Jahresbericht PariSozial Schuldnerberatung 2015

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Jahresbericht PariSozial Schuldnerberatung 2015
Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
3339
JAHRESBERICHT
DER
SCHULDNER- UND
INSOLVENZBERATUNG
2015
PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford
1
Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle
G e s c h ä f t s s t e l l e:
Bahnhofstraße 27 – 29 (Treffpunkt PariSozial)
32312 L ü b b e c k e
Telefon: 0 57 41/34 24-0
Telefax: 0 57 41/34 24-25
Beratungszeiten:
(jeweils nach vorheriger Terminvereinbarung)
Lübbecke:
Bahnhofstraße 27 (Treffpunkt PariSozial)
(Montag bis Freitag)
Minden:
Hermannstraße 4
(Montag bis Freitag)
Bad Oeynhausen:
Tannenbergstraße 23 (Oeyn-Haus)
(Mittwoch und Donnerstag)
Espelkamp:
Schweidnitzer Weg 19
(Montag bis Freitag; außer Dienstag)
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:
Jan Fischer
(Schuldnerberater Lübbecke und Espelkamp)
Ruth Hagenhoff-Lang
(Schuldnerberaterin Minden)
Heidrun Hofmann
(Schuldnerberaterin Minden und Lübbecke)
Detlev Schewe
(Schuldnerberater Lübbecke und Bad Oeynhausen)
Peter Sentker
(Schuldnerberater Espelkamp)
Jutta Bockholdt
Daniela Stork
(Sachbearbeiterinnen)
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Inhaltsverzeichnis
Seite
Personalsituation
4
1.
Vorwort
5
2.
Statistischer Teil
6
a. Fallzahlen
6
b. Weitere statistische Daten
6
c. Beratung von ehemals Selbständigen
10
d. Statistische Daten zur Insolvenzberatung
11
3.
30 Jahre Schuldnerberatung der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford
12
4.
Bundesweite Aktionswoche 2015 der Schuldnerberatung
„Arm und überschuldet – trotz Arbeit“
16
Nachwort
18
5.
Anhang:
„Werthaltigkeit und Nachhaltigkeit von Sozialer Schuldner- und Insolvenzberatung“
-Eine Metastudie empirischer Arbeiten-
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Personalsituation
Die Schuldnerberatungsstelle der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford gGmbH arbeitete im Berichtsjahr 2015 mit einem Team von fünf Beratungskräften und einer
Verwaltungskraft in Teilzeit.
Jan Fischer
ist Diplom-Sozialarbeiter mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung und Insolvenzberatung.
Herr Fischer ist seit dem 01.04.1999 in der Schuldnerberatung tätig. Er ist für den
Altkreis Lübbecke zuständig. Herr Fischer ist in Lübbecke von montags bis freitags
anzutreffen.
Ruth Hagenhoff-Lang
ist Diplom-Sozialarbeiterin mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung, Insolvenzberatung und Systemischer Familientherapie.
Frau Hagenhoff-Lang ist seit dem 01.01.2002 in der Schuldnerberatung tätig. Sie ist
für den Altkreis Minden zuständig. In Minden ist Frau Hagenhoff-Lang in der Hermannstraße an drei Tagen anzutreffen.
Heidrun Hofmann
ist Diplom-Betriebswirtin und Diplom-Sozialarbeiterin mit Zertifikatsfortbildungen in
Schuldnerberatung und Insolvenzberatung.
Frau Hofmann ist seit dem 01.08.1996 in der Schuldnerberatung tätig. Sie ist für die
Altkreise Minden und Lübbecke zuständig. Frau Hofmann ist an drei Tagen in Lübbecke und an zwei Tagen in Minden in der Hermannstraße anzutreffen.
Detlev Schewe
ist Diplom-Sozialpädagoge mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung und
Insolvenzberatung sowie einer Zertifikatsfortbildung „Betriebswirtschaft für soziale
Arbeit“.
Herr Schewe ist seit dem 01.04.1997 in der Schuldnerberatung tätig. Er ist für den
Altkreis Lübbecke und für Bad Oeynhausen zuständig. In Bad Oeynhausen im
Oeyn-Haus ist Herr Schewe zweimal wöchentlich anzutreffen.
Peter Sentker
ist Diplom-Sozialpädagoge mit Zertifikatsfortbildung in Schuldnerberatung und Insolvenzberatung.
Herr Sentker ist seit dem 01.07.2006 in der Schuldnerberatung tätig. Er ist für Espelkamp zuständig und im Büro am Schweidnitzer Weg an vier Tagen anzutreffen.
Die Stelle der Mitarbeiterin für Verwaltungstätigkeiten wurde zum 01.06.2015 neu
besetzt durch Daniela Stork, Industriekauffrau, die zunächst befristet als Elternzeitvertretung in Teilzeit tätig ist.
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
1. Vorwort
Die Zahl der beratenen Personen ist auch im Jahr 2015 mit 1.417 konstant geblieben und erneut konnten nicht alle Terminanfragen erfüllt werden. Die Zahl
der Beratungskontakte in den offenen Sprechstunden hat sich daher erheblich erhöht. Der Umfang, der von uns bearbeiteten Verbraucherinsolvenzverfahren, ist gegenüber dem Vorjahr wieder deutlich gestiegen – gegen den
bundesweiten Trend, der eine deutliche Abnahme der Insolvenzanträge verzeichnet.
Durch die Änderung unserer Terminvergabepraxis im Jahr 2014 (Termine für Erstgespräche werden jetzt fortlaufend vergeben), ist die Terminvergabe entspannter
geworden. Allerdings haben sich die Wartezeiten erhöht, was dazu führt, dass in
immer größerem Maße vereinbarte Ersttermin nicht wahrgenommen werden. Obwohl die Zahl der Ratsuchenden, die direkt auf Zuweisung der Arbeitsvermittlerinnen und -vermittler des Amtes proArbeit in die Beratung kommen, weiterhin erheblich unter der Zahl in früheren Jahren liegt, ist das zur Verfügung stehende Beratungskontingent, im Gegensatz zu 2014, voll ausgeschöpft worden. Das ergibt sich
durch die Zunahme der Anzahl der sogenannten Selbstmelder, also Leistungsbezieher, die aus eigenem Antrieb in die Beratung kommen. Häufig nutzen sie hierfür
die offenen Sprechstunden.
Näheres zu den Zahlen finden Sie unter Kapitel 2 des Jahresberichtes.
Im Jahr 2015 konnte die Schuldnerberatungsstelle der PariSozial MindenLübbecke/Herford auf ihr 30-jähriges Bestehen zurückblicken. Im 3. Kapitel des Jahresberichtes fassen wir die Entwicklung von 30 Jahren Schuldnerberatung im Kreis
Minden-Lübbecke inhaltlich und zahlenmäßig noch einmal zusammen und beschreiben den aktuellen Stand.
In der Fachöffentlichkeit wurde zwischenzeitlich neben den bisherigen Hauptursachen für Überschuldung auch die dauerhafte Einkommensarmut als weitere
wesentliche Ursache benannt. Entsprechend war das Thema der Aktionswoche der
Schuldnerberatung „Arm und überschuldet – trotz Arbeit“ im Juni 2015 der Zusammenhang zwischen prekärer Beschäftigung und Überschuldung. Über die Aktionswoche und das Thema berichten wir in Kapitel 4 des Jahresberichtes.
Im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. haben Prof. Dr.
Frauke Schwarting und Prof. Dr. Harald Ansen von der Hochschule für angewandte
Wissenschaften in Hamburg eine Metastudie zu den vorhandenen Wirksamkeitsstudien zur Schuldnerberatung vorgelegt, die sowohl die Problemlagen als auch die
Wirksamkeit von Schuldnerberatung sehr treffend beschreibt und Denkanstöße für
Veränderungen gibt. Mit freundlicher Genehmigung der BAG Schuldnerberatung
und der Autorin/des Autoren drucken wir im Anhang zum Jahresbericht die Zusammenfassung der Studie ab.
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
2. Statistischer Teil
a. Fallzahlen (per 31.12.2015)
Die Gesamtzahl der Beratungsfälle ist unverändert hoch (1.408 in 2014).
Die Verteilung zwischen Neu- und Alt-Fällen ergibt folgendes Bild:
Neu-Fälle
Alt-Fälle
(Kontakt
(Kontakt
in
vor
2015)
2015)
gesamt
=
=
749
668
1417
Im Einzelnen ergab sich folgende Fallstruktur:
Telefonberatungen, Offene Sprechstunde
Einmalige Beratungen
Beratungsfälle mit geringem Aufwand *
Beratungsfälle mit mittlerem Aufwand*
Beratungsfälle mit hohem Aufwand*
Beratungsfälle mit sehr hohem Aufwand*
Gesamtzahl:
431
306
135
326
166
53
1417
*Differenzierung nach Beratungskontakten und Verwaltungsaufwand bzw.
Drittpersonenkontakten
In der offenen Sprechstunde gab es an allen vier Standorten insgesamt
1080 Beratungskontakte. Das ist noch einmal eine deutliche Steigerung
um 26 % gegenüber 2014.
b. Weitere statistische Daten
Grundlage der nachfolgenden Angaben ist die statistische Auswertung von
986 Beratungsfällen (Fälle, in denen zumindest eine Einmalberatung stattgefunden
hat und in denen mittels Erfassungsbogen Daten wie Altersstruktur, Haushaltsstruktur und Einkommensstruktur erhoben wurden.) bzw. von 742 aktenkundigen Beratungsfälle (Zu den bereits erhobenen Daten wurden weitere Angaben wie die
Schuldenhöhe, Gläubigeranzahl und Ergebnisse der Beratungen dokumentiert).
Diese Zahlen erfassen nicht alle Ratsuchenden und spiegeln daher nicht die Struktur insgesamt wieder.
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Altersstruktur - Ratsuchende nach Alter in Prozent
älter als 60 Jahre;
9%
unter 20 Jahre;
2%
20 bis 30 Jahre;
23%
51 bis 60 Jahre;
18%
31 bis 40 Jahre;
23%
41 bis 50 Jahre;
25%
Der Anteil der Ratsuchenden zwischen 41 und 50 Jahren bildet nach wie vor den
größten Anteil. Allerdings hat der Anteil der Ratsuchenden zwischen 20 und 30 Jahren erheblich zugenommen, ebenfalls der Anteil an Ratsuchenden, die älter sind als
60 Jahre. Abgenommen hat dagegen der Anteil der 31-40jährigen sowie der Personen, die zwischen 41 und 50 Jahre alt sind.
Haushaltsstruktur - Ratsuchende nach Familienstand in Prozent
24%
alleinstehend
43%
alleinerziehend
17%
16%
verheiratet / eheähnl.
Lebensgemeinschaft
verheiratet / eheähnl.
Lebensgemeinsch. mit
Kindern
Der Anteil der Verheirateten/eheähnlichen Lebensgemeinschaften mit Kindern
nimmt, im Vergleich zum Vorjahr, wieder zu. Die Gruppe der Alleinerziehenden hingegen nimmt deutlich ab.
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Einkommensstruktur - Ratsuchende nach Einkommen in Prozent
Kein eigenes
Einkommen; 4%
Sonstiges
Einkommen; 6%
Grundsicherung;
3%
Rente; 10%
Arbeitslosengeld II;
31%
Erwerbseinkommen; 41%
Arbeitslosengeld I;
6%
Der Anteil der Ratsuchenden, die ausschließlich Arbeitslosengeld II beziehen, hat
deutlich abgenommen (2014: 37%)
Die Arbeitslosenquote sank zwar bundesweit in 2015 erneut und erreichte somit
einen Niedrigstand von 6,4%. Auffallend ist jedoch der anhaltend hohe Anteil von
Personen, die, obwohl sie Arbeitseinkommen erzielen, auf ALG-II-Leistungen angewiesen sind. Bundesweit betrifft das knapp 30% aller ALG-II-Bezieher. Von den
Ratsuchenden mit Erwerbseinkommen (40% = 397) unserer Beratungsstelle erhielten im Jahr 2015 immerhin 82 Ratsuchende (das sind 20,6% der erwerbstätigen
Ratsuchenden) aufstockende Arbeitslosengeld-II-Leistungen. Prekäre und unstete
Arbeitsverhältnisse müssen daher zukünftig stärker in den Blick genommen werden,
da hier ein hohes Überschuldungsrisiko besteht.
Von den Ratsuchenden mit Rente (10% = 98) erhielten 12 Ratsuchende aufstockende Grundsicherungsleistungen.
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Schuldenhöhe - Ratsuchende nach Schuldenhöhe in Prozent
30%
21%
19%
15%
9%
6%
bis 5 T€
6-15 T€
16-25 T€
26-50 T€
51-100 T€
mehr als 100
T€
Gläubigeranzahl - Ratsuchende nach Gläubigeranzahl in Prozent
41%
29%
15%
7%
1 - 5 Gläubiger
6 - 10
Gläubiger
11 - 15
Gläubiger
16 - 20
Gläubiger
8%
mehr als 20
Gläubiger
Bei der Schuldenhöhe zeigt sich, dass etwas mehr als die Hälfte der verschuldeten
Personen bis zu fünfzehntausend Euro Schulden haben. Der geringste Anteil, nur
6% haben mehr als einhunderttausend Euro Schulden.
Die meisten Schuldner, nämlich 41%, haben einen bis fünf Gläubiger. Ratsuchende,
die maximal zehn Gläubiger haben, machen sogar einen Anteil von 70% aus. Mehr
als 20 Gläubiger haben hingegen nur 8%.
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Ergebnisse der Beratungen
Der Schwerpunkt in der Arbeit der Schuldnerberatung liegt nach wie vor in der psychosozialen Beratung und der Entwicklung einer Entschuldungsperspektive.
Die Anzahl der ausgestellten P-Konto-Bescheinigungen hat im Berichtszeitraum
wieder deutlich zugelegt (2014 = 233 ausgestellte Bescheinigungen).
c. Beratung von ehemals Selbständigen
68 Ratsuchende waren ehemals selbständig. Das ist ein Rückgang von noch einmal
31 Ratsuchenden. Davon stellten 20 Ratsuchende einen Antrag zur Eröffnung des
Regelinsolvenzverfahrens für ehemals Selbständige.
12 Ratsuchende waren noch selbständig. Diese werden in Ausnahmefällen, und nur
wenn eine persönliche Notlage besteht, beraten. In den meisten Fällen steht das
Unternehmen kurz vor der Insolvenz.
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
d. Statistische Daten zur Insolvenzberatung
In der vorliegenden Jahresstatistik sind auch die Zahlen zu den InsOBeratungsfällen enthalten. Als InsO-Beratung werden wir diejenigen Fälle ausgewertet, in denen die beiden Hauptziele der Insolvenzordnung im Sinne des § 1 InsO
angestrebt waren:
 eine Schuldenbereinigung unter Einbeziehung aller Gläubiger auf der Grundlage eines Planes (gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger)
und
 Befreiung von den Restschulden
Die folgenden Zahlen beschreiben Umfang und Wirkung unserer Tätigkeit in diesem
Bereich:
In 257
Fällen wurde ein außergerichtlicher Einigungsversuch begonnen oder
durchgeführt (mit überwiegend hohem Aufwand / (2014 = 186 Fälle).
In
Fälle wurden in 2015 mit einer außergerichtlichen Einigung abgeschlossen.
23
In 199
Fällen konnte keine außergerichtliche Einigung erzielt werden.
In
Fällen haben die Ratsuchenden das Verfahren abgebrochen
(2014 = 25 Abbrüche).
35
In 153
Fällen wurde in 2015 ein Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt. Das bedeutet nach dem erheblichen Rückgang in 2014
(122 Anträge) wieder die Rückkehr zum Stand von 2013 (155 Anträge).
In
Fällen erfolgte ein gerichtlicher Vergleich (Schuldenbereinigungsplan).
2
In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher oder gerichtlicher Vergleich geschlossen werden konnte, unterstützten wir die Ratsuchenden in der Umsetzung der getroffenen Zahlungsvereinbarungen.
In den noch nicht abgeschlossenen Fällen wird die Beratung und Bearbeitung im
Jahr 2016 fortgesetzt.
Im Jahr 2015 wurden elf Informationsveranstaltungen zum Ablauf eines Verbraucherinsolvenzverfahrens durchgeführt (abwechselnd an den vier Standorten Bad
Oeynhausen, Lübbecke, Minden und Espelkamp). Es nahmen insgesamt 178 Ratsuchende an den Informationsveranstaltungen teil.
Die Nachfrage nach Verbraucherinsolvenzberatungen ist seit der Einführung im
Jahr 1999 gleichbleibend stark geblieben. Es bestehen nach wie vor Wartezeiten,
bis mit der Bearbeitung begonnen werden kann.
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
3. 30 Jahre Schuldnerberatung der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford
Im Mai 1985 hat die Schuldnerberatungsstelle beim damaligen „Verein für
freie Sozialarbeit e.V.“ ihre Arbeit aufgenommen. Das 25-jährige Jubiläum haben wir mit einem Festakt in den Räumen in der Simeonstraße in Minden gefeiert. Im Jahresbericht 2010 der Schuldnerberatung haben wir ausführlich
über die Entwicklung der Beratungsstelle berichtet. Im Jahr 2015 konnten wir
auf nun mehr 30 Jahre unserer Arbeit zurückblicken. Im Folgenden möchten
wir die zahlenmäßige Entwicklung der 30 Jahre noch einmal näher beleuchten
sowie die Veränderungen der Rahmenbedingungen und die Entwicklung in
den letzten fünf Jahren.
Der erste Jahresbericht der Schuldnerberatung im Jahr 1985 wies 70 Beratungsfälle
auf, bei einer Beratungsfachkraftstelle (ABM-Stelle). Durch die ansteigende Überschuldung privater Haushalte und die zunehmende Akzeptanz von Schuldnerberatung in der Öffentlichkeit und bei politischen Entscheidungsträgern konnte die Beratungsstelle in der Folgezeit kontinuierlich ausgebaut werden. 1986 kam eine zweite
Beratungsfachkraft hinzu und es wurden auch Sprechzeiten in Minden und Bad
Oeynhausen eingerichtet. Im Herbst 1996 konnte eine dritte Beratungsfachkraft eingestellt werden. Eine zusätzliche Ausweitung der Schuldnerberatungsstelle erfolgte
im Jahr 1999 durch das Inkrafttreten der Insolvenzordnung sowie die Einführung der
Verbraucherinsolvenz. Die nächste, und bislang letzte, Erweiterung kam im Jahr
2007 nach der Umsetzung der sogenannten Hartz-IV-Reformen und einer weiteren
Ausweitung der Kreismittel.
Die zahlenmäßige Entwicklung der Fallzahlen und der Schuldnerberatung und der
Insolvenzverfahren sind in der Tabelle auf Seite 15 dargestellt. Seit 2012 ist die Zahl
der Beratungsfälle mit etwa 1.400 Fällen weitgehend konstant. Eine weitere Steigerung der Fallzahlen ist mit den bestehenden Kapazitäten und mit den begrenzten
öffentlichen Mittel (s.u.) nicht möglich.
Die Situation 2015 stellte sich folgendermaßen dar:
In der Schuldnerberatung waren im Berichtszeitraum fünf Beratungsfachkräfte mit
vierkommazwei Vollzeitstellen sowie unsere Verwaltungsmitarbeiterin mit acht Wochenstunden tätig. In den letzten drei Jahren konnten wir auch einen Ehrenamtlichen in unsere Arbeit einbinden, der uns (insbesondere in Fällen problematischer
Baufinanzierung) eine große Hilfe war. Leider hat er seine Mitarbeit Ende 2015 aus
gesundheitlichen Gründen beendet.
Die Finanzierung ruhte auch weiterhin auf vier Säulen:
- Mittel des Kreises Minden-Lübbecke (ausschließlich für Schuldnerberatung),
die in der Summe begrenzt sind
- Mittel des Landes NRW (ausschließlich für Insolvenzberatung), aus denen
die Personalkosten für 1,5 Stellen maßgeblich bezuschusst werden, die jedoch keine Betriebskosten oder Sachkosten einschließen
- Zuwendungen aus dem Sparkassen-Fond, die ihre gesetzliche Grundlage im
Sparkassengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen haben
- sowie Eigenmitteln des Trägers
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Eine Kostenbeteiligung für Ratsuchende gibt es nur in sehr geringem Umfang, insbesondere als Sachkostenpauschale bei der Durchführung von Insolvenzverfahren.
Die PariSozial Minden-Lübbecke/Herford ist mit eigenen Büros an fast allen Tagen
der Woche in Lübbecke, Minden, Bad Oeynhausen und Espelkamp vertreten. An
jedem Standort gibt es mindestens eine offene Sprechstunde in der Woche, hinzukommen regelmäßige Telefonsprechstunden.
Die Terminvergabe für Erstgespräche wurde verändert. Die Termine werden nunmehr wieder laufend vergeben. Die Wartezeit für ein Erstgespräch beträgt rund
sechs Wochen. Von den Arbeitsvermittlerinnen und -vermittlern beim Kreis MindenLübbecke, Amt proArbeit werden deutlich seltener Ratsuchende zur Schuldnerberatung geschickt.
Die langen Wartezeiten auf Termine führen zu einer immer stärkeren Inanspruchnahme der offenen Sprechstunden (1.080 Kontakte), da oftmals nur hier die Möglichkeit besteht, dringende Probleme zeitnah zu besprechen. Allerdings zeigt sich
dabei auch eine Tendenz zur Unverbindlichkeit. Die Quote der Terminabsagen oder
–ausfällen, auch und gerade bei Erstgesprächen (ca. 25%), steigt ständig.
Verändert hat sich auch die Altersstruktur. Es kommen immer mehr junge Erwachsene unter 25 Jahren, zum Teil auch bereits unter 20 Jahren in die Beratung und
dies sind nicht nur Personen, die vom Amt proArbeit „geschickt“ werden. Die Verund Überschuldung beginnt immer früher, nicht verwunderlich, wenn man sich die
ständige Nötigung durch Werbung und die einfachen Zugänge zu Waren und
Dienstleistungen vor Augen führt bei gleichzeitiger Zunahme von nicht nur vorübergehender Einkommensarmut. Hinzu kommt in der Beratung eine zunehmende Zahl
überschuldeter junger Menschen, die sich sehr früh und oft unvorbereitet verselbständigt haben sowie Familienstrukturen, die immer öfter nicht mehr in der Lage
sind, ihre jungen Menschen in Notlagen aufzufangen. Von den Schuldnerinnen und
Schuldnern der „zweiten“ und teilweise auch „dritten“ Generation ganz zu schweigen…
Weiterhin führen wir jährlich 12 Informationsveranstaltungen über den Ablauf des
(Verbraucher-)Insolvenzverfahrens durch, die von durchschnittlich 15 Personen besucht werden.
Aus den vielen Veränderungen, im Laufe der 30 Jahren Schuldnerberatung, ragen
insbesondere drei heraus:
- die Einführung des Insolvenzverfahrens im Jahr 1999 und die folgenden Änderungen der Insolvenzordnung in 2001 bzw. 2014
- die Einführung des SGB II im Jahr 2005 (Hartz-IV-Reformen)
- die Einführung des Pfändungsschutzkontos im Jahr 2010
Durch das Insolvenzverfahren ist es für überschuldete Menschen möglich geworden, sich von ihren Schulden in sechs Jahren zu befreien (Die Möglichkeit der vorzeitigen Restschuldbefreiung nach drei Jahren spielt aufgrund der dafür notwendigen, hohen Quoten der Kostenbegleichung kaum eine Rolle im Beratungsalltag).
Damit ist eine wesentliche Verbesserung für die Ratsuchenden eingetreten, da
nunmehr eine Regulierung aller Schulden möglich ist.
Die Arbeit der Schuldnerberatung hat sich dadurch verändert: zum einen, und das
ist begrüßenswert, kann am Ende eines Beratungsprozesses tatsächlich die
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Schuldenfreiheit stehen und die Beratung dadurch einen weiteren sichtbaren Erfolg
bringen. Zum anderen, und das ist durchaus auch bedenklich, steht allzu häufig der
schnelle Erfolg, das Insolvenzverfahren im Mittelpunkt des Interesses und der Erwartung der Ratsuchenden. Eine nachhaltige Beratung, die auch die Suche nach
Ursachen und nach Wegen zu Verhaltensänderungen beinhaltet, ist teilweise nicht
mehr vermittelbar. Schuldnerberatung wird zudem durch das Insolvenzverfahren in
stärkerem Maße für Verfahrensdurchführung instrumentalisiert.
Das Gleiche gilt für die Veränderungen durch die Nennung der Zivilprozessordnung
(ZPO), die Einführung des Pfändungsschutzkontos (P-Konto) im Juli 2010. Hat eine
Schuldnerin/ein Schuldner das eigene Konto in ein P-Konto umgewandelt, kann
sie/er über das vorhandene Bankguthaben in Höhe eines monatlichen unpfändbaren Sockelbetrages von 1.073,88 € verfügen. Als anerkannte Stelle im Sinne des
§304 InsO sind die Schuldnerberatungsstellen berechtigt, durch eine Bescheinigung
diesen Sockelbetrag bei Vorliegen von Unterhaltsverpflichtungen um weitere Pauschalbeträge zu erhöhen. Die materielle Existenz und der Schutz vor sogenannten
„Kahlpfändung“ sind somit in der Regel gesichert. Neben einer weiteren Instrumentalisierung und einem zusätzlichen Aufwand und für die Schuldnerberatung, für den
es keine zusätzliche Vergütung gibt, besteht auch hier eine Tendenz, dass Schuldner sich in der Situation „einrichten“ und, über die Sicherung des Sockelbetrages
hinaus, keine Notwendigkeit sehen, sich ernsthaft mit ihrer Schuldensituation auseinanderzusetzen.
Weitaus erheblicher verändert hat sich die Arbeit der Schuldnerberatung durch die
Einführung des SGB II. Wurde Schuldnerberatung nach dem alten Sozialhilfegesetz
(§ 17 BSHG) als öffentliche Aufgabe für Alle gesehen, so ist sie durch die Einführung des SGB II formal-gesetzlich zu einer Methode und Intervention zum Ziel des
Abbaus von Vermittlungshemmnissen am Arbeitsmarkt geworden. Statt Pauschalfinanzierung (für alle Überschuldeten) gibt es nun die Bewilligung von und Abrechnung nach Fachleistungsstunden, bevorzugt für Empfänger von SGB II-Leistungen
oder Grundsicherung nach dem SGB XII. Überschuldete ohne entsprechende
Transferleistungen (Erwerbstätige, Geringverdiener, Rentner, etc.) können nur noch
im Umfang geringer Kontingente beraten werden, was zu langen Wartezeiten, gegebenenfalls auch zur Abweisung von Terminanfragen, führt.
Und wenn wir nicht bereits im Frühjahr beginnen würden, unsere Beratungskontingente zu planen und zu kontrollieren, könnten wir für diese Ratsuchende spätestens
im Herbst keine Beratung mehr anbieten.
Wie bereits im Vorwort erwähnt, hat sich bislang weder die bessere Beschäftigungslage am Arbeitsmarkt noch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns durch
einen Rückgang der Nachfrage nach Schuldnerberatung bemerkbar gemacht. Ein
großer Teil der neuen Arbeitsverhältnisse sind als prekäre Beschäftigungsverhältnisse anzusehen (z.B. befristete Verträge, Leiharbeit, geringe Bezahlung oder Teilzeit). Und auch 8,50 € Stundenlohn bieten selbst einem Alleinstehenden nicht die
Möglichkeit, Zahlungsverpflichtungen in vollem Umfang zu erfüllen.
Die große Zunahme von Asylsuchenden seit dem letzten Jahr hat sich in der
Schuldnerberatung bislang noch nicht ausgewirkt – aber auch hier ist anzunehmen,
dass es den Geschäftemachern gelingen wird, auch vielen dieser Menschen Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, die sie weder brauchen noch bezahlen
können…
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Beratene Personen / Haushalte
VerbraucherInsOVerfahren
davon
Erstkontakte
1985
1986
1987
1988
1989
1990
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
70
85
97
253
257
231
413
410
451
469
475
597
694
679
636
683
883
990
1.046
1.032
995
1.045
1.018
1.167
1.307
1.336
1.397
1.406
1.408
1.417
70
60
57
206
204
185
358
358
390
422
427
553
566
541
512
525
633
640
649
606
574
679
516
643
784
779
758
774
734
749
11
41
59
84
91
117
159
164
136
118
143
203
199
235
184
186
257
Gesamt:
22.947
14.952
2.387
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
4. „Arm und überschuldet – trotz Arbeit“ – bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung vom 15.06. – 19.06.2015
„Arm und überschuldet – trotz Arbeit“ war das Thema der bundesweiten Aktionswoche der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV) in 2015.
Auch in unserer Beratungsstelle ist festzustellen, dass immer mehr Ratsuchende in
prekären Beschäftigungsverhältnissen (z.B. Mini-Jobs, Teilzeitarbeit, Zeitarbeit) um
das finanzielle Überleben kämpfen. Grundlegende Arbeitnehmerrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Pausenzeiten und bezahlter Urlaub werden vorenthalten; es besteht keine Perspektive zur Verbesserung, von der schlechten Bezahlung
ganz abgesehen: ein Mindestlohn von 8,50 EUR ist nicht existenzsichernd. Es müssen daher häufig ergänzende Sozialleistungen (Arbeitslosengeld II, Wohngeld, Kinderzuschlag) bezogen werden.
Zu den fünf Hauptüberschuldungsgründen, den sogenannten „Big Five“, ist in den
letzten Jahren die dauerhafte Einkommensarmut, auch eine Folge von prekären
Beschäftigungsverhältnissen, dazugekommen. Im Jahr 2007 betrug der prozentuale
Anteil 4% und im Jahr 2015 bereits 10,5% (Institut für Finanzdienstleistungen,
Hamburg IFF 2015).
Arbeitslosigkeit 26,8%
Einkommensarmut 10,5%
Gescheiterte Selbständigkeit 10%
Trennung und Scheidung 9%
Irrationales Konsumverhalten 8,6%
Krankheit 7,7%
Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände begrüßt daher ausdrücklich, dass der geplante 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung einen
der Schwerpunkt auf die Betrachtung der Probleme von prekären Beschäftigungsverhältnissen legt.
Viele Ratsuchende pendeln mittlerweile zwischen prekären Beschäftigungsverhältnissen und SGB II–Bezugs; einige versuchen ihrer finanziellen Misere durch die
Ausübung mehrerer Jobs zu begegnen.
Der Schuldenreport 2015 des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen IFF
stellt fest, dass Ratsuchende mit dauerhaft unregelmäßigem und geringem Einkommen schneller in eine finanzielle Krise geraten. Bereits kleine, unvorhergesehene Ereignisse (Defekt der Waschmaschine, Reparaturen, Kautionszahlungen, Energienachzahlungen, usw.) bringen die finanziell sehr enge Situation ins Wanken.
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Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015
Wenn dann Schulden entstanden sind, ist es aus dem geringen Einkommen nicht
möglich, diese zu tilgen. „Arm und überschuldet – trotz Arbeit“ ist die Realität vieler
Ratsuchender in unseren Beratungsstellen.
Die AGSBV hat daher folgende Forderungen:
1. Anspruch auf Schuldnerberatung für Erwerbstätige
Wenn Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen überschuldet sind,
benötigen sie eine zeitnahe Beratung und Unterstützung, um nicht tiefer in
die Schuldenfalle zu geraten und das ohnehin unbeständige Arbeitsverhältnis
nicht zu gefährden. Durch die gedeckelte Finanzierung vieler Kommunen für
Erwerbstätige sind für diese Ratsuchenden nur sehr wenige Termine verfügbar. Auch diese Menschen brauchen einen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung.
2. Sozialleistungen bedarfsgerecht ausgestalten
Die Leistungen nach SGB II und SGB XII sind trotz der Erhöhungen nicht bedarfsdeckend. Sozialleistungen müssen bedarfsgerecht entwickelt werden.
Dies gilt insbesondere bei den Energiekosten. Der Anteil im Regelbedarf für
Energiekosten ist deutlich zu gering. Energieschulden sind dadurch vorprogrammiert. Die Ermittlung des Regelbedarfs für Haushaltsstrom ist gesondert
zu ermitteln und zeitnah anzupassen. Die Pauschalen für Heizenergie sind
vor Ort oftmals zu niedrig. Die Übernahme von Energieschulden sollte in
Form eines Darlehens abgesichert werden und das nicht nur ein Mal.
3. Einmalige Leistungen wieder einführen
Ratsuchende mit niedrigem Einkommen sind in der Regel nicht in der Lage,
größere Reparaturen oder Anschaffungen (Waschmaschine, Kühlschrank,
etc.) zu tätigen. Sie sind gezwungen, Finanzierungsangebote zu nutzen oder
ein Darlehen beim Jobcenter aufzunehmen. Die Rückzahlung sprengt das
ohnehin schon knappe Budget. Einmalige Beihilfen würden hier Abhilfe
schaffen.
4. Schuldner- und Budgetberatung für Ältere zusätzlich finanzieren
Durch unterbrochene Erwerbsbiographien und geringe Rentenzahlungen
deckt die Rente den Lebensunterhalt oft nicht mehr. Altersarmut und Überschuldung hat zugenommen. Hier gilt es, ein gutes Beratungsangebot vorzuhalten.
5. Mindestlohn regelmäßig überprüfen
Der gesetzliche Mindestlohn muss regelmäßig in seiner Höhe überprüft werden, damit er die gegenseitige Verstärkung von prekärer Beschäftigung, fehlender Tarifbindung und Niedriglohn durchbrechen kann. Seine Anwendung
muss kontrolliert und durchgesetzt werden.
(Quelle: Forderungspapier der AGSBV zur Aktionswoche 2015)
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5. Nachwort
Die Beratungsnachfrage wird sicherlich auch im nächsten Jahr ungebrochen sein,
da, wie auch der Überschuldungsreport des renommierten Institutes für Finanzdienstleistungen in Hamburg (iff) feststellt, „trotz boomenden Arbeitsmarktes kein
Rückgang der Überschuldung“ festzustellen ist.
Auch die Frage eines besseren Zuganges für Menschen, die nicht im SGB II- oder
SGB XII-Leistungsbezug sind, die sogenannten „Präventivfälle“, wird weiter thematisiert werden müssen, um dem Bedarf nach Beratung gerecht zu werden.
Das Thema der alljährlichen Aktionswoche der Schuldnerberatung im Jahr 2016
lautet: „SCHULDEN MACHEN KRANKheit macht Schulden“. Auch wir stellen in unserem Beratungsalltag zunehmend den Zusammenhang zwischen Verschuldung
und Krankheit fest. Einerseits sind Krankheit, Sucht oder Erwerbsminderung eine
häufige Ursache und Auslöser von Schulden, andererseits können erhebliche psychische Belastungen und andere Krankheitssymptome in Folge von Überschuldung
entstehen. Immer häufiger kommen zudem Menschen durch die Vermittlung oder in
Begleitung von anderen sozialen Diensten oder Betreuungseinrichtungen zu uns.
Wir werden uns mit einem eigenen Beitrag an der Aktionswoche beteiligen und im
nächsten Jahresbericht über das Thema informieren.
Die Bundesregierung hatte sich im Jahr 2015 mit mindestens zwei Vorgaben der EU
zu beschäftigen, die erhebliche Auswirkungen auf Schuldner und Verbraucher allgemein, sowie auch auf die Arbeit der Schuldnerberatung haben werden:
- Zum einen geht es um die EU-Richtlinie aus Februar 2014 zur „Wohnimmobilienkreditrichtlinie“, die bis zum 21.03.2016 in deutsches Recht umzusetzen
war. Die Bundesregierung hat dazu am 15.07.2015 einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem, und hier wird es für die Schuldner(-beratung) interessant,
auch Regelung zum Umgang mit dauerhafter Kontoüberziehung, Beratungspflicht der Kreditinstitute bei dauerhafter Kontoüberziehung und der Pflicht
zur Kreditwürdigkeitsprüfung geht.
- Zum anderen geht es um die sogenannte „Zahlungskontenrichtlinie“ der EU
aus 2014, die bis zum 18.09.2016 in deutsches Recht umzusetzen ist. Die
Bundesregierung hat dazu ebenfalls in 2015 einen Gesetzentwurf vorgelegt.
In dem zu verabschiedenden Gesetz wird unter anderem das Recht auf ein
Basiskonto für jede Person, die sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhält, geregelt. Dies gilt also auch für Menschen, die bisher mangels festen
Wohnsitzes oder Ausweispapieren von einer Kontoeröffnung ausgeschlossen
waren.
Beide Gesetze sind bereits verabschiedet worden. Wir werden im nächsten Jahresbericht auf die Inhalte der Gesetze und erste Erfahrungen in der praktischen Umsetzung eingehen.
Stand: Juni 2016
Wir danken für Ihr Interesse an unserer Arbeit und den aktuellen Neuerungen!
Die PariSozial Minden-Lübbecke/Herford gGmbH
Das Team der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle
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