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RUBRIK. HOTELLERIE. INFORMIERT EUCH! INTERVIEW MIT HAAKON HERBST, VORSTAND DER HSMA DEUTSCHLAND E. V. INTERVIEW: ANKE PEDERSEN · FOTOS: OLIVER SCHMAUCH 14 INTERVIEW HAAKON HERBST THEMA Fällt die Preisbindung, steht die Hotellerie nach Ansicht von HSMAVorstand Haakon Herbst vor der Herausforderung, intelligent mit den neuen Verhältnissen umzugehen. Im Interview mit »Check-in« mahnt er die Branche zur dezidierten Auseinandersetzung mit dem Thema Vertrieb. B efreiungsschlag oder Anfang vom Ende? Während sich der IHA-Hotelverband Deutschland nach einer neuerlichen Abmahnung der Bestpreis-Klausel durch das Bundeskartellamt bestärkt sieht, warnt HRS Chef Tobias Ragge vor einem Sterben der mittelständischen Hotellerie im Angesicht bestehender Überkapazitäten. Obwohl auch Haakon Herbst, geschäftsführender Vorstand der Hotel Sales & Marketing Association (HSMA), die Entscheidungshoheit über Raten, Verfügbarkeiten und Produkt auf Seiten der Hotellerie wissen will, glaubt er dennoch an die Notwendigkeit eines vertriebsstarken Distributionspartners wie HRS. Herr Herbst, nur einen Tag, nachdem das Hotelbuchungsportal HRS wegen des Verdachts der Wettbewerbsbehinderung durch die sogenannte Bestpreis-Klausel am 25. Juli erneut vom Bundeskartellamt abgemahnt worden ist, haben Sie die Mitglieder der HSMA befragt, wie sie darauf reagieren. Was haben Sie sich erwartet? Die Umfrage war eine spontane Aktion. Seit der ersten Abmahnung des Bundeskartellamts zur Bestpreis-Klausel vor einem Jahr hat HRS die Durchsetzung der Klausel ausgesetzt und uns Hoteliers zugesagt, Ausreißer für die Dauer des Verfahrens nicht zu belangen. Jetzt hat das Kartellamt seine Einschätzung noch einmal bekräftigt und bezieht nun auch andere Portale mit ein. Um den Status Quo von der breiten Masse der Hotellerie abzufragen, haben wir dann kurzerhand die Umfrage gestartet. Danach ist der Markt ordentlich in Bewegung: Nur noch gut ein Drittel aller Hoteliers (35,1 %) hält sich an die Preisbindung. Mehr als die Hälfte dagegen ruft auf den hoteleigenen Websites bereits günstigere Preise auf als auf anderen Kanälen (28,4 %) bezie- hungsweise plant, dies in Zukunft zu tun (25,3 %). Und immerhin jeder fünfte Hotelier nutzt den unklaren Rechtszustand, um mit seinen Preisen auf den verschiedenen Kanälen zu spielen beziehungsweise zu experimentieren. Das Ergebnis finde ich wirklich spannend. Denn es zeigt vor allem, dass das ganze Thema jetzt auf die Sachebene gerutscht ist: Die Stimmung ist weitestgehend frei von sämtlichen Emotionen, eher »neutral abwartend«. Wichtig für uns: Die Umfrageergebnisse zeigen, dass sich jetzt wirklich alle mit dem Thema beschäftigt haben. Noch 2005 waren alle Beteiligten für die Preisparität: Gefeiert wurde dies als Win-win-Situation für alle: als das Ende von Intransparenz und der Fixierung rein auf den Preis hin zur tatsächlichen Qualität beziehungsweise Leistung. Sicher, blickt man zehn Jahre zurück, dann war die Parität von Raten von uns allen nicht nur gern gesehen, sondern auch erwünscht. Damals ging es darum, gegen die gefühlte Monopolstellung von HRS einen Wettbewerb zu etablieren. Außerdem war es gut, dass der Preis nicht mehr alleiniges Thema war. Dahinter stand zum einen, dass die selbst verhandelten Raten der Travel Manager von den Portalen ständig unterwandert wurden. Zum anderen, dass die Hotellerie ihrerseits Planungssicherheit in ihren Verträgen wollte. Kurzum: Für alle war die Ratenparität damals das absolut richtige Instrument. Was hat sich seitdem geändert? 2013 ist der Markt zunehmend vielschichtiger geworden: Booking beispielsweise gab es damals noch nicht, und auch Expedia hatte damals keiner auf dem Schirm. Auch wenn sich aus der damaligen Monopol- inzwischen eine Oligopol-Stellung entwickelt hat: Der Markt heute ist wesentlich breiter geworden. Anders als früher stehen heute andere »Das Thema BestpreisKlausel ist jetzt auf eine Sachebene gerutscht.« 15 RUBRIK. HOTELLERIE. Geschäftsmodelle hinter den einzelnen Portalen und damit auch andere Käufergruppen und andere Märkte. Booking beispielsweise stand lange Zeit für Gäste aus den Leisure-Märkten, während HRS auch im Geschäftsreisesegment stark ist. Anders formuliert: Wer auf die Buchungen von Touristen aus ist, kann heute über Buchungsportal XY gehen, wer Familien will, geht über Portal YZ, und der Geschäftsreisende ist am besten abzuholen über Portal ZX? So war es für einen kurzen Moment. Jetzt wird der Markt hier zwar auch wieder sehr viel durchlässiger, aber es gilt dennoch die Aussage: Wenn ich als Hotel unterschiedliche Märkte anspreche, will ich diese Märkte auch unterschiedlich – also über verschiedene Portale – bedienen können. Damals ging es nur darum, eine Bewegung hervorzubringen, um Wettbewerber neben HRS zuzulassen. Die gibt es ja inzwischen. Ihr Ziel haben Sie also erreicht. Richtig, aber am langen Ende geht es darum, dass wir als Hoteliers Herr sein wollen über unsere Raten, unsere Verfügbarkeiten und unser Produkt. Was wollen Sie damit sagen? Dass der Wettbewerb in Gestalt mehrerer konkurrierender Portale heute zwar gewährleistet ist, die Hotellerie davon letztlich aber nichts hat, weil HRS & Co. die Ausübung dieser unternehmerischen Freiheit über ihre AGBs wieder verhindern? Etwas komplizierter ist es schon. Die Kartellbehörde sagt: »Wir müssen dem Endverbraucher einen freien Markt gewährleisten, damit »Vor zehn Jahren war die Parität von Raten das richtige Instrument.« der Endverbraucher nicht immer und überall nur den gleichen Preis angeboten bekommt.« So weit, so nachvollziehbar und gut. Leider aber ist das Kartellamt nicht dazu da, die Hotellerie vor sich selbst zu schützen. Denn wenn die Preisbindung fallen sollte, dann ist es eine enorme Herausforderung für die Hotellerie, intelligent damit umzugehen. Wie ist das denn gemeint? Wollen Sie die unternehmerischen Freiheiten nun oder lieber doch nicht? In der Hotellerie wird es immer Gewinner und Verlierer geben. Gewinner werden die sein, die auf der neuen Klaviatur zu spielen wissen. Die werden ihr RevPar sogar steigern können, weil sie die Parameter all ihrer Distributionspartner kennen. Und weil sie wissen, dass auch Kommunikation wichtig ist. Dass es von entscheidender Bedeutung ist, mit ihren Betreuern auf Seiten der Distributionspartner zu verhandeln. Verlieren hingegen werden die, denen nichts weiter einfallen wird, als ihre Preise zu senken. Das ist genau das, was HRS Geschäftsführer Tobias Ragge – zuletzt im Interview mit »Check-in« – prophezeit hat. Seine Prognose für den Fall der Bestpreis-Klausel lautet: »Aufgrund der vielerorts vorhandenen Überkapazitäten wird sich der Wettbewerb zwischen den Hotels vermutlich weiter verschärfen. Das wird letztlich zu 16 niedrigeren Übernachtungspreisen und damit zu geringeren Gewinnmargen führen. Überdies wird dadurch der Strukturwandel vor allem zu Lasten des Mittelstandes beschleunigt, was mit einem Sterben der mittelständischen Hotellerie einhergehen wird.« Ein überaus düsteres Szenario … … aber absolut realistisch! Wenn die Ratenparität fällt, werden sich die Portale etwas einfallen lassen, um letztlich doch bessere Konditionen zu bekommen. Und auf der anderen Seite des Verhandlungstisches finden sie dann eben entweder starke Partner oder schwache. Schwach sind all diejenigen, die nicht verstehen, was da eigentlich passiert. Dabei ist es extrem wichtig, dass die Leute wissen, was sie zu verlangen haben! Oder zumindest eine Strategie zu haben. »Soll ich unter das Dach einer starken Marke gehen, die die Distribution für mich erledigt? Oder habe ich gute Argumente, sodass ich mit meinem Distributor eine individuelle Lösung für mein Haus finde?« Wirtschaftswoche-Autor Hans-Jürgen Klesse zieht in einem Beitrag zu diesem Thema folgendes Fazit: »Mehr unternehmerische Freiheit bedeutet auch mehr unternehmerisches Risiko.« Was raten Sie Ihren Mitgliedern und Kollegen im Angesicht der unternehmerischen Risiken? Informiert euch! Das ist das eine. Dann ist wichtig: Du darfst nicht austauschbar sein! Der Markt besteht nun mal aus Angebot und Nachfrage. Und da brauche ich (m)einen Distributor in aller Regel – der Distributor hingegen braucht mich eher nicht. Aus diesem Grund muss es für einen Hotelier absolute Priorität haben, eine ordentliche Strategie aufzubauen. Alle gut positionierten Häuser und alle Ketten haben eine solche Strategie bereits – oder sie liegt schon in der Schublade. Für alle, die INTERVIEW HAAKON HERBST THEMA dies noch nicht für sich in Anspruch nehmen können, wird es also höchste Zeit. Ansonsten: Gute Nacht! einmal: Informiert euch! Früher lernten wir erst Küche + Keller, dann Restaurant + Reservierung, heute sind es Marketing + Vertrieb. Gerade auch für den Kleinen ist es wichtig, dass er heute auch Distribution lernt – und ihre Auswirkungen. Herr Herbst, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. UMFRAGE ZUM THEMA PREISPARITÄT. Wie reagieren HSMA-Mitglieder darauf, dass HRS für die Dauer des laufenden Prüfungsverfahrens die Durchsetzung der Bestpreis-Klausel einstellt? n Ka e Pr 25,3 % 28,4 % en en er n ne ei g it s e ei r Wir haben be d er d an g üns au f en tigeren Preis d u hz Web seite im Vergleic llt. s te inge e n e l ä Kan en er un n ne ab m al ein st re er ns e nu ht . n ic 35,1 % er 19,6 % nd h . n ir w ar ise re en ir w rä P d ve W W un te le n anä nK de chie i er s m v n en e n de hied de rsc in e v d le n . en t el äl ns ei e is e td en er ein d d en ic uf Wir wer a e l is n rg P re le Ve g ün el eren g i s t m st te i ein eigenen Websei en n äl zu d en a n d eren K a Genau diesen Aspekt mahnt das Kartellamt ja an: Dass die Hotelportale von ihren Vertragspartnern verlangen, ihnen nicht nur die jeweils niedrigste Zimmerrate zu garantieren, sondern zudem noch die höchstmögliche Verfügbarkeit und die günstigsten Buchungs- und Stornierungskonditionen. Richtig. Darüber hinaus wird es eine große Herausforderung für jeden Hotelier sein, seinen Direktvertrieb zu stärken. Marken haben da ganz klar strategische Vorteile. Als No-Name wirst du ganz schnell merken, dass du niemals die Reichweite erreichen kannst, die dein Distributor für dich schafft. Nichtsdestotrotz gibt es zahllose Möglichkeiten, sein Glück auch in der Spezialisierung zu sehen und zu suchen. Als Kleiner hast du einfach keine andere Wahl als deine Nische zu finden. Mit den Marketingetats der Großen wirst du nicht mithalten können. Kurzum: Da ist der große Distributionspartner, der Was erwarten Sie für den Fall, dass die Ratenparität nicht fallen sollte? Dann wird es trotzdem Verantwortliche geben, die mit den verschiedenen (Preis-)Modellen spielen werden. Aus diesem Grund fordere ich alle Hoteliers auf, sich schlau zu machen. Noch iel Bitte erklären Sie das. Wenn Booking in der Vergangenheit beispielsweise drei meiner Zimmer verkauft hat und dann eine Buchung wieder gecancelt wurde – dann wollte ich besagtes Zimmer wieder selbst verkaufen können. Booking hatte seine Chance dann ja. Doch unter dem Vorbehalt der Last Room Availability sieht Booking das anders. Darüber muss man verhandeln beziehungsweise haben wir verhandelt. uns bei unserem Geschäft hilft. Aber da ist eben auch die Eigenverantwortung. sp Okay! Sie stellen fest, dass ein Einzelhotelier heute im globalisierten Wettbewerb ohne einen schlagkräftigen Vertriebspartner kaum Chancen hat, sein Produkt an den Gast zu bringen. Letztlich ist das doch aber fast schon eine Binsenweisheit. Geht es auch ein bisschen konkreter? Ich muss meine Märkte kennen und dann über die entsprechenden Kanäle bedienen. Das ist das eine. Gleichzeitig muss es mir möglich sein, meine verschiedenen Kategorien und Verfügbarkeiten je nach Markt einzustellen. Stichwort: AutoReplenishment. Quelle: HSMA Deutschland e. V. 17