KDV-Antrag - WordPress.com
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Horst, den 25.01.2015 Antrag auf Kriegsdienstverweigerung Sehr geehrte Damen und Herren, die globalen Ereignisse der jüngsten Zeit und die damit verbundenen, mit Waffen ausgetragenen Konflikte im nahen Osten (Ukraine, Syrien, Afghanistan etc.) veranlassen mich dazu, Ihnen zu schreiben, um eine Gewissensentscheidung kundzutun. Seit meiner Kindheit hat sich viel in meiner persönlichen Einstellung zum Dienst an der Waffe geändert. Ich erinnere mich noch ganz genau an die „Infopost“ der Bundeswehr, die ich immer bezogen habe. Dort stand einmal der Spruch: „Der Frieden muss bewaffnet sein!“, begleitet von einem Igel als Symbol der Wehrhaftigkeit. Das hat mich damals auch überzeugt, so dass ich als junger Erwachsener gerne zur Bundeswehr gegangen bin. Recht bald nach der Grundausbildung entschied ich mich dazu, gleich eine Laufbahn als Reserveoffizieranwärter einzuschlagen, da ich noch euphorisch genug war. Diese Grundhaltung hat sich jedoch in den folgenden 18 Monaten bereits geändert. Das Bekleiden von Führungspositionen führte dazu, dass ich mich intensiv mit dem Phänomen der Kriegsführung auseinandersetzen musste. Dabei wurde mir zum ersten Mal wirklich bewusst, was Krieg bedeutet. Das vorherige spielerische Umlegen von Schießscheiben auf dem Schießstand taugte nicht dazu, mich dahingehend zu sensibilisieren. Plötzlich kam ich auch aus zweiter Hand mit Krieg in Berührung: Unteroffiziere aus meiner Einheit waren im Jahre 2003 bereits im Auslandseinsatz gewesen und erzählten von dort. Mir wurde gesagt, dass ich im Falle einer weiteren Karriere als Offizier (SaZ 12) durchaus Kandidat für solch einen Einsatz sein könnte. Doch wollte ich das? Zunächst war es nur ein diffuses Gefühl von Unbehagen oder Angst, was mich beunruhigte. Ich würde in einem solchen Konflikt vielleicht auf Menschen schießen müssen. Auch auf mich würde geschossen werden. War es das wert? Wer hat etwas davon, wenn sich Menschen umbringen? Meine Entscheidung jedenfalls fiel so aus: Den Weg beim Militär nicht weiter zu verfolgen. Auch wollte ich als Reservist durchaus nicht mehr tätig sein, sodass ich ein paar Jahre nach meinem Ausscheiden darum bat, nicht mehr für Wehrübungen vorgeschlagen zu werden. Ich habe keine einzige absolviert. -1- Doch dies war noch nicht das Ende meiner geistigen Entwicklung in dieser Hinsicht, da ich bis hierher nur diffusen Gefühlen gefolgt war. Erst im Anschluss hatte ich wirklich Zeit, gründlich zu reflektieren und mir eine wahrhaft überlegte Haltung zu Konflikten allgemein anzueignen. Gerade die Beschäftigung mit Ernährung, was mich aufgrund gesundheitlicher Probleme eine Zeitlang auf Trab hielt, führte mich im Jahre 2007 dazu, komplett auf tierische Nahrung zu verzichten. Ich halte es nicht für angemessen, Lebewesen zu töten, wenn gleichzeitig ein Überfluss an pflanzlicher Nahrung bereitsteht. Ich bin auch entsetzt, was überall auf der Welt im Namen von Wissenschaft und Forschung anderen Lebewesen angetan wird. Umso schlimmer empfinde ich es mittlerweile, wenn dasselbe in unserer eigenen Art passiert. Einem anderen Menschen das Lebensrecht, das fundamentalste Recht, zu entziehen, ist schlichtweg nicht akzeptabel. Diese Haltung hat sich spätestens seit einer intensiven Beschäftigung mit religiösen Fragen vor einigen Jahren in mir herausgebildet. Daher habe ich auch mit der katholischen Kirche gebrochen, die für mich die Inhalte von Nächstenliebe nicht glaubhaft verkörpert, und habe mich dem buddhistischen Glauben zugewandt. Auch wenn ich nicht wirklich als streng praktizierender Buddhist zu bezeichnen bin, haben mich die Grundsätze der Achtung vorm Leben tief beeindruckt. Widerstand zu leisten ist richtig und notwendig, allerdings muss dieser Widerstand nicht bewaffnet sein. Mahatma Ghandi hat uns gezeigt, dass gewaltloser Widerstand zwar nicht die schnellste, aber die nachhaltigste Form von Widerstand ist. In den Konflikten der Neuzeit aber wird einer bestimmten Personengruppe (z.B. den Russen oder Ukrainern) ein einseitiges (mediales) Bild vermittelt, was den Eindruck erwecken soll, es gäbe eine böse Macht auf der anderen Seite, die es zu bekämpfen gilt. Das stimmt nicht. Wir sind alle Menschen, und als Mensch lehne ich es aus voller Überzeugung ab, meine Hand gegen meine Brüder und Schwestern zu erheben, ganz gleich, wer mir das befehlen mag. Gut gefällt mir der Satz: „Stell Dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin“. Menschen müssen nur verstehen, dass die gewaltsame Austragung von Konflikten keinen Sinn hat, sich verweigern. Dann findet auch kein Krieg mehr statt. Das „Böse“ in dieser Welt hat keine Personengruppe, der es innewohnt, sondern ist immer gekennzeichnet von krassen Missverständnissen zwischen Menschen, von Propaganda und geschürtem Hass, weil er einzelnen Menschen nützt. Dieser Hass wird durch kriegerische Handlungen in der bekannten Gewaltspirale potenziert. Warum reden Menschen nicht miteinander? Warum boykottieren die Staaten nicht einfach solche Kriegstreiber, die mit Waffengewalt auftreten? Schon wären die wichtigsten Keime im Ansatz erstickt. Letzten Endes läuft alles für mich auf die Wahrheit hinaus, dass sich im Krieg Menschen umbringen, die sich nicht kennen – und zwar im Auftrag und Nutzen der Menschen, die sich zwar kennen, aber nicht umbringen. Ich bin nicht bereit, ein Teil von Kriegstreiberei zu werden, indem ich mich in eine Armee einreihe, die ihresgleichen aufgrund von Einflüsterungen erschießt. Gäbe es diese Einflüsterungen nicht, würden wir alle friedlich miteinander auskommen. Es gibt keine logischen Gründe, zu töten. Ich bin bereit, meine Heimat jederzeit mit Handlungen der Liebe zu unterstützen, allerdings niemals mit Handlungen des Hasses. Auf Hass folgt noch mehr Hass. -2- Ich habe für mich ein heiliges Gelübde abgelegt: Das Leiden der Wesen zu lindern. Krieg bewirkt das Gegenteil: Er erzeugt auf allen Seiten einzig und allein Leid. Dabei gibt es keine „Gewinner“. Im bewaffneten Konflikt dann auch noch zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, ist sogar absurd. Wenn mir Menschen feindselig gegenübertreten, so versuche ich zuerst, Entspannung herbeizuführen. In meiner Zeit als Kampfsportler habe ich viel über Notwehr gelernt, auch, dass sie zu vermeiden ist, wenn andere Möglichkeiten bestehen. Werde ich jedoch tatsächlich angegriffen, so kann ich selbst die Gefahr für Leib und Leben einschätzen und mit meinem Gewissen abwägen. Stünde ich je wieder als Soldat in einer Armee, wäre diese freie Gewissensentscheidung dahin. Ich würde Befehle bekommen, wäre der Einschätzung und Entscheidung anderer Personen ausgeliefert, und, noch viel schlimmer, würde als Offizier meinen untergebenen Soldaten den Befehl zum Töten geben müssen. Dies erfüllt für mich nicht mehr den Tatbestand von Notwehr, sondern eher von Nötigung. Niemand weiß im Krieg, was da gespielt wird – und gespielt wird immer, auf großen Lagekarten im Offiziershauptquartier. Die, die sterben, sind unbekannt. Mit meinem Vater, dessen Vater in Stalingrad war, habe ich mich nach meiner Armeezeit viel über den Krieg unterhalten. Weil im Hause meiner Großeltern nicht über Krieg gesprochen wurde, wohl weil sich der Großvater im Nachhinein schämte, las mein Vater bergeweise Literatur, um zu verstehen, was damals vor sich ging. Er machte mir diese Literatur zugänglich, und das Grauen des zweiten Weltkrieges wurde mir offenbar. Das blutige Schlachten, die Propaganda, die Hinterlist des Krieges: die bitterste Form von Menschenunwürdigkeit. Im Anbetracht der Konflikte im Osten redet man nun wieder viel vom Krieg, je nach Medium ist eine Seite die böse. Dies hat mich dazu veranlasst, die obige Stellungnahme zu verfassen. Da Europa Zeit meines Lebens mir immer als sicher erschien, stellte sich für mich die Frage nach einer offiziellen Verweigerung des Waffendienstes nicht mehr, nachdem ich als Reservist inaktiv wurde. Jetzt jedoch, wo der Krieg wieder zu uns getragen wird, schreibe ich es frei heraus: Ich werde meine Hand niemals erheben gegen einen Menschen, um ihn zu verletzen oder zu töten. Ich werde niemals wieder eine Waffe in die Hand nehmen, um in einer Armee zu dienen. Auch eine Unterstützung von bewaffneten Konflikten durch Zugehörigkeit zu einer Armee lehne ich entschieden ab. Ich verweigere daher, nach Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes, aus Gewissensgründen jeglichen Dienst an der Waffe. Es schreibt Ihnen mit friedvollem Gruß Johannes Degel Anlage: Lebenslauf -3-