ArbG München_9Ca2501_10

Transcription

ArbG München_9Ca2501_10
Verkündet am: 26.10.2010
9 Ca 2501/10
Ihle
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Arbeitsgericht München
Im Namen des Volkes
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
A.
A-Straße, A-Stadt
- Kläger Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B.
B-Straße, B-Stadt
gegen
D.,
D-Straße, D-Stadt
- Beklagter -
9 Ca 2501/10
-2hat die 9. Kammer des Arbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung
vom 12. Oktober 2010 durch die Richterin am Arbeitsgericht Schönleben sowie die ehrenamtlichen Richter Blüthmann und Maier
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 572,28 (fünfhundertzweiundsiebzig
28/100 EURO) brutto zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt ein Sechstel, der Kläger fünf Sechstel der Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf 4.005,96 € festgesetzt.
5. Soweit die Berufung nicht kraft Gesetzes zugelassen ist, wird sie nicht gesondert
zugelassen.
9 Ca 2501/10
-3Tatbestand
Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger war seit 01.08.1998 als Sportlehrer bei der D in B-Stadt beschäftigt. Im Arbeitsvertrag des Klägers vom 03.08.1998 heißt es in § 2 (Bl. 4 d. A.):
„Das Arbeitsverhältnis einschließlich der Eingruppierung und Vergütung bestimmt
sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden,
ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Arbeitgeber geltenden
Fassung.“
Der Kläger war zu Beginn seines Arbeitsverhältnisses in Vergütungsgruppe IIb BAT eingruppiert. Ab 01.04.2005 war der Kläger aufgrund eines Bewährungsaufstiegs in Vergütungsgruppe IIa BAT eingruppiert.
Mit Ablösung des BAT durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) wurde
der Kläger ab 01.10.2005 zunächst in die Entgeltgruppe 12 TVöD übergeleitet. Der Kläger
wehrte sich hiergegen. Mit Schreiben vom 21.05.2007 (Bl. 6 d. A.) teilte die Beklagte dem
Kläger mit, dass sie die Überleitung korrigiere und der Kläger ein Vergleichsentgelt von
3.705,12 € in der Entgeltgruppe 13 TVöD mit der individuellen Zwischenstufe 4-5 erhalte.
Mit Schreiben vom 11.12.2009 (Bl. 7 d. A.). teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die
erfolgte Überleitung in die Entgeltgruppe 13 TVöD ab dem 01.12.2009 korrigiert werden
müsse und der Kläger rückwirkend zum 01.10.2005 in die Entgeltgruppe 12 TVöD übergeleitet werde.
Mit der Vergütungsabrechung für August 2010 verrechnete die Beklagte die Differenzbeträge in Höhe von monatlich 95,38 € brutto zwischen der Entgeltgruppe 13 und 12 für die
Monate Juni bis einschließlich November 2009.
Der Kläger meint, er sei in Entgeltgruppe 13 TVöD einzugruppieren. Ziffer 8 der Anlage 5
zu § 23 TVÜ-Bund sei nicht mehr anwendbar, da die Beklagte den Kläger übergeleitet
habe. Mangels anderweitiger Regelung bemesse sich das Gehalt des Klägers gem.
9 Ca 2501/10
-4§ 4 Abs. 1 TVÜ-Bund i.V.m. Anlage 2 anhand der letzten Vergütungsgruppe IIa BAT nach
Entgeltgruppe 13. Der Bewährungsaufstieg des Klägers aus IIb BAT sei insoweit unerheblich. Es spiele keine Rolle, dass der Bewährungsaufstieg nicht in Entgeltgruppe 13 aufgeführt sei, da die erstmalige Eingruppierung für die Überleitung unerheblich sei.
Eine Anhörung des Personalrats werde mit Nichtwissen bestritten.
Der Kläger sei weiter mit Herrn xxx vergleichbar, der eine Vergütung nach Entgeltgruppe
13 erhalte.
Die Rückforderung der Differenzvergütungen mit der Abrechnung für August 2010 sei
durch § 37 TVöD ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger unverändert in die Entgeltgruppe 13, Stufe 05
West TVöD eingruppiert ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 95,38 € brutto für Dezember 2009,
95,38 € brutto für Januar 2010 sowie 95,38 € brutto für Februar 2010 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 572,28 € brutto zu bezahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 572,28 € brutto zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, eine unmittelbare Eingruppierung in die Entgeltgruppe 13 sei nicht
möglich, da es an einer tariflichen Entgeltordnung fehle, welche die bisherige Vergütungsordnung des BAT ablösen solle. Der Kläger habe wegen Ziffer 8 der Anlage 5 zu
§ 23 TVÜ-Bund keinen Anspruch auf Überleitung. Die Fortzahlung der bisherigen Bezüge
nach dem BAT sei daher die einzig rechtlich korrekte Lösung.
9 Ca 2501/10
-5Mit der Überleitung des Klägers in Entgeltgruppe 13 habe keine übertarifliche Zusage gewährt werden sollen. Dies wäre auch rechtlich wegen § 40 Abs. 1 BHO nur nach Einwilligung des Bundesministerium der Finanzen möglich gewesen.
Eine Überleitung in die Entgeltgruppe 12 TVöD sei gut vertretbar und sei deshalb erfolgt,
weil die Vergütung nach dem BAT seit 2005 nicht mehr angepasst werde.
Für die Vergütung von Herrn xxx nach der Entgeltgruppe 13 bestehe ein sachlicher
Grund. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht anwendbar.
Für den Fall, dass der Klage statt gegeben werde, werde vorsorglich die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung mit dem Rückforderungsanspruch über die Jahressonderzahlung 2009 in Höhe von 946,50 € erklärt, da dieser Betrag dem Kläger bei einer Vergütung nach Entgeltgruppe 13 nicht zustehe.
Der Personalrat sei nicht zu beteiligen gewesen, da keine Eingruppierungsänderung erfolgt sei.
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages der Parteien wird Bezug genommen auf die jeweils gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst zugehörigen Anlagen sowie den Inhalt
der Sitzungsniederschriften.
9 Ca 2501/10
-6Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber größtenteils unbegründet.
I.
1. Der Feststellungsantrag sowie die Zahlungsanträge des Klägers hinsichtlich der Differenzbeträge für die Monate Dezember 2009 bis einschließlich August 2010 sind unbegründet. Ein Anspruch des Klägers auf Überleitung in die Entgeltgruppe 13 TVöD ist
nicht gegeben, da eine Überleitungsregelung für Lehrkräfte des Bundes in den TVöD
gem. Ziffer 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund bislang nicht vorliegt.
a. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Tarifwerk des öffentlichen Dienstes zumindest aufgrund einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 03.08.1998 Anwendung.
b. Der Kläger ist als Sportlehrer unstreitig Lehrkraft des Bundes. Er fällt damit unter
den in Ziffer 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund genannten Personenkreis.
c. Dem Kläger wären daher gem. Ziffer 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund vorerst die
bisherigen Bezüge als zu verrechnender Abschlag auf das Entgelt, das ihm nach
der Überleitung zusteht, fortzuzahlen.
d. Ein Anspruch des Klägers auf Überleitung in die Entgeltgruppe 13 ergibt sich nicht
daraus, dass die Beklagte den Kläger bereits in die Entgeltgruppe 13 übergleitet
hatte und ihn entsprechend vergütete.
Eine Eingruppierungsmitteilung im öffentlichen Dienst enthält im Normalfall keine
eigenständige Zusage der hier ausgewiesenen Entgelt- oder Vergütungsgruppe.
Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muss davon ausgehen, dass der öffentliche Arbeitgeber tarifgerecht, d.h. nicht untertariflich, aber auch nicht übertariflich, bezahlen möchte und mit der Eingruppierungsmitteilung nur kundtut, welche
Eingruppierung nach seiner Auffassung zutrifft. Eine vertragliche Bindung an diese
Tarifgruppe, unabhängig von den tariflichen Voraussetzungen, ist hiermit in der
9 Ca 2501/10
-7Regel nicht verbunden (LAG München vom 30.07.2008 – 5 Sa 932/07, Rz. 36, zitiert nach Juris).
So verhält es sich auch hier. Der Kläger hat insoweit nichts vorgetragen, woraus
sich ein besonderer Wille der Beklagten erkennen ließe, dass sie sich unabhängig
von den tariflichen Vorgaben, außertariflich binden wollte.
e. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte den
Kläger entgegen Ziffer 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund aufgrund des Schreibens
des Bundesverteidigungsministeriums vom 02.10.2009 in die Entgeltgruppe 12
TVöD übergeleitet hat.
Der Beklagtenvertreter hat hierzu in der mündlichen Verhandlung am 12.10.2010
erklärt, dass eine Überleitung in die Entgeltgruppe 12 TVöD vorgenommen worden
sei, da es Entgelterhöhungen im BAT seit 2005 nicht mehr gebe.
Die Überleitung der Beklagten erfolgt damit derzeit auf freiwilliger Basis, um weitergehende Nachteile der betroffenen Arbeitnehmer aufgrund ihrer „eingefrorenen“
BAT-Vergütung zu vermeiden.
Dass die Beklagte hierdurch die noch ausstehende dauerhafte Überleitung in den
TVöD vorwegnehmen wollte, ist nicht ersichtlich. Zwar geht die Beklagte davon
aus, dass der Kläger nach Überleitung in die Entgeltgruppe 12 TVöD anzusiedeln
ist. Aus Ziffer 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund ergibt sich allerdings, dass auch
die Vergütung des Klägers nach Entgeltgruppe 12 einen Abschlag auf das Entgelt,
dass dem Kläger nach Überleitung zusteht, darstellen muss. Sollte sich aus der
noch vorzunehmenden endgültigen Überleitung eine Vergütung nach Entgeltgruppe 13 ergeben, so wären die entsprechenden Differenzbeträge nachzuzahlen.
f. Der Verweis des Klägers auf die Vergütung von Herrn xxx in Entgeltgruppe 13 ist
unbeachtlich.
9 Ca 2501/10
-8Der Kläger kann sein Begehren nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift
nämlich nur bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers, nicht hingegen
beim bloßen Normenvollzug; ein Anspruch auf „Gleichbehandlung im Irrtum“ besteht nicht. An einem gestaltenden Verhalten der Beklagten fehlt es. Die Beklagte
hat Herrn xxx im Hinblick auf die ausstehende Überleitung in die Entgeltgruppe 13
übergeleitet.
g. Eine Anhörung des Personalrats war nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG nicht erforderlich.
Bei der Überleitung der Vergütungs- und Fallgruppen nach dem BAT in die Entgeltgruppe nach dem TVöD steht der Personalvertretung kein Mitbestimmungsrecht zu (VG Mainz vom 05.04.2006 – 5 K 592/05, Rz. 14, zitiert nach Juris).
Bei der Überleitung handelt es sich nicht um eine Eingruppierung i.S.v. § 75 Abs. 1
Nr. 2 BPersVG.
Einer Eingruppierung liegt i.d.R. als wesentliches Merkmal die Zuordnung einer
Tätigkeit zu bestimmten Tätigkeitsmerkmalen zugrunde. Zwar ist hier ein neuer
Tarifvertrag mit einer neuen Vergütungsstruktur beschlossen worden, so dass die
Beschäftigten grundsätzlich entsprechend dem TVöD und dem TVÜ-Bund einzuordnen sind. Dies geschieht aber nicht durch die Zuordnung anhand bestimmter
Tätigkeitsmerkmale, sondern ausschließlich durch eine vorgegebene Übertragung
der bisherigen tarifvertraglichen Eingruppierung in die Entgeltgruppen des TVöD.
Damit handelt es sich lediglich um eine Einordnung im Sinne einer „Umrechnung“.
Bei der Überleitung fehlt es an dem für eine Eingruppierung grundsätzlich maßgeblichen Beurteilungsspielraum.
Dies muss auch hier gelten. Zwar liegt eine endgültige Überleitungsregelung noch
nicht vor. Die Beklagte hat damit den Kläger nur bis auf weiteres übergeleitet.
Gleichwohl hat sie darüber hinaus keine weitere Zuordnung, sondern lediglich eine
– wenn auch nur vorübergehende – „Umrechnung“ vorgenommen.
9 Ca 2501/10
-92. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 572,28 € brutto wegen der Rückforderung
der Vergütungsdifferenzen für Juni bis einschließlich November 2009 mit der Vergütungsabrechnung für August 20010. Eine Aufrechnung gem. § 387 BGB war nicht
möglich, da der Rückforderungsanspruch der Beklagten gem. § 37 TVöD ausgeschlossen ist.
Nach § 37 TVöD verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige
Leistungen.
Im Regelfall beruhen Überzahlungen auf einem Versehen oder auf einer falschen Beurteilung des Anspruchs des Arbeitgebers, sie fallen also in seine Sphäre. Daher beginnt im Regelfall die Ausschlussfrist im Zeitpunkt der Überzahlung. Auf die Kenntnis
des Arbeitgebers von seinem Rückzahlungsanspruch kommt es nicht an (Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD Kompaktkommentar, 5. Aufl., § 3, Rz. 17).
Gem. § 24 TVöD erfolgt die Zahlung der monatlichen Vergütung am letzten Tag des
Monats für den laufenden Kalendermonat. Die Rückforderungsansprüche waren damit
spätestens Anfang Juni 2010 vollständig verfallen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Streitwertentscheidung im Urteil basiert auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO.
9 Ca 2501/10
- 10 IV.
1. Gemäß § 64 Abs. 3a ArbGG ist im Urteilstenor klarzustellen, ob die Berufung zugelassen wird. Für eine besondere Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 bis 3
ArbGG bestand keine Veranlassung. Hiervon unberührt bleibt die Zulässigkeit der Berufung aus anderen Gründen, insbesondere gemäß § 64 Abs. 2b ArbGG für den Fall,
dass der Wert des Beschwerdegegenstandes € 600,00 übersteigt.
2. Der Kläger und die Beklagte können gegen diese Entscheidung Berufung zum Landesarbeitsgericht München nach der beiliegenden Rechtsmittelbelehrung einlegen.
9 Ca 2501/10
- 11 Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes € 600,-- übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist glaubhaft zu
machen (§ 294 ZPO). Eine Versicherung an Eides statt ist nicht zugelassen. Die Berufung
muss innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils beim
Landesarbeitsgericht München
Winzererstraße 104
80797 B-Stadt
eingelegt werden. Die Berufung muss innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung dieses
Urteils schriftlich begründet werden. Beide Fristen beginnen spätestens mit Ablauf von
fünf Monaten nach Verkündung des Urteils. Die Berufung- und Berufungsbegründungsschrift müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können auch von dem Bevollmächtigten einer Gewerkschaft, einer
Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet
werden, wenn die Berufung für ein Mitglied eines solchen Verbandes oder Zusammenschlusses oder für den Verband oder Zusammenschluss eingelegt wird.
Die Vorsitzende:
Schönleben
Richterin am Arbeitsgericht
Das Landesarbeitsgericht bittet, alle Schriftsätze in f ü n f f a c h e r Fertigung einzureichen.