Fall 12
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Fall 12
Fall 12 (LG Wiesbaden, Urt. v. 27.3.2013 – 11 O 61/12) Bei K handelt es sich um den Dachverband der deutschen Landesfachverbände des Bestattungsgewerbes. Er geht gegen B vor, einen Träger, der verschiedene Geriatriezentren in Deutschland betreibt. K fordert B zur Unterlassung folgender Praxis auf: Verstirbt ein Bewohner eines der von B betriebenen Geriatriezentren, setzt B den Angehörigen nach Feststellung des Todes durch einen Arzt eine Frist von zwei Stunden, bis zu der die Angehörigen die Überführung des Leichnams zu einem Bestattungsunternehmen organisieren können. Ist die Frist verstrichen, lässt B den Leichnam vom Bestattungsunternehmer X abholen, an den sich die Angehörigen im Folgenden wenden können. Begründet wird dies mit den beschränkten Lagerungsmöglichkeiten bei B und ihren öffentlich-rechtlichen Pflichten im Umgang mit Verstorbenen. Würden Sie als Vertreter von Unterlassungserklärung empfehlen? 1 B die Abgabe der Fall 12 (1) Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist erforderlich, wenn K gegen B einen Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3 Abs. 2 (früher § 3), 4a, 4 Nr. 2 UWG bzw. § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 Abs. 1 Satz UWG geltend machen kann. I. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 2 (früher: 3), 4a UWG 1. Aktivlegitimation Kann hier aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG folgen. Voraussetzungen: a) finanzielle Leistungsfähigkeit und seriöse Binnenstruktur sowie b) konkrete Berührung der Interessen der Mitglieder. Keine Angaben im SV; deshalb für weitere Prüfung unterstellt. 2. Geschäftliche Handlung nach §§ 3 Abs. 2 (früher Abs. 1), 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a) B handelt nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Gepflegten; vom Gesetz ausdrücklich erfasst. b) Er fördert objektiv den Absatz des X zugunsten desjenigen der Konkurrenten von X. Eine Förderungsabsicht ist nicht erforderlich. Deshalb spielt auch die parallele Erfüllung öff.-rechtl. Pflichten keine Rolle. 2 Fall 12 (2) 3. Aggressive Handlung nach § 4a UWG a) Art der Handlung (§ 4a Abs. 1 Satz 1 UWG) In Betracht kommen Nr. 1 = Belästigung Nr. 2 = Nötigung b) Qualifikation als Rechtswidrig (1) § 4a Abs. 2 Nr. 1 (Zeitpunkt) (2) § 4a Abs. 2 Nr. 3 bewusste Ausnutzung konkreter Unglückssituationen Problem: Bewusste Ausnutzung einer Unglückssituation? Unglückssituation (+) Ausnutzen: „Bewusstes“ Ausnutzen deutet auf Absicht hin. Aber: Es geht um einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG. Dieser kennt eigentlich keine Verschuldenselemente => objektive Konkretisierung. Richtlinienkonforme Auslegung nach Art. 9 lit. c UGP-RL: Dort kein bewusstes Ausnutzen, sondern eine Unglückssituation, deren Tragweite für die Entscheidungsfreiheit der Täter sich bewusst ist => kein dolus directus ersten Grades, sondern nur Kenntnis der Drucksituation. 3 Fall 12 (3) Wegen Art. 3 f. UGP-RL darf das deutsche Recht nicht darüber hinaus gehen: Prinzip der Vollharmonisierung Ferner: systematischer Bezug zu § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG: Verhinderung einer informierten Entscheidung und Ersatz durch eine erzwungene Entscheidung (vgl. auch Art. 8 UGP-RL). Fallanwendung: Zwang entsteht dadurch, dass -) die Angehörigen in einem sie persönlich sehr berührenden Moment vor die Entscheidung gestellt werden; -) dass für die Entscheidung, die oft über weite Distanz hinaus getroffen wird, wenig Zeit bleibt; -) die Angehörigen aufgrund der akuten Trauersituation oft nicht in der Verassung sind, geschäftliche Entscheidungen zu treffen. Problem: Ist die Zwangsausübung rechtmäßig? Wird in § 4a Abs. 2 Nr. 5 UWG vorausgesetzt und entspricht (vgl. Art. 9 lit. 3UGP-RL); allgemeines Problem: Die Ausübung von Zwang als solche ist nie untersagt. Fraglich ist stets, ob die Zwangsausübung rechtswidrig ist. (Vgl. auch §§ 123 Abs. 1 BGB, 240 StGB) Entscheidend ist die Zweck-Mittel-Relation. 4 Fall 12 (4) a) Zweck: Sicherstellung der Kühlung durch B und Wahrung ihrer ö-r Pflichten. b) Mittel: Die Frist ist sehr knapp bemessen. Fall 12 (4) c) Zwischenergebnis: Spricht eher für einen rechtswidrigen Zwang. Problem: Erreicht der Grad der Zwangsausübung das in § 4a Abs. Nr. 2 UWG vorausgesetzte Maß bzw. ist er wesentlich nach § 3 Abs. 2 (vormals § 3 Abs. 1) UWG? Dafür spricht (noch einmal): -) Besondere Betroffenheit der Angehörigen, die ihnen geschäftliche Entscheidungen nicht möglich machen. Deshalb bleibt es häufig bei der Einschaltung des X, nicht weil er das effizienteste Angebot unterbreitet, sondern jede Umorganisation lästig ist. -) die Frist ist besonders eng, wenn man bedenkt, dass die Angehörigen oft weit entfernt wohnen und daher selbst nicht so schnell reagieren können. => Eine spürbare Verletzung nach §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 4a UWG liegt danach vor. 4. Wiederholungsgefahr besteht; keine Verjährung. 5. Ergebnis: Der Anspruch besteht. 5 Fall 12 (5) II. § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 2 Satz 1 (bisher 3 Abs. 1), 4 Nr. 2 UWG? Abgrenzung zu § 4 Nr. 1 UWG: Eine bestehende Entscheidungsschwäche wird bei Nr. 2 ausgebeutet; bei Nr. 1 wir die Entscheidungsschwäche erzeugt. Hier: Nr. 2 Problem: Prinzip der Vollharmonisierung nach Art. 3 und 4 UGPRichtlinie. § 4 Nr. 2 UWG darf nicht strenger oder milder sein als diese. Art. 8 f. UGP-RL sind jedoch in § 4a UWG umgesetzt. => Wenn § 4a UWG verletzt ist, muss auch die rein auf deutschem Recht beruhende Norm des § 4 Nr. 2 UWG verletzt sein. III. § 8 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 1 TMG 1. Aktivlegitimation aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG 2. Geschäftliche Handlung iSd. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. 3. Unzumutbare Belästigung? a) Belästigung § 7 Abs. 1 Satz 1 TMG ist eine kleine Generalklausel, die neben § 3 UWG tritt (arg. e § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG). Anders als etwa §§ 3, 4 Nr. 2 UWG setzt sie keinen Eingriff in die informierte Entscheidung des Verbrauchers voraus. 6 Fall 12 (6) Die UGP-RL ist hier nur sehr eingeschränkt anwendbar, nämlich allein im Hinblick auf Erwägungsgrund 7 Satz 3 UGP-RL: „3Sie [die Richtlinie] bezieht sich nicht auf die gesetzlichen Anforderungen in Fragen der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind. 4 Geschäftspraktiken wie beispielsweise das Ansprechen von Personen auf der Straße zu Verkaufszwecken können in manchen Mitgliedstaaten aus kulturellen Gründen unerwünscht sein. 5Die Mitgliedstaaten sollten daher im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht in ihrem Hoheitsgebiet weiterhin Geschäftspraktiken aus Gründen der guten Sitten und des Anstands verbieten können, auch wenn diese Praktiken die Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen.“ ! UGP-RL ist nur anwendbar, soweit aggressive Geschäfspraktiken nach Art. 8 RL betroffen sind. Führt im Grunde zu § 4 Nr. 2 UWG. Problem: Was ist eine Belästigung iSd. § 7 Abs. 1 Satz 1 TMG? Arg. e Erwägungsgrund 7 Satz 4 UGP-RL (Beispiel: Ansprechen auf der Straße) und § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG: Vom Adressaten nicht erwünschte geschäftliche Handlung. Die Angehörigen werden in einer Trauersituation mit einer absatzfördernden Maßnahme konfrontiert. Sie rechnen mit dieser nicht und wollen diese im Zweifel in der konkreten Situation nicht => Belästigung. b) Unzumutbarkeit Erheblichkeits- und Wertungskriterium, das eine ähnliche Funktion wie § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG übernimmt. Keine zu hohen Anforderungen. 7 8 Fall 12 (6) Maßgeblich für Unzumutbarkeit (nach Köhler/Bornkamm § 7 Rn 23 ff): 1. Intensität des Eingriffs in die Privatsphäre (arg. e § 7 Abs. 2 uWG) 2. Unverhältnismäßigkeit: Existierte eine mildere Möglichkeit des Werbetreibenden seine Anliegen durchzusetzen. 3. Ausweichmöglichkeiten des Adressaten. 4. Summierung bzw. Wiederholung und daraus resultierende Gesamtbelastung für den Adressaten. Hier: Konfrontation der Adressaten in einer in einer akuten Trauersituation, in der man geschäftliche Handlungen idR. nicht rational trifft. Keine Ausweichmöglichkeit der Adressaten wegen knapp bemessener Zeit. Damit verbunden auch hoher Druck. => Unzumutbarkeit 4. Wiederholungsgefahr und keine Verjährung 5. Ergebnis: Der Anspruch besteht. 9 Fall 13 (BGH WRP 2012, 938 – Aufkleber „Keine Werbung“) K und B sind Wettbewerber auf dem Markt für die Verteilung von Prospektwerbung. Nachdem B auf eine Abmahnung nicht reagiert hat, geht K im Wege der einstweiligen Verfügung gegen B wegen folgender Praxis vor: B vertreibt Werbeprospekte als lose hinzugefügte Beilagen zu einem von ihr verlegten, zweimal wöchentlich erscheinenden, auch einen redaktionellen Inhalt aufweisenden Gratis-Anzeigenblatt. Dieses wird samt den Beilagen in die Briefkästen der Haushalte in der Region eingeworfen. B lässt dieses Anzeigenblatt auch in die Briefkästen von Kunden einwerfen, wenn auf dem Briefkasten ein Aufkleber mit der Beschriftung „Keine Werbung“ angebracht ist. Hat der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung Erfolg? 10 Lösung Fall 13 (1) Der Antrag auf einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO hat Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist. I. Zulässigkeit 1. Beachtung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit nach §§ 13, 14 UWG 2. Verfügungsanspruch K behauptet hier die Sachvoraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG. 3. Verfügungsgrund nach § 12 Abs. 2 UWG widerleglich vermutet. II. Begründetheit Bestehen eines Anspruchs nach §§ 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Abs. 1 Satz 1 TMG 1. Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG 2. Geschäftliche Handlung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG (+) 3. Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG a) Verwendung eines in Nr. 2 und 3 nicht aufgeführten Mittels (+). b) Für den Fernabsatz geeignetes Mittel der Kommunikation. Vgl. § 312c Abs. 2 BGB (+) 11 Lösung Fall 13 (2) c) Hartnäckige Ansprache: Hartnäckig bezieht sich auf SL Nr. 26 UGP-Richtlinie. Aus den Sprachfassungen, die in anderen Mitgliedstaaten gelten („persistent, répété, ripertute“), folgt, dass es um eine wiederholte Ansprache handeln muss, nicht eine besonders intensive oder sonst aggressive. Hier: (+) d) Wünscht Verbraucher Werbung ausdrücklich nicht? Systematisches Argument: § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG setzt anders als § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG keine Wertungsmöglichkeit voraus, so dass jede unter die Norm fallende Begehungsform per se verboten ist. Dann muss im Umkehrschluss der entgegenstehende Wille des Verbrauchers ohne jeglichen Interpretationsspielraum unmissverständlich sein. Problem: Es bleiben Zweifel, ob Anzeigenblätter mit redaktionellem Teil ebenfalls unerwünscht sind, wenn der Aufkleber „keine Werbung“ angebracht ist. Denn diese Blätter informieren auch in journalistischer Weise. Im Zweifel ist daher § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG nicht anwendbar. Gegenargument: Wie differenziert müssen die Aufkleber der Briefkasteninhaber sein, welche Fälle müssen sie präzise beschreiben, um Wirkung zu entfalten? Beachte: auch Wesentlichkeit ist eigentlich nach der UGPRL erforderlich (str.). BGH: § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG (-) 12 Lösung Fall 13 (3) 4. Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG verwirklicht? Hier dürfte es aus ähnlichen Gründen an der Unzumutbarkeit der Belästigung fehlen. Möglicher Gegeneinwand: Die Norm kennt anders als § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG eine Wertungsmöglichkeit. Deshalb gerade keine enge Auslegung des Tatbestands, sondern Abwägung. Mglw. reicht der Belästigungseffekt durch eine Gratiszeitung aber für Unzumutbarkeit noch nicht aus. Aber: Bei § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG handelt es sich um einen Tatbestand der auf die UGP-RL zurückgeht (Nr. 26 SL UGP-RL). Deshalb wirkt § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG vollharmonisierend. § 7 Abs. 1 UWG darf darüber in keiner Richtung hinausgehen. 5. Ergebnis: Der Anspruch besteht nicht und der Antrag auf einstweilige Verfügung ist unbegründet. 13 Fall 14 (BGH WRP 2013, 1027 – Werbung mit Herstellergarantie bei eBay) K und B vertreiben beide als 7Händler Spielgeräte über das Internet. K verlangt von B eine Abmahngebühr iHv. 1.200 € wegen folgenden Vorgangs. B bot über die Internet-Plattform eBay am 20. Juni 2010 ein Trampolin zum Preis von 577 € an. Das Angebot erhielt folgende Angaben: Garantiefristen: Trampolinrahmen: 5 Jahre Schutzrand, Sprungtuch und Federn: 2 Jahre Bei der Garantie handelt es sich um eine Garantie des Herstellers Berg Toys. Die Garantiebedingungen finden Sie am Ende der Artikelbeschreibung. Am Ende der Artikelbeschreibung fanden sich die folgenden Informationen: Berg Toys Garantie Bedingungen im Detail für das jeweilige Produkt: BERG Favorit BERG Favorit ist mit einem breiten Schutzrand ausgestattet, der die Federn vollständig bedeckt. Das Sprungtuch besteht aus Bisonyl und bietet die Gewähr für jahrelangen Spielspaß. Die Federn sind mittels Dreiecksösen am Sprungtuch befestigt und nicht weniger als 8-mal gesteppt. Der Rahmen wurde sowohl an der Innen- als auch an der Außenseite galvanisiert und ist daher rostbeständig. Dadurch hat das Trampolin eine lange Lebensdauer. Garantiefristen: Trampolinrahmen: 5 Jahre; Schutzrand, Sprungtuch und Federn: 2 Jahre. Besteht der Anspruch auf die Abmahngebühr? 14 § 477 Sonderbestimmungen für Garantien (1) Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten 1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden und 2. den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers. (2) Der Verbraucher kann verlangen, dass ihm die Garantieerklärung in Textform mitgeteilt wird. (3) Die Wirksamkeit der Garantieverpflichtung wird nicht dadurch berührt, dass eine der vorstehenden Anforderungen nicht erfüllt wird. 15 Fall 14 (1) Anspruch des K gegen B aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auf Zahlung von 1.200 €. Setzt voraus: I. Berechtigung der Abmahnung II. Erforderlichkeit der Aufwendungen I. Berechtigung der Abmahnung Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3 Abs. 2 (vorher § 3), 4 Nr. 11 UWG iVm. § 477 Abs. 1 BGB a) Aktivlegitimation aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG b) Geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG c) Problem: Fall des § 3 Abs. 2 Satz 1 oder des § 3 Abs. 3 Satz 1 UWG? Hintergrund: Die Norm des § 477 BGB zielt auf eine informierte Verbraucherentscheidung nach §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG. Gleichzeitig liegt § 4 Nr. 11 UWG der Gedanke des Vorsprungs durch Rechtsbruch zugrunde. Lösung: § 3 Abs. 3 Satz 2 UWG: Nur, wenn ausschließlich die Interessen von Mitbewerbern geschädigt werden, ist § 3 Abs. 3 Satz 1 UWG anwendbar. Ansonsten bleibt es bei § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG 16 Fall 14 (2) Fall des § 4 Nr. 11 UWG iVm. § 477 Abs. 1 BGB? aa) § 477 Abs. 1 BGB als Marktverhaltensnorm iSd. § 4 Nr. 11 UWG? (1) Unmittelbarer Zweck des § 477 Abs. 1 BGB: Form, in der der Verkäufer seine zur Garantie führende Willenserklärung abzugeben hat. Unmittelbarer Schutzzweck: Schutz der Verbraucher durch Information über den wesentlichen Inhalt und die Art der Ausübung der Garantie. (2) Regelung auch des Marktverhaltens? Ist der Fall, wenn das Verhalten von Unternehmern betroffen ist, die auf das Marktgeschehen Einfluss nehmen. Hier zu bejahen: Denn die Norm regelt auch, in welcher Form sich die Verkäufer auf den Märkten Wettbewerb mit Garantieleistungen um die Kunden machen dürfen bb) Erfolgt die Regelung im Interesse der Marktteilnehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG? Ja, denn sie zielt auf Verbraucherschutz. 17 Fall 14 (3) cc) Verletzung des § 477 Abs. 1 BGB? (1) Problem: Liegt eine Garantie vor? Auslegunsfrage nach §§ 133, 157 BGB. Dafür spricht: - Wortlaut „Herstellergarantie“; - Dauer von 5 Jahren; eigenständig gegenüber § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Zwischenergebnis: Garantie liegt vor. (2) Hinweis auf die gesetzlichen Rechte nach § 477 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB? Nein, zu unbestimmt, Rechtsfolgen nicht benannt. 18 Fall 14 (4) (3) Hinweis nach § 477 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB unzureichend: Wer genau ist der Schuldner aus der Garantie? Wie ist er zu erreichen? dd) Wesentlichkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 1 Nr. 8 (vorher: § 3 Abs. 1) UWG? Zu bejahen, weil bei der durch B zur Verfügung gestellten Information beim Verbraucher übertriebene Vorstellungen über den Umfang der Garantie entstehen können, die zu einer uninformierte Verbraucherentscheidung entgegen §§ 3 Abs. 2 Satz 1 iVm. 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG (vorher: § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG) führen können bzw. dazu, dass die Garantie von den Verbrauchern gar nicht praktisch ausgeübt werden kann. d) Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG e) Keine Verjährung nach § 11 UWG f) Ergebnis: Der Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 2 Satz 1 (vorher 3), 4 Nr. 11 UWG iVm. § 477 Abs. 1 BGB besteht. 2. In Betracht kommt u.U. auch ein Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 2 Satz 1 (vorher: 3), 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG. Problem nur hier: Die Angaben des B sind so unbestimmt, dass sich der Verbraucher überhaupt keine Vorstellungen macht. Er wird nicht durch konkrete Angaben in die Irre gelenkt. 19 Fall 14 (5) II. Erforderlichkeit der Aufwendungen? Keine Angaben im SV, im Zweifel zu unterstellen. Keine Deckelung wie nach § 97a UrhG. III. Ergebnis: Der Anspruch ist begründet. 20 Fall 14 (5) Zusatzfrage: (BGH WRP 2014, 1054 – Geld-zurück-Garantie) Bestünde der Anspruch auch, wenn B seinen Kunden eine „Geldzurück-Garantie“ von zwei Wochen ab Vertragsschluss anbietet? Hier resultiert der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 4 (vormals 3 Abs. 3), Nr. 10 SL. 1. Aktivlegitimation und geschäftliche Handlung liegen – wie geprüft - vor. 2. Liegen die Voraussetzungen der Nr. 10 SL vor? Es muss der unzutreffende Eindruck erzeugt werden, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar. Beim Fernabsatzvertrag nach § 312c Abs. 1 BGB besteht ein Widerrufsrecht nach §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB, das in 14 Tagen ab Vertragsschluss ausgeübt werden kann. Darauf bezieht sich erkennbar die „Zwei-Wochen-Garantie“. Aus Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers (§ 3 Abs. 2 Satz 2 UWG) wird der Eindruck erweckt, das Rücktrittsrecht beruhe auf einem besonderen Entgegenkommen des Verkäufers. Dieser Eindruck ist unrichtig. 21 Fall 14 (5) Problem: Muss die Werbung im Fall von Nr. 10 SL in besonderer Weise hervorgehoben werden? So die Berufungsinstanz. BGH aaO. Rn. 11: Nein, dies ist nicht erforderlich, weil weder im UWG noch in UGP-RL verlangt wird. Bessere Begründung: Art. 5 Abs. 5 Satz 1 UGP-RL: Eine unter die SL fallende Geschäftspraxis ist unter allen Umständen unlauter. Vgl. den Wortlaut des § 3 Abs. 4 (vormals 3 Abs. 3) UWG. Erwägungsgrund 17 Satz 3 UGP-RL: Die SL findet „ohne Beurteilung im Einzelfall Anwendung“. ! Jede Art von Spürbarkeit oder Erheblichkeit bzw. jede rechtliche Erwägung ist überflüssig. Ergebnis: Der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 4 (vormals: 3 Abs. 3), Nr. 10 SL besteht. 22