Niedersächsischer Landtag − 15. Wahlperiode Drucksache 15/2083
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Niedersächsischer Landtag − 15. Wahlperiode Drucksache 15/2083
Niedersächsischer Landtag − 15. Wahlperiode Drucksache 15/2083 Kleine Anfrage mit Antwort Wortlaut der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE), eingegangen am 26.05.2005 Niedersächsische Staatsanwälte im Rotlichtmilieu? Laut Berichterstattung der Neuen Presse vom 28. und 30.04.2005 wird derzeit ein bizarrer Fall am Landgericht in Hannover verhandelt. Danach wird ein ehemaliger V-Mann der Polizei der Vergewaltigung beschuldigt. Der Angeklagte hatte früher für die Strafverfolgungsbehörden im Rotlichtmilieu ermittelt und angeblich Informationen über Zuhälter und Schleuser gesammelt und auch einen Oberkommissar und Staatsanwälte mit seinen Aussagen belastet. Der Angeklagte behauptet laut NP u. a., dass niedersächsische Staatsanwälte kostenlos die Dienste von Prostituierten in Anspruch genommen haben und dass die ermittelnde Staatsanwaltschaft nun einen Rachefeldzug gegen ihn startet. Neben der prinzipiellen rechtspolitischen Frage, ob sich der Staat bei Ermittlungsdiensten fragwürdiger Informanten bedienen sollte und sich damit selbst in einer rechtsstaatlichen Grauzone bewegt, wirft der Fall weitere Fragen auf. Ich frage die Landesregierung: 1. Hat sie Erkenntnisse darüber, ob in der Vergangenheit niedersächsische Staatsanwälte kostenlose Dienste von Prostituierten in Anspruch genommen haben? 2. Wurde konkret gegen niedersächsische Staatsanwälte mit dem Verdacht der Vorteilsnahme/Korruption in Bezug auf das Hannoveraner Bordell „Yes Sir“ ermittelt? 3. Wenn ja, was haben die Ermittlungen ergeben? 4. Mit welchen Disziplinarmaßnahmen müssen die Beamten in solchen Fällen rechnen? 5. Warum ist ein Staatsanwalt aus Hannover, der von dem oben erwähnten V-Mann beschuldigt worden ist, versetzt worden? (An die Staatskanzlei übersandt am 01.06.2005 - II/72 - 337) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium - 4027 I S 4.4 - Hannover, den 29.06.2005 Die Anfrage nimmt Bezug auf ein derzeit vor dem Landgericht Hannover geführtes Strafverfahren. Dem Angeklagten wird u. a. zur Last gelegt, sich einer Vergewaltigung schuldig gemacht zu haben. In dem vorausgegangenen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hannover hatte sich der Tatvorwurf mit einer zur Anklageerhebung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit bestätigt. Die zuständige Strafkammer des Landgerichts Hannover hat die Anklage nach Prüfung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Behauptung des Angeklagten, es handele sich um einen „Rachefeldzug“ der ermittelnden Staatsanwaltschaft entbehrt jeglicher Grundlage. Im Übrigen ist es die Auffassung Landesregierung, die Einlassungen eines Angeklagten in einem laufenden Strafverfahren nicht zu kommentieren. 1 Niedersächsischer Landtag – 15. Wahlperiode Drucksache 15/2083 Die Strafverfolgungsbehörden sind zur Bekämpfung und Aufklärung von Straftaten berufen, um - den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechend - eine effektive Strafrechtspflege zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen. In bestimmten Kriminalitätsbereichen, insbesondere im Bereich des so genannten „Rotlichtmilieus“ und der in diesem Zusammenhang häufig anzutreffenden Formen organisierter Kriminalität, sind die Strafverfolgungsbehörden auch auf den Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen und die Inanspruchnahme von Informanten angewiesen. Soweit auf die Inanspruchnahme von Informanten und Vertrauenspersonen zurückgegriffen wird, richtet sich das Verfahren nach der Strafprozessordnung und nach klaren, von der Justizminister(JMK) und Innenministerkonferenz (IMK) festgelegten Richtlinien (Richtlinien über die Inanspruchnahme von Informanten und über den Einsatz von Vertrauenspersonen und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung). Diese wurden in Niedersachsen durch Gemeinsamen Runderlass des MI und des MJ vom 31.08.1995, geändert durch Runderlass vom 08.10.2002, umgesetzt. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Nein. Zu 2: Im Jahr 2001 ist gegen einen niedersächsischen Staatsanwalt ein Ermittlungsverfahren geführt worden. Es bestand der Verdacht, der betreffende Staatsanwalt habe sich möglicherweise eines strafbaren Verhaltens im Zuge eigener Ermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit Vorfällen um das Bordell „Yes Sir“ schuldig gemacht. Zu 3: Die von einer anderen Staatsanwaltschaft durchgeführten Ermittlungen haben den Verdacht eines strafrechtlich relevanten Verhaltens nicht bestätigt. Nach sorgfältigen und umfassenden Prüfungen ist das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Etwaige disziplinarrechtlich zu ahndende Verfehlungen sind nach ebenso sorgfältiger und umfassender Prüfung nicht festgestellt worden. Zu 4: Soweit gegen einen Beamten der Verdacht eines strafbaren Verhaltens besteht, wird gegen ihn ohne Ansehen der Person ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet und gegebenenfalls Anklage erhoben. Im Fall einer Verurteilung bestimmt das Gericht die vom Gesetz vorgegebene tatund schuldangemessene Strafe. Beamte müssen neben einer etwaigen strafrechtlichen Sanktion auch mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Die in § 5 der Niedersächsischen Disziplinarordnung aufgeführten Disziplinarmaßnahmen reichen von einem Verweis über eine Gehaltskürzung bis zu einer Entfernung aus dem Dienst. Bei der Festsetzung der Disziplinarmaßnahme ist das gesamte dienstliche und außerdienstliche Verhalten des Beamten zu berücksichtigen. Zu 5: Eine Versetzung ist nicht erfolgt. Hätte es eine Versetzung gegeben, wäre die Landesregierung mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte des Beamten gehindert, die dafür maßgebenden Gründe öffentlich darzulegen. Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Übertragung eines anderen Aufgabenbereichs innerhalb einer Behörde ein normaler und nicht zu Spekulationen über etwaige Dienstverfehlungen Anlass gebender Vorgang ist. Elisabeth Heister-Neumann 2 (Ausgegeben am 01.07.2005)