Geschichtsrezeption am Beispiel der Schlacht an den Thermopylen

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Geschichtsrezeption am Beispiel der Schlacht an den Thermopylen
Geschichtsrezeption am Beispiel der Schlacht an den Thermopylen – Wie deutet die Quelle die Geschichte? Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um einen Auszug aus den „Historien“ des griechischen Historikers Herodot. Die Quelle ist 424 v. Chr. in Athen entstanden und thematisiert die Schlacht an den Thermopylen (480 v. Chr.). Demnach sind zwischen dem historischen Ereignis und der Entstehung der Quelle ungefähr 56 Jahre vergangen. Die Informationen, auf die sich Herodot bezieht, können daher lediglich überliefert sein, weshalb der Text als Sekundärquelle einzuordnen ist. Wie der Vortext der Quelle bereits andeutet, handelt es sich hierbei um eine historische Abhandlung und somit um eine Traditionsquelle. Sie ist mit dem Vorsatz verfasst worden, sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und richtete sich vermutlich an die Athener Bürgerschaft. In dem Quellenauszug skizziert Herodot den Schlachtverlauf an den Thermopylen und stellt die Spartaner und Perser antithetisch gegenüber. Der Aufbau des Quellentextes ist durch eine Zweiteilung gekennzeichnet. Im ersten Abschnitt werden die Kampfhandlungen beschrieben (Z. 1 -­‐ 9). Der zweite Abschnitt widmet sich einem Ehrenmal für die gefallenen Soldaten (Z. 10ff.). Vermutlich wollte Herodot durch diese Reihenfolge die Leistungen der griechischen Soldaten aufwerten und durch das Lob des Kampfesmutes am Ende diese Sichtweise auf das Geschehen bei den Adressaten verankern. Dafür spricht, dass die Griechen in dem Quellenauszug durchweg positiv dargestellt werden, die Perser hingegen negativ. Dies zeigt sich besonders daran, dass die Spartaner kämpften, obwohl ihnen bewusst war, dass sie dabei sterben würden (Vgl. Z. 1f. + 5). Diese „Todesverachtung“ (Z. 6) soll zeigen, dass sie sich für ihr Land opferten. Dass Herodot diesen Aspekt an drei Stellen in dieser Quelle anspricht (Vgl. Z. 2, 5, 6), unterstreicht ihn in besonderer Weise. Zudem kämpfen sie mutig und „tollkühn“ (Z. 6), was sich daran zeigt, dass die Spartaner die Konfrontation an einer breiteren Stelle des Engpasses suchen (Vgl. Z. 2f). Die Spartaner waren dabei militärisch erfolgreich und den Persern überlegen, denn sie töteten eine „Menge Feinde“ (Z. 3). Sie setzten ihre „ganze Kraft“ (Z. 6) ein, was abermals ihr Engagement im Kampf gegen die Perser deutlich macht. Dieser Aspekt wird auch deutlich darin, dass die Spartaner so viel gekämpft haben, dass die meisten ihrer Lanzen zerbrochen sind (Vgl. Z. 7). Dass sie danach mit Schwertern weiterkämpfen mussten, verdeutlichte erneut ihren Kampfeswillen (Vgl. Z. 7). Bei ihrem „heldenmütig[en]“ Kampf (Vgl. Z. 8) kamen alle Spartaner und ihr Anführer Leonidas ums Leben. Sie wurden direkt am Ort der Schlacht begraben. Zur Ehre der Gefallenen wurde eine Inschrift eingemeißelt (Vgl. Z. 10). Die Tatsache, dass für die Soldaten ein Denkmal errichtet wurde, verdeutlicht ihr Verdienst für die Griechen. Dass Herodot dies in seiner historischen Abhandlung erwähnt, verstärkt die Aufwertung der Griechen abermals. Die Inschrift richtet sich primär an Reisende, fordert aber auch die Rezipienten der Abhandlung auf, die gefallenen Soldaten als ehrenwürdig wahrzunehmen. Die Perser werden hingegen als Feiglinge bezeichnet und mit der negativ konnotierten Bezeichnung „Barbaren“ (Z. 6) weiter herabgesetzt. Denn sie kämpfen im Gegensatz nicht freiwillig und mit vollem Einsatz. Sie müssen von ihren Anführern „mit Geißeln“ (Z. 4) in die Schlacht getrieben werden. Und das trifft auf alle persischen Kämpfer zu (Vgl. Z. 4), was die Aussage verstärkt. Zudem legt die Formulierung Herodots, dass die persischen Soldaten „immer und immer vorwärts“ (Z. 4) getrieben werden, nahe, dass sie ohne die Hauptleute den Rückzug antreten würden. Dies lässt sie uneinig und feige wirken. Die Schlacht an den Thermopylen, die Herodot in dieser Quelle darstellt, fand während des 2. Perserkrieges statt. Auslöser für den Konflikt zwischen Griechen und Persern war der Ionische Aufstand (500/499 v. Chr.), bei dem die griechischen Kolonien an der Westküste Kleinasiens von Athen unterstützt wurden. Die Perser schlugen den Aufstand nieder und stellten den innenpolitischen Status quo wieder her. Außenpolitisch reagierte das Persische Reich auf das Eingreifen Athens in ihren Machtbereich mit der Entsendung einer Strafexpedition. Der erste Feldzug unter Dareios scheiterte. In einem zweiten Anlauf marschierten die Perser mit einem riesigen Heer und einer Flotte in Griechenland ein. An den Thermopylen stießen etwa 6000 griechische Soldaten und 300 Spartiaten mit der etwa 100000 Mann starken persischen Armee zusammen. Den Spartanern gelang es, das persische Heer für zwei Tage aufzuhalten, ehe sie verraten und somit besiegt wurden. Nach erheblichen militärischen Erfolgen seitens der Perser, gelang es den Griechen schließlich, den Krieg für sich zu entscheiden. Die Schlacht an den Thermopylen war für den militärischen Verlauf des 2. Perserkrieges von geringer Bedeutung. Für die Identitätsbildung hingegen war diese Schlacht von hoher Relevanz, denn sie wurde zu einem Kampf zwischen David und Goliath hochstilisiert. Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf die Leitfrage feststellen, dass Herodots politisch-­‐
ideologischer Standpunkt als eindeutig pro-­‐griechisch einzuordnen ist. Damit verstößt er – zumindest nach heutiger Auffassung – der Maßgabe, dass historische Abhandlungen möglichst objektiv sein sollten. Stattdessen ist seine Darstellung einseitig perspektivisch und übertrieben. Weder der Auslöser des Konflikts, das militärische Eingreifen Athens in den Machtbereich Persiens, noch der Umgang der Perser mit unterworfenen Völkern wird thematisiert. Diese forderten zwar Tribut und Heeresfolge, griffen aber nicht in kulturelle oder weitergehende gesellschaftliche Belange ein. Wichtiger ist jedoch, dass der griechische Verrat nicht erwähnt wird, was zu einer Relativierung seiner Heroisierung führen würde. Wenngleich die Darstellung im Kern zutrifft, wird sie den historischen Tatsachen nur bedingt gerecht. Auch wenn es sich um eine Sekundärquelle handelt und sich Herodot seine Informationen durch Erzählungen oder andere Quellen angeeignet hat, muss angenommen werden, dass Herodot die einseitige Darstellung bewusst vorgenommen hat und somit zu einer ideologischen Identitätsbildung beitragen wollte. •
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Türkis: Beginn der Analyse Rot: historischer Kontext (hier sehr knapp, da Quelle sehr kurz und Fragestellung sehr eng formuliert ist => muss in Ihrer Klausur umfangreicher ausfallen!!) Grün: „Urteil“, wobei hier keine typische Problematisierung vorliegt, auch das wird in der Klausur wesentlich eindeutiger der Fall sein ! in der Einleitung fehlt der Überlieferungsweg 

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