@@ AP Nr. 16 zu § 130 BGB BAG, 7. Senat Urteil vom 16.3.1988

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@@ AP Nr. 16 zu § 130 BGB BAG, 7. Senat Urteil vom 16.3.1988
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AP Nr. 16 zu ü 130 BGB
BAG, 7. Senat Urteil vom 16.3.1988 - 7 AZR 587/87 2. Instanz: LAG Du sseldorf
BGB ü 130 Abs. 1 Satz 1
Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Ku ndigungsschreiben geht diesem
grundsatzlich auch dann zu, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist, da§der Arbeitnehmer wahrend seines Urlaubs verreist ist (Abweichung vom Senatsurteil vom 16. Dezember 1980 - 7
AZR 1148/78 - BAG 34, 305 = AP Nr. 11 zu 130 BGB).
Die Parteien streiten u ber die Rechtswirksamkeit der auäerordentl. Ku ndigung der Bekl. vom
17. 9. 1986.
Der Kl. war bei der Bekl. seit dem 1. 10. 1963 als Fernmeldehandwerker beim Fernmeldeamt
E. beschaftigt und im Entsto rdienst eingesetzt. Ihm oblag die Beseitigung von Sto rungen an
Fernmeldeeinrichtungen und das Auswechseln von Fernsprechapparaten auf Wunsch des Teilnehmers. Hierzu verfu gte er u ber einen Handvorrat an einfachen Fernmeldematerialien (u. a.
normale Fernsprechapparate, Ho r- und Sprechkapseln, Kleinmaterial), der etwa seinem
Wochenbedarf entsprach. Ho herwertiges Material (z. B. Fernsprechapparate mit Tastenwahlblock, Familientelefonanlagen) muäte er mittels eines Buchungsscheins, der die Rufnummer
des Fernsprechteilnehmers enthielt, anfordern und gegen Quittung in Empfang nehmen.
Ein Vergleich dieser Buchungsscheine mit den bei der Entsto rungsstelle gefu hrten sog. Sto rungskarten, auf denen u. a. jeder Sto rfall, das Datum der Sto rungsbeseitigung und der Apparatebestand des jeweiligen Fernsprechanschlusses verzeichnet sind, ergab, daä in mehreren
Fallen ho herwertige Fernmeldegegenstande, die der Kl. fu r einen bestimmten Teilnehmer angefordert hatte, tatsachl. nicht bei diesem installiert worden sind. Auf Veranlassung der Bekl.
beschloä das AG E. die Vornahme einer Hausdurchsuchung beim Kl. Im Rahmen der am 10.
9. 1986 durchgefu hrten Hausdurchsuchung wurde der Kl. von dem ermittelnden Beamten der
Bekl., W., mit dem Vorwurf konfrontiert, er stehe im hinreichenden Verdacht, in mehreren
Fallen Fernmeldematerialien widerrechtl. mit Hilfe manipulierter Buchungsscheine vom Lager des Fernmeldeamts E. angefordert zu haben. Die Hausdurchsuchung verlief ergebnislos;
auch nahm der Kl. zu den ihm vorgeworfenen Straftatbestanden inhaltl. nicht Stellung.
Nach weiteren Ermittlungen der Bekl. am Folgetag wurde der bei ihr bestehende Personalrat
am 12. 9. 1986 von der beabsichtigten auäerordentl. Ku ndigung des Arbeitsverhaltnisses mit
dem Kl. unterrichtet. Dieser gab mit Schreiben vom 16. 9. 1986 eine Stellungnahme hierzu ab.
Mit Schreiben vom 17. 9. 1986 ku ndigte die Bekl. das Arbeitsverhaltnis mit dem Kl. fristlos.
Das Ku ndigungsschreiben wurde noch am selben Tag in den Hausbriefkasten des Kl. eingelegt. In der Zeit vom 15. bis 28. 9. 1986 war dem Kl. von der Bekl. Erholungsurlaub bewilligt
worden. Von dem Inhalt des Ku ndigungsschreibens nahm der Kl. erst nach seiner Ru ckkehr
von einer Italienreise am 28. 9. 1986 Kenntnis. Er widersprach dieser Ku ndigung gegenu ber
der Bekl. mit Schreiben vom 29. 9. 1986 und stellte seine Arbeitskraft zur Verfu gung.
Mit seiner am 10. 10. 1986 beim ArbG eingegangenen Klage hat der Kl. die Unwirksamkeit
der auäerordentl. Ku ndigung vom 17. 9. 1986 geltend gemacht. Im Schriftsatz vom 6. 11.
1986 hat die Bekl. sich darauf berufen, daä das Ku ndigungsschreiben noch am 17. 9. 1986 in
den Wohnungsbriefkasten des Kl. eingelegt worden sei und dieser daher die 3wo chige Klagefrist des ü 4 KSchG versaumt habe. Mit Schriftsatz vom 27. 11. 1986, beim ArbG eingegangen am 28. 11.1986, hat der Kl. hinsichtl. einer etwaigen Fristversaumung hilfsweise die
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" beantragt.
Der Kl. hat vorgetragen, er habe dem ermittelnden Beamten der Bekl. am 10. 9. 1986 mitgeteilt, er werde am 15. 9. 1986 nach Italien in Urlaub fahren und man ko nne seine genaue Urlaubsanschrift beim Reiseveranstalter - dem Erholungswerk der Deutschen Bundespost e. V. erfragen. Die Bekl. habe sich nicht nach seiner genauen Urlaubsadresse erkundigt; ohne besondere Aufforderung sei er aber nicht verpflichtet gewesen, seine Urlaubsanschrift mitzuteilen. Da die Hausdurchsuchung vom 10. 9. 1986 ergebnislos geblieben sei, habe er auch nicht
mit dem Ausspruch einer fristlosen Ku ndigung rechnen mu ssen. Das Ku ndigungsschreiben sei
ihm deshalb erst nach seiner Ru ckkehr aus dem Urlaub zugegangen; die Klagefrist des ü 4
KSchG sei deshalb gewahrt. Im u brigen ko nne aus eventuellen Unstimmigkeiten zwischen
den Buchungsscheinen und den Sto rungskarten nicht auf eine widerrechtl. Aneignung von
Fernmeldematerialien geschlossen werden. Es entspreche einer langjahrigen betriebl. Praxis
bei der Bekl., unvorhersehbar nicht beno tigtes Material nicht ans Lager zuru ckzugeben, sondern zum eigenen Handvorrat zu nehmen oder es an Kollegen im Entsto rungsdienst im Austausch zu u bergeben. Der Kl. hat beantragt festzustellen, daä das Arbeitsverhaltnis des Kl. bei
der Bekl. durch die auäerordentl. Ku ndigung vom 17. 9.1986 nicht beendet worden ist.
Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Ku ndigungsschutzklage sei verspatet erhoben worden; denn das Ku ndigungsschreiben sei dem Kl. bereits am 17.
9. 1986 zugegangen. Ihr sei nicht positiv bekannt gewesen, daä der Kl. wahrend seines Urlaubs verreisen werde. Unbeachtl. sei die Behauptung des Kl., er habe am 10. 9. 1986 dem
ermittelnden Postamtsrat W. seinen Auslandsaufenthalt ab dem 15. 9. 1986 mitgeteilt und ihn
darauf hingewiesen, daä seine genaue Urlaubsanschrift beim Erholungswerk der Deutschen
Bundespost erfragt werden ko nne. Postamtsrat W. sei in seiner Eigenschaft als Hilfsbeamter
der Staatsanwaltschaft tatig geworden. Er sei kein Angeho riger des Fernmeldeamtes E. und
mit dem Ku ndigungsvorgang als solchem nicht befaät worden. Auch sei das Erholungswerk
der Deutschen Bundespost eine eigenstandige Einrichtung und keine Dienststelle der Bekl.
Hinzu komme, daä der Kl. nach der Hausdurchsuchung am 10. 9. 1986 mit einer Ku ndigung
seitens der Bekl. habe rechnen und Vorsorge fu r den Fall eingehender Post treffen mu ssen. Im
u brigen sei dem Kl. nach dessen Ru ckkehr aus dem Urlaub auch noch genu gend Zeit verblieben, fristgerecht eine Ku ndigungsschutzklage bei Gericht einzureichen.
Aufgrund der durchgefu hrten Ermittlungen habe bei Ausspruch der fristlosen Ku ndigung der
hinreichende Verdacht strafbarer Handlungen bestanden. Keinesfalls sei es betriebl. Praxis am
Fernmeldeamt E. gewesen, nicht beno tigtes, mittels Buchungsscheins angefordertes Fernmeldematerial zum Handvorrat zu nehmen bzw. mit Kollegen auszutauschen.
Das ArbG hat der Klage stattgegeben; das LAG hat die Klage abgewiesen. Die Revision des
Kl. blieb erfolglos.
Aus den Gru nden:
I. Die vorliegende Klage ist erst am 10. 10. 1986 beim ArbG eingegangen und daher nicht
gemaä ü 4 Satz 1 KSchG innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Ku ndigung erhoben worden. Das Ku ndigungsschreiben der Bekl. vom 17. 9. 1986 ist dem Kl. noch an diesem Tag,
jedenfalls aber am Folgetag, zugegangen, so daä der Kl. spatestens am 8. bzw. 9. 10. 1986 die
Ku ndigungsschutzklage beim ArbG hatte einreichen mu ssen.
1. Eine schriftl. Willenserklarung ist nach ü 130 Abs. 1 BGB zugegangen, sobald sie in verkehrsu blicher Weise in die tatsachl. Verfu gungsgewalt des Empfangers bzw. eines empfangsberechtigten Dritten gelangt ist und fu r den Empfanger unter gewo hnl. Verhaltnissen die Mo glichkeit besteht, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen (vgl. RGZ 60, 334, 336;
99, 20, 23; 142, 402, 407; RAG ARS 40, 181, 183; 41, 206, 210; BGHZ 67, 271, 275; BAG,
Urt. vom 16. 1. 1976 - 2 AZR 619/74 - AP Nr. 7 zu ü 130 BGB; vom 13. 10. 1976 - 5 AZR
510/75 - AP Nr. 8 zu ü 130 BGB; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., ü 130 Rz. 21; Mu nch.
Komm.-Fo rschler, BGB, 2. Aufl., ü 130 Rz. 3 f., 10; Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl., ü
130 Rz. 8, 11; KR-Friedrich, 2. Aufl., ü 4 KSchG Rz. 102). Wenn fu r den Empfanger diese
Mo glichkeit unter gewo hnl. Verhaltnissen besteht, ist es unerhebl., wann er die Erklarung tatsachl. zur Kenntnis genommen hat oder ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit
oder andere besondere Umstande zunachst gehindert war (vgl. RGZ 60, 334, 336; RAG, aaO;
BAG, Urt. vom 16. 1. 1976 - AP Nr. 7 zu ü 130 BGB; Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl.,
Vorbemerkung ü 620 Rz. 44).
2. Geteilt sind die Meinungen daru ber, unter welchen Voraussetzungen der Empfanger diese
"Mo glichkeit der Kenntnisnahme unter gewo hnl. Verhaltnissen" hat, wenn er sich urlaubsbedingt nicht in seiner Wohnung aufhalt.
a) Der 2. Senat des BAG hat im Urt. vom 25. 8. 1978 (2 AZR 693/76 - [nicht vero ffentlicht])
das einem Familienangeho rigen des Arbeitnehmers ausgehandigte Ku ndigungsschreiben als
dem Arbeitnehmer zugegangen angesehen, obwohl dieser urlaubsbedingt ortsabwesend war.
Er hat dies damit begru ndet, eine zufallige voru bergehende Abwesenheit des Empfangers
spiele fu r die Frage des Zugangs keine Rolle, solange die Erklarung nur in seinen Machtbereich gelangt sei, sei es durch Einwurf in eine technische Empfangsvorrichtung (Hausbriefkasten, Postfach etc.) oder durch U bergabe an einen empfangsberechtigten Dritten (Empfangsboten wie z. B. Haushaltsangeho rige, Vermieter, Mitmieter; vgl. Staudinger/Dilcher, aaO, Rz.
24). Dies soll auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber gewuät hat, daä der Arbeitnehmer wahrend seines Urlaubs verreisen wollte, jedenfalls wenn ihm dieser seine Urlaubsanschrift nicht
mitgeteilt hat.
b) Von einzelnen Instanzgerichten (ArbG Rheine, Urt. vom 24. 10. 1966, DB 1966, 1975;
LAG Mu nchen, Urt. vom 20. 3. 1974, AMBl. 1975, C 14) und einem Teil der Lit. (Corts, DB
1979, 2081 ff.; Staudinger/Neumann, Vorbemerkung ü 620 Rz. 45) ist dagegen der Standpunkt vertreten worden, der Zugang einer schriftl. Ku ndigung trete im Falle einer dem Arbeitgeber bekannten urlaubsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers erst mit dessen Ru ckkehr
aus dem Urlaub ein. Begru ndet wird dies insbesondere damit, daä der Arbeitgeber in diesem
Fall grundsatzl. nicht erwarten ko nne, ein an die Heimatadresse gerichtetes Ku ndigungsschreiben werde dem Arbeitnehmer vor Ablauf des Urlaubs zugehen. Dies gelte auch dann,
wenn dem Arbeitgeber die Urlaubsanschrift des Arbeitnehmers nicht bekannt sei. Das Interesse des Arbeitgebers an einer Ku ndigung auch wahrend der Urlaubsabwesenheit des Arbeitnehmers mu sse grundsatzl. hinter dessen Interesse zuru cktreten, nicht wahrend seiner Abwesenheit von einer auf die Beendigung seines Arbeitsverhaltnisses zielenden Willenserklarung
des Arbeitgebers u berrascht zu werden. Vielmehr du rfe der Arbeitnehmer mangels gegenteiliger Anhaltspunkte darauf vertrauen, daä sich wahrend seiner dem Arbeitgeber bekannten Urlaubsreise an dem Arbeitsverhaltnis nichts andern werde. Der Arbeitgeber habe den Status des
Urlaubs zu respektieren (so Corts, aaO; LAG Mu nchen, aaO). Corts modifiziert die bis dahin
gebrauchl. Zugangsdefinition dahingehend, daä eine empfangsbedu rftige Willenserklarung i.
S. d. ü 130 Abs. 1 Satz 1 BGB dann zugegangen sei, "wenn und sobald der Erklarende eine
Kenntnisnahme des Adressaten vom Erklarungsinhalt berechtigterweise erwarten kann, was
selbstverstandlicherweise voraussetzt, daä die Erklarung derart in den Machtbereich des Empfangers gelangt ist, daä dieser sich bei normaler Gestaltung seiner Verhaltnisse Kenntnis von
ihrem Inhalt verschaffen kann". Dagegen soll eine Ku ndigungserklarung dem Arbeitnehmer
auch vor dessen Ru ckkehr von einer Urlaubsreise zugehen, wenn entweder der Arbeitgeber
von der Reise nichts gewuät hat oder der Arbeitnehmer mit dem Ausspruch einer Ku ndigung
rechnen muäte (aaO, S. 2088).
3. Der erkennende Senat hat im Urt. vom 16. 12. 1980 (BAG 34, 305, 308 = AP Nr. 11 zu ü
130 BGB) die Zugangsdefinition von Corts u bernommen und den Zugang des Ku ndigungsschreibens erst nach Ru ckkehr des Arbeitnehmers aus dem Urlaub bejaht. Er hat dies im wesentl. damit begru ndet, der ArbGeb, dem im Zeitpunkt der Abgabe der Ku ndigungserklarung
bekannt gewesen sei, daä der Arbeitnehmer im Urlaub verreist ist, ko nne im Regelfall nicht
erwarten, diesem werde ein an die Heimatanschrift gerichtetes Ku ndigungsschreiben vor Ablauf des Urlaubs bzw. Ru ckkehr von der Urlaubsreise zugehen. Umgekehrt du rfe der Arbeitnehmer mangels gegenteiliger Anhaltspunkte darauf vertrauen, daä sich wahrend seiner dem
Arbeitgeber bekannten Urlaubsreise an dem Arbeitsverhaltnis nichts andern werde.
4. An dieser Auffassung, die auch von einem Teil der Lit. (Wolf, Anm. zu EzA ü 130 BGB
Nr. 10; von Olshausen, JZ 1981, 633; Wenzel, BB 1981, 1031) und der Instanzgerichte (LAG
Hamm, Beschluä vom 30. 7. 1981 - 8 Ta 87/81 - EzA ü 130 BGB Nr. 11; LAG Du sseldorf,
Urt. vom 15. 6. 1982 - 8 Sa 657/87 - EzA ü 130 BGB Nr. 12) kritisiert worden ist, halt der
Senat in U bereinstimmung mit dem LAG nicht fest. Insbesondere gibt der Senat das zusatzl.
Zugangserfordernis "wenn und sobald der Erklarende die Kenntnisnahme des Adressaten vom
Erklarungsinhalt berechtigterweise erwarten kann" auf. Denn entgegen der Ansicht von Corts
(aaO, S. 2082) handelt es sich hierbei nicht "ledigl. um eine Umformulierung" der bisherigen
Zugangsdefinition, sondern um die zusatzl. Beru cksichtigung konkreter Erwartungen des Erklarenden, die weder der Rechtsklarheit dient noch wegen der Interessenlage des Erklarungsempfangers geboten ist.
a) Zur Erreichung einer sachgerechten, den Interessen beider Beteiligter gerecht werdenden
Verteilung des Transportrisikos des Erklarenden und des Kenntnisnahmerisikos des Empfangers, wie sie der Empfangstheorie und der traditionellen Zugangsdefinition (vgl. oben II 1)
zugrunde liegt, ist vielmehr davon auszugehen, daä grundsatzl. auch bei Kenntnis des Arbeitgebers von der urlaubsbedingten Ortsabwesenheit des Arbeitnehmers diesem ein an die Heimatanschrift gerichtetes Ku ndigungsschreiben wirksam zugehen kann. Dies gilt in aller Regel
selbst dann, wenn der Arbeitnehmer seine Urlaubsanschrift dem Arbeitgeber mitgeteilt hat;
ledigl. bei besonderen Umstanden des Einzelfalles kann sich aus ü 242 BGB eine abweichende Wu rdigung ergeben.
Hierfu r spricht zum einen die mit den Bedu rfnissen des rechtsgeschaftl. Verkehrs schwer zu
vereinbarende Unsicherheit einer konkreten Erwartung des Erklarenden von der Kenntnisnahme durch den Empfanger. Es gibt keine allgemein gu ltigen Erfahrungswerte u ber das konkrete Urlaubsverhalten der Arbeitnehmer (vgl. Corts, aaO, S. 2083). Auch ist der Arbeitnehmer im Regelfall nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber mitzuteilen, ob und wohin er wahrend
des Urlaubs verreist (vgl. BAG, Urt. vom 16. 12. 1980 - AP Nr. 11 zu ü 130 BGB); andererseits kann der Arbeitgeber nicht gehalten sein, sich u ber das individuelle Urlaubsverhalten
seiner Arbeitnehmer Kenntnis zu verschaffen. Beru cksichtigt man zudem die Mo glichkeit
einer spateren Veranderung der Umstande, wie z. B. den Nichtantritt der Urlaubsreise wegen
Erkrankung einer Begleitperson, einen Hotelwechsel wegen mangelnder Leistungserbringung
seitens des Reiseveranstalters, eine kurzfristige A nderung der Urlaubsplane wegen des Wetters oder aus sonstigen perso nl. Gru nden, so wird die mit dem subjektiven Zugangserfordernis
der Erwartungen des Erklarenden verbundene Unsicherheit vollends deutlich. Bei irrigen Vorstellungen des Erklarenden wu rde das Abstellen auf seine konkrete Erwartung zu nicht sachgerechten Lo sungen fu hren (vgl. auch von Olshausen, aaO, S. 634). Hinzu kommt die mit den
subjektiven Vorstellungen einer Partei stets verbundene Darlegungs- und Beweisschwierigkeit
im Prozeä. Verfehlt ist auch der Ansatzpunkt von Corts und des LAG Mu nchen (jeweils aaO),
das Interesse des Arbeitgebers an einer Ku ndigung wahrend der Urlaubsabwesenheit des Arbeitnehmers mu sse "grundsatzl. hinter dessen Interesse zuru cktreten, nicht wahrend seiner
Abwesenheit von einer auf die Beendigung seines Arbeitsverhaltnisses zielenden Willenserklarung des Arbeitgebers u berrascht zu werden" und der Arbeitgeber mu sse "den Status des
Urlaubs respektieren". Daä dies bei einer auäerordentl. Ku ndigung schon wegen der Erklarungsfrist des ü 626 Abs. 2 BGB nicht gelten kann, haben bereits Wolf und Wenzel (jeweils
aaO) und verschiedene Instanzgerichte (vgl. LAG Hamm, Urt. vom 21. 9. 1977 - 2 Sa 892/77
- DB 1978, 119; Beschluä vom 30. 7. 1981 - 8 Ta 87/81 - EzA ü 130 BGB Nr. 11; LAG
Nu rnberg, Urt. vom 21. 8. 1980 - 1 Sa 23/80 - AMBl. 1981, C 1) zutreffend ausgefu hrt.
b) Es besteht auch keine rechtl. Notwendigkeit, dem Urlaub des Arbeitnehmers allein in der
Rechtsbeziehung zum Arbeitgeber eine zugangshemmende Wirkung zukommen zu lassen,
wahrend dies in seinem sonstigen Rechtsverkehr nicht der Fall ist (vgl. BVerfGE 37, 100,
102; 40, 88, 91; 40, 182, 186; 41, 332, 336; BGH, VersR 1982, 652, 653; 1984, 81, 82;
BVerwG, MDR 1977, 431). Dies gilt insbesondere angesichts der Mo glichkeit einer Zulassung verspateter Klagen gemaä ü 5 KSchG. Eine nachtragl. Zulassung der Ku ndigungsschutzklage wegen urlaubsbedingter Abwesenheit ist schon im Hinblick auf die Rechtspr. des
BVerfG zur Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in aller Regel geboten (vgl.
BVerfGE 25, 158, 166 = AP Nr. 26 zu Art. 103 GG; 26, 315, 319; 34, 154, 156 f. = AP Nr. 28
zu Art. 103 GG; 37, 100, 102;40, 182, 186; 41, 332, 336; vgl. Wenzel, aaO; KR-Friedrich, 2.
Aufl., ü 5 KSchG Rz. 60). Danach braucht, wer eine standige Wohnung hat und diese nur voru bergehend wahrend des Urlaubs nicht benutzt, fu r diese Zeit keine besonderen Vorkehrungen hinsichtl. mo glicher Zustellung zu treffen. Vielmehr darf der Bu rger damit rechnen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erhalten, falls ihm wahrend seiner Urlaubszeit ein
Schriftstu ck zuging und er hieran anknu pfende Fristen versaumt hat. Dies gilt grundsatzl.
selbst dann, wenn die Zuleitung einer Willenserklarung bzw. eines Bescheides zu erwarten
war. Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn dem Empfanger ein sonstiges Verschulden zur Last gelegt werden kann, er also z. B. die Abholung vernachlassigt hat oder sich
einer erwarteten Zustellung vorsatzlich entziehen sollte (vgl. hierzu auch LAG Hamm, Beschlu sse vom 23. 3. 1972 - 8 Ta 13/72 - BB 1972, 711 und vom 30. 7. 1981, aaO; LAG Berlin, Beschluä vom 11. 3. 1982 - 3 Ta 1/82 - ZIP 1982, 614; hinsichtl. prozessualer Fristen
BGH, VersR 1982, 652, 653; 1984, 81, 82).
5. Im Entscheidungsfall ist daher das Ku ndigungsschreiben vom 17. 9. 1986 spatestens am
Folgetag durch Einwurf in den Hausbriefkasten des Kl. zugegangen. Da den Feststellungen
des LAG nicht entnommen werden kann, daä der Einwurf des Ku ndigungsschreibens vor oder
zu den normalen Postzustellzeiten erfolgte, geht der Senat zugunsten des Kl. davon aus, daä
der Zugang erst am 18. 9. 1986 erfolgte (vgl. BAG, Urt. vom 8. 12. 1983 - 2 AZR 337/82 AP Nr. 12 zu ü 130 BGB).
Ein anderer Zugangszeitpunkt wu rde sich fu r den Entscheidungsfall im u brigen selbst dann
nicht ergeben, wenn der Senat an seinem Urteil vom 16. 12. 1980 festgehalten hatte. Denn die
Bekl. konnte die Kenntnisnahme des Kl. vom Inhalt des Ku ndigungsschreibens berechtigterweise spatestens am 18. 9. 1986 erwarten. Ihr war nicht positiv bekannt, daä der Kl. in der
Zeit vom 15. bis 28. 9. 1986 verreisen werde. Auch im Berufungsurteil wird keine andere
Feststellung getroffen, sondern die Kenntnis der Bekl. nur zugunsten des Kl. unterstellt. Soweit der Kl. die Ansicht vertritt, diesbezu gl. komme es auf die Kenntnis des die Hausdurchsuchung am 10. 9. 1986 durchfu hrenden Ermittlungsbeamten der Oberpostdirektion D., W., an,
kann dem nicht gefolgt werden. Dienstl. Aufgabe des W. war - was vom Kl. nicht bestritten
wurde - ledigl. die Ermittlung des Ku ndigungssachverhalts in seiner Eigenschaft als Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft. Er wurde, was die rechtsgeschaftl. Beendigung des Arbeitsverhaltnisses anlangt, nicht als Vertreter ku ndigungsberechtigter Personen der Beschaftigungsbeho rde des Kl., des Fernmeldeamts E., tatig. Diesbezu gl. wurde er auch nicht in sonstiger Weise eigenverantwortl. fu r die Beschaftigungsbeho rde tatig. Insoweit war er nicht zur Empfangnahme der Mitteilung des Kl. berechtigt; seine Kenntnis kann der Beschaftigungsbeho rde daher auch nicht gemaä ü 166 Abs. 1 BGB zugerechnet werden (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB,
47. Aufl., ü 166 Anm. 2, 3b, m. w. N.).
II. Ein Rechtsfehler des LAG liegt auch nicht darin, daä es die verspatete Klage nicht nachtragl. zugelassen hat. Es kann daher dahinstehen, inwieweit die Entscheidung des Berufungsgerichtes u ber die nachtragl. Klagezulassung u berhaupt der revisionsgerichtl. Nachpru fung
unterliegt (vgl. dazu z. B. BAG 42, 294 = AP Nr. 4 zu ü 5 KSchG 1969; 45, 298 = AP Nr. 6
zu ü 5 KSchG 1969).
Die Ku ndigungsschutzklage selbst enthalt keinen Anhaltspunkt fu r einen Antrag auf
nachtragl. Klagezulassung. Soweit der im Schriftsatz der Klagervertreter vom 27. 11. 1986
enthaltene Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" als Antrag i. S. des ü 5
KSchG auszulegen sein sollte, war hierfu r die Frist des ü 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG bereits abgelaufen. U berdies ist dem Akteninhalt, insbesondere dem Sitzungsprotokoll vom 7. 11. 1986,
zu entnehmen, daä der Kl. und seine Prozeävertreter den Schriftsatz der Bekl. vom 6. 11.
1986, in dem der Zugangszeitpunkt 17. 9. 1986 angegeben war, spatestens am 7. 11. 1986
erhalten haben. Der Hinweis der Prozeävertreter auf die fehlenden Anlagen zu diesem Schriftsatz ergibt dies zwingend. Spatestens mit der Kenntnisnahme vom Inhalt dieses Schriftsatzes
am 7. 11. 1986 bzw. dem ihm gleichstehenden Kennenmu ssen (BAG 51, 29 = AP Nr. 31 zu ü
5 BetrVG 1972; vgl. KR-Friedrich, 2. Aufl., ü 5 KSchG Rz. 110) begann die Frist fu r den Antrag auf nachtragl. Klagezulassung zu laufen. Er hatte folglich spatestens am 21. 11. 1986 gestellt werden mu ssen. Gegen die Versaumung der Frist des ü 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ihrerseits
ist eine Wiedereinsetzung nicht mo glich (vgl. KR-Friedrich, 2. Aufl., ü 5 KSchG Rz. 122 f.,
m. w. N.; LAG Berlin, Beschluä vom 11. 12. 1964 - 3 Ta 6/64 - AP Nr. 11 zu ü 4 KSchG).
III. Die ausgesprochene Ku ndigung ist auch nicht aus sonstigen Gru nden i. S. des ü 7 Halbsatz
2, ü 13 Abs. 3 KSchG rechtsunwirksam.
Dem vom LAG in Bezug genommenen Schriftsatz der Bekl. vom 6. 11. 1986 ist zu entnehmen, daä die Oberpostdirektion D. der beabsichtigten auäerordentl. Ku ndigung des Kl. gemaä
ü 27 Abs. 3 Unterabs. 2 des TV fu r die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) zugestimmt hat. Dies ist vom Kl. nicht bestritten worden.
Nach unwidersprochenem Sachvortrag der Bekl. wurde das Ku ndigungsschreiben erst nach
Eingang der Stellungnahme des Personalrats beim Fernmeldeamt E. vom 16. 9. 1986 auf den
Weg gebracht. Eine fehlerhafte Beteiligung des Personalrats i. S. des ü 79 Abs. 3 BPersVG
wird vom Kl. nicht geltend gemacht.
(F) BAGE 58, 9 = RdA 88, 380 = BB 88, 2391 = BB 89, 150 = Betrieb 89, 1133 (Popp) = Betrieb 88, 2415 = NJW 89, 606 = NZA 88, 875 = AR-Blattei Ku ndigung II, Entsch. 36 = SAE
89, 179 (Schukai, Ramrath) = AuR 88, 385 = EzA ü 130 BGB Nr. 16 (Adam) = Gewerkschafter 89 H. 1 S. 38 = ZTR 89, 37 = MDR 89, 185 = ARST 89, 47 = DRspr. VI (610) 208a-b =
JZ 89, 295 (Dilcher) = EBE/BAG 88, 26 = BetrR 89, 49 (Beck) = EzBAT ü 57 BAT Nr. 11
(Berger-Delhey) = BehindR 89, 92 = EWiR 89. 749 (Plagemann) = Personal 90, 41