Zeigt her eure Baby-Boliden!

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Zeigt her eure Baby-Boliden!
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Mai_2009
Zeigt her eure Baby-Boliden!
Wie ein poppiger Kinderwagen aus Holland innerhalb von nur zehn Jahren zum hippen
Statussymbol für stolze Eltern weltweit wurde: Bugaboo. text harald wolkerstorfer
R
äbäääh! Wenn Mami und Papi über-
nicht nur der Glamourfaktor, auch der Pro-
glücklich und erschöpft eigentlich
duktnutzen soll laut Bugaboo-Jüngern in
nur mehr im Sofa versinken wollen
diversen Internet-Foren überragend sein.
und dankbar sind, dass der neue Untermie-
Natürlich ist es dem Baby wurscht, wie und
ter gut geschlüpft ist, dann geht es erst
wo es liegt und was es fährt – wenn es nur
richtig los – der Kinderwagen-Wettstreit
ganz nah bei den Eltern ist. Egal ist es aber
beginnt! Denn schon ein paar Wochen nach
nicht der Mama – und schon gar nicht dem
der Geburt haben die kleinen Windelpup-
Papa. Und so begab es sich, dass der
ser keinen Bock mehr darauf, den ganzen
­Design-Flitzer innerhalb von nur zehn
Tag nur zu schlafen. Sie wollen Programm.
­Jahren zu einem hippen Statussymbol der
Woraufhin Mami und Papi den Nachwuchs
Haute Volée wurde. Doch blicken wir noch-
bereitwillig durch den Park, über die Wiese
mal zurück.
oder ins Feld schieben. Und sich bange auf
die Gretchenfrage einzustellen beginnen:
Mobilität für alle!
„Und, welchen Kinderwagen hast Du?!“
Es begann in Netherland. Anno 1994 gra-
Für pragmatisch veranlagte Eltern ist das
duierte der Studioso Max Barenbrug mit
ohne bärchenumsäumte Bal-
kein Problem: „Meiner kann dies und das,
besonderer Auszeichnung an der renom-
dachine). Denn seiner Mei-
hat so und so viel gekostet und ist vom Her-
mierten Design-Akademie Eindhoven mit
nung nach waren sie es, die
steller XY.“ Doch für Prestigebewusste
zwei Themen: Nämlich Mobilität (Double
ein Produkt benötigten, mit
können solcherlei Fragen zu einem wahren
Dutch City Bike) und eben Freizeit (Buga-
dem man sich noch als Mann
Spießrutenlauf werden. Außer man fährt
boo-Kinderwagen – siehe Bild „Prototyp“).
fühlen könne.
einen Bugaboo, welcher Porsche, Ferrari
Wobei man Bugaboo aus dem Englischen
und Mercedes der Kinderwagen-Klasse
mit „Schreckgespenst“ oder zumindest
Verhütung mit Design
zugleich ist. Auch Promis wie
mit „endlos, ohne Grenzen“ übersetzen
Als der Bugaboo erst einmal auf der Welt
Model Heidi Klum, Sän­gerin
kann. Wie auch immer: So (oder so ähnlich)
war, versuchte Max bei verschiedenen
Gwen Stefanie oder Schau-
könnte sich die Geburt des Schreckge-
Herstellern Interesse für sein avantgar-
spieler Matt Damon wur-
spenstes zugetragen haben: Barenbrug be-
distisches Ding zu wecken. Aber keiner
den schon am Bugaboo-
obachtet von seiner Studentenbude aus,
traute sich an dieses Design ran. In weite-
Steuer gesichtet. Und
wie sich Kohorten holländischer Eltern
rer Folge zog sich Barenbrug wieder an
mit ihren ungelenken Babykutschen auf
seinen Zeichentisch zurück und tüftelte
den Trottoirs abmühen. Ihm geht ein Licht
zwei Jahre lang an der Verbesserung und
auf: „Da muss ich helfen!“ Die Funktions-
der Perfektionierung seines Entwurfs.
vision seines ersten Kinderwagendesigns
Dann kam der Unternehmer Eduard Za-
war es, Eltern mit einem Kind genau die
nen ins Spiel. Er nahm immer mehr Anteil
gleiche Mobilität zu verleihen wie in der
an Maxens Idee und investierte 1999 erst-
Zeit vor dem Nachwuchs. Mit anderen
mals in den Bugaboo-Kinderwagen. Das
Worten: Der Bugaboo (Produktnamen
war der Zeitpunkt, an dem Max und Edu-
wie Frog, Gecko oder Cameleon) sollte
ard das Unternehmen Bugaboo gründeten
eine größere Bewegungsfreiheit ermög-
und sich auf die serienmäßige Fertigung
lichen. Max (so heißt er nonchalant
ihrer Produkte konzentrierten. 1999 war
auch im offiziellen Firmen-
also der Bugaboo Classic erstmals auf nie-
sprech) entwarf seinen
derländischem Boden zu sehen. 2001 kam
Kinderwagen insbeson-
der Bugaboo Frog auf die Welt und schon
dere für Väter (also
bald öffnete sich der Markt in Spanien,
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den USA und Großbritannien. Der Rest ist
eine
Erfolgsgeschichte
mit
rasantem
Tempo. A Star à la Manolo Blahnik was
born – auch bei den spanischen Stilettos
war ja „Sex and the City“ die Hebamme.
fotos Bugaboo (6)
Als das Abenteuer begann:
Hier der Prototyp des
­Bugaboos aus dem Jahre
1994 – ein Abschlussprojekt
von Max Barenbrug an der
Design­-Akademie Eindhoven.
So klein und leicht wie ein Baby –
ein zusammengelegter Bugaboo Bee.
berappen, das ist schon eine schöne
Mode- oder Designtiteln. Eine Produkt-
Stange Geld für ein Teil, das in China
neuheit wird nicht im Rahmen einer ver-
(Xiamen) gefertigt wird.
staubten Fachmesse präsentiert, sondern
in angesagten Party-Lofts.
Das Erfolgsrezept
Bugaboo setzte bei seinem Markenaufbau
In der Firmenzentrale in Amsterdam
auf virale (also ansteckende) Effekte im
glaubt jeder Mitarbeiter an das, was er
Internet sowie auf eine Steigerung der Be-
macht – so versichert es zumindest eine
gehrlichkeit durch intensive PR-Arbeit.
dem Unternehmen nahe stehende Kom-
So können etwa in der Community „Buga-
munikatorin. Die Götter heißen: Mobili-
boo Friends“ (auf bugaboo.com) Geschich-
tät, Flexibilität und Design. Vom Schreib-
ten, Produkttipps und -tricks, Bilder, Vi-
tischstuhl angefangen bis hin zum Regal
deos und Erfahrungen mit Menschen auf
– alles gleitet, klappt und rollt. Max Ba-
der ganzen Welt ausgetauscht werden.
renbrug selbst will sich auch nicht auf
­Außerdem stehen unter bugaboodaytrips.
­einen Kinderwagenentwerfer reduzieren
com anregende Ausflüge für Großstädte
lassen. Vielmehr steht bei ihm in der Job-
weltweit zum Download zur Verfügung.
description: Produktdesigner und Zurver-
Aber der größte Markenturbo für Buga-
fügungsteller größtmöglicher Mobilität.
boo war es wohl, als Miranda von „Sex and
Jedenfalls müssen Marketer, die sich jah-
the City“ vor einigen Jahren mit einem Bu-
relang abmühen, um ihre Marke ein we-
gaboo durchs Bild stiefelte. Was aber laut
nig begehrter zu machen, neidvoll nach
Unternehmensangaben ein reines Zufalls-
Amsterdam blicken. Wie ist es nur mög-
produkt war. Und allzu viel Promi-Status
lich, innerhalb von nur einem Jahrzehnt
hat man in Amsterdam gar nicht gern.
quasi eine visionäre Spinnerei in eine
Schließlich ging es Barenbrug nicht um
Warum ein Bugaboo?
weltweit hippe Marke zu transformieren?
die Kreation eines Jetset-Utensils, son-
Mit seinem einzigartigen Design ist ein
Nun, klassische Werbung allein schafft
dern um größtmögliche Mobilität. Und wie
Bugaboo-Kinderwagen sofort in jedem
dieses Kunststück natürlich nicht. Die
aus dem Unternehmen zu hören ist, arbei-
Stadtbild erkennbar. Die Linienführung
Klassik spielt zwar eine Rolle, aber eine
ten die Designer gerade an neuen Beweg-
erscheint geradlinig, die Form beeinträch-
untergeordnete. Wenn schon Inserate,
lichkeitsrevolutionen – solche, die mit Kin-
tigt nicht die Funktion. Im Gegenteil: So-
dann werden diese weder im Spiegel noch
derwagen gar nichts zu tun haben. Man
gar technisch aufwendige Mechanismen
in altbackenen Eltern-Illustrierten plat-
darf also gespannt sein, was in den kom-
präsentieren sich auf ein einfaches Er-
ziert, sondern in angesagten Lifestyle-,
menden zehn Jahren passieren wird.
Für Aficionados ist das Design,
die Funktionalität und die
­Qualität eines Bugaboos ein
­unverzichtbarer Bestandteil.
scheinungsbild reduziert. Wenn etwa der
Bugaboo in Zahlen
Sitz auf das Chassis geklickt wird, gesche-
Rasantes Wachstum – vom Studentenprojekt zur globalen Marke
hen drei Dinge gleichzeitig: Das Chassis
rastet ein, der Sitz rastet fest auf dem
Chassis ein und die Kipp-Funktion wird
aktiviert. Ob Schwenkräder mit Federung,
höhenverstellbarer Schiebebügel, Leichtigkeit und Langlebigkeit sowie Anpassungskunst für jeden Geschmack und jede
Aufgabe – die Vorzüge eines Bugaboos
sind Legende und Gegenstand von schwärmerischen Verklärungen von Usern im Internet. Wenn Form, Funktion und Begehrlichkeit bei einem Produkt offenbar so
perfekt zusammenfließen, muss natürlich
auch der Preis stimmen. Gut und gern 800
bis 900 Euro sind für einen Neuwagen zu
Gesamtumsatz 2005:
Gesamtumsatz 2006:
Gesamtumsatz 2007:
Gesamtumsatz 2008:
Erwartetes
Umsatzwachstum 2009:
Umsatzanteil Niederlande:
Umsatzanteil Nordamerika:
Umsatzanteil Rest der Welt:
43 Millionen Euro
55 Millionen Euro
69 Millionen Euro
72 Millionen Euro
Bugaboo-Offices: Länder, in denen Bugaboos verkauft werden:
Mitarbeiter in der Zentrale:
Designer/Ingenieure:
Mitarbeiter in verschiedenen Fabriken:
Eigentümer: CEO:
3 Prozent
9 Prozent
24 Prozent
67 Prozent
13
50
150
20
550
Max Barenbrug, Eduard Zanen
Nico Molenaar
Die Bugaboo-Gründer Eduard Zanen und Max Barenbrug könnten
wohl schon für immer die Füße in den Sand stecken – sie werden sich
jedes Mal die Augen reiben, wenn sie auf ihren Kontostand schauen.
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