Ein unterirdisches Museum Soldaten, Pferde, Proviant
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Ein unterirdisches Museum Soldaten, Pferde, Proviant
07 Han-Yangling Ein unterirdisches Museum Rund um die moderne westchinesische Metropole Xi’an, die unter dem Namen Chang’an über Jahrhunderte Kaisern aus 13 Dynastien als Hauptstadt diente, befinden sich zahlreiche Grabanlagen. Die bekannteste ist natürlich jene des ersten Kaisers mit seiner Terrakotta-Armee. Doch nicht nur Herrscher ließen sich hier bestatten. Abb. 1: Tierfiguren in situ. Die Gräber des Historikers Sima Qian, der Konkubine Yang Gufei sowie diverser Adeliger sind freilich weniger bekannt. Eine Anlage jedoch würde es allemal verdienen, ebenso berühmt zu sein wie jene des Qin Shi Huangdi: Die Grabstätte des sechsten Kaisers der westlichen Han-Dynastie Jing (188 – 141 v. Chr.) und seiner Gattin. Der zwischen 153 und 126 v. Chr. errichtete Komplex ist heute Teil einer der bedeutendsten Stätten Chinas, nämlich des 1999 eröffneten, teilweise unterirdischen Han-Yangling-Museums. An der Planung und Gestaltung des fast sieben Millionen Euro teuren Museums beteiligten sich neben den Archäologen mehr als einhundert Spezialisten verschiedener Disziplinen: Historiker, Architekten, Museumsexperten, Tourismusplaner und Fachleute für die Konservierung von Kulturgütern. Zuvor hatten Archäologen schon fast zwei Jahrzehnte an dieser Stelle gearbeitet, als es 1990 plötzlich ganz schnell gehen musste: Eine neue Schnellstraße zum Flughafen von Xi’an kam der Grabanlage gefährlich nahe. Die Gefährdung von Kulturschätzen ist ein leider häufig zu beobachtender Aspekt des rasanten Wirtschaftswachstums im heutigen China. Daher müssen oft sogenannte Rettungsgrabungen durchgeführt werden. Soldaten, Pferde, Proviant Das Areal von Han-Yangling umfasst neben den Gräbern des Herrscherpaars fast 200 sogenannte Beigabendepots sowie ein Gräberfeld für jene Sträflinge, die für den Bau der Anlage eingesetzt wurden und dabei starben. Zudem lagen in unmittelbarer Nähe eine Tempelanlage, in der sich die Ahnentafel des verstorbenen Kaisers befand, sowie eine weitere Kultstätte. Auch Jingdi ließ sich gemeinsam mit Nachbildungen von Soldaten und seines Hofstaats begraben. Allerdings sind die Figuren aus den Beigabendepots mit höchstens 62 30 Zentimetern viel kleiner als jene der bekannteren Terrakotta-Armee. Ursprünglich trugen sie farbenfrohe Rüstungen und Kleidung aus Leder und Stoffen. Diese blieben jedoch nur in Ausnahmefällen erhalten – deshalb sind die meisten Figuren heute nackt. Auch Streitwagen aus Bronze und Pferde aus Ton gehören zum Miniaturheer. Einige Gruben enthielten zudem Proviant: Sie waren angefüllt mit zahlreichen großen Vorratsgefäßen für Getreide sowie Figuren von Haustieren wie Schweinen, Hunden und Schafen. Han (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) Abb. 2: Tonsoldaten, Vorder- und Rückansicht. Archäologie hautnah Eine weitere Attraktion des Han Yangling-Museums ist die Möglichkeit, Funde in situ betrachten zu können – das heißt sie liegen noch da wie in dem Moment ihrer Entdeckung durch Archäologen. Zur Bewahrung dieses Zustandes im Sinne einer möglichst authentischen öffentlichen Präsentation wurde über zehn Gruben eine große unterirdische Halle errichtet. Ein Durchgang und Wände aus elektrisch beheizbarem Glas trennen den Besucherraum von den Relikten im Boden. Temperatur und Luftfeuchtigkeit in beiden Räumen werden separat geregelt. Damit lassen sich die Funde optimal schützen und gleichzeitig können die Besucher sie aus nächster Nähe betrachten. Wie nebenbei wird Laien so Wissen über die neuesten Technologien zur Erhaltung, Restaurierung und Ausstellung von Kulturgütern vermittelt. © DAI 2014 Unterrichtsmaterialien zur Ostasiatischen Archäologie: Chinas Große Mauern. Abb. 3 links: Tonfiguren in situ. Abb. 4 rechts: Kopf eines Kriegers mit Resten von Bemalung. 31