Fall 12

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Fall 12
Fall 12
(LG Wiesbaden, Urt. v. 27.3.2013 – 11 O 61/12) Bei K handelt es
sich um den Dachverband der deutschen Landesfachverbände des
Bestattungsgewerbes. Er geht gegen B vor, einen Träger, der
verschiedene Geriatriezentren in Deutschland betreibt. K fordert B zur
Unterlassung folgender Praxis auf: Verstirbt ein Bewohner eines der
von B betriebenen Geriatriezentren, setzt B den Angehörigen nach
Feststellung des Todes durch einen Arzt eine Frist von zwei Stunden,
bis zu der die Angehörigen die Überführung des Leichnams zu einem
Bestattungsunternehmen organisieren können. Ist die Frist verstrichen,
lässt B den Leichnam vom Bestattungsunternehmer X abholen, an den
sich die Angehörigen im Folgenden wenden können. Begründet wird
dies mit den beschränkten Lagerungsmöglichkeiten bei B und ihren
öffentlich-rechtlichen Pflichten im Umgang mit Verstorbenen.
Würden
Sie
als
Vertreter
von
Unterlassungserklärung empfehlen?
1
B
die
Abgabe
der
Fall 12 (1)
Die
Abgabe
einer
strafbewehrten
Unterlassungserklärung
ist
erforderlich, wenn K gegen B einen Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1
iVm. §§ 3 Abs. 2 (früher § 3), 4a, 4 Nr. 2 UWG bzw. § 8 Abs. 1 Satz
1 iVm. § 7 Abs. 1 Satz UWG geltend machen kann.
I. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 2 (früher: 3), 4a UWG
1. Aktivlegitimation
Kann hier aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG folgen.
Voraussetzungen:
a) finanzielle Leistungsfähigkeit und seriöse Binnenstruktur
sowie
b) konkrete Berührung der Interessen der Mitglieder.
Keine Angaben im SV; deshalb für weitere Prüfung unterstellt.
2. Geschäftliche Handlung nach §§ 3 Abs. 2 (früher Abs. 1), 2 Abs.
1 Nr. 1 UWG
a) B handelt nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem
Gepflegten; vom Gesetz ausdrücklich erfasst.
b) Er fördert objektiv den Absatz des X zugunsten desjenigen der
Konkurrenten von X. Eine Förderungsabsicht ist nicht erforderlich.
Deshalb spielt auch die parallele Erfüllung öff.-rechtl. Pflichten keine
Rolle.
2
Fall 12 (2)
3. Aggressive Handlung nach § 4a UWG
a) Art der Handlung (§ 4a Abs. 1 Satz 1 UWG)
In Betracht kommen
Nr. 1 = Belästigung
Nr. 2 = Nötigung
b) Qualifikation als Rechtswidrig
(1)
§ 4a Abs. 2 Nr. 1 (Zeitpunkt)
(2)
§ 4a Abs. 2 Nr. 3 bewusste Ausnutzung konkreter
Unglückssituationen
Problem: Bewusste Ausnutzung einer Unglückssituation?
Unglückssituation (+)
Ausnutzen:
„Bewusstes“ Ausnutzen deutet auf Absicht hin.
Aber: Es geht um einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1
UWG. Dieser kennt eigentlich keine Verschuldenselemente =>
objektive Konkretisierung.
Richtlinienkonforme Auslegung nach Art. 9 lit. c UGP-RL: Dort
kein bewusstes Ausnutzen, sondern eine Unglückssituation, deren
Tragweite für die Entscheidungsfreiheit der Täter sich bewusst ist =>
kein dolus directus ersten Grades, sondern nur Kenntnis der
Drucksituation.
3
Fall 12 (3)
Wegen Art. 3 f. UGP-RL darf das deutsche Recht nicht darüber hinaus
gehen: Prinzip der Vollharmonisierung
Ferner: systematischer Bezug zu § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG:
Verhinderung einer informierten Entscheidung und Ersatz durch
eine erzwungene Entscheidung (vgl. auch Art. 8 UGP-RL).
Fallanwendung: Zwang entsteht dadurch, dass
-) die Angehörigen in einem sie persönlich sehr berührenden Moment
vor die Entscheidung gestellt werden;
-) dass für die Entscheidung, die oft über weite Distanz hinaus
getroffen wird, wenig Zeit bleibt;
-) die Angehörigen aufgrund der akuten Trauersituation oft nicht in
der Verassung sind, geschäftliche Entscheidungen zu treffen.
Problem: Ist die Zwangsausübung rechtmäßig?
Wird in § 4a Abs. 2 Nr. 5 UWG vorausgesetzt und entspricht (vgl.
Art. 9 lit. 3UGP-RL); allgemeines Problem: Die Ausübung von
Zwang als solche ist nie untersagt. Fraglich ist stets, ob die
Zwangsausübung rechtswidrig ist. (Vgl. auch §§ 123 Abs. 1 BGB,
240 StGB)
Entscheidend ist die Zweck-Mittel-Relation.
4
Fall 12 (4)
a) Zweck: Sicherstellung der Kühlung durch B und Wahrung ihrer ö-r
Pflichten.
b) Mittel: Die Frist ist sehr knapp bemessen.
Fall 12 (4)
c) Zwischenergebnis: Spricht eher für einen rechtswidrigen Zwang.
Problem: Erreicht der Grad der Zwangsausübung das in § 4a Abs. Nr.
2 UWG vorausgesetzte Maß bzw. ist er wesentlich nach § 3 Abs. 2
(vormals § 3 Abs. 1) UWG?
Dafür spricht (noch einmal):
-) Besondere Betroffenheit der Angehörigen, die ihnen geschäftliche
Entscheidungen nicht möglich machen. Deshalb bleibt es häufig bei
der Einschaltung des X, nicht weil er das effizienteste Angebot
unterbreitet, sondern jede Umorganisation lästig ist.
-) die Frist ist besonders eng, wenn man bedenkt, dass die
Angehörigen oft weit entfernt wohnen und daher selbst nicht so
schnell reagieren können.
=> Eine spürbare Verletzung nach §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 4a UWG liegt
danach vor.
4. Wiederholungsgefahr besteht; keine Verjährung.
5. Ergebnis: Der Anspruch besteht.
5
Fall 12 (5)
II. § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 2 Satz 1 (bisher 3 Abs. 1), 4 Nr. 2
UWG?
Abgrenzung
zu
§
4
Nr.
1
UWG:
Eine
bestehende
Entscheidungsschwäche wird bei Nr. 2 ausgebeutet; bei Nr. 1 wir die
Entscheidungsschwäche erzeugt. Hier: Nr. 2
Problem: Prinzip der Vollharmonisierung nach Art. 3 und 4 UGPRichtlinie. § 4 Nr. 2 UWG darf nicht strenger oder milder sein als
diese. Art. 8 f. UGP-RL sind jedoch in § 4a UWG umgesetzt.
=> Wenn § 4a UWG verletzt ist, muss auch die rein auf deutschem
Recht beruhende Norm des § 4 Nr. 2 UWG verletzt sein.
III. § 8 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 1 TMG
1. Aktivlegitimation aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG
2. Geschäftliche Handlung iSd. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 Nr. 1
UWG.
3. Unzumutbare Belästigung?
a) Belästigung
§ 7 Abs. 1 Satz 1 TMG ist eine kleine Generalklausel, die neben § 3
UWG tritt (arg. e § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG).
Anders als etwa §§ 3, 4 Nr. 2 UWG setzt sie keinen Eingriff in die
informierte Entscheidung des Verbrauchers voraus.
6
Fall 12 (6)
Die UGP-RL ist hier nur sehr eingeschränkt anwendbar, nämlich
allein im Hinblick auf Erwägungsgrund 7 Satz 3 UGP-RL:
„3Sie [die Richtlinie] bezieht sich nicht auf die gesetzlichen Anforderungen in Fragen
der guten Sitten und des Anstands, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind.
4
Geschäftspraktiken wie beispielsweise das Ansprechen von Personen auf der
Straße zu Verkaufszwecken können in manchen Mitgliedstaaten aus kulturellen
Gründen unerwünscht sein. 5Die Mitgliedstaaten sollten daher im Einklang mit dem
Gemeinschaftsrecht in ihrem Hoheitsgebiet weiterhin Geschäftspraktiken aus Gründen
der guten Sitten und des Anstands verbieten können, auch wenn diese Praktiken die
Wahlfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigen.“
! UGP-RL
ist
nur
anwendbar,
soweit
aggressive
Geschäfspraktiken nach Art. 8 RL betroffen sind. Führt im
Grunde zu § 4 Nr. 2 UWG.
Problem: Was ist eine Belästigung iSd. § 7 Abs. 1 Satz 1 TMG?
Arg. e Erwägungsgrund 7 Satz 4 UGP-RL (Beispiel: Ansprechen auf
der Straße) und § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG: Vom Adressaten nicht
erwünschte geschäftliche Handlung.
Die Angehörigen werden in einer Trauersituation mit einer
absatzfördernden Maßnahme konfrontiert. Sie rechnen mit dieser nicht
und wollen diese im Zweifel in der konkreten Situation nicht =>
Belästigung.
b) Unzumutbarkeit
Erheblichkeits-
und
Wertungskriterium,
das
eine
ähnliche
Funktion wie § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG übernimmt. Keine zu hohen
Anforderungen.
7
8
Fall 12 (6)
Maßgeblich für Unzumutbarkeit (nach Köhler/Bornkamm § 7 Rn 23
ff):
1. Intensität des Eingriffs in die Privatsphäre (arg. e § 7 Abs. 2 uWG)
2. Unverhältnismäßigkeit: Existierte eine mildere Möglichkeit des
Werbetreibenden seine Anliegen durchzusetzen.
3. Ausweichmöglichkeiten des Adressaten.
4. Summierung bzw. Wiederholung und daraus resultierende
Gesamtbelastung für den Adressaten.
Hier:
Konfrontation
der
Adressaten
in
einer
in
einer
akuten
Trauersituation, in der man geschäftliche Handlungen idR. nicht
rational trifft.
Keine Ausweichmöglichkeit der Adressaten wegen knapp bemessener
Zeit. Damit verbunden auch hoher Druck.
=> Unzumutbarkeit
4. Wiederholungsgefahr und keine Verjährung
5. Ergebnis: Der Anspruch besteht.
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Fall 13
(BGH WRP 2012, 938 – Aufkleber „Keine Werbung“) K und B
sind Wettbewerber auf dem Markt für die Verteilung von
Prospektwerbung. Nachdem B auf eine Abmahnung nicht reagiert hat,
geht K im Wege der einstweiligen Verfügung gegen B wegen
folgender
Praxis
vor:
B
vertreibt
Werbeprospekte
als
lose
hinzugefügte Beilagen zu einem von ihr verlegten, zweimal
wöchentlich
erscheinenden,
auch
einen
redaktionellen
Inhalt
aufweisenden Gratis-Anzeigenblatt. Dieses wird samt den Beilagen in
die Briefkästen der Haushalte in der Region eingeworfen. B lässt
dieses Anzeigenblatt auch in die Briefkästen von Kunden einwerfen,
wenn auf dem Briefkasten ein Aufkleber mit der Beschriftung „Keine
Werbung“ angebracht ist. Hat der Antrag auf Erlass der einstweiligen
Verfügung Erfolg?
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Lösung Fall 13 (1)
Der Antrag auf einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO hat
Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.
I. Zulässigkeit
1. Beachtung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit nach
§§ 13, 14 UWG
2. Verfügungsanspruch
K behauptet hier die Sachvoraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 8
Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG.
3. Verfügungsgrund nach § 12 Abs. 2 UWG widerleglich vermutet.
II. Begründetheit
Bestehen eines Anspruchs nach §§ 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 Abs. 2
Nr. 1 bzw. Abs. 1 Satz 1 TMG
1. Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG
2. Geschäftliche Handlung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 2 Abs. 1
Nr. 1 UWG (+)
3. Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG
a) Verwendung eines in Nr. 2 und 3 nicht aufgeführten Mittels
(+).
b) Für den Fernabsatz geeignetes Mittel der Kommunikation.
Vgl. § 312c Abs. 2 BGB (+)
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Lösung Fall 13 (2)
c) Hartnäckige Ansprache: Hartnäckig bezieht sich auf SL Nr.
26 UGP-Richtlinie. Aus den Sprachfassungen, die in anderen
Mitgliedstaaten gelten („persistent, répété, ripertute“), folgt,
dass es um eine wiederholte Ansprache handeln muss, nicht
eine besonders intensive oder sonst aggressive.
Hier: (+)
d) Wünscht Verbraucher Werbung ausdrücklich nicht?
Systematisches Argument: § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG setzt anders
als § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG keine Wertungsmöglichkeit
voraus, so dass jede unter die Norm fallende Begehungsform
per se verboten ist.
Dann muss im Umkehrschluss der entgegenstehende Wille
des Verbrauchers ohne jeglichen Interpretationsspielraum
unmissverständlich sein.
Problem: Es bleiben Zweifel, ob Anzeigenblätter mit
redaktionellem Teil ebenfalls unerwünscht sind, wenn der
Aufkleber „keine Werbung“ angebracht ist. Denn diese
Blätter informieren auch in journalistischer Weise. Im
Zweifel ist daher § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG nicht anwendbar.
Gegenargument: Wie differenziert müssen die Aufkleber der
Briefkasteninhaber sein, welche Fälle müssen sie präzise
beschreiben, um Wirkung zu entfalten?
Beachte: auch Wesentlichkeit ist eigentlich nach der UGPRL erforderlich (str.).
BGH: § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG (-)
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Lösung Fall 13 (3)
4. Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG verwirklicht? Hier
dürfte es aus ähnlichen Gründen an der Unzumutbarkeit der
Belästigung fehlen.
Möglicher Gegeneinwand: Die Norm kennt anders als § 7 Abs. 2 Nr. 2
UWG eine Wertungsmöglichkeit. Deshalb gerade keine enge
Auslegung des Tatbestands, sondern Abwägung. Mglw. reicht der
Belästigungseffekt durch eine Gratiszeitung aber für Unzumutbarkeit
noch nicht aus.
Aber: Bei § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG handelt es sich um einen Tatbestand
der auf die UGP-RL zurückgeht (Nr. 26 SL UGP-RL). Deshalb wirkt
§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG vollharmonisierend. § 7 Abs. 1 UWG darf
darüber in keiner Richtung hinausgehen.
5. Ergebnis: Der Anspruch besteht nicht und der Antrag auf
einstweilige Verfügung ist unbegründet.
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Fall 14
(BGH WRP 2013, 1027 – Werbung mit Herstellergarantie bei
eBay) K und B vertreiben beide als 7Händler Spielgeräte über das
Internet. K verlangt von B eine Abmahngebühr iHv. 1.200 € wegen
folgenden Vorgangs. B bot über die Internet-Plattform eBay am 20.
Juni 2010 ein Trampolin zum Preis von 577 € an. Das Angebot erhielt
folgende Angaben:
Garantiefristen:
Trampolinrahmen: 5 Jahre
Schutzrand, Sprungtuch und Federn: 2 Jahre
Bei der Garantie handelt es sich um eine Garantie des
Herstellers Berg Toys.
Die Garantiebedingungen finden Sie am Ende der
Artikelbeschreibung.
Am Ende der Artikelbeschreibung fanden sich die folgenden
Informationen:
Berg Toys Garantie Bedingungen im Detail für das jeweilige
Produkt:
BERG Favorit
BERG Favorit ist mit einem breiten Schutzrand ausgestattet,
der die Federn vollständig bedeckt. Das Sprungtuch besteht
aus Bisonyl und bietet die Gewähr für jahrelangen Spielspaß.
Die Federn sind mittels Dreiecksösen am Sprungtuch befestigt
und nicht weniger als 8-mal gesteppt.
Der Rahmen wurde sowohl an der Innen- als auch an der
Außenseite galvanisiert und ist daher rostbeständig. Dadurch
hat das Trampolin eine lange Lebensdauer.
Garantiefristen: Trampolinrahmen: 5 Jahre; Schutzrand,
Sprungtuch und Federn: 2 Jahre.
Besteht der Anspruch auf die Abmahngebühr?
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§ 477 Sonderbestimmungen für Garantien
(1) Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und
verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten
1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des
Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie
nicht eingeschränkt werden und
2. den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben,
die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich
sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen
Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und
Anschrift des Garantiegebers.
(2) Der Verbraucher kann verlangen, dass ihm die
Garantieerklärung in Textform mitgeteilt wird.
(3) Die Wirksamkeit der Garantieverpflichtung wird nicht
dadurch berührt, dass eine der vorstehenden Anforderungen
nicht erfüllt wird.
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Fall 14 (1)
Anspruch des K gegen B aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auf Zahlung
von 1.200 €. Setzt voraus:
I. Berechtigung der Abmahnung
II. Erforderlichkeit der Aufwendungen
I. Berechtigung der Abmahnung
Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 iVm. §§ 3 Abs. 2 (vorher
§ 3), 4 Nr. 11 UWG iVm. § 477 Abs. 1 BGB
a) Aktivlegitimation aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG
b) Geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG
c) Problem: Fall des § 3 Abs. 2 Satz 1 oder des § 3 Abs. 3 Satz 1
UWG?
Hintergrund: Die Norm des § 477 BGB zielt auf eine informierte
Verbraucherentscheidung nach §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 1 Nr. 8
UWG. Gleichzeitig liegt § 4 Nr. 11 UWG der Gedanke des
Vorsprungs durch Rechtsbruch zugrunde.
Lösung: § 3 Abs. 3 Satz 2 UWG: Nur, wenn ausschließlich die
Interessen von Mitbewerbern geschädigt werden, ist § 3 Abs. 3 Satz 1
UWG anwendbar. Ansonsten bleibt es bei § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG
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Fall 14 (2)
Fall des § 4 Nr. 11 UWG iVm. § 477 Abs. 1 BGB?
aa) § 477 Abs. 1 BGB als Marktverhaltensnorm iSd. § 4 Nr. 11
UWG?
(1) Unmittelbarer Zweck des § 477 Abs. 1 BGB: Form, in der der
Verkäufer seine zur Garantie führende Willenserklärung abzugeben
hat. Unmittelbarer Schutzzweck: Schutz der Verbraucher durch
Information über den wesentlichen Inhalt und die Art der Ausübung
der Garantie.
(2) Regelung auch des Marktverhaltens?
Ist der Fall, wenn das Verhalten von Unternehmern betroffen ist, die
auf das Marktgeschehen Einfluss nehmen.
Hier zu bejahen: Denn die Norm regelt auch, in welcher Form sich die
Verkäufer auf den Märkten Wettbewerb mit Garantieleistungen um
die Kunden machen dürfen
bb) Erfolgt die Regelung im Interesse der Marktteilnehmer i.S.d.
§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG?
Ja, denn sie zielt auf Verbraucherschutz.
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Fall 14 (3)
cc) Verletzung des § 477 Abs. 1 BGB?
(1) Problem: Liegt eine Garantie vor?
Auslegunsfrage nach §§ 133, 157 BGB. Dafür spricht:
- Wortlaut „Herstellergarantie“;
- Dauer von 5 Jahren; eigenständig gegenüber § 438 Abs. 1 Nr. 3
BGB.
Zwischenergebnis: Garantie liegt vor.
(2) Hinweis auf die gesetzlichen Rechte nach § 477 Abs. 1 Satz 2 Nr.
1 BGB?
Nein, zu unbestimmt, Rechtsfolgen nicht benannt.
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Fall 14 (4)
(3) Hinweis nach § 477 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB unzureichend: Wer
genau ist der Schuldner aus der Garantie? Wie ist er zu erreichen?
dd) Wesentlichkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 1 Nr. 8 (vorher: § 3
Abs. 1) UWG?
Zu bejahen, weil bei der durch B zur Verfügung gestellten
Information beim Verbraucher übertriebene Vorstellungen über den
Umfang der Garantie entstehen können, die zu einer uninformierte
Verbraucherentscheidung entgegen §§ 3 Abs. 2 Satz 1 iVm. 2 Abs. 1
Nr. 8 UWG (vorher: § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG) führen können bzw.
dazu, dass die Garantie von den Verbrauchern gar nicht praktisch
ausgeübt werden kann.
d) Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG
e) Keine Verjährung nach § 11 UWG
f) Ergebnis: Der Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 2 Satz 1
(vorher 3), 4 Nr. 11 UWG iVm. § 477 Abs. 1 BGB besteht.
2. In Betracht kommt u.U. auch ein Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, 3
Abs. 2 Satz 1 (vorher: 3), 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG.
Problem nur hier: Die Angaben des B sind so unbestimmt, dass sich
der Verbraucher überhaupt keine Vorstellungen macht. Er wird nicht
durch konkrete Angaben in die Irre gelenkt.
19
Fall 14 (5)
II. Erforderlichkeit der Aufwendungen?
Keine Angaben im SV, im Zweifel zu unterstellen. Keine Deckelung
wie nach § 97a UrhG.
III. Ergebnis: Der Anspruch ist begründet.
20
Fall 14 (5)
Zusatzfrage:
(BGH WRP 2014, 1054 – Geld-zurück-Garantie) Bestünde
der Anspruch auch, wenn B seinen Kunden eine „Geldzurück-Garantie“ von zwei Wochen ab Vertragsschluss
anbietet?
Hier resultiert der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 3 Nr.
1, 3 Abs. 4 (vormals 3 Abs. 3), Nr. 10 SL.
1. Aktivlegitimation und geschäftliche Handlung liegen – wie
geprüft - vor.
2. Liegen die Voraussetzungen der Nr. 10 SL vor?
Es muss der unzutreffende Eindruck erzeugt werden,
gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des
Angebots dar.
Beim Fernabsatzvertrag nach § 312c Abs. 1 BGB besteht ein
Widerrufsrecht nach §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB, das in
14 Tagen ab Vertragsschluss ausgeübt werden kann. Darauf
bezieht sich erkennbar die „Zwei-Wochen-Garantie“.
Aus Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers (§ 3 Abs. 2
Satz 2 UWG) wird der Eindruck erweckt, das Rücktrittsrecht
beruhe auf einem besonderen Entgegenkommen des
Verkäufers. Dieser Eindruck ist unrichtig.
21
Fall 14 (5)
Problem: Muss die Werbung im Fall von Nr. 10 SL in
besonderer Weise hervorgehoben werden?
So die Berufungsinstanz.
BGH aaO. Rn. 11: Nein, dies ist nicht erforderlich, weil weder
im UWG noch in UGP-RL verlangt wird.
Bessere Begründung:
Art. 5 Abs. 5 Satz 1 UGP-RL: Eine unter die SL fallende
Geschäftspraxis ist unter allen Umständen unlauter. Vgl. den
Wortlaut des § 3 Abs. 4 (vormals 3 Abs. 3) UWG.
Erwägungsgrund 17 Satz 3 UGP-RL: Die SL findet „ohne
Beurteilung im Einzelfall Anwendung“.
! Jede Art von Spürbarkeit oder Erheblichkeit bzw. jede
rechtliche Erwägung ist überflüssig.
Ergebnis: Der Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 4
(vormals: 3 Abs. 3), Nr. 10 SL besteht.
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