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Ausbeutung und Beeinträchtigung des Rufs ohne Herkunftstäuschung – zum eigenständigen Anwendungsbereich von § 4 Nr. 9 lit. b UWG Vortrag vor der Bezirksgruppe Frankfurt am Main der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Frankfurt, 13. Mai 2014 Prof. Dr. Christian Rohnke 1. Einleitung: Interessant für Laien und Experten OLG Düsseldorf GRUR-RR 2012, 200 – Tablet PC I: 1. Einleitung: Interessant für Laien und Experten (Forts.) Keine Herkunftstäuschung, aber Rufausbeutung: § 4 Nr. 9 lit. b UWG selbständig fallentscheidend BGH GRUR 2013, 1052 – Einkaufswagen III, Rn. 36: Bestätigt, dass Rufausbeutung ohne Irreführung denkbar Wortlaut: „Unlauter handelt insbesondere, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er (…) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt“ 1. Einleitung: Interessant für Laien und Experten (Forts.) Resultierende Fragen für die Praxis: Wann kann nur auf § 4 Nr. 9 lit. b UWG zurückgegriffen werden? Bei welchen Produkten kommt der Tatbestand in Frage? Welche Handlungen sind als unlauter zu bewerten? 2. Abgrenzungen und Überschneidungen § 4 Nr. 9 lit. a UWG • Häufige Parallele: Rufausbeutung durch Herkunftstäuschung • Nicht von lit. a erfasst: Täuschung Dritter – die Blender-Fälle BGH GRUR 1985, 876 – Tchibo / Rolex I 2. Abgrenzungen und Überschneidungen (Forts.) § 6 Abs. 2 Nr. 4 – 6 UWG • Vergleichende Werbung bei erkennbarer Bezugnahme auf das Originalprodukt • Grundsätzlich neben § 4 Nr. 9 UWG anwendbar (BGH GRUR 2010, 343 – Oracle, Rn. 42) • Aber Vorrang des Unionsrechts: bei zulässiger vergleichender Werbung kein Verbot nach § 4 Nr. 9 lit. b UWG (BGH GRUR 2011, 1158 – Teddybär, Rn. 21) • Abgrenzung: Unzulässige Imitationswerbung erfordert offene Bezugnahme auf Originalprodukt 2. Abgrenzungen und Überschneidungen (Forts.) §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 3 MarkenG • Abschließende Regelung? (BGH GRUR 2006, 329 – Gewinnerfahrung mit Fremdemblem) • Mögliche Abgrenzung: Nachahmung von Kennzeichen, nicht Produkt (vgl. BGH GRUR 2008, 793 – Rillenkoffer, Rn. 26) • Bei Produktformmarke aber fraglich • BGH, GRUR 2013, 1161 – Hard Rock Cafe, Rn. 54 spricht für vollständige Konkurrenz 3. Das nachgeahmte Produkt Wettbewerbliche Eigenart lit. a: „Gewisse Bekanntheit“ im Inland als Voraussetzung der Herkunftstäuschung (BGH GRUR 2009, 79 – Gebäckpresse, Rn. 35) lit. b: Wertschätzung = höhere Anforderungen? Kriterien der Wertschätzung • Bekanntheit, vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG – Marktanteile, Umsatz • Qualitative Gütevorstellungen – z. B. Design, technologische Innovation 3. Das nachgeahmte Produkt (Forts.) Nachweis der Wertschätzung • Objektiver Markterfolg • Medienberichte • Testergebnisse, Auszeichnungen Nachahmung • Muss Produkt selbst betreffen, also z. B. nicht Werbliche Bezugnahme Ergänzungsprodukte 4. Unlautere Handlungsmodalitäten: Ausnutzen und Beeinträchtigen Ohne Herkunftstäuschung möglich? • Unbewusste Mechanismen? • Täuschung Dritter • Weniger intensive Assoziation • Suggestion der technischen Gleichwertigkeit Angeber als Zielgruppe: die Tchibo/Rolex-Konstellation • Ähnliches Aussehen, günstiger Preis, anderes Betriebssystem usw. („Rosinenpicken“) • Schutzobjekt „Image“ • Behinderung durch Auflösung der Verbindung zwischen Design und Originalhersteller • Kern der Unlauterkeit ist Verwässerung 4. Unlautere Handlungsmodalitäten (Forts.) Assoziation und Ausbeutung des Werbewerts • Produktform des Marktführers oder Pioniers: Kürzel für technische Merkmale, Qualitätsvorstellungen • Der „Kommunikationsvorsprung“ als schutzwürdige Folge der unternehmerischen Leistung • Abgrenzung zur „bloßen Assoziation“? (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2011, 317, 322 zu Verbraucheräußerungen) 4. Unlautere Handlungsmodalitäten (Forts.) • Lösungsansatz: Nicht subjektive Vorstellungen, sondern objektive Kriterien: Bekanntheit, Originalität, Ähnlichkeit (vgl. BGH GRUR 2013, 1052 – Einkaufswagen III, Rn. 38: „Gesamtwürdigung“) 4. Unlautere Handlungsmodalitäten (Forts.) Kompatibilität • Erfordernis der Kompatibilität als Rechtfertigungsgrund insbesondere die „ästhetische Kompatibilität“ BGH GRUR 2013, 1052 – Einkaufswagen III 4. Unlautere Handlungsmodalitäten (Forts.) • Identisches Aussehen impliziert gleiche Qualität BGH GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil, Rn. 51, zurückhaltender jetzt BGH GRUR 2013, 1052 – Einkaufswagen III, Rn. 43 • § 4 Nr. 9 lit. b UWG hier nur als Beeinträchtigung der Wertschätzung denkbar • Beeinträchtigt nicht nur Pionier, sondern auch andere Hersteller kompatibler Produkte mit der erwarteten Qualität 5. Ergebnisse Eigener Anwendungsbereich besteht Nicht nur Blender-Fälle Schwerpunkt liegt in Verwässerung des Rufs des Originalprodukts Objektive Kriterien, nicht subjektive Vorstellungen entscheidend Gesamtbetrachtung: Bekanntheit, Originalität, Stärke des Rufs, Ähnlichkeit Und was meinen Sie?