ÖkoLinX-ARL im Römer, Jutta Ditfurth Rücktritt

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ÖkoLinX-ARL im Römer, Jutta Ditfurth Rücktritt
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Jutta Ditfurth
privat:
Neuhofstr. 42
60318 Frankfurt/Main
Tel. ++49/(0)69/55 03 09
Fax ++49/(0)69/55 76 80
e-mail: [email protected]
An das Wahlamt der Stadt Frankfurt/M.
Zeil 3
60313 Frankfurt/Main
zur Information:
– an das Stadtverordnetenbüro
– an die Medien
– an die interessierte Öffentlichkeit
Frankfurt/Main, 26. Mai 2008
Ich lege mein Mandat als Stadtverordnete nieder,
aber ÖkoLinX-ARL bleibt im Römer
Was sich seit 2006 hinter den Kulissen des Römers im Umgang mit der linken
Opposition abspielt, ist unerträglich.
Im Römer spiegelt sich wieder, was gesellschaftlich passiert. Das brutale Ausmaß an
Verarmung einerseits und Bereicherung andererseits ist inzwischen so offensichtlich, dass
VertreterInnen des Besitzbürgertums, CDU und Grüne, jegliche radikale, ökologische
linke Opposition mobben und ausschalten wollen, vor allem wenn die sich in der
Vergangenheit und der Gegenwart ebenjener Schwarz-Grünen allzu gut auskennen.
CDU/SPD/Grüne/FDP im Römer liefern die Stadt Frankfurt am Main dem Kapital,
Banken und Konzernen, aus. Die städtische Infrastruktur wird auf ihr Bedürfnis zugeschnitten und nicht auf die Bedürfnisse der meisten Menschen in der Stadt.
So wird der EZB eine lärmende Brücke geschenkt, damit ihr Verkehr fließt, während z.B.
die barrierefreie Stadt ein schöner Traum bleibt. Der Löwenanteil des Geldes wird nicht
in die Verbesserung des Lebens der meisten FrankfurterInnen gesteckt, etwa in soziale
Einrichtungen, MigrantInnenprojekte, Krankenhäuser, Stadtteil- und Jugendzentren,
humane Wohnungen, bessere Luft und Maßnahmen gegen den Lärmterror durch
-2Flugzeuge und Autos, sondern in Prestigeprojekte, in Infrastrukturmaßnahmen für
Wohlhabende sowie in elitäre Kultur.
Die Stadt wird in rasantem Tempo so verändert, dass sie den Verwertungsbedingungen
des Kapitals dient, der Ästhetik und den Konsumbedürfnissen von einflußreichen Cliquen
und »AufsteigerInnen« und ihren dogmatischen Kulturvorstellungen gefällt. Es sind in
Frankfurt/Main überall die gleichen Cliquen und Kungelgruppen, die längst viel zu viel
Einfluß über unser Leben in dieser Stadt haben. Und sie hoffen, dass die Menschen dieser Stadt sich auf Dauer damit zufrieden geben, was als Brosamen dieser Enteignung
der Stadt und des öffentlichen Raums abfällt. Gibt es dann mal zuviel kleinbürgerlichreaktionären Unmut wird der mit verlogenen, pseudo-historischen
Altstadtrekonstruktionen beschwichtigt.
*
Von 2001 bis 2006 wurde mir, als einziger parlamentarischer Vertreterin der
Wählervereinigung von ÖkoLinX-Antirassistische Liste im Frankfurter Römer, die Arbeit
durch die Koalition aus CDU/SPD/Grüne/FDP bereits massiv erschwert. Wir haben uns
dagegen, so gut es ging, gewehrt. Schon in jenen fünf Jahren war die, alle kommunalpolitischen Fragen der Stadt Frankfurt umfassende, Arbeit im Römer nur auf Basis hoher
Selbstausbeutung möglich.
CDU und Grüne haben dann im Frühjahr 2006 die Arbeitsbedingungen der linken
Opposition drastisch verschlechtert. Nach unseren Informationen hat die CDU die diesbezüglichen »Anregungen« der Grünen freudig aufgegriffen, die linke Opposition über
jedes bisher im Römer bekannte Maß hinaus zu drangsalieren. Das einzige, was die
Grünen aus ihrer Vergangenheit mitgenommen haben, ist das Wissen darum, wie man
Minderheiten schäbig behandelt – was sie selbst mal erlitten haben, wenden sie nun auf
linke KritikerInnen an.
Das Hessische Gemeindeordnung (HGO) erlaubt Fraktionen bestehend aus zwei
Abgeordneten. CDU/SPD/GRÜNE/FDP warteten aber 2006 bis nach der
Kommunalwahl und erhöhten dann, passend zu den Wahlergebnissen, die
Mindestgröße für eine Fraktion im Römer auf mindestens drei MandatsträgerInnen, so
dass die vor dieser Geschäftsordnung gleich nach der Wahl gebildete neue zweiköpfige
Fraktion bestehend aus Luigi Brillante (Europaliste) und Jutta Ditfurth (ÖkoLinX-ARL)
plötzlich nicht mehr als Fraktion anerkannt wurde.
Mir wird faktisch im Parlament der Mund zugehalten. Durch die
Willkür von CDU und Grünen stehen mir pro Tagesordnungspunkt
(zwischen 6 und 15 Tagesordnungspunkte pro Sitzung) auf einer
Stadtverordnetenversammlung lediglich 30 bis 60 Sekunden
»Redezeit« zur Verfügung.
Die Geschäftsordnung wurde 2006 so geändert, dass ich während einer achtstündigen
Parlamentssitzung statt bisher kümmerlicher 20 Minuten Redezeit nur noch lächerliche
10 Minuten für eine ganze Sitzung habe und damit praktisch seit eineinhalb Jahren nur
noch begrenzt an sehr wenigen Debatten teilnehmen darf. Diese Einschränkung meiner
Redefreiheit wurde auch für die Haushaltsdebatten und den Kommunalpolitischen
-3Situationsbericht nie aufgehoben.
Als Parlamentarierin gewählt wird mir es unmöglich gemacht, Parlamentarierin zu sein.
Ich bin z.B. auch in keinem Ausschuss stimmberechtigt und aus sämtlichen
Informationsrunden ausgeschlossen.
Durch Geschäftsordnungsmanipulation kommen Tagesordnungspunkte, die ÖkoLinX-ARL
vorschlägt, nachts auf die Tagesordnung, wenn ein Teil des Stadtparlaments sich in der
Cafeteria längst mit Wein und Bier die Kante gibt, ein anderer Teil in Fraktions- und
Nebenräumen kungelt, die Magistratsreihen so leer sind wie die ZuschauerInnen-Tribüne
und die Presse längst nach Hause gegangen ist.
Von 2001 bis 2006 erhielt ÖkoLinX-ARL im Römer (gleichfalls nur eine Stadtverordnete)
jährlich 60.000 Euro für Büro- und Personalkosten, während sich die anderen
Fraktionen, auch die Grünen, die doch Wählerverluste eingefahren hatten, plötzlich
noch mehr Geld zuschoben als vor 2001.
Aber seit 2006 gibt es – außer einem Büro mit schlichter Grundausstattung – Null Euro
für ÖkoLinX-Antirassistische Liste, d.h.
– Null Euro für Personal, nicht einmal schäbige, kleine Honorarverträge für Hilfskräfte
sind mehr möglich;
– Null Euro auch für Büromaterial, Kopien, Bürotechnik, Archiv, Öffentlichkeitsarbeit,
Haushaltseminare, Fachberatung usw.
Großartiges Resultat ansonsten sinn- und nutzloser Verhandlungen war, dass wir 500
(in Worten: fünfhundert) Blatt Schreibmaschinenpapier pro Monat bekommen.
Man nahm uns dann ein Jahr nach der Wahl, 2007, auch noch unsere fertig eingerichteten, funktionsfähigen zwei Räume fort. CDU und Grüne machten sich einen perversen
Spaß daraus, ÖkoLinX-ARL in den bisherigen Büroraum der rechtsextremen
Republikaner zu zwingen.
Über die Ausstattung von ÖkoLinX-ARL im Römer entscheiden ausgerechnet und eigenmächtig die Parteien, deren Fraktionen – nicht nur im Römer– selbst entscheiden dürfen,
wieviel Geld sie sich aus Steuergeldern nehmen, sondern die auch im Landtag und
Bundestag über die Höhe der eigenen Fraktionsmittel und Diäten bestimmen.
Ich muss seit April 2006 alle Kosten für Hilfskräfte und Bürokosten, für
Beratung und Archiv usw. aus eigener Tasche bezahlen. Das kann ich
nicht mehr. Die Kosten liegen weit höher als die
Aufwandsentschädigung, die andere Stadtverordnete selbstverständlich nicht für ihre Büros verwenden müssen. Eine längerwierige
Krankheit und besondere berufliche Belastungen kamen hinzu. Es ist
auch nicht zumutbar, politische FreundInnen über Jahre um Spenden
für die Arbeit einer gewählten Stadtverordneten zu bitten, deren notwendige und dem WählerInnenauftrag entsprechende Kosten eigentlich aus dem Haushalt der Stadt Frankfurt finanziert werden müssten.
Der persönliche Preis für mein politisches Mandat ist für mich zu hoch
-4geworden. Als freiberufliche Autorin habe ich nicht die Mittel die
Römerarbeit und die Ortsbeiratsarbeit privat zu finanzieren und
gleichzeitig das ehrenamtliche Mandat wahrzunehmen und mich jeden
Monat um hunderte von Vorlagen (Magistratsberichte,
Magistratsvorträge, Antrage der Fraktionen, Haushalt,
Ortsbeiratsunterlagen usw.) einigermaßen qualifiziert zu kümmern, um
ein gut begründetes Votum abzugeben. Das schließt ja oftmals
Recherchen und Informationsgespräche ein.
CDU und Grüne drängen mich aus dem Römer. Sie werden unterstützt von der FDP, aber
auch von der SPD, die – obwohl selbst, wenn auch widerwillig, Opposition ist – keinen
Moment daran dachte, die Rechte einer Minderheit solidarisch zu unterstützen und
unterwürfig allem zustimmte, was CDU und Grüne ausgeheckt haben.
Ich gehe – aber ÖkoLinX-ARL verlässt den Römer nicht. Gewählt auf Platz
2 unserer Römer-Liste wurde 2001 sowie 2006 Manfred Zieran, der jetzt als
Nachfolger für den Römer bereit steht. Seit 2001 vertritt er ÖkoLinX-ARL im Ortsbeirat 3
(Nordend), von 2001 bis 2006 war er Fraktionsgeschäftsführer im Römer und seit 2006
arbeitet er unbezahlt als »ehrenamtlicher« Geschäftsführer für ÖkoLinX im Römer.
Manfred Zieran wird sich noch selbst vorstellen. Wieviel Schwierigkeiten die
Stadtverwaltung und die CDU-Grüne Koalition dem »Neuen« machen wird, werden wir
sehen.
Ich habe mich entschieden, künftig durch berufliche Mehrarbeit das Geld persönlich zu
erwirtschaften, was in den kommenden drei Jahren (bis zur nächsten Kommunalwahl
2011) für die Arbeit von ÖkoLinX-ARL im Römer und im Ortsbeirat gebraucht wird.
Über Spenden freuen wir uns.
2011 sehen wir weiter. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich dann erneut kandidiere.
Ein Schritt zurück kann auch ein Anlauf sein.
Ich lege mein Mandat mit sofortiger Wirkung nieder.
Jutta Ditfurth
P.S.: Eine Auswahl meiner Kritik an den politischen Verhältnissen im Römer und weitere
Informationen finden Sie auf:
www.oekolinx-arl.de.
Meine Bücher, weitere Texte sowie Veranstaltungstermine auf:
www.jutta-ditfurth.de.