Claus-Wilhelm Canaris, Handelsrecht Roth B uchrezension

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Claus-Wilhelm Canaris, Handelsrecht Roth B uchrezension
Claus-Wilhelm Canaris, Handelsrecht
Roth
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B uc hre ze ns io n
Claus-Wilhelm Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl., Verlag
C.H. Beck, München 2006, 543 S., € 48,Land auf, Land ab hat das Handelsrecht für das Erste
juristische Staatsexamen enorm an Bedeutung gewonnen.
Dies manifestiert sich nicht zuletzt darin, dass selbst die
Prüfungsämter im Norden Deutschlands seit der Reform der
Juristenausbildung vor „echten“ handelsrechtlichen Klausuren nicht (mehr) zurückschrecken. Kommissionsgeschäft
und Kontokorrent können nicht mehr als scheinbare Exoten
vernachlässigt werden. Für das Studium des Handelsrechts
bedeutet dies, dass „Dünnbrettbohren“ zum gewagten Spiel
im Examen werden kann. Ebenso wenig ist dumpfes
Auswendiglernen von Fakten gefragt, sondern vielmehr das
Erarbeiten eines Systemverständnisses. Eine wertvolle
Hilfestellung dabei gibt das hier zu besprechende Werk von
Canaris.
Zum Buch selbst: Das Handelsrecht von Canaris ist seit
Jahren ein Klassiker unter der handelsrechtlichen Ausbildungsliteratur und mit den Jahren gereift und gewachsen. Die
23. Auflage erschien noch in der Reihe „Juristische KurzLehrbücher“ aus dem Hause C.H. Beck, obwohl sie mit 634
Seiten bereits alles andere als kurz war. Mit der 24. Auflage
ist das Werk nun sowohl inhaltlich als auch formal endgültig
„erwachsen“ geworden und in die Reihe „Große Lehrbücher“
– besser bekannt als die „Grüne Reihe“ – gewechselt. Doch
nun zum Entscheidenden, zum Inhalt:
Gegenüber der 23. Auflage hat Canaris alle wesentlichen
Partien des Buches überarbeitet und teilweise vertieft. Einer
grundlegenden Revision hat er dabei die Passagen über den
Unternehmenskauf (§ 8 II), den Handelskauf (§ 29) und die
Kommission (§ 30) unterzogen. Sie sind weitgehend neu gefasst und zu Schwerpunkten ausgebaut worden. Ein weiteres
Augenmerk legt Canaris auf die Darstellung der Auswirkungen der Änderungen des BGB durch die Schuldrechtsmodernisierung auf das Handelsrecht. Letzteres ist für Studierende
besonders hilfreich, liegt doch eine wesentliche Herausforderung beim Verstehen des Handelsrechts als dem Sonderrecht
der Kaufleute bzw. Unternehmen in seiner Verzahnung mit
den „Jedermann“-Normen des BGB. Neben vielen Erweiterungen gibt es in der Neuauflage auch eine Kürzung: Der
Abschnitt über die Grundzüge des Rechts der Rechnungslegung ist ersatzlos gestrichen worden. Dies tut der Sache keinen Abbruch, da die Rechnungslegung inzwischen eine eigenständige Rechtsmaterie ist. Das Lehrbuch ist sinnvoll in
zwei übergreifende Teile gegliedert. Beide Teile sind weiter
in Unterabschnitte unterteilt.
Der erste Teil ist dem Handelsstand gewidmet und untergliedert sich in sechs Unterabschnitte (§§ 2-19). Die §§ 2
und 3 befassen sich mit dem Kaufmannsbegriff. In den 50
Seiten umfassenden §§ 4-6 erläutert Canaris das Handelsregister und die Prinzipien der Rechtsscheinhaftung. Auch
wenn er hier nicht immer mit der herrschenden Meinung
d´accord ist, sind die Ausführungen zu § 15 HGB und zur
nicht-registerlichen Vertrauenshaftung im Handelsrecht besonders lesenswert, da sie ein Vorbild an Systembildung sind.
Sie sollten daher zur Pflichtlektüre eines jeden Studierenden
gehören. Der dritte Unterabschnitt (§§ 7-9) stellt die Übertragung und Vererbung des kaufmännischen Unternehmens dar.
Neben den §§ 25-28 HGB erläutert Canaris an dieser Stelle
sehr ausführlich den Unternehmenskauf. Einen Schwerpunkt
legt er dabei auf die Neukonzeption der Ausführungen über
die Leistungsstörung und die Gewährleistung beim Unternehmenskauf unter Berücksichtigung der Änderungen des
BGB (§ 8 II). Der Darstellung des Firmenrechts (§§ 10
und 11) schließen sich Erläuterungen der handelsrechtlichen
Besonderheiten des Stellvertretungsrechts unter Einschluss
der theoretisch wie praktisch bedeutsamen Scheinvollmachten an. Der sechste Unterabschnitt (§§ 15-19) ist dem Recht
der kaufmännischen Absatz- und Geschäftsmittler gewidmet.
Canaris erläutert den Handelsvertreter (§ 15), den Kommissionsagent (§ 16), den Vertragshändler (§ 17), den Franchisnehmer (§ 18) und den Handelsmakler (§ 19). Im Vergleich
zur Vorauflage ist § 18 neu gefasst und zum Schwerpunkt
ausgebaut worden.
Der zweite Teil (§§ 20-31) des Lehrbuches unterteilt sich
in fünf Unterabschnitte und ist den Handelsgeschäften gewidmet. Die Abschnittsbildung verdeutlicht wieder ein
Grundanliegen Canaris, nämlich die Verschränkungen zwischen BGB und HGB zu kennzeichnen und zu systematisieren. Dementsprechend behandeln die einzelnen Abschnitte
das Verhältnis der Handelsgeschäfte zur (allgemeinen)
Rechtsgeschäftslehre (§ 22 Handelsbräuche und Handelsklauseln, § 23 Schweigen im Handelsverkehr und § 24 Erweiterungen der Privatautonomie), zum allgemeinen Schuldrecht (§ 25 Kontokorrent und § 26 Abtretungsverbote), zum
besonderen Schuldrecht (§ 29 Besonderheiten des Handelskaufs, § 30 Kommissionsgeschäft und § 31 Fracht-, Speditions- und Lagergeschäft) und zum Sachenrecht (§ 27 Besonderheiten des gutgläubigen Erwerbs und § 28 kaufmännisches
Zurückbehaltungsrecht). Dem Leser wird damit ein vertiefter
Blick auf das Zusammenspiel der beiden Rechtsmaterien
gewährt. Wünschenswert wäre allein gewesen, die kaufmännischen Wertpapiere noch etwas stärker in den Blick zu nehmen; die Schnittstellen zum BGB sind bekanntlich auch hier
zahlreich. Den „besonderen“ Abschnitten vorangestellt sind
Ausführungen über den Anwendungsbereich der §§ 243-245
HGB auf Kaufleute (§ 20) und Nichtkaufleute (§ 21).
Das Lehrbuch von Canaris ist eine lohnenswerte Lektüre
für all jene, die das Sonderrecht der Kaufleute/Unternehmen
verstehen wollen. Das Buch deckt – mit Ausnahme des
Wertpapierrechts – nicht nur den gesamten Examensstoff ab,
sondern geht weit darüber hinaus. In der Natur eines „großen
Lehrbuchs“ liegt es freilich, dass man es nicht mal eben
schnell überfliegen kann. Es will an vielen Stellen, wie die
Materie an sich, erarbeitet werden.
Dr. Gregor Roth, Bucerius Law School, Hamburg
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Zeitschrift für das Juristische Studium – www.zjs-online.com
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