Jahresbericht 2014 der Schuldnerberatungsstellen in Bielefeld
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Jahresbericht 2014 der Schuldnerberatungsstellen in Bielefeld
Schuldnerhilfe Bielefeld e. V. Kath. Verein für soziale Dienste e. V. ——————————————————————————————————————————————-- Jahresbericht 2014 der Schuldnerberatungsstellen in Bielefeld Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2 2. Das Wichtigste in Kürze 5 3. Fallzahlen 6 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 Neufälle Altersstruktur Art der Beschäftigung Transferleistungen Gesamtverschuldung Verschuldungsursache Überschuldungsursache 7 7 8 8 9 9 10 4. Abgeschlossene Fälle 11 4.1 4.2 Schuldnerberatung Insolvenzberatung 11 12 Impressum 13 2 1. Einleitung/Vorwort Dieser Bericht dokumentiert die Arbeit der vier Bielefelder Schuldnerberatungsstellen des Jahres 2014. Nach wie vor ist die Überschuldung in Deutschland und auch die in Bielefeld auf einem sehr hohen Niveau. In Nordrhein-Westfalen wurden laut Bürgel Schuldenbarometer 2014 mit 28.390 Fällen die meisten Privatinsolvenzen beantragt. Insgesamt ist die Zahl der Privatinsolvenzen in Deutschland seit dem Jahr 2011 jedoch rückläufig. Die Altersgruppe „61 Jahre und älter“ legte zum zweiten Mal in Folge mit einem Plus von 13,9 Prozent deutlich zu. Es ist zu befürchten, dass dieser Negativtrend weiter anhalten wird. Durch die demografische Entwicklung werden zunehmend mehr Rentner1 in den nächsten Jahren von Altersarmut bedroht sein. Neben sinkenden Renten bedrohen steigende Kosten für Krankheiten und noch zu tilgende Kredite die Existenz vieler Senioren. Dem SchuldnerAtlas Deutschland 2014, der von der Creditreform jährlich herausgegeben wird, ist zu entnehmen, dass die Überschuldung von Verbrauchern zum 01. Oktober 2014 wieder gestiegen ist (plus 1,4 Prozent). Mit 6,7 Millionen Bürgern über 18 Jahre stieg die Schuldnerquote von 9,81 auf 9,90 Prozent. Bielefeld verzeichnete mit 11,42 Prozent im Jahr 2014 erneut die höchste Schuldnerquote in Ostwestfalen-Lippe. Laut Creditreform ist in den letzten fünf Jahren von einer deutlichen Steigerung des Phänomens „Generationsübergreifende Überschuldung“ auszugehen. Der Grundstein für Haltungen und Einstellungen zu Finanzen und Konsumverhalten werden in Familien gebildet und weitergegeben. Beim Erwerb von Finanzkompetenzen haben Eltern eine wichtige Vorbildfunktion. Leider missbrauchen manche Eltern die Daten ihrer Kinder, um mit diesen kurzfristig ihren finanziellen Spielraum zu erweitern, indem sie über ihre Söhne und Töchter Handyverträge abschließen, Bestellungen bei Versandhändlern vornehmen und/oder die Bankkarte für Einkäufe nutzen. Die Zahl der von Überschuldung betroffenen Kinder und Jugendlichen in Familien mit prekären Einkommenssituationen ist laut unserer Statistik deutlich gestiegen. Die psychosozialen Auswirkungen führen häufig zu mehrfach belasteten Familiensystemen, die neben der Schuldnerberatung Angebote des Sozial-, Gesundheits- und Jugendhilfesystems in Anspruch nehmen müssen. Die große Nachfrage nach Schuldnerberatung in Bielefeld wird besonders bei der Terminvergabe für ein erstes Beratungsgespräch deutlich. Ratsuchende können bei allen Beratungsstellen jeweils am ersten Werktag eines Monats einen Termin für ein erstes persönliches Beratungsgespräch vereinbaren. Sobald die Terminvergabe bei einer Beratungsstelle abgeschlossen wird, werden die anderen Stellen informiert, so dass die Anrufer zügig über noch freie Termine informiert werden können und sich an die jeweilige Beratungsstelle wenden können. Durch die hohe Nachfrage lässt es sich leider nicht vermeiden, dass manche Ratsuchende erneut im nächsten Monat nach einem Termin fragen müssen. Jedoch stellen alle Beratungsstellen sicher, dass sich jeder Anrufer telefonisch beraten lassen kann. Das Arbeitsfeld Schuldnerberatung hat seit seinem Bestehen vor ca. 30 Jahren immer wieder neue Entwicklungen und Wandlungen erfahren. Hervor zu heben sind dabei die Einführung der Insolvenzordnung 1999, die Hartz IV-Gesetzgebung 2005 und die Einführung des Pfändungsschutzskontos 2012. 1 Auf Grund der besseren Lesbarkeit haben wir uns für die männliche Endung entschieden. 3 Am 01.07.2014 traten erneut neue Regelungen der Insolvenzordnung in Kraft. Die wichtigsten Aspekte für Schuldnerberatungsstellen sind: - Verfahrensverkürzung für natürliche Personen auf drei Jahre möglich bei Begleichung von mindestens 35% der angemeldeten Gläubigerforderungen sowie Begleichung der Treuhänder- und Gerichtskosten. - Vorzeitige Restschuldbefreiung nach fünf Jahren bei Begleichung der Verfahrenskosten. - Insolvenzplanverfahren jetzt auch für das Verbraucherinsolvenzverfahren möglich. - Gläubiger haben jederzeit die Möglichkeit, schriftlich einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen. Antrag spätestens im Schlusstermin. - Schutz von Mitgliedern von Genossenschaftswohnungen. Genossenschaftsanteile bis 2.000,00 Euro können nicht zur Insolvenzmasse gezogen werden. - Wegfall des Abtretungsvorrangs innerhalb der ersten 24 Monate (§ 114 InsO wird aufgehoben). - Ausgenommen von der Restschuldbefreiung sind auch Unterhaltsforderungen, sofern Unterhalt vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt wurde, und Steuerforderungen, sofern rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerstraftat. Bei diesen vielen gesetzlichen Regelungen, besonders in der Insolvenzordnung, dürfen die Schuldnerberatungsstellen einen wichtigen Grundsatz (Leitsatz) von Schuldnerberatung nicht vergessen: Schuldnerberatung ist Sozialarbeit und soziale Beratung. Hier gelten folgende Grundsätze: Freiwilligkeit, Eigenverantwortlichkeit, Hilfe zur Selbsthilfe, Verschwiegenheit, Vertraulichkeit, Nachvollziehbarkeit, Ganzheitlichkeit, fachliche Unabhängigkeit und Ergebnisoffenheit. Nach der Einführung der Hartz IV Gesetzgebung zum 01.01.2005 soll nun im Mittelpunkt der Beratung die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben stehen. Seit dieser Zeit befindet sich Schuldnerberatung im Spannungsfeld zwischen diesen beiden Aspekten und fragt sich immer wieder und muss sich fragen lassen, ob und wie diese Gratwanderung gelingt und gelingen kann. In der Praxis der Schuldnerberatung steht der Mensch mit seinen finanziellen Problemen, Fragen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten und den daraus erwachsenden persönlichen, z.T. gesundheitlichen, familiären u.a. Beeinträchtigungen im Focus der Beratung. Die vier Schuldnerberatungsstellen in Bielefeld konnten viele Personen in den kritischen, teils existentiell bedrohlichen Situationen beraten und helfen. Insgesamt wurden 5.338 überschuldete Bielefelder Bürger beraten. Die Projektstelle Schuldnerberatung für Glücksspielende und im Stadtteil Sieker zur Schaffung präventiver Beratungsangebote hat sich gut etabliert und wird insbesondere im Stadtteil sehr gut angenommen. Für viele Bewohner ist die Nähe der Beratungsstelle zu ihrer Wohnung sehr wichtig, so dass Fragen oder Probleme sehr schnell in der „offenen Sprechstunde“ zeitnah mit dem Berater besprochen werden können. Für dieses Projekt wird ein eigener umfassender Jahresbericht erstellt. In 2014 wurden 264 Pfändungsschutzkonto-Bescheinigungen erstellt. Hier werden die Beratungsstellen ohne lange Wartezeiten tätig. Die Klienten benötigen die Bescheinigungen zur Erhöhung des Pfändungsfreibetrages bei Unterhaltsverpflichtungen und zur Freigabe von einmaligen Sozialleistungen. 4 2. DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE: Im Jahr 2014 wurden insgesamt 5.343 Personen beraten (2013: 4.678). Neufälle: Gesamtzahl: 2014 stieg die Zahl der aktenkundigen Neufälle auf 545 (2013: 542). Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund lag 2014 bei 45% (2013: 49%). Aktueller Familienstand: 37% (2013: 34%) der Neufälle waren ledig bzw. alleinstehend. Verheiratete Personen waren zu 26% (2013: 28%) vertreten. Die Anteile der geschiedenen (16%), getrennt lebenden (11%), in eheähnlichen Gemeinschaften lebenden (7%) und verwitweten (3%) Ratsuchenden blieb nahezu unverändert gegenüber den Vorjahren. Bei 51% (2013: 49%) der Schuldner waren im Haushalt lebende Kinder von den Auswirkungen der Überschuldung betroffen. Alter: Die Altersgruppe zwischen 18 und 30 Jahre war mit 31% (2013: 30%) auch im Jahr 2013 am häufigsten vertreten. 21% der Neufälle waren älter als 50 Jahre (2013: 21%). Arbeitslosigkeit: Der Anteil der Klienten „ohne Beschäftigung“ nahm 2014 um 7% ab und lag bei 44%, gefolgt von 31% „sozialversicherungspflichtig Beschäftigten“. Hier waren es erneut 3% mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse als im Vorjahr. An dritter Stelle befinden sich mit einem Anteil von 8% erneut die Rentner. Transferleistungsempfänger: Insgesamt bezogen 2014 55% (2013: 51%) der Ratsuchenden Transferleistungen. Von den Leistungsempfängern verzeichneten die SGB II-Empfänger eine Quote von 79%. Gegenüber 2013 demnach eine Abnahme von 2%. Schuldenhöhe: Die Gesamtschuldensumme lag bei 16.356.368,00 € und erhöhte sich damit zum Vorjahr um 7% (2013: 15.147.910,00 €). Die Durchschnittssumme pro Neufall betrug 30.012,00 € (2013: 27.948,00 €). Gläubigeranzahl: Im Jahr 2014 wurden insgesamt 3.911 Gläubiger (2013: 3.716) gezählt. Im Durchschnitt verfügte ein Klient über 7 Gläubiger. Ver- und Überschuldungsursachen: Konsum war auch 2014 mit 37% (2013: 48%) die Verschuldungsursache Nr.1. Auf Grund prekärer Einkommensverhältnisse verschuldeten sich 25% (2013: 18%) der Ratsuchenden. Eine selbständige Tätigkeit war in 11% (2013: 7%) der Fälle die Ursache. Auch im Jahr 2014 haben sich 6% durch die Finanzierung einer Immobilie, 2,5 % (2013: 2,5%) durch eine Straffälligkeit und 5,5% (2013: 4%) durch eine Suchterkrankung verschuldet. Als Überschuldungsursache stand an erster Stelle erneut die Arbeitslosigkeit mit 22% (2013: 23%). Es folgten Einkommensarmut mit 20%, Krankheit mit 11% und Trennung mit 11%. Im Jahr 2014 scheiterte bei 10% die Selbständigkeit (2013: 6%). Mangelnde Finanzkompetenz wurde 2014 in 8% der Fälle festgestellt (2013: 10%). 3% (2013: 5%) gerieten durch Familienzuwachs (wegfallendes Einkommen) in die Schieflage. Bei 4% scheiterte die Immobilienfinanzierung wie in 2013. Straffälligkeit war bei 2% und Sucht bei 5% (2013: 3%) Grund für eine Überschuldung. Abgeschlossene Fälle: Im Jahr 2014 konnten 519 Fälle (2013: 315) abgeschlossen werden. Entschuldung: Die Entschuldungsquote lag bei 21%. Eine Entschuldungsperspektive wurde diesmal nur in 56% der Fälle erreicht (2013: 67%). Abgeschlossen durch Inso: 312 Fälle (2013: 253 Fälle) konnten 2014 abgeschlossen werden. Es wurden 270 Bescheinigungen (2013: 221) über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches ausgestellt. Ein außergerichtlicher Einigungsversuch gelang bei 25 abgeschlossenen InsO-Fällen (2013: 16). Die Abbruch-Quote lag bei 5,5% (2013: 6,6%). Insolvenz: 5 3. Fallzahlen Die Bielefelder Schuldnerberatungsstellen der verschiedenen Träger erstellen seit 1997 eine gemeinsame Statistik. Die ausführliche statistische Auswertung bezieht sich auf: Neufälle abgeschlossene Fälle Die Schuldnerberatungsstellen waren 2014 mit insgesamt 6,96 Stellen besetzt. Auf die Stadt Bielefeld entfielen 1,06 Stellen, auf den SKM Kath. Verein für soziale Dienste 2,35 Stellen, auf die Schuldnerhilfe 2,9 Stellen und auf die Diakonie 0,62 Stellen. Insgesamt lagen folgende Gesamtberatungszahlen vor: Fallzahlen 2014 Schuldnerhilfe SKM Stadt Diakonie Gesamt Stellenanteile 2,9 2,34 1,06 0,62 6,92 Aktenkundige Fälle davon Neufälle aus 2014 471 191 178 116 421 138 327 100 1397 545 196 123 659 445 47 1.818 186 122 649 607 105 1.725 174 66 352 144 39 1.130 0 0 184 115 44 670 556 311 1844 1311 235 5.343 Aktenkundige Fälle InsO davon InsO-Neufälle aus 2014 telefonische Kurzberatung einmalige persönliche Beratung Kollegenberatung Summen Fallzahlenvergleich 2008 – 2014 6 3.1 Neufälle In den Beratungsstellen wurden 2014 insgesamt 545 neue aktenkundige Schuldnerberatungsfälle registriert. 3.2 Altersstruktur 79% der Ratsuchenden sind der Altersstruktur zwischen 18 und 50 Jahren zuzuordnen. Der Hauptanteil entfällt auf die Altersgruppe zwischen 18 und 30 Jahren mit 31%. 7 3.3 Art der Beschäftigung Der Anteil der erwerbslosen Ratsuchenden sank um 7% im Vergleich zum Vorjahr auf 48%. Die Gruppe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg um 3% auf 31%. Die drittgrößte Gruppe der Ratsuchenden sind Rentenbezieher mit 8%. 3.4 Transferleistungen Die Zahl der SGB II-Empfänger stieg um 3,08% auf 43,67%. Gemeinsam mit den sonstigen Transferleistungsempfängern stellt diese Gruppe allerdings mit 54,48 % den größten Anteil der Ratsuchenden dar. 8 3.5 Gesamtverschuldung Die Gesamtverschuldung aller Neufälle summierte sich auf 16.356.368 €. Eine Erhöhung um 7,98%. Durchschnittlich war jede ratsuchende Person demnach mit 30.012€ verschuldet. Der Schwerpunkt lag hier wie im Jahr 2013 im Bereich unter 10 T € Schuldenhöhe. Durchschnittliche Gläubigeranzahl pro Klient: 7 Gläubiger 3.6 Verschuldungsursache Die Hauptverschuldungsursache Konsum verringerte sich 2014 um 11% auf 37%. Dagegen erhöhte sich die Gruppe der Ratsuchenden mit prekärem Einkommen um 7% auf 25%. Der Bereich der Selbständigkeit lag unverändert bei 11%. Hauptverschuldungsursachen sind Konsum, prekäre Einkommen und Selbständigkeit. Verschuldungsursache 37% 25% 13% 11% 6% 6% 3% 9 3.7 Überschuldungsursache Die zwei Hauptgründe der Überschuldung gegenüber dem Vorjahr sind fast unverändert, die Arbeitslosigkeit mit 22% (-1%) und die Einkommensarmut mit 20%. Es folgten Krankheit (11%), Trennung (11%). Selbständigkeit (10%) und mangelnde Finanzkompetenz (8%). 10 4. Abgeschlossene Fälle 4.1 Schuldnerberatung Im Jahr 2014 konnten 519 Fälle abgeschlossen werden. Entschuldung: Bei 21% (2013: 19%) der abgeschlossenen Fälle konnte eine Entschuldung durchgeführt werden. Eine Entschuldungsperspektive konnte bei 56% der beendeten Fälle entwickelt werden. (2013: 67%) 11 4. 2 Insolvenzberatung Erfolgreich abgeschlossen durch Verbraucherinsolvenzverfahren Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Verfahrens ausgestellt Schuldnerhilfe SKM Stadt 97 92 81 Erfolgreicher außergerichtlicher Einigungsversuch 13 11 1 abgebrochen 9 7 1 Im Jahr 2014 stellten die Beratungsstellen insgesamt 270 ( +49 ) Bescheinigungen über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches aus und ermöglichten dadurch die Beantragung der Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens beim zuständigen Amtsgericht. 12 Impressum: DiakonieVerband Brackwede Kirchweg 10 33647 Bielefeld Tel. 0521/94239-113 Schuldnerhilfe Bielefeld e.V. Marktstr. 2-4 33602 Bielefeld Tel. 0521/64336 Stadt Bielefeld Amt für soziale Leistungen - Sozialamt Schuldnerberatung Niederwall 23 33602 Bielefeld Tel. 0521/51-3926 SKM-Bielefeld e. V. Kavalleriestr. 26 33602 Bielefeld Tel. 0521/55776-124 Bielefeld, im April 2015 13