Grundrechte berufen. Der im Rahmen der Totalrevision
1999 neu in die Bundesverfassung aufgenommene Art. 35 hält in Absatz 1 fest: „Die Grundrechte müssen
in der gesamten Rechtsordnung zur Geltung kommen.“ Absatz 3 präzisiert: „Die Behörden sorgen dafür,
dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden“, also auch
zwischen Einzelpersonen und Firmen.
1
François Membrez, Advokat in Genf, ist an der Finalisierung der Studie, die er für die Koalition ‘Recht ohne Grenzen’ durchgeführt
hat. Die Studie wird in den nächsten Wochen publiziert. Sie beschreibt nicht nur die Lücken im Schweizer Recht für einen besseren
Schutz der Menschenrechte und von Umweltstandards durch Unternehmen. Sie formuliert auch konkrete Vorschläge, wie die
Lücken in der Rechtsprechung geschlossen werden können.
Diese Bestimmung anerkennt implizit, dass die Grundrechte nicht nur durch Handlungen des Staates
bedroht werden, sondern auch durch Handlungen von „Privaten“ (natürlichen und juristischen Personen).
Die Gefahr einer Verletzung der Grundrechte ist umso grösser, wenn ein ökonomisches oder soziales
Machtgefälle zwischen den involvierten „Personen“ - z.B. zwischen einer Einzelperson und einem
Unternehmen - besteht. Zudem hat der Verfassungsgeber (das Volk und die Kantone) in Art. 35 den
Behörden den Auftrag erteilt, die Grundrechte in der Beziehung zwischen „Privaten“ zu präzisieren. Dieser
Auftrag wurde bisher nicht umgesetzt.
2) Umweltrecht und Unternehmen
Bislang wird der Schutz der Natur zur Hauptsache im öffentlichen Recht geregelt. Mehrere
Bundesgesetze, ergänzt durch zahlreiche Verordnungen des Bundesrates, schützen Umwelt, Gewässer,
Wald und Landschaft. Die effektive Umsetzung hängt jedoch stark vom Willen der Behörden ab. Darüber
hinaus fallen viele Umweltschädigungen – auch solche, die von Firmen begangen werden - de facto unter
das Privatrecht. Für die Stärkung des Umweltschutzes spielt das Privatrecht deshalb eine wichtige Rolle.
Insbesondere sollte es Kontrollmechanismen ausweiten und eine Regelung von Konflikten zwischen
Unternehmen und natürlichen Personen etablieren.
Verschiedene internationale Abkommen anerkennen die Bedeutung des Privatrechts für den
Umweltschutz. Sie würdigen das Recht des Individuums, in einer intakten Umwelt zu leben, und fordern
die Staaten auf, Einzelpersonen entsprechende juristische Mittel zur Verfügung zu stellen. Zu erwähnen
ist insbesondere die Aarhus-Konvention über den Zugang zu Informationen, die Beteiligung der
Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.
Die Schweiz hat diese Konvention bisher nicht ratifiziert. Sie erfüllt die sich daraus ergebenden
Verpflichtungen nicht: Im Fall von Umweltschäden gesteht die heutige Gesetzgebung Verbänden und
NGO keine Beschwerdemöglichkeit zu.2 Zudem ist im Privatrecht bei Schädigungen der Umwelt die
zivilrechtliche Schadenersatzforderung auf eine Schadensdefinition beschränkt, die Umweltschutz auf den
Schutz von wirtschaftlichen Interessen reduziert. Schadenersatz für die tatsächliche Wiederherstellung
des ursprünglichen Zustands, vor Eintritt des Umweltschadens, ist nicht vorgesehen.
3) Verantwortung von Mutterkonzernen gegenüber ihren Tochter- und Zulieferfimen
Zivilrecht
Im Zivilrecht kann ein Schweizer Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen - die insbesondere von
Tochter- und Zulieferfirmen im Ausland begangen werden - nicht zur Verantwortung gezogen werden.
Dies aus zwei Gründen:
2

Die Verwaltungsräte einer Aktiengesellschaft sind nicht verpflichtet, die Respektierung der
Menschenrechte bei den geschäftlichen Tätigkeiten des Unternehmens zu überwachen. Eine
Sorgfaltspflicht tragen die Mitglieder des Verwaltungsrates nur in Bezug auf die Wahrung der
hauseigenen (Shareholder-)Interessen.

Innerhalb einer Unternehmensgruppe existiert keine Durchgriffshaftung. Das heisst, es besteht
eine juristische Trennung zwischen Mutterkonzern und Tochterfirmen (corporate veil). Auch wenn
der Mutterkonzern 100 Prozent der Aktien eines Tochterunternehmens besitzt oder der
massgebende Auftraggeber einer Zulieferfirma ist, kann der Mutterkonzern für die Verfehlungen
der ökonomisch oder administrativ abhängigen Firmen nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Nur die Tochter- und Zulieferfirmen sind für allfällige Verfehlungen verantwortlich.
Das bestehende Verbandsbeschwerderecht gesteht Umweltschutzorganisationen nur ein Beschwerderecht bei Bauprojekten zu.
2
Strafrecht
Auch das Strafrecht bietet kaum Möglichkeiten, gegen Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen
vorzugehen:

Charakteristisch fürs Schweizer Strafrecht ist, dass es sich grundsätzlich nur auf natürliche
Personen bezieht. Das Unternehmen als juristische Person kann für strafrechtliche Tatbestände
nicht belangt werden. Ein Richter müsste innerhalb der Unternehmensführung eine
verantwortliche Person behaften.

Die Ausnahme für diese Regel findet sich in Art. 102 des Strafgesetzbuchs (StGB):
Für eine bestimmte Reihe von Tatbeständen ist die Strafbarkeit einer natürlichen Person in
Kombination mit einem Unternehmen vorgesehen. Es handelt sich dabei um Wirtschaftsdelikte
wie der Finanzierung des Terrorismus, der Geldwäscherei, der Mitgliedschaft einer kriminellen
Organisation und verschiedene Formen der Korruption.
Falls sich ein Unternehmen eines dieser Tatbestände schuldig macht, kann es strafrechtlich
belangt werden. Allerdings nur dann, wenn intern im Vorfeld nicht alle zumutbaren Massnahmen
ergriffen wurden, diese Verbrechen und Vergehen zu verhindern. In dieser Strafbestimmung
eingeschlossen sind im Prinzip auch alle Tochterfirmen des betroffenen Unternehmens. Art. 102
StGB ist in seiner Anwendung aber auf die oben genannten Straftatbestände eingeschränkt.
Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstösse fallen nicht darunter.
4) Anwendbares Recht für im Ausland begangene Delikte
Das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG) legt fest, welches Recht und welcher
Gerichtsstand bei Delikten gelten, die ausserhalb der Schweiz begangen wurden. Auf internationaler
Ebene ist dies im Lugano-Übereinkommen geregelt, das 2011 in Kraft getreten ist. Diese Regelungen
folgen der Realität der Globalisierung und bekommen darum einen zunehmend hohen Stellenwert:
Schweizer Unternehmen verlagern immer mehr Geschäftsaktivitäten und Produktionsstätten ins Ausland,
oft in Entwicklungsländer bzw. Staaten mit schwach ausgebildeter Staatsgewalt. Gerade in diesen
Ländern geschehen häufig schwere Menschenrechts- oder Umweltvergehen. Gleichzeitig organisieren
sich Konzerne zunehmend in Holdinggesellschaften mit sehr komplexen, intransparenten Strukturen und
verlegen ihren juristischen Sitz in eine Steueroase. Das macht es äusserst schwierig, den Hauptsitz des
Unternehmens eindeutig zu definieren. Für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen wirken sich diese
konstruierten Firmenstrukturen oft negativ aus. Gerade im Hinblick auf materielle Wiedergutmachung
kann sich für die Geschädigten das im Land des Verbrechens oder Vergehens zur Anwendung
kommende Recht bzw. das Rechtssystem als nachteilig erweisen.
Es ist darum wichtig, dass den Schweizer Justizbehörden für Menschenrechtsverletzungen und
Umweltvergehen Zuständigkeit zukommt, wenn Schweizer Konzerne involviert sind, und dass Schweizer
Recht zur Anwendung kommt.
Drei Aspekte der Schweizer Rechtssetzung sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben:
-
Eine Klage für ein im Ausland begangenes Delikt kann in der Schweiz eingereicht werden. Dabei
findet der Rechtsgrundsatz des forum non conveniens keine Anwendung. Das heisst, ein
Schweizer Gericht kann prinzipiell seine Zuständigkeit nicht in Frage stellen, nur weil das Delikt im
Ausland begangen wurde.
-
Klage für ein im Ausland begangenes Delikt kann dann eingereicht werden, wenn dieses dem
Unternehmen in der Schweiz (und nicht der Filiale im Ausland) zurechenbar ist. Nach dem
Lugano-Übereinkommen sollten sich Schweizer Gerichte für zuständig erklären, wenn das
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beklagte Unternehmen seinen juristischen oder administrativen Sitz in der Schweiz hat oder wenn
es massgebliche Anteile seines operativen Geschäfts in der Schweiz abwickelt.
Aber mit dem Rechtsgrundsatz des corporate veil - der juristischen Trennung zwischen Mutterund Tochterunternehmen - wird die Zuständigkeit der Schweizer Gerichtsbarkeit wieder
ausgehebelt. Denn Mutterhäuser können danach nicht für die Vergehen ihrer
Tochtergesellschaften zur Verantwortung gezogen werden.
-
Grundsätzlich kommt in der Schweiz im Falle einer Klageerhebung gegen ein Schweizer
Unternehmen für eine Tat im Ausland das Recht des Landes zur Anwendung, in welchem das
Delikt begangen wurde. Im Falle einer Unternehmensgruppe kommt das Recht des Landes zur
Anwendung, wo die delinquierende Filiale registriert ist, auch wenn die betroffene
Muttergesellschaft ihren Sitz in der Schweiz hat.
5) Zugang der Geschädigten zu einer unabhängigen Gerichtsbarkeit
Ein möglicher Zugang von im Ausland Geschädigten zur Schweizer Justiz wird in der Zivil- resp.
Strafprozessordnung definiert. Auch in diesem Bereich offenbaren sich grosse Lücken. In der
Zivilprozessordnung bestehen zwei gewichtige Restriktionen:
-
Geschädigte verfügen über keine Möglichkeit, ihre Ansprüche gemeinsam vor Gericht geltend zu
machen. Der Bundesrat hat sich wiederholt gegen die Einführung einer solchen Bestimmung
gestemmt.
-
Das Schweizer Recht kennt kein Beweiserhebungsverfahren (Discovery), mit dem ein
Unternehmen verpflichtet werden kann, interne Dokumente vorzulegen, die für die Untersuchung
eines Tathergangs und die Beurteilung eines Streitfalls wichtig sind.
Auch die Strafprozessordnung ist sehr restriktiv. Klage wegen Straftatbeständen wie Korruption oder
Geldwäscherei, die Auswirkungen auf die Allgemeinheit haben, sind schwierig anzustreben. Es existiert
kein Beschwerderecht für Verbände, um die Opfer bei Verbrechen oder Vergehen zu vertreten im
Gegensatz etwa zum französischen Strafrecht.
Das Schweizer Recht weist grosse Lücken auf, wenn es darum geht, Unternehmen zur Einhaltung von
Menschenrechten und Umweltstandards zu verpflichten. Opfern von Menschenrechtsverletzungen oder
Umweltverschmutzungen bietet das Schweizer Recht kaum eine Möglichkeit, Wiedergutmachung zu
einzufordern. Anpassungen der Rechtslage sind dringend notwendig, um die vorhandenen Lücken zu
schliessen. ‚Recht ohne Grenzen‘ wird in den nächsten Monaten eine Reihe von konkreten Vorschlägen
entwickeln, damit die Menschenrechte und Umweltstandards auch von Schweizer Unternehmen
verbindlich respektiert werden müssen.
www.rechtohnegrenzen.ch l [email protected]
Kampagne ‚Recht ohne Grenzen‘ l c/o Alliance Sud l Monbijoustrasse 31 l Postfach l 3001 Bern l +41 31 390 93 36
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