Vom Wahlarzt zum Kassenarzt - Ärztekammer Niederösterreich
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Vom Wahlarzt zum Kassenarzt - Ärztekammer Niederösterreich
INTERVIEW Vom Wahlarzt zum Kassenarzt I m Februar hat die NÖ Ärztekammer im Auftrag der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse eine Kassenstelle für Orthopädie als originäre Gruppenpraxis für Wr. Neustadt ausgeschrieben. Präsident Dr. Christoph Reisner, MSc, hat sich mit einem Team von drei Orthopäden für diese Stelle beworben und am 17. März im Hearing mit der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse den Zuschlag bekommen. Mit Anfang Juli wird die Gruppenpraxis Dr. Baumgartner, Dr. Reisner, Dr. Wagner Orthopädische Gruppenpraxis OG eröffnen. CONSILIUM: Herr Dr. Reisner, Sie haben sich immer für die Interessen der Wahlärzte eingesetzt. Was hat Sie nun dazu bewogen, das Leben als Wahlarzt aufzugeben und künftig als Kassenarzt tätig zu sein? REISNER: Entscheidend war für mich, dass sich bei der originären Gruppenpraxis jeweils das ganze Team um die Kassenstelle bewirbt. Das heißt, man kann sich seine Partner wie auch im wirklichen Leben aussuchen. Der große Nachteil etwa bei der Jobsharing Gruppenpraxis ist ja, dass der bestgeeignete Bewerber, der als Sieger aus einem Hearing hervorgeht, nicht immer der Wunschkandidat sein muss. Aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen geben derzeit keine andere Lösung her. Dazu kommt noch, dass eben die Form der Gruppenpraxis eine Teamarbeit mit zwei hervorragenden, erfahrenen Orthopäden möglich macht. Die Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit macht das Leben zusätzlich leichter. Ich persönlich werde mich in meiner Arbeitsweise nicht ändern, egal ob ich als Wahlarzt oder Kassenarzt tätig bin. CONSILIUM: Wer sind Ihre künftigen Partner in der Gruppenpraxis? Dr. Thomas Wagner kenne ich seit Beginn meiner ärztlichen Tätigkeit an der Unfallabteilung Neunkirchen, wir haben schon bisher vor allem auf gutachterlicher Ebene eng zusammengearbeitet. Im Krankenhaus sind wir seit 1993 gemeinsam an einer Abteilung tätig. Er verfügt über lange Erfahrung im Bereich der operativen und der konservativen Orthopädie. Dr. Markus Baumgartner ist bereits in Zeiten, als er noch als Famulant an der orthopädischen Abteilung in Wr. Neustadt tätig war, durch seinen Fleiß, seinen Ehrgeiz und seine Zielstrebigkeit aufgefallen. Seit 2005 ist er ebenfalls an der Orthopädie Wr. Neustadt tätig. Jeder von uns hat fachliche Schwerpunkte. Diese Synergien können wir in der neuen Gruppenpraxis sinnvoll nutzen. Komplizierte Fälle können gemeinsam besprochen und entschieden 16 CONSILIUM 04/15 werden. Uns ist bewusst, dass wir die großen Vorteile der Wahlarztordination – nämlich mehr Zeit für den Patienten zu haben – in Zukunft nicht mehr haben werden, da der Faktor Zeit in der Kassenordination nur unzureichend bewertet wird. Ich freue mich aber auf diese neue Aufgabe und bin überzeugt, dass wir mit unserem Ordinationskonzept auch in der Kassenordination Medizin auf hohem Niveau betreiben können. CONSILIUM: Ist es zu schaffen, in nur drei Monaten eine Gruppenpraxis sozusagen aus dem Boden zu stampfen? REISNER: Ohne entsprechende Planung wäre dies völlig unmöglich. Wir haben aber viele unserer Hausaufgaben bereits in der Vorbereitungszeit auf das Hearing erledigt. Die Ordinationsräumlichkeiten bestehen bereits und werden derzeit noch von Dr. Baumgartner als Wahlarzt verwendet. Wir werden ab 1.7.2015 über mehrere Ordinationsräume verfügen, die auch ein paralleles Arbeiten ermöglichen. Wir verfügen über einen Eingriffsraum, in dem wir Hand- und Fußoperationen ambulant anbieten können. Dieser Raum ist bereits als Strahlenanwendungsraum zertifiziert und mit einem Röntgenbildwandler ausgestattet. Es sind lediglich geringe Adaptierungen erforderlich. Eine Struktur mit Eingriffsraum und Ausstattung auf hohem Niveau (Ultraschall, Stoßwelle,…) erhalten zu können erfordert ein Team. CONSILIUM: Sie waren der erste Wahlarzt in Österreich, der zum Präsidenten einer Ärztekammer gewählt wurde. Wie werden Sie die Interessen der Wahlärzte künftig vertreten? REISNER: Ich habe in der Vergangenheit als Wahlarzt genauso die Interessen der Kassenärzte und natürlich Spitalsärzte vertreten und werde in Zukunft ebenfalls die Wahlarztinteressen vertreten, auch wenn ich Kassenarzt bin. An meinem gesundheitspolitischen und standespolitischen Interesse ändert sich ja nichts, nur weil ich künftig mein Honorar nicht mehr direkt von meinen Patienten bekomme, sondern von der Sozialversicherung meiner Patienten. Ich kenne nun aus persönlicher Erfahrung das Leben des Spitalsarztes über mehr als 20 Jahre, das Leben als Wahlarzt über fast 20 Jahre. Ich bin überzeugt, dass es auch aus standespolitischer Sicht für mich gut ist, das Leben eines Kassenarztes aus eigener Erfahrung zu kennen. CONSILIUM: Wie wird ihre weitere berufliche Tätigkeit nun aussehen? REISNER: Mein Wochenablauf wird sich etwas ändern. Derzeit bin ich noch teilzeitbeschäftigt im Landesklinikum Wr. Neu- Foto: Martin Wieland INTERVIEW Mit Anfang Juli wird die Gruppenpraxis Dr. Baumgartner, Dr. Reisner, Dr. Wagner Orthopädische Gruppenpraxis OG in Wr. Neustadt eröffnen stadt. Diese Tätigkeit werde ich mit Ende Juni 2015 beenden. Die Ordination in Neunkirchen wird mit Ende Juni ebenfalls geschlossen. Meine Ordination in Wien, die gutacherliche Tätigkeit, die Weiterentwicklung der Software „Wahlarzt“ werden wie bisher weiterlaufen, auch meinen musikalischen Ambitionen werde ich weiter nachgehen (www.sinus-co.at, www.tastytune.at ). Meine Tätigkeit in der Standespolitik als Präsident der Ärztekammer werde ich mit der gleichen Energie wie bisher fortsetzen. CONSILIUM: Ist eine Gruppenpraxis für Orthopädie in Wr. Neustadt gerechtfertigt? REISNER: Seit dem Jahr 2011 wird in den Stellenplangesprächen mit der NÖGKK regelmäßig über eine dritte Kassenstelle für Orthopädie in Wr. Neustadt diskutiert. Die Entwicklung der Bevölkerung rechtfertigt für 2015 auf alle Fälle eine dritte Stelle. Auch aufgrund der derzeitigen Wartezeiten weiß ich, dass es einen dringenden Bedarf an Orthopäden mit Kassentarifen im Raum Wr. Neustadt gibt! Dazu kommt noch, dass die orthopädische Abteilung in Wr. Neustadt nach Neunkirchen übersiedeln wird. Korrekterweise müsste man sagen: die orthopädische Abteilung Wr. Neustadt wird geschlossen. Damit fällt in Zukunft jede Möglichkeit einer fachärztlichen orthopädischen ambulanten Versorgung im Landesklinikum Wr. Neustadt weg. Diesen Bereich können wir künftig abdecken und so deutlich mehr Menschen helfen als dies in einer Wahlarztordination möglich ist. CONSILIUM: Werden Sie Ihr standespolitisches Engagement weiter betreiben oder wird dafür keine Zeit mehr übrig sein? REISNER: Ich bin ein politisch sehr interessierter Mensch und werde selbstverständlich auch weiterhin in der Ärztekammer als Präsident tätig sein. Ich werde mich auch bei der nächsten Kammerwahl 2017 wieder als Spitzenkandidat der Gruppe „Die Engagierten“ der Wahl stellen. Wir haben große Aufgaben vor uns: Um ELGA ist es zwar im Moment relativ ruhig, das heißt aber nicht, dass nicht fleißig an der Einführung gearbeitet wird. Gleiches gilt für die Gesundheitsreform mit den Primärversorgungszentren. Hier werden wir noch viel Arbeit leisten müssen, um die Interessen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zu schützen. Wer mich kennt, der weiß, dass ich hier nicht locker lasse, ganz gleich in welchem Vertragsverhältnis ich meine ärztliche Tätigkeit ausübe. CONSILIUM: Danke für das Gespräch! CONSILIUM 04/15 17