Wenn ein Kind erkrankt

Transcription

Wenn ein Kind erkrankt
Wenn ein Kind erkrankt
Sowohl berufstätige Eltern als auch deren Arbeitgeber haben Fragen zum Freistellungsanspruch und
zur Entgeltzahlung, wenn ein Kind erkrankt und
häusliche Pflege erforderlich wird.
Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die
rechtlichen Ansprüche und Hinweise für die Lohnund Gehaltsabrechnung.
Anspruch auf unbezahlte Freistellung
Sind Eltern berufstätig und muss einer von ihnen ein
erkranktes Kind unter zwölf Jahren nach ärztlichem
Attest zu Hause beaufsichtigen, pflegen und
betreuen, weil kein anderer Haushaltsangehöriger
diese Aufgabe übernehmen kann, besteht ein gesetzlicher Anspruch auf eine unbezahlte Freistellung
von der Arbeitsleistung.
Der Freistellungsanspruch beträgt nach § 45 SGB V
für jeden berufstätigen Elternteil im Kalenderjahr
•
für jedes Kind längstens zehn Arbeitstage,
•
bei drei und mehr Kindern insgesamt längstens
25 Arbeitstage.
Für Alleinerziehende verdoppelt sich dieser Anspruch und beträgt je Kind 20 Arbeitstage, insgesamt höchstens 50 Arbeitstage. Dadurch werden
bei erforderlicher Pflege erkrankter Kinder
Alleinerziehende Ehepaaren gleichgestellt.
Hinweis:
Wenn ein Kind während des vom Arbeitgeber bereits bewilligten Erholungsurlaubs erkrankt, besteht
kein Anspruch auf Nachgewährung des Urlaubs.
(Urteil des ArbG Berlin vom 17.6.2010, Az. 2 Ca
1648/10)
Der unbezahlte Freistellungsanspruch der berufstätigen Eltern gilt für in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte und seit 1.8.2002 auch für
nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
Versicherte (§ 45 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 SGB V).
Damit ist der arbeitsrechtliche Anspruch für alle
berufstätigen Eltern gesichert. Er kann nicht durch
eine vertragliche Regelung ausgeschlossen oder
eingeschränkt werden.
Hinweis:
•
Bei unbezahlten Freistellungstagen wegen
Pflege eines erkrankten Kindes sind die SVTage des jeweiligen Abrechnungsmonats zu
kürzen. Sozialversicherungsbeiträge sind somit
für
einen
sogenannten
Teillohnzahlungszeitraum zu berechnen (§ 224
SGB V).
•
Entfällt wegen der erforderlichen Pflege eines
erkrankten Kindes an mehr als fünf aufeinanderfolgenden Arbeitstagen im Wesentlichen der
Anspruch auf Arbeitslohn, ist in den Lohnunterlagen der Großbuchstabe U einzutragen (§ 41
Abs. 1 EStG).
Anspruch auf bezahlte Freistellung
Wenn ein Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen
und ohne eigenes Verschulden für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit der Arbeit fernbleiben
muss, hat er nach § 616 BGB Anspruch auf Freistellung und Fortzahlung der vollen Vergütung. Das
gilt auch bei erforderlicher Pflege eines erkrankten
Kindes. Nach einer BAG-Entscheidung ist bei Erkrankung eines Kindes unter acht Jahren eine Freistellung unter Fortzahlung der vollen Vergütung für
einen Zeitraum bis zu fünf Arbeitstage gerechtfertigt
(BAG-Urteil vom 19.4.1978 – 5 AZR 834/76).
Hinweis:
Der Arbeitgeber kann keine Erstattung nach dem
Aufwendungsausgleichsgesetz für das fortzuzahlende Arbeitsentgelts beanspruchen, da es sich
nicht um eine Fortzahlung des Arbeitsentgelts in
Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes handelt.
Dieser Anspruch des Arbeitnehmers nach § 616
BGB auf Fortzahlung der Vergütung bei Erkrankung
eines Kindes kann jedoch vertraglich eingeschränkt
oder auch ganz ausgeschlossen werden. Durch
entsprechende Regelungen im Arbeitsvertrag, in der
Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag könnte
zum Beispiel der Anspruch auf Entgeltfortzahlung
auf drei oder auf vier Tage begrenzt werden.
Möglich ist auch ein bis zum zwölften Lebensjahr
erweiterter bezahlter Freistellungsanspruch für fünf
Arbeitstage oder eine Vereinbarung, dass das von
den
Krankenkassen
gewährte
KinderpflegeKrankengeld bis zum Nettoentgelt aufgestockt wird.
Die arbeitsrechtlichen Verträge können auch eine
Ausschlussklausel enthalten, beispielsweise folgenden Satz: „Anspruch auf Arbeitsentgelt bei persönlicher Verhinderung im Sinne des § 616 BGB besteht
nicht, wenn der Arbeitnehmer bei Erkrankung eines
Kindes der Arbeit fernbleiben muss.“
Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung des
Kindes
Hat ein in der gesetzlichen Krankenversicherung
Versicherter Anspruch auf Krankengeld, besteht
dieser Krankengeldanspruch auch für die Dauer der
unbezahlten Freistellung zur Pflege eines
erkrankten Kindes. Die versicherte Mutter oder der
versicherte Vater erhalten für die Zeit der
Freistellung und Betreuung das sogenannte
Kinderpflege-Krankengeld. Voraussetzung ist, dass
auch
das
Kind
in
der
gesetzlichen
Krankenversicherung
versichert
ist.
Diese
Bedingung ist bei einer Familienversicherung (§ 10
SGB V) stets erfüllt.
Da Kinderpflege-Krankengeld nur gewährt wird,
wenn der Betreuende selbst mit Anspruch auf Krankengeld gesetzlich versichert ist, erhalten Privatversicherte kein Kinderpflege-Krankengeld.
Kinderpflege-Krankengeld wird auch nicht gezahlt,
solange arbeitsrechtlich Anspruch auf Fortzahlung
der Vergütung bei Freistellungen zur Pflege und
Betreuung eines erkrankten Kindes besteht. Die
Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers hat also Vorrang und ist auf dem Antrag auf Kinderpflege-Krankengeld vom Arbeitgeber mit zu bescheinigen. Die
vom Arbeitgeber bezahlten Tage der Freistellung
werden dann auf die Bezugsdauer des
Kinderpflege-Krankengeldes
angerechnet.
Der
Freistellungsanspruch und die Bezugsdauer für das
Kinderpflege-Krankengeld verlängert sich auch nicht
um die Entgeltfortzahlungstage des Arbeitgebers.
vom 29.6.1994). Zuvor muss die Krankenkasse des
anderen Elternteils den noch bestehenden
Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld bestätigen.
Eltern mit einem Übertragungswunsch sollten sich
also rechtzeitig an ihre Krankenkasse wenden und
diese einbeziehen. Das ist vor allem auch dann
wichtig, wenn die Eltern unterschiedlichen
Krankenkassen angehören.
Hinweis:
Eine Übertragung des Freistellungsanspruchs mit
Kinderpflege-Krankengeld ist nur möglich, wenn
Wird während des vom Arbeitgeber bereits bewilligten
Erholungsurlaubs
eine
unbezahlte
Freistellung zur Pflege des Kindes nach § 45 SGB V
beantragt, entfällt auch die Urlaubsvergütung nach
§ 11 BUrlG durch den Arbeitgeber.
(Urteil des ArbG Berlin vom 17.6.2010, Az. 2 Ca
1648/10)
Das Kinderpflege-Krankengeld wird analog zum
Freistellungsanspruch nicht nach Kalendertagen,
sondern nach Arbeitstagen gewährt. Es beträgt –
wie das Krankengeld des Versicherten bei eigener
Arbeitsunfähigkeit – 70% des beitragspflichtigen
Arbeitsentgelts und darf 90% des Nettoentgelts
nicht überschreiten (§ 47 SGB V). Vom Kinderpflege-Krankengeld werden Beiträge zur Pflege-,
Renten- und Arbeitslosenversicherung von der
Krankenkasse einbehalten und abgeführt.
Hinweis:
Eventuelle Zuschüsse des Arbeitgebers zum
Kinderkranken-Pflegegeld
sind
lohnsteuersteuerpflichtig.
Sie
sind
sozialversicherungspflichtig, wenn sie zusammen
mit
dem
Kinderpflege-Krankengeld
das
Nettoarbeitsentgelt um mehr als 50 € übersteigen
(§ 23c SGB IV).
Übertragung des Freistellungsanspruchs und
des Anspruchs auf Kinderpflege-Krankengeld
Manchmal ist der Anspruch eines Elternteils auf
Freistellung und Kinderpflege-Krankengeld bereits
ausgeschöpft und der andere Elternteil kann die
weitere Pflege und Betreuung des erkrankten Kindes trotz des bestehenden Freistellungsanspruchs
aus beruflichen Gründen nicht übernehmen. In
solchen Fällen ist eine Übertragung des Freistellungsanspruchs möglich. Zunächst muss der Arbeitgeber zustimmen, dass er eine weitergehende Freistellung zur Pflege und Betreuung des erkrankten
Kindes gewährt. Für den freigestellten Mitarbeiter
besteht jedoch gegenüber seinem Arbeitgeber kein
nochmaliger Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts.
Im Interesse einer familienorientierten Handhabung
des § 45 SGB V wird dieser Übertragungswunsch
der Eltern von den Krankenkassen akzeptiert und
Kinderpflege-Krankengeld von der Krankenkasse
des Versicherten gezahlt, der die weitergehende
Freistellung in Anspruch nimmt (Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen
Wichtig:
•
der Freistellungsanspruch eines Elternteils bereits ausgeschöpft ist und der andere Elternteil
die Betreuung des erkrankten Kindes aus beruflichen Gründen nicht übernehmen kann,
•
der Arbeitgeber einer weitergehenden Freistellung zustimmt,
•
beide Elternteile in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind,
•
die Bestätigung der anderen Krankenkasse
über den für dieses Kind bestehenden
Freistellungsanspruch erfolgt ist.
Beispiel:
Ein berufstätiges Elternpaar ist gesetzlich krankenversichert. Ihre drei mitversicherten Kinder Anke,
Berit und Caspar sind noch unter zwölf Jahre alt.
Die Mutter hatte in diesem Kalenderjahr bereits für
Anke und Berit jeweils zehn Tage KinderpflegeKrankengeld beanspruchen müssen. Jetzt ist
Caspar krank. Die Mutter hat nur noch für fünf Tage
Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld. Da der
Vater die weitere Betreuung aus dienstlichen
Gründen nicht übernehmen kann, besteht die
Möglichkeit, seinen für dieses Kind zehntägigen
Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld auf die
Mutter zu übertragen. Voraussetzung ist, dass der
Arbeitgeber der Mutter einer weitergehenden
Freistellung zustimmt.
Die Krankenkasse des Elternteils, dessen Arbeitgeber einer weiteren Freistellung zustimmt, berechnet
und zahlt das Kinderpflege-Krankengeld an ihren
Versicherten aus. Grundlage für die Berechnung
des Kinderpflege-Krankengeldes ist auch hier das
beitragspflichtige Arbeitsentgelt des zur Pflege des
erkrankten Kindes freigestellten Elternteils.
In einem internen Abrechnungsverfahren erhält die
auszahlende Krankenkasse eine Erstattung ihrer
Aufwendungen für das Kinderpflege-Krankengeld
von der Krankenkasse, deren Versicherter die
Betreuung
des
erkrankten
Kindes
nicht
wahrnehmen konnte.
Stand: 30. August 2010