PERKUTANE THERAPIE VON NIERENSTEINEN
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PERKUTANE THERAPIE VON NIERENSTEINEN
PERKUTANE THERAPIE VON NIERENSTEINEN Typische Indikation bei grossen Nierensteinen, Zystinsteinen und Nierensteinen mit gleichzeitiger Harnwegsverengung Minimal-invasiver Eingriff Hohe Steinfreiheitsrate Von Prof. Dr. med. Daniel K. Ackermann Dr. med. Rudolf Ausfeld Dr. med. Hans-Peter Brütsch Urologie-Nephrologie-Zentrum, Hirslanden Klinik Aarau Bei fünf bis zehn Prozent aller Mitteleuropäer bilden sich im Laufe des Lebens Harnsteine, die aber in der Mehrzahl der Fälle keiner speziellen operativen oder apparativen Therapie bedürfen. Über 80 Prozent dieser Harnsteine gehen spontan ab. Von den therapiebedürftigen Steinen werden wiederum bis zu 90 Prozent mittels extrakorporeller Stosswellenlithotripsie (ESWL) zertrümmert. Die restlichen 10 Prozent der Harnsteine werden v.a. endoskopisch angegangen, die offenen Niereinsteinoperationen sind zu Raritäten geworden. Unter den endoskopischen Verfahren werden die retrograden (Ureteroskopie) und die antegraden (perkutane Nephrolitholapaxie = PNL) unterschieden. In dieser Arbeit werden die operative Technik, Indikationsstellung und eigene Fallbeispiele mit der letztgenannten Methode vorgestellt. Operative Technik Der Eingriff wird in Vollnarkose durchgeführt, und die Patienten werden auf dem Bauch gelagert. Unter sonographischer und radiologischer Kontrolle wird ein steintragender Nierenkelch durch die Haut und das Nierenparenchym punktiert, um dann einen Führungsdraht durch die Punktionsnadel ins Nierenbeckenkelchsystem vorzuschieben. Der Punktionskanal wird mit einem Ballondilata- Abb. 1: a: Dilatation des Punktionskanals mit dem Ballonkatheter. b: Arbeitsschaft in situ zum Offenhalten des Zuganges. tionskatheter auf einen Durchmesser von einem Zentimeter aufgedehnt (Abb. 1a). Über den Ballonkatheter wird zum Offenhalten des Zugangs ein Schaft bis ins Hohlsystem gebracht (Abb. 1b). Durch diesen Arbeitsschaft kann nun die endoskopische Operation mit den verschiedensten Instrumenten durchgeführt werden. Die Sicht in das Nierenbeckenkelchsystem wird durch einen Nierenspiegel (Nephroskop) ermöglicht (Abb. 1c). Die Harnsteine werden je nach Grösse direkt mit einer Zange entfernt oder vorerst mit einem Steinbohrer (ballistische Sonde, Ultraschall oder Holmium-Laser) fragmentiert. Bei Bedarf wird über den gleichen Zugang in den proximalen Harnleiter eingegangen (antegrade Ureteroskopie, Abb. 1d). Bei gleichzeitiger Stenose eines Nierenkelchhalses oder pyeloureteralen Übergangs erfolgt im Anschluss an die Steinentfernung die Inzision mit dem kalten Messer. Nach Beendigung der intrarenalen Operation wird das Nierenbeckenkelchsystem mit einem perkutanen Katheter (Nephrostomie) drainiert, der ca. drei Tage belassen wird. Einen Tag nach der Operation sind die Patienten voll mobil und essen Normalkost. Nach Entfernung des Katheters bleibt eine Hautnarbe von einem Zentimeter Länge in der Flanke. c: Nephroskop in situ. d: Ureteroskop für antegrade Spiegelung des Harnleiters in situ. Abb. 2: a: Grosse Steine im linken Nierenbekkenkelchsystem. Zur Darstellung des pyeloureteralen Übergangs wurde vor der PNL ein Ureterkatheter hochgeschoben (Rückenlage). b: Zustand nach perkutaner Steinausräumung, Arbeitsschaft und Führungsdraht noch in situ (Bauchlage). Indikationen 1. Grosse Steinmasse: Wie eingangs erwähnt, wird die Mehrzahl der Nierensteine einer ESWL zugeführt. Das Prinzip der ESWL besteht darin, den Stein mit Stosswellen in Bröckel von weniger als zwei Millimeter Grösse zu desintegrieren. Der Steinsand, der bei der Desintegration eines Nierensteins von weniger als zwei Zentimeter Durchmesser entsteht, geht in der Regel ohne Harnstauung über die Harnwege ab. Bei grösserer Desintegratmasse ist die Transportkapazität überfordert, und es ist mit stauungsbedingten Komplikationen wie Schmerzen und Nierenbeckenentzündung zu rechnen. Im Weiteren benötigt die Desintegration grösserer Steine so viele Stosswellen, dass mehrere ESWLSitzungen erforderlich sind. Aus diesen Gründen ist die perkutane Operation (PNL) vorteilhaft, da in einer Sitzung die vollständige Entfernung des Steinmaterials möglich ist. Falls noch kleine Steinreste zurückbleiben, kann ein paar Tage nach der PNL eine ESWL angeschlossen werden. zählen Zystinsteine, Brushitsteine und Kalziumoxalatmonohydratsteine. Zystinsteine bilden sich bei Patienten mit Zystinurie, einer angeborenen Störung der Resorption verschiedener Aminosäuren im Nierentubulus. Da die Löslichkeit von Zystin im Vergleich zu den anderen Aminosäuren viel schlechter ist, steht bei diesen Patienten die Zystinsteinbildung im Vordergrund. Zystinsteine werden bei drei Prozent aller Harnsteine beobachtet. Brushitsteine (Kalziumhydrophosphat) treten als alleinige Steinkomponenten wesentlich seltener auf. Kalziumoxalatmonohydrat ist meistens kombiniert mit Kalziumoxalatdihydrat. Diese Mischsteine machen den grössten Teil aller Harnsteine aus (80 Prozent) und zerfallen leicht bei der ESWL. Die Mehrzahl der Kalziumoxalatmonohydratsteine geht infolge kleiner Steingrösse bei langsamem Steinwachstum spontan ab. Die Indikation zur perkutanen Entfernung von Kalziumoxalatmo nohydratsteinen ist typischerweise gegeben, wenn eine Harnwegsverengung die Passage verunmöglicht. Fallbeispiel 1 64-jähriger Mann mit drei Nierenbeckensteinen links mit Durchmessern bis zu 2,5 cm. Steinfragmentation mit der ballistischen Sonde und Steinausräumung mit der Fasszange (Abb. 2a, b). Fallbeispiel 2 40-jähriger Mann mit bekannter Zystinurie. Siebtes Rezidiv eines Nierensteins links. Steinfragmentation mit dem Ultraschallbohrer und der ballistischen Sonde, Entfernung der Fragmente mit der Fasszange (Abb. 3a, b, c, d). Nach der makroskopisch vollständigen Steinausräumung lokale Chemolitholyse der Zystinkristallbeläge auf dem Urothel mit Natriumbikarbonat-Lösung über fünf Tage. 2. ESWL-resistente Nierensteine: Gewisse Harnsteine sind sehr hart und können mit ESWL nicht desintegriert werden. Zu diesen Abb. 3: a: Zystinstein in der linken Niere. Patient in Bauchlage. Zugang etabliert, Ultraschallbohrer am Stein. b: Stein mit Ultraschallbohrer und ballistischer Sonde fragmentiert. c: Entfernung der Steinfragmente mit der Fasszange. d: Steinfreier Zustand am Ende der PNL. 3. Nierensteine bei Verengung der Harnwege: Verengungen der Harnwege im Bereich eines Nierenkelchhalses, Kelchdivertikelhalses oder pyeloureteralen Übergangs können infolge der Harnabflussbehinderung die Steinbildung fördern, aber auch den Abgang von Steindesintegraten nach ESWL verhindern. Deshalb ist die perkutane Steinausräumung in diesen Fällen die Methode der Wahl, zumal in der gleichen Sitzung die Verengung behoben werden kann. Fallbeispiel 3 37-jährige Frau. Seit Jahren wiederholte Flankenschmerzen rechts und febrile Harnwegsinfekte bei angeborener pyeloureteraler Stenose und Nierenstein rechts. Nach Etablierung des perkutanen Zugangs durch einen oberen Nierenkelch Entfernung des Steins mit der Fasszange. Anschliessend Inzision Abb. 4: a: Abdomenübersichtsbild mit Stein in unterer Nierenkelchgruppe rechts (Pfeil). b: Ausscheidungsurogramm mit pyeloureteraler Stenose und unterem Nierenkelchstein rechts (20 Minuten nach Kontrastmittelgabe). c: Sicht in untere Kelchgruppe, Stein mit Zange gefasst. d: Sicht auf den engen pyelo-ureteralen Übergang mit Führungsdraht. e: Inzidierter pyeloureteraler Übergang mit Führungsdraht. f: Kontrastmittelextravasation als Beweis der genügend tiefen Inzision der pyeloureteralen Stenose. g: Schienung des Harnleiters mit Endopyelotomiestent. a d b e c f der Stenose und Schienung des Harnleiters mit einem Endopyelotomiestent für sechs Wochen. Drei Monate später ist die Patientin beschwerdefrei und ohne sonographische Hinweise auf eine chronische Harnstauung (Abb. 4a, b, c, d, e, f, g). Schlussfolgerungen Die perkutane Steinausräumung kommt zwar nur bei etwa zehn Prozent der behandlungsbedürftigen Nierensteine zur Anwendung. Bei richtiger Indikationsstellung erweist sie sich aber als äusserst erfolgreiche, wenig belastende Methode. Voraussetzungen für gutes Gelingen sind neben der operativen Erfahrung des Chirurgen eine optimale Infrastruktur mit urologischem Röntgentisch, Ausrüstung für ultraschallgesteuerte Punktionen, verschiedenen Endoskopen und Steinbohrern.