Jahresbericht PariSozial Schuldnerberatung 2015
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Jahresbericht PariSozial Schuldnerberatung 2015
Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 3339 JAHRESBERICHT DER SCHULDNER- UND INSOLVENZBERATUNG 2015 PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 1 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle G e s c h ä f t s s t e l l e: Bahnhofstraße 27 – 29 (Treffpunkt PariSozial) 32312 L ü b b e c k e Telefon: 0 57 41/34 24-0 Telefax: 0 57 41/34 24-25 Beratungszeiten: (jeweils nach vorheriger Terminvereinbarung) Lübbecke: Bahnhofstraße 27 (Treffpunkt PariSozial) (Montag bis Freitag) Minden: Hermannstraße 4 (Montag bis Freitag) Bad Oeynhausen: Tannenbergstraße 23 (Oeyn-Haus) (Mittwoch und Donnerstag) Espelkamp: Schweidnitzer Weg 19 (Montag bis Freitag; außer Dienstag) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Jan Fischer (Schuldnerberater Lübbecke und Espelkamp) Ruth Hagenhoff-Lang (Schuldnerberaterin Minden) Heidrun Hofmann (Schuldnerberaterin Minden und Lübbecke) Detlev Schewe (Schuldnerberater Lübbecke und Bad Oeynhausen) Peter Sentker (Schuldnerberater Espelkamp) Jutta Bockholdt Daniela Stork (Sachbearbeiterinnen) PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 2 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Inhaltsverzeichnis Seite Personalsituation 4 1. Vorwort 5 2. Statistischer Teil 6 a. Fallzahlen 6 b. Weitere statistische Daten 6 c. Beratung von ehemals Selbständigen 10 d. Statistische Daten zur Insolvenzberatung 11 3. 30 Jahre Schuldnerberatung der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford 12 4. Bundesweite Aktionswoche 2015 der Schuldnerberatung „Arm und überschuldet – trotz Arbeit“ 16 Nachwort 18 5. Anhang: „Werthaltigkeit und Nachhaltigkeit von Sozialer Schuldner- und Insolvenzberatung“ -Eine Metastudie empirischer Arbeiten- PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 3 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Personalsituation Die Schuldnerberatungsstelle der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford gGmbH arbeitete im Berichtsjahr 2015 mit einem Team von fünf Beratungskräften und einer Verwaltungskraft in Teilzeit. Jan Fischer ist Diplom-Sozialarbeiter mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung und Insolvenzberatung. Herr Fischer ist seit dem 01.04.1999 in der Schuldnerberatung tätig. Er ist für den Altkreis Lübbecke zuständig. Herr Fischer ist in Lübbecke von montags bis freitags anzutreffen. Ruth Hagenhoff-Lang ist Diplom-Sozialarbeiterin mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung, Insolvenzberatung und Systemischer Familientherapie. Frau Hagenhoff-Lang ist seit dem 01.01.2002 in der Schuldnerberatung tätig. Sie ist für den Altkreis Minden zuständig. In Minden ist Frau Hagenhoff-Lang in der Hermannstraße an drei Tagen anzutreffen. Heidrun Hofmann ist Diplom-Betriebswirtin und Diplom-Sozialarbeiterin mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung und Insolvenzberatung. Frau Hofmann ist seit dem 01.08.1996 in der Schuldnerberatung tätig. Sie ist für die Altkreise Minden und Lübbecke zuständig. Frau Hofmann ist an drei Tagen in Lübbecke und an zwei Tagen in Minden in der Hermannstraße anzutreffen. Detlev Schewe ist Diplom-Sozialpädagoge mit Zertifikatsfortbildungen in Schuldnerberatung und Insolvenzberatung sowie einer Zertifikatsfortbildung „Betriebswirtschaft für soziale Arbeit“. Herr Schewe ist seit dem 01.04.1997 in der Schuldnerberatung tätig. Er ist für den Altkreis Lübbecke und für Bad Oeynhausen zuständig. In Bad Oeynhausen im Oeyn-Haus ist Herr Schewe zweimal wöchentlich anzutreffen. Peter Sentker ist Diplom-Sozialpädagoge mit Zertifikatsfortbildung in Schuldnerberatung und Insolvenzberatung. Herr Sentker ist seit dem 01.07.2006 in der Schuldnerberatung tätig. Er ist für Espelkamp zuständig und im Büro am Schweidnitzer Weg an vier Tagen anzutreffen. Die Stelle der Mitarbeiterin für Verwaltungstätigkeiten wurde zum 01.06.2015 neu besetzt durch Daniela Stork, Industriekauffrau, die zunächst befristet als Elternzeitvertretung in Teilzeit tätig ist. PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 4 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 1. Vorwort Die Zahl der beratenen Personen ist auch im Jahr 2015 mit 1.417 konstant geblieben und erneut konnten nicht alle Terminanfragen erfüllt werden. Die Zahl der Beratungskontakte in den offenen Sprechstunden hat sich daher erheblich erhöht. Der Umfang, der von uns bearbeiteten Verbraucherinsolvenzverfahren, ist gegenüber dem Vorjahr wieder deutlich gestiegen – gegen den bundesweiten Trend, der eine deutliche Abnahme der Insolvenzanträge verzeichnet. Durch die Änderung unserer Terminvergabepraxis im Jahr 2014 (Termine für Erstgespräche werden jetzt fortlaufend vergeben), ist die Terminvergabe entspannter geworden. Allerdings haben sich die Wartezeiten erhöht, was dazu führt, dass in immer größerem Maße vereinbarte Ersttermin nicht wahrgenommen werden. Obwohl die Zahl der Ratsuchenden, die direkt auf Zuweisung der Arbeitsvermittlerinnen und -vermittler des Amtes proArbeit in die Beratung kommen, weiterhin erheblich unter der Zahl in früheren Jahren liegt, ist das zur Verfügung stehende Beratungskontingent, im Gegensatz zu 2014, voll ausgeschöpft worden. Das ergibt sich durch die Zunahme der Anzahl der sogenannten Selbstmelder, also Leistungsbezieher, die aus eigenem Antrieb in die Beratung kommen. Häufig nutzen sie hierfür die offenen Sprechstunden. Näheres zu den Zahlen finden Sie unter Kapitel 2 des Jahresberichtes. Im Jahr 2015 konnte die Schuldnerberatungsstelle der PariSozial MindenLübbecke/Herford auf ihr 30-jähriges Bestehen zurückblicken. Im 3. Kapitel des Jahresberichtes fassen wir die Entwicklung von 30 Jahren Schuldnerberatung im Kreis Minden-Lübbecke inhaltlich und zahlenmäßig noch einmal zusammen und beschreiben den aktuellen Stand. In der Fachöffentlichkeit wurde zwischenzeitlich neben den bisherigen Hauptursachen für Überschuldung auch die dauerhafte Einkommensarmut als weitere wesentliche Ursache benannt. Entsprechend war das Thema der Aktionswoche der Schuldnerberatung „Arm und überschuldet – trotz Arbeit“ im Juni 2015 der Zusammenhang zwischen prekärer Beschäftigung und Überschuldung. Über die Aktionswoche und das Thema berichten wir in Kapitel 4 des Jahresberichtes. Im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. haben Prof. Dr. Frauke Schwarting und Prof. Dr. Harald Ansen von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg eine Metastudie zu den vorhandenen Wirksamkeitsstudien zur Schuldnerberatung vorgelegt, die sowohl die Problemlagen als auch die Wirksamkeit von Schuldnerberatung sehr treffend beschreibt und Denkanstöße für Veränderungen gibt. Mit freundlicher Genehmigung der BAG Schuldnerberatung und der Autorin/des Autoren drucken wir im Anhang zum Jahresbericht die Zusammenfassung der Studie ab. PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 5 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 2. Statistischer Teil a. Fallzahlen (per 31.12.2015) Die Gesamtzahl der Beratungsfälle ist unverändert hoch (1.408 in 2014). Die Verteilung zwischen Neu- und Alt-Fällen ergibt folgendes Bild: Neu-Fälle Alt-Fälle (Kontakt (Kontakt in vor 2015) 2015) gesamt = = 749 668 1417 Im Einzelnen ergab sich folgende Fallstruktur: Telefonberatungen, Offene Sprechstunde Einmalige Beratungen Beratungsfälle mit geringem Aufwand * Beratungsfälle mit mittlerem Aufwand* Beratungsfälle mit hohem Aufwand* Beratungsfälle mit sehr hohem Aufwand* Gesamtzahl: 431 306 135 326 166 53 1417 *Differenzierung nach Beratungskontakten und Verwaltungsaufwand bzw. Drittpersonenkontakten In der offenen Sprechstunde gab es an allen vier Standorten insgesamt 1080 Beratungskontakte. Das ist noch einmal eine deutliche Steigerung um 26 % gegenüber 2014. b. Weitere statistische Daten Grundlage der nachfolgenden Angaben ist die statistische Auswertung von 986 Beratungsfällen (Fälle, in denen zumindest eine Einmalberatung stattgefunden hat und in denen mittels Erfassungsbogen Daten wie Altersstruktur, Haushaltsstruktur und Einkommensstruktur erhoben wurden.) bzw. von 742 aktenkundigen Beratungsfälle (Zu den bereits erhobenen Daten wurden weitere Angaben wie die Schuldenhöhe, Gläubigeranzahl und Ergebnisse der Beratungen dokumentiert). Diese Zahlen erfassen nicht alle Ratsuchenden und spiegeln daher nicht die Struktur insgesamt wieder. PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 6 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Altersstruktur - Ratsuchende nach Alter in Prozent älter als 60 Jahre; 9% unter 20 Jahre; 2% 20 bis 30 Jahre; 23% 51 bis 60 Jahre; 18% 31 bis 40 Jahre; 23% 41 bis 50 Jahre; 25% Der Anteil der Ratsuchenden zwischen 41 und 50 Jahren bildet nach wie vor den größten Anteil. Allerdings hat der Anteil der Ratsuchenden zwischen 20 und 30 Jahren erheblich zugenommen, ebenfalls der Anteil an Ratsuchenden, die älter sind als 60 Jahre. Abgenommen hat dagegen der Anteil der 31-40jährigen sowie der Personen, die zwischen 41 und 50 Jahre alt sind. Haushaltsstruktur - Ratsuchende nach Familienstand in Prozent 24% alleinstehend 43% alleinerziehend 17% 16% verheiratet / eheähnl. Lebensgemeinschaft verheiratet / eheähnl. Lebensgemeinsch. mit Kindern Der Anteil der Verheirateten/eheähnlichen Lebensgemeinschaften mit Kindern nimmt, im Vergleich zum Vorjahr, wieder zu. Die Gruppe der Alleinerziehenden hingegen nimmt deutlich ab. PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 7 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Einkommensstruktur - Ratsuchende nach Einkommen in Prozent Kein eigenes Einkommen; 4% Sonstiges Einkommen; 6% Grundsicherung; 3% Rente; 10% Arbeitslosengeld II; 31% Erwerbseinkommen; 41% Arbeitslosengeld I; 6% Der Anteil der Ratsuchenden, die ausschließlich Arbeitslosengeld II beziehen, hat deutlich abgenommen (2014: 37%) Die Arbeitslosenquote sank zwar bundesweit in 2015 erneut und erreichte somit einen Niedrigstand von 6,4%. Auffallend ist jedoch der anhaltend hohe Anteil von Personen, die, obwohl sie Arbeitseinkommen erzielen, auf ALG-II-Leistungen angewiesen sind. Bundesweit betrifft das knapp 30% aller ALG-II-Bezieher. Von den Ratsuchenden mit Erwerbseinkommen (40% = 397) unserer Beratungsstelle erhielten im Jahr 2015 immerhin 82 Ratsuchende (das sind 20,6% der erwerbstätigen Ratsuchenden) aufstockende Arbeitslosengeld-II-Leistungen. Prekäre und unstete Arbeitsverhältnisse müssen daher zukünftig stärker in den Blick genommen werden, da hier ein hohes Überschuldungsrisiko besteht. Von den Ratsuchenden mit Rente (10% = 98) erhielten 12 Ratsuchende aufstockende Grundsicherungsleistungen. PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 8 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Schuldenhöhe - Ratsuchende nach Schuldenhöhe in Prozent 30% 21% 19% 15% 9% 6% bis 5 T€ 6-15 T€ 16-25 T€ 26-50 T€ 51-100 T€ mehr als 100 T€ Gläubigeranzahl - Ratsuchende nach Gläubigeranzahl in Prozent 41% 29% 15% 7% 1 - 5 Gläubiger 6 - 10 Gläubiger 11 - 15 Gläubiger 16 - 20 Gläubiger 8% mehr als 20 Gläubiger Bei der Schuldenhöhe zeigt sich, dass etwas mehr als die Hälfte der verschuldeten Personen bis zu fünfzehntausend Euro Schulden haben. Der geringste Anteil, nur 6% haben mehr als einhunderttausend Euro Schulden. Die meisten Schuldner, nämlich 41%, haben einen bis fünf Gläubiger. Ratsuchende, die maximal zehn Gläubiger haben, machen sogar einen Anteil von 70% aus. Mehr als 20 Gläubiger haben hingegen nur 8%. PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 9 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Ergebnisse der Beratungen Der Schwerpunkt in der Arbeit der Schuldnerberatung liegt nach wie vor in der psychosozialen Beratung und der Entwicklung einer Entschuldungsperspektive. Die Anzahl der ausgestellten P-Konto-Bescheinigungen hat im Berichtszeitraum wieder deutlich zugelegt (2014 = 233 ausgestellte Bescheinigungen). c. Beratung von ehemals Selbständigen 68 Ratsuchende waren ehemals selbständig. Das ist ein Rückgang von noch einmal 31 Ratsuchenden. Davon stellten 20 Ratsuchende einen Antrag zur Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens für ehemals Selbständige. 12 Ratsuchende waren noch selbständig. Diese werden in Ausnahmefällen, und nur wenn eine persönliche Notlage besteht, beraten. In den meisten Fällen steht das Unternehmen kurz vor der Insolvenz. PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 10 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 d. Statistische Daten zur Insolvenzberatung In der vorliegenden Jahresstatistik sind auch die Zahlen zu den InsOBeratungsfällen enthalten. Als InsO-Beratung werden wir diejenigen Fälle ausgewertet, in denen die beiden Hauptziele der Insolvenzordnung im Sinne des § 1 InsO angestrebt waren: eine Schuldenbereinigung unter Einbeziehung aller Gläubiger auf der Grundlage eines Planes (gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger) und Befreiung von den Restschulden Die folgenden Zahlen beschreiben Umfang und Wirkung unserer Tätigkeit in diesem Bereich: In 257 Fällen wurde ein außergerichtlicher Einigungsversuch begonnen oder durchgeführt (mit überwiegend hohem Aufwand / (2014 = 186 Fälle). In Fälle wurden in 2015 mit einer außergerichtlichen Einigung abgeschlossen. 23 In 199 Fällen konnte keine außergerichtliche Einigung erzielt werden. In Fällen haben die Ratsuchenden das Verfahren abgebrochen (2014 = 25 Abbrüche). 35 In 153 Fällen wurde in 2015 ein Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt. Das bedeutet nach dem erheblichen Rückgang in 2014 (122 Anträge) wieder die Rückkehr zum Stand von 2013 (155 Anträge). In Fällen erfolgte ein gerichtlicher Vergleich (Schuldenbereinigungsplan). 2 In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher oder gerichtlicher Vergleich geschlossen werden konnte, unterstützten wir die Ratsuchenden in der Umsetzung der getroffenen Zahlungsvereinbarungen. In den noch nicht abgeschlossenen Fällen wird die Beratung und Bearbeitung im Jahr 2016 fortgesetzt. Im Jahr 2015 wurden elf Informationsveranstaltungen zum Ablauf eines Verbraucherinsolvenzverfahrens durchgeführt (abwechselnd an den vier Standorten Bad Oeynhausen, Lübbecke, Minden und Espelkamp). Es nahmen insgesamt 178 Ratsuchende an den Informationsveranstaltungen teil. Die Nachfrage nach Verbraucherinsolvenzberatungen ist seit der Einführung im Jahr 1999 gleichbleibend stark geblieben. Es bestehen nach wie vor Wartezeiten, bis mit der Bearbeitung begonnen werden kann. PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 11 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 3. 30 Jahre Schuldnerberatung der PariSozial Minden-Lübbecke/Herford Im Mai 1985 hat die Schuldnerberatungsstelle beim damaligen „Verein für freie Sozialarbeit e.V.“ ihre Arbeit aufgenommen. Das 25-jährige Jubiläum haben wir mit einem Festakt in den Räumen in der Simeonstraße in Minden gefeiert. Im Jahresbericht 2010 der Schuldnerberatung haben wir ausführlich über die Entwicklung der Beratungsstelle berichtet. Im Jahr 2015 konnten wir auf nun mehr 30 Jahre unserer Arbeit zurückblicken. Im Folgenden möchten wir die zahlenmäßige Entwicklung der 30 Jahre noch einmal näher beleuchten sowie die Veränderungen der Rahmenbedingungen und die Entwicklung in den letzten fünf Jahren. Der erste Jahresbericht der Schuldnerberatung im Jahr 1985 wies 70 Beratungsfälle auf, bei einer Beratungsfachkraftstelle (ABM-Stelle). Durch die ansteigende Überschuldung privater Haushalte und die zunehmende Akzeptanz von Schuldnerberatung in der Öffentlichkeit und bei politischen Entscheidungsträgern konnte die Beratungsstelle in der Folgezeit kontinuierlich ausgebaut werden. 1986 kam eine zweite Beratungsfachkraft hinzu und es wurden auch Sprechzeiten in Minden und Bad Oeynhausen eingerichtet. Im Herbst 1996 konnte eine dritte Beratungsfachkraft eingestellt werden. Eine zusätzliche Ausweitung der Schuldnerberatungsstelle erfolgte im Jahr 1999 durch das Inkrafttreten der Insolvenzordnung sowie die Einführung der Verbraucherinsolvenz. Die nächste, und bislang letzte, Erweiterung kam im Jahr 2007 nach der Umsetzung der sogenannten Hartz-IV-Reformen und einer weiteren Ausweitung der Kreismittel. Die zahlenmäßige Entwicklung der Fallzahlen und der Schuldnerberatung und der Insolvenzverfahren sind in der Tabelle auf Seite 15 dargestellt. Seit 2012 ist die Zahl der Beratungsfälle mit etwa 1.400 Fällen weitgehend konstant. Eine weitere Steigerung der Fallzahlen ist mit den bestehenden Kapazitäten und mit den begrenzten öffentlichen Mittel (s.u.) nicht möglich. Die Situation 2015 stellte sich folgendermaßen dar: In der Schuldnerberatung waren im Berichtszeitraum fünf Beratungsfachkräfte mit vierkommazwei Vollzeitstellen sowie unsere Verwaltungsmitarbeiterin mit acht Wochenstunden tätig. In den letzten drei Jahren konnten wir auch einen Ehrenamtlichen in unsere Arbeit einbinden, der uns (insbesondere in Fällen problematischer Baufinanzierung) eine große Hilfe war. Leider hat er seine Mitarbeit Ende 2015 aus gesundheitlichen Gründen beendet. Die Finanzierung ruhte auch weiterhin auf vier Säulen: - Mittel des Kreises Minden-Lübbecke (ausschließlich für Schuldnerberatung), die in der Summe begrenzt sind - Mittel des Landes NRW (ausschließlich für Insolvenzberatung), aus denen die Personalkosten für 1,5 Stellen maßgeblich bezuschusst werden, die jedoch keine Betriebskosten oder Sachkosten einschließen - Zuwendungen aus dem Sparkassen-Fond, die ihre gesetzliche Grundlage im Sparkassengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen haben - sowie Eigenmitteln des Trägers PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 12 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Eine Kostenbeteiligung für Ratsuchende gibt es nur in sehr geringem Umfang, insbesondere als Sachkostenpauschale bei der Durchführung von Insolvenzverfahren. Die PariSozial Minden-Lübbecke/Herford ist mit eigenen Büros an fast allen Tagen der Woche in Lübbecke, Minden, Bad Oeynhausen und Espelkamp vertreten. An jedem Standort gibt es mindestens eine offene Sprechstunde in der Woche, hinzukommen regelmäßige Telefonsprechstunden. Die Terminvergabe für Erstgespräche wurde verändert. Die Termine werden nunmehr wieder laufend vergeben. Die Wartezeit für ein Erstgespräch beträgt rund sechs Wochen. Von den Arbeitsvermittlerinnen und -vermittlern beim Kreis MindenLübbecke, Amt proArbeit werden deutlich seltener Ratsuchende zur Schuldnerberatung geschickt. Die langen Wartezeiten auf Termine führen zu einer immer stärkeren Inanspruchnahme der offenen Sprechstunden (1.080 Kontakte), da oftmals nur hier die Möglichkeit besteht, dringende Probleme zeitnah zu besprechen. Allerdings zeigt sich dabei auch eine Tendenz zur Unverbindlichkeit. Die Quote der Terminabsagen oder –ausfällen, auch und gerade bei Erstgesprächen (ca. 25%), steigt ständig. Verändert hat sich auch die Altersstruktur. Es kommen immer mehr junge Erwachsene unter 25 Jahren, zum Teil auch bereits unter 20 Jahren in die Beratung und dies sind nicht nur Personen, die vom Amt proArbeit „geschickt“ werden. Die Verund Überschuldung beginnt immer früher, nicht verwunderlich, wenn man sich die ständige Nötigung durch Werbung und die einfachen Zugänge zu Waren und Dienstleistungen vor Augen führt bei gleichzeitiger Zunahme von nicht nur vorübergehender Einkommensarmut. Hinzu kommt in der Beratung eine zunehmende Zahl überschuldeter junger Menschen, die sich sehr früh und oft unvorbereitet verselbständigt haben sowie Familienstrukturen, die immer öfter nicht mehr in der Lage sind, ihre jungen Menschen in Notlagen aufzufangen. Von den Schuldnerinnen und Schuldnern der „zweiten“ und teilweise auch „dritten“ Generation ganz zu schweigen… Weiterhin führen wir jährlich 12 Informationsveranstaltungen über den Ablauf des (Verbraucher-)Insolvenzverfahrens durch, die von durchschnittlich 15 Personen besucht werden. Aus den vielen Veränderungen, im Laufe der 30 Jahren Schuldnerberatung, ragen insbesondere drei heraus: - die Einführung des Insolvenzverfahrens im Jahr 1999 und die folgenden Änderungen der Insolvenzordnung in 2001 bzw. 2014 - die Einführung des SGB II im Jahr 2005 (Hartz-IV-Reformen) - die Einführung des Pfändungsschutzkontos im Jahr 2010 Durch das Insolvenzverfahren ist es für überschuldete Menschen möglich geworden, sich von ihren Schulden in sechs Jahren zu befreien (Die Möglichkeit der vorzeitigen Restschuldbefreiung nach drei Jahren spielt aufgrund der dafür notwendigen, hohen Quoten der Kostenbegleichung kaum eine Rolle im Beratungsalltag). Damit ist eine wesentliche Verbesserung für die Ratsuchenden eingetreten, da nunmehr eine Regulierung aller Schulden möglich ist. Die Arbeit der Schuldnerberatung hat sich dadurch verändert: zum einen, und das ist begrüßenswert, kann am Ende eines Beratungsprozesses tatsächlich die PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 13 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Schuldenfreiheit stehen und die Beratung dadurch einen weiteren sichtbaren Erfolg bringen. Zum anderen, und das ist durchaus auch bedenklich, steht allzu häufig der schnelle Erfolg, das Insolvenzverfahren im Mittelpunkt des Interesses und der Erwartung der Ratsuchenden. Eine nachhaltige Beratung, die auch die Suche nach Ursachen und nach Wegen zu Verhaltensänderungen beinhaltet, ist teilweise nicht mehr vermittelbar. Schuldnerberatung wird zudem durch das Insolvenzverfahren in stärkerem Maße für Verfahrensdurchführung instrumentalisiert. Das Gleiche gilt für die Veränderungen durch die Nennung der Zivilprozessordnung (ZPO), die Einführung des Pfändungsschutzkontos (P-Konto) im Juli 2010. Hat eine Schuldnerin/ein Schuldner das eigene Konto in ein P-Konto umgewandelt, kann sie/er über das vorhandene Bankguthaben in Höhe eines monatlichen unpfändbaren Sockelbetrages von 1.073,88 € verfügen. Als anerkannte Stelle im Sinne des §304 InsO sind die Schuldnerberatungsstellen berechtigt, durch eine Bescheinigung diesen Sockelbetrag bei Vorliegen von Unterhaltsverpflichtungen um weitere Pauschalbeträge zu erhöhen. Die materielle Existenz und der Schutz vor sogenannten „Kahlpfändung“ sind somit in der Regel gesichert. Neben einer weiteren Instrumentalisierung und einem zusätzlichen Aufwand und für die Schuldnerberatung, für den es keine zusätzliche Vergütung gibt, besteht auch hier eine Tendenz, dass Schuldner sich in der Situation „einrichten“ und, über die Sicherung des Sockelbetrages hinaus, keine Notwendigkeit sehen, sich ernsthaft mit ihrer Schuldensituation auseinanderzusetzen. Weitaus erheblicher verändert hat sich die Arbeit der Schuldnerberatung durch die Einführung des SGB II. Wurde Schuldnerberatung nach dem alten Sozialhilfegesetz (§ 17 BSHG) als öffentliche Aufgabe für Alle gesehen, so ist sie durch die Einführung des SGB II formal-gesetzlich zu einer Methode und Intervention zum Ziel des Abbaus von Vermittlungshemmnissen am Arbeitsmarkt geworden. Statt Pauschalfinanzierung (für alle Überschuldeten) gibt es nun die Bewilligung von und Abrechnung nach Fachleistungsstunden, bevorzugt für Empfänger von SGB II-Leistungen oder Grundsicherung nach dem SGB XII. Überschuldete ohne entsprechende Transferleistungen (Erwerbstätige, Geringverdiener, Rentner, etc.) können nur noch im Umfang geringer Kontingente beraten werden, was zu langen Wartezeiten, gegebenenfalls auch zur Abweisung von Terminanfragen, führt. Und wenn wir nicht bereits im Frühjahr beginnen würden, unsere Beratungskontingente zu planen und zu kontrollieren, könnten wir für diese Ratsuchende spätestens im Herbst keine Beratung mehr anbieten. Wie bereits im Vorwort erwähnt, hat sich bislang weder die bessere Beschäftigungslage am Arbeitsmarkt noch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns durch einen Rückgang der Nachfrage nach Schuldnerberatung bemerkbar gemacht. Ein großer Teil der neuen Arbeitsverhältnisse sind als prekäre Beschäftigungsverhältnisse anzusehen (z.B. befristete Verträge, Leiharbeit, geringe Bezahlung oder Teilzeit). Und auch 8,50 € Stundenlohn bieten selbst einem Alleinstehenden nicht die Möglichkeit, Zahlungsverpflichtungen in vollem Umfang zu erfüllen. Die große Zunahme von Asylsuchenden seit dem letzten Jahr hat sich in der Schuldnerberatung bislang noch nicht ausgewirkt – aber auch hier ist anzunehmen, dass es den Geschäftemachern gelingen wird, auch vielen dieser Menschen Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, die sie weder brauchen noch bezahlen können… PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 14 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Beratene Personen / Haushalte VerbraucherInsOVerfahren davon Erstkontakte 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 70 85 97 253 257 231 413 410 451 469 475 597 694 679 636 683 883 990 1.046 1.032 995 1.045 1.018 1.167 1.307 1.336 1.397 1.406 1.408 1.417 70 60 57 206 204 185 358 358 390 422 427 553 566 541 512 525 633 640 649 606 574 679 516 643 784 779 758 774 734 749 11 41 59 84 91 117 159 164 136 118 143 203 199 235 184 186 257 Gesamt: 22.947 14.952 2.387 PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 15 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 4. „Arm und überschuldet – trotz Arbeit“ – bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung vom 15.06. – 19.06.2015 „Arm und überschuldet – trotz Arbeit“ war das Thema der bundesweiten Aktionswoche der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV) in 2015. Auch in unserer Beratungsstelle ist festzustellen, dass immer mehr Ratsuchende in prekären Beschäftigungsverhältnissen (z.B. Mini-Jobs, Teilzeitarbeit, Zeitarbeit) um das finanzielle Überleben kämpfen. Grundlegende Arbeitnehmerrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Pausenzeiten und bezahlter Urlaub werden vorenthalten; es besteht keine Perspektive zur Verbesserung, von der schlechten Bezahlung ganz abgesehen: ein Mindestlohn von 8,50 EUR ist nicht existenzsichernd. Es müssen daher häufig ergänzende Sozialleistungen (Arbeitslosengeld II, Wohngeld, Kinderzuschlag) bezogen werden. Zu den fünf Hauptüberschuldungsgründen, den sogenannten „Big Five“, ist in den letzten Jahren die dauerhafte Einkommensarmut, auch eine Folge von prekären Beschäftigungsverhältnissen, dazugekommen. Im Jahr 2007 betrug der prozentuale Anteil 4% und im Jahr 2015 bereits 10,5% (Institut für Finanzdienstleistungen, Hamburg IFF 2015). Arbeitslosigkeit 26,8% Einkommensarmut 10,5% Gescheiterte Selbständigkeit 10% Trennung und Scheidung 9% Irrationales Konsumverhalten 8,6% Krankheit 7,7% Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände begrüßt daher ausdrücklich, dass der geplante 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung einen der Schwerpunkt auf die Betrachtung der Probleme von prekären Beschäftigungsverhältnissen legt. Viele Ratsuchende pendeln mittlerweile zwischen prekären Beschäftigungsverhältnissen und SGB II–Bezugs; einige versuchen ihrer finanziellen Misere durch die Ausübung mehrerer Jobs zu begegnen. Der Schuldenreport 2015 des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen IFF stellt fest, dass Ratsuchende mit dauerhaft unregelmäßigem und geringem Einkommen schneller in eine finanzielle Krise geraten. Bereits kleine, unvorhergesehene Ereignisse (Defekt der Waschmaschine, Reparaturen, Kautionszahlungen, Energienachzahlungen, usw.) bringen die finanziell sehr enge Situation ins Wanken. PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 16 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 Wenn dann Schulden entstanden sind, ist es aus dem geringen Einkommen nicht möglich, diese zu tilgen. „Arm und überschuldet – trotz Arbeit“ ist die Realität vieler Ratsuchender in unseren Beratungsstellen. Die AGSBV hat daher folgende Forderungen: 1. Anspruch auf Schuldnerberatung für Erwerbstätige Wenn Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen überschuldet sind, benötigen sie eine zeitnahe Beratung und Unterstützung, um nicht tiefer in die Schuldenfalle zu geraten und das ohnehin unbeständige Arbeitsverhältnis nicht zu gefährden. Durch die gedeckelte Finanzierung vieler Kommunen für Erwerbstätige sind für diese Ratsuchenden nur sehr wenige Termine verfügbar. Auch diese Menschen brauchen einen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung. 2. Sozialleistungen bedarfsgerecht ausgestalten Die Leistungen nach SGB II und SGB XII sind trotz der Erhöhungen nicht bedarfsdeckend. Sozialleistungen müssen bedarfsgerecht entwickelt werden. Dies gilt insbesondere bei den Energiekosten. Der Anteil im Regelbedarf für Energiekosten ist deutlich zu gering. Energieschulden sind dadurch vorprogrammiert. Die Ermittlung des Regelbedarfs für Haushaltsstrom ist gesondert zu ermitteln und zeitnah anzupassen. Die Pauschalen für Heizenergie sind vor Ort oftmals zu niedrig. Die Übernahme von Energieschulden sollte in Form eines Darlehens abgesichert werden und das nicht nur ein Mal. 3. Einmalige Leistungen wieder einführen Ratsuchende mit niedrigem Einkommen sind in der Regel nicht in der Lage, größere Reparaturen oder Anschaffungen (Waschmaschine, Kühlschrank, etc.) zu tätigen. Sie sind gezwungen, Finanzierungsangebote zu nutzen oder ein Darlehen beim Jobcenter aufzunehmen. Die Rückzahlung sprengt das ohnehin schon knappe Budget. Einmalige Beihilfen würden hier Abhilfe schaffen. 4. Schuldner- und Budgetberatung für Ältere zusätzlich finanzieren Durch unterbrochene Erwerbsbiographien und geringe Rentenzahlungen deckt die Rente den Lebensunterhalt oft nicht mehr. Altersarmut und Überschuldung hat zugenommen. Hier gilt es, ein gutes Beratungsangebot vorzuhalten. 5. Mindestlohn regelmäßig überprüfen Der gesetzliche Mindestlohn muss regelmäßig in seiner Höhe überprüft werden, damit er die gegenseitige Verstärkung von prekärer Beschäftigung, fehlender Tarifbindung und Niedriglohn durchbrechen kann. Seine Anwendung muss kontrolliert und durchgesetzt werden. (Quelle: Forderungspapier der AGSBV zur Aktionswoche 2015) PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 17 Jahresbericht der Schuldner- und Insolvenzberatung 2015 5. Nachwort Die Beratungsnachfrage wird sicherlich auch im nächsten Jahr ungebrochen sein, da, wie auch der Überschuldungsreport des renommierten Institutes für Finanzdienstleistungen in Hamburg (iff) feststellt, „trotz boomenden Arbeitsmarktes kein Rückgang der Überschuldung“ festzustellen ist. Auch die Frage eines besseren Zuganges für Menschen, die nicht im SGB II- oder SGB XII-Leistungsbezug sind, die sogenannten „Präventivfälle“, wird weiter thematisiert werden müssen, um dem Bedarf nach Beratung gerecht zu werden. Das Thema der alljährlichen Aktionswoche der Schuldnerberatung im Jahr 2016 lautet: „SCHULDEN MACHEN KRANKheit macht Schulden“. Auch wir stellen in unserem Beratungsalltag zunehmend den Zusammenhang zwischen Verschuldung und Krankheit fest. Einerseits sind Krankheit, Sucht oder Erwerbsminderung eine häufige Ursache und Auslöser von Schulden, andererseits können erhebliche psychische Belastungen und andere Krankheitssymptome in Folge von Überschuldung entstehen. Immer häufiger kommen zudem Menschen durch die Vermittlung oder in Begleitung von anderen sozialen Diensten oder Betreuungseinrichtungen zu uns. Wir werden uns mit einem eigenen Beitrag an der Aktionswoche beteiligen und im nächsten Jahresbericht über das Thema informieren. Die Bundesregierung hatte sich im Jahr 2015 mit mindestens zwei Vorgaben der EU zu beschäftigen, die erhebliche Auswirkungen auf Schuldner und Verbraucher allgemein, sowie auch auf die Arbeit der Schuldnerberatung haben werden: - Zum einen geht es um die EU-Richtlinie aus Februar 2014 zur „Wohnimmobilienkreditrichtlinie“, die bis zum 21.03.2016 in deutsches Recht umzusetzen war. Die Bundesregierung hat dazu am 15.07.2015 einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem, und hier wird es für die Schuldner(-beratung) interessant, auch Regelung zum Umgang mit dauerhafter Kontoüberziehung, Beratungspflicht der Kreditinstitute bei dauerhafter Kontoüberziehung und der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung geht. - Zum anderen geht es um die sogenannte „Zahlungskontenrichtlinie“ der EU aus 2014, die bis zum 18.09.2016 in deutsches Recht umzusetzen ist. Die Bundesregierung hat dazu ebenfalls in 2015 einen Gesetzentwurf vorgelegt. In dem zu verabschiedenden Gesetz wird unter anderem das Recht auf ein Basiskonto für jede Person, die sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhält, geregelt. Dies gilt also auch für Menschen, die bisher mangels festen Wohnsitzes oder Ausweispapieren von einer Kontoeröffnung ausgeschlossen waren. Beide Gesetze sind bereits verabschiedet worden. Wir werden im nächsten Jahresbericht auf die Inhalte der Gesetze und erste Erfahrungen in der praktischen Umsetzung eingehen. Stand: Juni 2016 Wir danken für Ihr Interesse an unserer Arbeit und den aktuellen Neuerungen! Die PariSozial Minden-Lübbecke/Herford gGmbH Das Team der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle PariSozial – gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialdienste mbH in den Kreisen Minden-Lübbecke und Herford 18