Dokumentation Ringvorlesung: Let`s talk about Gender und Diversity
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Dokumentation Ringvorlesung: Let`s talk about Gender und Diversity
Dokumentation Ringvorlesung: Let's talk about Gender und Diversity als berufliche Schlüsselkompetenzen Ringvorlesung: Gender, Race, Class, Bodies. Diversity als berufliche Schlüsselkompetenzen WiSe 2011/12, SoSe 2012, WiSe 2012/13, SOSE 2013 Organisation und Moderation: Dr. Gudrun Perko 1 Kontextualisierung der Ringvorlesung Die Ringvorlesung Let's talk about Gender und Diversity als berufliche Schlüsselkompetenzen fand im Wintersemester 2011/12, im Sommersemester 2012 und donnerstags 14-tägig von 1800 bis 1930 an der Fachhochschule Potsdam (Pappelallee, Hauptgebäude, Raum 067; Friedrich-Ebert-Straße 4. 14467 Potsdam) statt. Im Wintersemester 2012/13 und Sommersemester 2013 wurde die Ringvorlesung mit dem Titel Gender, Race, Class, Bodies. Diversity als berufliche Schlüsselkompetenzen weitergeführt. Eingeladen waren Student_innen aller Fachbereiche der Fachhochschule Potsdam. Die Vorträge im Kontext der Ringvorlesung waren darüber hinaus offen für alle Interessierten. Die Ringvorlesung begann als Teil eines Verbundes von drei Veranstaltungen im Kontext eines InterFlex-Projektes an der Fachhochschule Potsdam mit dem übergeordneten Titel Konstruktiv. Gender, Class, Race und Bodies. Zu diesem Verbund gehören neben der Ringvorlesung Let's talk about Gender und Diversity als berufliche Schlüsselkompetenzen die Vortrags- und Filmreihe Das sieht man doch. Inszenierungen von Identität und Alterität und im Wintersemester das Seminar Drama Baby – mediale Inszenierungen von Weiblichkeit und pädagogische Implikationen sowie im Sommersemester das Seminar Konstruktiv. Gender, Class, Race, Bodies. Verantwortlich für das InterFlex-Projekt sind Gudrun Perko (FB Sozialwesen), Andrea Schmidt (FB Sozialwesen), Anne Quirynen (FB Design) und Jan Distelmeyer (FB Design). Mit dem Sommersemester war dieses Projekt abgeschlossen.1 Ab dem Wintersemester fand die Ringvorlesung als alleinige Veranstaltung unter 1 Das Projekt „InterFlex – Förderung von Interdisziplinarität und Flexibilität zur Integration von Forschung, Wissens- und Technologietransfer in die grundständige Lehre“ der Fachhochschule Potsdam wurde im Rahmen des vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und der Kultusministerkonferenz ausgelobten Wettbewerbs „Exzellente Lehre" ausgezeichnet und wird mit Mitteln des Stifterverbandes und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg realisiert. 2 dem Titel Gender, Race, Class, Bodies. Diversity als berufliche Schlüsselkompetenzen als InterFlex-Projektes an der Fachhochschule Potsdam statt und wurde vom Gleichstellungsbüro der Fachhochschule Potsdam unterstützt. Inhaltlicher Ausgangspunkt der Ringvorlesung Über das verankerte Gender Mainstreaming (GM, 1999) und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG, 2006) sollen Institutionen, Unternehmen und Projekte ihre Arbeit diskriminierungsfrei organisieren und Chancengleichheit sowie Gleichbehandlung förderung. Das setzt Qualifikationen wie Kenntnisse von Theorien, Methoden und Konzepte voraus und Kompetenzen, diese in der Praxis umzusetzen. Die transdisziplinäre Ringvorlesung eröffnete dafür den Raum, indem Theorien, Methoden, Hochschullehrenden Konzepte und und Referierende praxisbezogene außerhalb der Projekte Fachhochschule von zur Diskussion gestellt wurden. Sie bot Informationen neuerer Ansätze, die Möglichkeit von gegenseitigem Austausch und Raum für Diskussionen als ersten, unverzichtbaren Schritt des forschenden Lernens und lerndenden Forschens. Sie bot Anregungen, die zu eigenen studentischen Projekten führen konnten. Schwerpunkt waren Diskussionen in Bezug auf Diversity (Vielfalt/ Unterschiedlichkeit von Menschen) sowie deren Intersektionalität, also die Ineinanderverwobenheiten und Wechselwirkungen unterschiedlicher Diversitykategorien (wie Gender, Class, Race, Migration, Bodies…) und Diversitydimensionen (wie Antiromanismus, Sexismus, Klassimus, Lookismus etc.). Dabei wurde Gender als soziale bzw. gesellschaftliche Konstruktion in einem erweiterten Sinn gedacht: Vorstellungen, Bilder, Funktionen, Rollen, Auswirkungen, Bedeutungen für Frauen, Männer, Queers, Geschlechterverhältnisse etc. Intersektionalität lässt sich nicht zuletzt in Bezug auf ihre Bedeutungsverankerung als konstruierte Grundlage spezifischer Diskriminierungsformen entdecken. Dabei ging es in der Ringvorlesung um die Vermittlung von (struktureller) Diskriminierung, um dominante Repräsentationsmuster und vor allem um Fragen nach Ansätzen und Projekten, die in verschiedenen Situationen, Projekten, Praxisfeldern, Institutionen etc. Handlungsspielräume und Möglichkeiten bieten, gegen diese zugunsten von 3 Diversity anzutreten. Vorträge und Diskussionen Vorträge im Wintersemester 2011/12 13. Okt. 2011 Gudrun Perko (FHP/ Sozialwesen): Auftakt - Gender und Diversity in ihrer Intersektionalität als berufliche Schlüsselqualifikationen 27. Okt. 2011 Dagmar Jank (FHP/ Informationswissenschaften): Frauenspezifische Bibliotheks- und Informationsarbeit in Deutschland anhand ausgewählter Beispiele 10. Nov. 2011 Erzählcafé: Erzählungen zur (institutionell-strukturellen) Gleichheit der Geschlechter im Kontext der 20 Jahre Fachhochschule Potsdam: Festjahr im Zeichen von Rückblick, Ausblick und Wiedersehen (anstelle der Ringvorlesung; Beschreibung siehe http://www.fh- potsdam.de/veranstaltungen0.html) 24. Nov. 2011 Anne Quirynen (FHP/ Design): gender in 261 keywords 08. Dez. 2011 Heiko Kleve (FHP/Sozialwesen): Differenz und Soziale Arbeit. Von Wegen im Umgang mit dem Verschiedenen 05. Jan. 2012 Birgit Ammann (FHP/ Sozialwesen): Migration und Gender 19. Jan. 2012 Leah Carola Czollek (ASH, FHP/ Sozialwesen): Social Justice als Projekt gegen strukturelle Diskriminierungen Den Auftakt der Ringvorlesung gestaltete Gudrun Perko mit dem Vortrag „Gender und Diversity in ihrer Intersektionalität als berufliche Schlüsselqualifikationen“. Ausgehend von Grundlagen zu Gender Mainstreaming, verschiedenen Richtungen von Gender Studies, Bedeutung von Konstruktion und Dekonstruktion führte sie in die Bedeutung von Gender als soziales Konstrukt (Simone de Beauvoir, Judith Butler) ein: Frauen, Männer, TransPersonen, Intersexuelle, Lesben, Schwule, Queers. In Verbindung damit diskutierte sie Diversity als politisiertes Konzept. Gender und Diversity wurden schließlich durch den Ansatz der Intersektionalität verbunden. Dabei wurde die zumeist herangezogene Triade von Gender, Class, Race durch eine Vielzahl von Diversity Dimensionen mit der Intention ergänzt, den Lebenswirklichkeiten und den Seinsweisen von Menschen in ihren Diversitäten zu entsprechen. Aufgezeigt wurden ferner Gender und Diversity Kompetenzen als 4 berufliche Schlüsselqualifikationen. Im Zentrum des Vortrages stand das Dekonstruktionsdenken, in dem die Praktiken Doing Gender hin zu einem Undoing Gender sowie Doing Identity hin zu einem Undoing Identity diskutiert wurden. Dagmar Jank bot mit dem Thema „Frauenspezifische Bibliotheks- und Informationsarbeit in Deutschland anhand ausgewählter Beispiele“ Einblick in diesen Arbeitsbereich, der sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Benutzer_innen orientierte. Sie legte den Schwerpunkt auf frauenspezifische Informationsmittel, die bereits in der Zeit der ersten Frauenbewegung entstanden und noch heute für die Forschung wichtig sind. Meist ohne die Unterstützung staatlicher Bibliotheken erstellten Frauenrechtlerinnen frauenspezifische Bibliografien, biografische Nachschlagewerke zu Wissenschaftlerinnen und Schriftstellerinnen, ein illustriertes Konversationslexikon sowie empfehlende Literaturlisten für Frauen. Insgesamt erschienen zwischen 1894 und 1942 ca. 25 frauenspezifische Informationsmittel, wovon einige in dem Vortrag vorgestellt wurden. Im Vortrag wurde zudem gezeigt, dass in der Zeit der ersten Frauenbewegung der Beruf Bibliothekarin als neuer Beruf für Frauen aus dem Bildungsbürgertum entstand, und gefragt, ob die ersten Bibliothekarinnen die Ideen der Frauenbewegung rezipiert und im Berufsalltag umgesetzt haben, und, ob sie die Probleme einer angeblich „geschlechtsneutralen“ Bibliotheksarbeit erkannten. Anne Quirynen stellte mit ihrem Vortrag „gender in 261 keywords“ GenderArtNet als ein experimentelles Mapping Projekt vor. Das Projekt wurde von den Kuratorinnen Bettina Knaup, Maria Ptqk und der Medienkünstlergruppe Constant bzw. entwickelt und durch die Unterstützung der European Cultural Foundation, Amsterdam (ECF) und durch die Studierenden sowie Anne Quirynen vom Studiengang Europäische Medienwissenschaft ermöglicht. GenderArtNet kontextualisiert Künstler_innen, künstlerische Praxis, Projekte und Organisationen und bringt sie zusammen. GenderArtNet erforscht die Wechselbeziehung von Geschlecht, Ethnizität, Race, Klassenzugehörigkeit und Sexualitäten im zeitgenössischen Europa und orientiert sich so an Diskursen und Projekten über Intersektionalität (Wechselbeziehungen zwischen den genannten Diversity Kategorien bzw. Dimensionen). Im Vortrag wurde die Intention und Zielsetzung des Projektes gezeigt, verschiedene, bereits bestehende Online-Quellen von feministischen und queeren Künstler_innen, 5 Projekten und Netzwerken thematisch zu verbinden, um ihre Zugänglichkeit und Lesbarkeit zu verbessern. Heiko Kleve diskutierte in seinem Vortrag „Differenz und Soziale Arbeit. Von Wegen im Umgang mit dem Verschiedenen“, in welchen Weisen Soziale Arbeit mit Diversität konfrontiert ist. Die Kategorie der Differenz wird als zentraler Maßstab der sozialarbeiterischen Beobachtungs- und Handlungspraxis herausgestellt. Vorgestellt wurden vier unterschiedliche Wege im Umgang mit Differenz: (1.) Differenzbeobachtung, (2.) Differenzminimierung, (3.) Differenzakzeptanz und (4.) Differenzmaximierung. Mit Adornos negativer Dialektik spricht Heiko Kleve den Fehler des traditionellen Denkens an, nämlich Identität für sein Ziel zu halten und zeigt das – aus der indischen Philosophie kommende Konzept – Tetralemma als eine Denkfigur, die dieser Identitätslogik nicht entspricht: Neben dem „zusprechen“ und „absprechen“ beinhaltet dieses Denken auch ein „sowohl als auch“ und ein „weder noch“ und verdeutlicht so, dass Differenzen bestehen bleiben (können). Die besprochenen Möglichkeiten im Umgang mit Differenzen stellt Kleve zwar in den historischen und gegenwärtigen Kontext der Sozialen Arbeit, ihre Bedeutungen aber gehen über die Soziale Arbeit hinaus und betreffen ebenso andere berufliche Felder. Birgit Ammann wählte in ihrem Vortrag „Migration und Gender“ den Schwerpunkt der medialen Darstellung und Präsentation von Migrantinnen. Ihr Ausgangspunkt lag in der Differenzierung von Migrantinnen, die nirgendwo eine homogene soziale Gruppe bilden und trotzdem in Deutschland überwiegend als Musliminnen dargestellt und wahrgenommen werden. Dass dem so ist, wurde anschaulich anhand von (renommierten) Printmedien gezeigt, die den Frauen – unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Hintergrund und ihrem Selbstverständnis – häufig eine Opferrolle zuweisen. So entstehen ineinander verschachtelte soziale Konstruktionen, die kaum mehr revidierbar erscheinen und die eine enorme Wirkungsmacht entfalten. Birgit Ammann ging weit über ein Aufzeigen hinaus, indem sie über empirische Datenmaterialen und Fakten öffentlich produzierte Zerrbilder und oftmals fiktionale Vorstellungen, die keiner Realität mehr entsprechen, dekonstruiert. Dabei rief sie in positiver Weise nicht zuletzt damit Irritationen hervor, insofern sie medial-öffentliche Konstruktionen „der Migrantin“ zugunsten der Diversitäten von Migrantinnen auflöst. 6 Leah Carola Czollek diskutierte in ihrem Vortrag „Social Justice als Projekt gegen strukturelle Diskriminierungen“ in Anlehnung an Iris Marion Young als ein theoretisch und praktisch-politisches Konzept: die Möglichkeit der Teilhabe aller Menschen an gesellschaftlichen Ressourcen, ungeachtet von Alter, Hautfarbe, zugewiesener „Behinderung“, sozialer Herkunft, Gender, kultureller Herkunft etc. und ungeachtet der vermeintlichen Nützlichkeit von Menschen. Diese Partizipationsmöglichkeit schließt die Verteilung von Anerkennung und die gerechte Verteilung von Gütern mit ein. Ausgehend von Macht- Antidiskriminierungsprojekt und gegen Herrschaftsanalysen strukturelle richtet Diskriminierung sich im dieses Sinne von Exklusion und gesellschaftlichen Ausschlüssen von Menschen. Anhand der intersektionalen Verbindung von Gender, Klasse/ soziale Herkunft und Rassismus ging Leah Carola Czollek dabei der Frage nach, wie diese Kategorien Menschen verletzen und ihre Lebensrealitäten gestalten und inwiefern das Projekt Social Justice dagegen etwas tun kann. Im Zentrum stand dabei u. a. das Konzept des Verbündet-Seins, wo die Anliegen der anderen die je eigenen Anliegen sind. Vorträge im Sommersemester 2012 19. April 2012 Kirstin Mertlitsch (HU/ Berlin): Top Girls, Alphamädchen und germanische Emanzen – zum „Wir“ der neuen deutschen Feminismen 3. Mai 2012 Andrea Schmidt (FHP/ Sozialwesen): „Drama Baby ...“: Über den Einfluss von Castingshows auf Lebensentwürfe und Selbstinszenierungen von Mädchen und jungen Frauen 31. Mai 2012 Katja Grawinkel (Universität Potsdam): Postporno, Kunst, Affekt. Über einen queer-politischen Umgang mit Pornografie 14. Juni 2012 Jan Distelmeyer (FHP/ Design): An so was müssen wir arbeiten! James Bond, Hancock und die Bestimmung der Aktivität 15. Juni 2012 Peter Knösel/ Gudrun Perko (FHP/ Sozialwesen): Rechtliche und politische Dimensionen des AGG (Allgemeines Gleichstellungsgesetz) 28. Juni 2012 Angela Redemeyer (FHP/ Sozialwesen): Gender, Queer, Diversity Kompetenzen: objektivierbare Maßstäbe zur Eruierung von Vermittlungserfolgen? (Präsentation vorläufiger Ergebnisse eines Forschungsprojektes von Gudrun Perko unter Mitarbeit von Angela Redemeyer) 7 Kirstin Mertlitsch gestaltete den Auftakt der Ringvorlesung mit dem Thema „Top Girls, Alphamädchen und germanische Emanzen – zum „Wir“ der neuen deutschen Feminismen“. In ihrem Vortrag zeigte sie, welche feministischen „Wirs“ in der neuen „Frauenemanzipationswelle“ angerufen werden. In deutschen Medien werden seit etwa zehn Jahren neue feministische „Wirs“ konstituiert. Und das obwohl „der“ Feminismus einerseits immer wieder totgesagt wurde und andererseits das „F-Wort“ im Mediendiskurs als Schimpfwort galt. Aktuelle Diskussionen über die „LatteMacchiato Mütter“, „Wir Alphamädchen“, „Die neue F-Klasse“, „Schwestern“ und „Neue deutsche Mädchen“ lassen aufhören. Mit dem Phänomen eines neuen Feminismus setzten sich auch Wissenschaftler_innen auseinander: „Top Girls“, „neoliberale Emanzen“, „Post-Feminismus“, „Elitefeminismus“ oder „konservativer Feminismus“ sind einige Stichwörter. Mertlitsch verdeutlichte dabei in der Verschränkung verschiedener sozialer Ungleichheitskategorien (z. B. Geschlecht und Herkunft), welche Machtverhältnisse auch innerhalb von Frauengruppen bestehen. Dabei wurde entlang der Differenzen Herkunft/ Nation/ Staatsbürgerschaft, sexueller Orientierung/ Lebensformen und Klasse/ Milieu analysiert, wie Über- und Unterordnungen zwischen Frauen hergestellt werden, die letztlich als Argumente zur Stärkung der eigenen kulturellen Dominanz dienen. Andrea Schmidt zeigte mit „„Drama Baby...“: Über den Einfluss von Castingshows auf Lebensentwürfe und Selbstinszenierungen von Mädchen und jungen Frauen“, inwieweit Castingshows wie Germany‘s next Topmodel auf Lebensrealitäten und Selbstinszenierungen von Mädchen Einfluss nehmen. In den Medien sind sie präsent, die Bilder von starken, autonomen, selbstbewussten Mädchen und jungen Frauen. Wenn man diesen (medialen) Geschlechterinszenierungen Glauben schenken darf, ist in puncto Gleichberechtigung alles erreicht. Die Lebensrealitäten von Mädchen und jungen Frauen sehen jedoch anders aus, so Schmidt. Vor dem Hintergrund von Individualisierungen von Problemlagen sowie einem Zwang zu Selbstoptimierung zum einen und dem Geschlechterbilder mit einem erweiterten sich Ausdifferenzieren Spektrum von klassischer Weiblichkeit und Männlichkeit zum anderen, zeichnet sich ihr zufolge eine gleichzeitige Verfestigung, quasi ein Rollback zu konservativen Werten, Rollenvorstellungen und Selbstinszenierungen ab. Pointiert formulierte Schmidt: Das Spannungsfeld bewegt sich zwischen erhitzten Debatten um die Einführung der Quote und den Role Models 8 die Heidi Klum mit Germany‘s next Topmodel anbietet. Katja Grawinkel referierte über „Postporno, Kunst, Affekt. Über einen queerpolitischen Umgang mit Pornografie“. Postpornografie begibt sich an den Rand des gesellschaftlich Akzeptierten, so Grawinkel, wo die Mechanismen der Industrie veränderbar werden und die Kunst noch nicht recht begonnen zu haben scheint. Dort, wo andere Verhältnisse zwischen Produzent_innen und Rezipient_innen, zwischen Sex und Arbeit, Lust und Blick herrschen, ergreift sie begeistert Partei für kompliziertere Strukturen von Sexualität, Begehren und Identität als sie das zweigeschlechtliche, heteronormative Modell vorsieht. Künstlerische Strategien, die sich als postpornografisch bezeichnen, stehen für eine Politik der Wahrnehmung. Im Vordergrund steht ein tiefes, körperliches Empfinden, das eine affektive Offenheit zugänglich macht und starren Positionierungen eine permanente Bewegung entgegenstellt. Es handelt sich der Referentin zufolge um eine queere Politik der Vagheit und des Widerspruchs. Jan Distelmeyer nahm in seinem Vortrag „An so was müssen wir arbeiten! James Bond, Hancock und die Bestimmung der Aktivität“ zwei der erfolgreichsten Actionfilme der letzten fünf Jahre zum Anlass, über gegenwärtige Diskurse und Bilder zum Verhältnis von Körper und Arbeit nachzudenken. Die Ausgangs- und Fixpunkte waren dabei das umjubelte Comeback von James Bond in „Casino Royal“ in der Saison 2006/2007 und der erste Auftritt des verwahrlosten Superhelden „Hancock“ 2008/2009. Beide Filme verhalten sich auf ihre Weise zur Bestimmung der Aktivität, so Distelmeyer, die in unterschiedlichen Ausformungen die öffentlich verhandelten Vorstellungen des flexiblen Kapitalismus prägen. Dabei zeigte Distelmeyer auch u. a. die Verschränkungen zwischen Gender und Klassismus. Peter Knösel und Gudrun Perko nahmen die Ringvorlesung zum Anlass, um über die „rechtlichen und politischen Dimensionen des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)“ zu diskutieren. Sie vermittelten dabei die wesentlichen Inhalte des Antidiskriminierungs- und Schutzgesetztes, durch das mittelbare, unmittelbare Diskriminierung sowie Belästigung (inklusive sexueller Belästigung und Mobbing) gemäß bestimmter „Personenbezogener Merkmale“ verboten ist. Dabei vermittelten sie verschiedene reale Beispiele ebenso wie die Vorgangsweisen 9 bezüglich einer Klage nach dem AGG. Institutionell relevant ist ihnen zufolge das AGG, insofern Institutionen die Aushangspflicht, Sorgfaltspflicht (vorbeugende Maßnahmen gegen Diskriminierung) und Schulungspflicht aller Mitarbeitenden haben. Politisch relevant ist ihnen zufolge das AGG, weil es Menschen ermöglicht, gegen Diskriminierung vorzugehen und ihre Rechte einzuklagen. Gleichzeitig machten Knösel und Perko darauf aufmerksam, dass im AGG bestimmte „Kategorien“ nicht aufscheinen, gemäß derer Menschen (strukturelle) Diskriminierungen erfahren (z. B. soziale Herkunft/ Klasse, Lookismus/ Aussehen…). Angela Redemeyer beendete die Ringvorlesung für das Sommersemester mit dem Beitrag „Gender/Queer, Diversity Kompetenzen: objektivierbare Maßstäbe zur Eruierung von Vermittlungserfolgen?“ Damit präsentierte sie vorläufige Ergebnisse des gleichnamigen Forschungsprojektes, das an der FH Potsdam unter der Leitung von Gudrun Perko gerade durchgeführt wird. Im Kontext des Bologna-Prozesses gilt die Vermittlung und Eruierung von Kompetenzen („kompetenzorientiertes Prüfen“) als ein wesentlicher verschiedenen Faktor qualitativer Praxisbereichen Kompetenzvermittlungsbemühungen hat in Lehre. eine Der Kompetenzbedarf Intensivierung Bildungseinrichtungen zur in von Folge. Kompetenzen messen, geht das überhaupt? Wenn ja, wie? Was ist unter Kompetenz zu verstehen? Auf welche Arten von Kompetenzen wird in Beschreibungen in Bezug auf Gender/ Queer und Diversity zurückgegriffen? Diese Fragen stehen im Zentrum des Forschungsprojektes und damit, ob der Erfolg, dass Lernende in zukünftiger sozialer Praxis und elementarpädagogischen Bereichen (BABEK, Early Education) über Kompetenzen verfügen können, objektiv messbar sein kann. Die bisherigen Ergebnisse des genannten Forschungsprojektes lassen neugierig werden. 10 Vorträge im Wintersemester 2012/13 11.Okt. 2012 Natasha A. Kelly (HU Berlin): Rassismus und Sprache – Eine Einführung 25. Okt. 2012 Marika Schmiedt (Filmemacherin/ Künstlerin, Wien): «Die Gedanken sind frei» Angst ist Alltag für Roma in Europa 8. Nov. 2012 Patricia Redzewsky (ASFH, Berlin): Adultismus in der Vernetzung mit anderen Diskriminierungsformen 22. Nov. 2012 Elisabeth Kirndörfer (FHP/ Sozialwesen): Tunnelblick bei interkulturellen Projektkonzeptionen – Königsweg Intersektionalität? Wissenschaftliche Ergebnisse eines interkulturellen Jugendprojekts im ländlichen Brandenburg 6. Dez. 2012 Christina Thürmer-Rohr (TU, Berlin): Der Feminismus und das Kassandra-Syndrom 24. Jan. 2013 Kerstin Schumann/Christoph Damm (FHP/ Sozialwesen): Paradigma Diverstät in der Kinder- und Jugendarbeit: sind Ansätze der geschlechterspezifischen Kinder- und Jugendarbeit noch queer genug? 14. Feb. 2013 Leah Carola Czollek/ Gudrun Perko (Institut Social Justice und Diversity/ Berlin; FHP/ Sozialwesen): Das Konzept des Verbündet-Seins im Projekt Social Justice als spezifische Form der Solidarität Den Auftakt gestaltete Natasha A. Kelly mit dem Beitrag zu „Rassismus und Sprache – Eine Einführung“. Kelly zeigte, dass Sprache kein neutrales, passives Medium ist, mit dem gesellschaftliche Wirklichkeiten ›objektiv‹ abgebildet werden. Stattdessen stellen Menschen u. a. durch ihre Wortwahl und ihren Sprechstil unterschiedliche Sichtweisen und Wirklichkeitsvorstellungen aktiv her. Auch wenn die diskriminierende Wirkung von Sprachhandlungen in der öffentlichen Wahrnehmung oft auf Schimpfwörter beschränkt wird, kommt sprachliche Diskriminierung weit häufiger vor, als es zunächst scheint. Während manche Begriffe in jeder Verwendung im deutschsprachigen Raum heute rassistisch sind, werden andere erst im Kontext und in der Art ihrer Verwendung rassistisch aufgeladen. Rassismus hat viele unterschiedliche Dimensionen, sprachliche „Be_Nennungspraktiken“ sind eine sehr wichtige, die kontinuierlich realisiert wird – sowohl im Sprechen als auch im Nicht-Sprechen, im Wegsehen und Schweigen. 11 Marika Schmiedt setzte sich mit ihrem Beitrag „«Die Gedanken sind frei» Angst ist Alltag für Roma in Europa“ mit der Verfolgung von Roma, insbesondere mit den Verhältnissen zwischen „Damals und Heute“ auseinander. Dabei richtete sich der Blick u. a. auf die Auswirkungen der faschistischen Vernichtungsideologie auf nachfolgende Generationen und auf die real-politische Situation. Gefragt wurde danach, was das Ausmaß der europaweiten, massiv steigenden Verfolgungen und Diskriminierung wirklich bedeutet. Dabei untermauerte Schmiedt ihren Vortrag mit filmischen Ausschnitten, die sie als Filmemacherin zur Thematik produziert hat. Patricia Redzewsky zeigte „Adultismus in der Vernetzung mit anderen Diskriminierungsformen“. Adultismus gilt als eine sehr verbreitete und eigenständige Diskriminierungsform gegen Kinder vor allem durch Erwachsene, die bereits da beginnt, wo Kinder verniedlicht werden und durch diskriminierende Äußerungen, Verbote und Gebote sowie Handlungen der Erwachsenen verschiedenste Formen annimmt. In dem Vortrag wurde ein spezifischer Akzent gesetzt: Dieser lag darin, dass die Verwobenheit (Intersektionalität) von Adultismus mit Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Antiziganismus und anderen Diskriminierungsformen reflektiert wurde, denen Kinder oftmals gleichzeitig ausgesetzt sind. Im Vortrag wurde zudem diskutiert, inwiefern Selbstreflexion und Sensibilisierung sowie bewusste Entscheidung als Ausgangspunkte für eine Welt ohne Adultismus fungieren. Elisabeth Kirndörfer besprach die Gefahr des „Tunnelblicks“ bei Projektkonzeptionen mit interkulturellem Fokus und stellt dabei Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Begleitung eines interkulturellen Jugendprojekts im ländlichen Brandenburg vor. „Migration in Brandenburg? Marginal!“ So ähnlich wird von zentraler Vergabestelle europäischer Fördermittel gegen die finanzielle Unterstützung von interkulturellen Projekten im größten ostdeutschen Bundesland argumentiert. Gegenläufig dazu ist mittlerweile die Tendenz von Seiten der Träger und Initiativen, in Projekten mit interkulturellem Fokus eine Art „Allerheilmittel“ zum Abbau von Vorurteilen und Diskriminierungen und damit zum präventiven Entgegenwirken rechtsextremer Gesinnungen zu sehen. Dies ist das Spannungsfeld, in das Projekte zur Förderung von Interkulturalität im ländlichen Brandenburg eingeschrieben werden. Beide Perspektiven zeichnen sich durch einen begrenzten 12 Blick aus. An dieser Stelle interessieren jedoch vornehmlich die – konzeptuellen – Stolperfallen, in die ein Projekt geraten kann, nachdem die große Hürde der Finanzierbarkeit überwunden ist: Es war Anliegen dieses Vortrags, aufzuzeigen, wie die Fixierung auf ‚Interkulturalität’ dazu führen kann, dass andere Dimensionen als Herkunft bzw. Migrationshintergrund, die ebenso den Einschluss oder eben Ausschluss aus Gruppen strukturieren, aus dem Blickfeld geraten. Könnte dieser „Tunnelblick“, d. h. die Nichtbeachtung verschiedener, sich überlagernder Differenzkategorien mit Hilfe des Konzepts der ‚Intersektionalität’ überwunden werden? Wie könnte dieser Ansatz konkret für die Konzeption interkultureller Projekte fruchtbar gemacht werden? Diesen und anderen Fragen gingen wir mit dem Ziel nach, die unter den Begriffen „gender/ queer“ und „diversity“ gefassten Differenzkategorien zusammen zu denken und zusammen darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten alternative Konzepte, wie das der ‚Intersektionalität’, dabei bieten. Christina Thürmer-Rohr stellte ihren Beitrag „Der Feminismus und das KassandraSyndrom“ zur Diskussion. Vor 30 Jahren hatte Christa Wolf mit ihrem KassandraStoff den damaligen Zeitgeist aufgenommen und vielen aus dem Herzen gesprochen. Das Kassandra-Syndrom hatte viele mit der Erwartung beflügelt und beunruhigt, dass Frauen, wenn sie endlich den Mund aufmachen, „die Wahrheit“ sagen würden. Zehn Jahre später provozierte Barbara Sichtermann ihre Leser_innen mit der Bemerkung: jetzt, wo Frauen alles sagen dürfen, seien die Männer erleichtert. Denn was sie zu hören bekämen, unterscheide sich nicht wirklich von dem, was sie von sich selbst gewohnt seien. Wenn Frauen also gar keine andere Welt anvisierten, wäre das den Frauen auferlegte jahrtausendealte Schweigegebot ja ganz unnötig gewesen. Der Vortrag bot einen Rückblick zum Schweigen und zum Sprechen, der nicht einfach frühere Positionen revitalisieren will. Was zu revitalisieren ist, ist vielmehr das Nachdenken über einen Feminismus, der heute manchen veraltet erscheint, für den niemand eine allgemeingültige Definition zur Hand hat und dessen Probleme zugleich „zu den interessantesten und produktivsten Fragen zu Beginn dieses Jahrhunderts“ (Judith Butler) gehören. Leah Carola Czollek und Gudrun Perko rundeten die Ringvorlesung mit dem Thema „Das Konzept des Verbündet-Seins im Projekt Social Justice als spezifische 13 Form der Solidarität“ ab, das sie erstmals zur Diskussion stellten. Social Justice bedeutet partizipative Anerkennungs- und Verteilungsgerechtigkeit. Im Kontext der Social Justice Theorien wurden Methoden zugunsten der Partizipation, Inklusion und Empowerment gegen strukturelle Diskriminierung entwickelt. Im Zentrum des Projektes Social Justice steht u. a. die Idee des Verbündet-Seins, der politischen Freundschaft, wo die Anliegen der anderen die je eigenen Anliegen sind. Dabei ist kein identitäres „Wir“, sind keine gleichen/ identischen Merkmale als Bedingung für ein Verbündet-Sein gegeben: weder in Bezug auf Einzelpersonen noch in Bezug auf Gruppen respektive ein gemeinsames Handeln. Die Idee des Verbündet-Seins richtet sich gegen strukturellen Macht- und Herrschaftsverhältnissen und die dadurch hergestellten Ausgegrenzten (Exklusion, strukturelle Diskriminierung, soziale Ungleichheit) aufgrund von bestimmten Diversity „Kategorien“ wie Geschlecht, Alter, zugewiesener „Behinderung“, kulturelle Herkunft, soziale Herkunft, Hautfarbe etc. Im Vortrag wurde das Konzept des Verbündet-Seins als spezifische Form von Solidarität erläutert und die Frage gestellt, inwiefern es auch als pädagogisches Handeln umgesetzt werden kann. Vorträge im Sommersemester 2013 25. April 2013 Dorothea Kitschke (FH Potsdam, Fachbereich Sozialwesen: Im Fokus von Diversity - Forschendes Lernen als Haltung des Verstehen-Wollens 23. Mai 2013 Hans-Christoph Hobohm (FH Potsdam: Fachbereich Informationswissenschaften/Bibliothekswissenschaften): Warum es gesellschaftlich gefährlich ist, in Bibliotheken auf Diversity zu verzichten: Zu Schlüsselkompetenzen in den Informationsberufen 6. Juni 2013 Franziska Homuth (FH Potsdam/ Sozialwesen): Prozesse des Othering im interdisziplinären Diskurs zu Gender, Race und Body. MuslimWomen und HipHop – Widerstand gegen das Schweigen 20. Juni 2013 Hermann Staats (FH Potsdam: Fachbereich Sozialwesen): Sinnliche Entwicklungen: Zur Geschlechterdifferenz aus psychoanalytischer Perspektive 4. Juli 2013 Abschluss der Ringvorlesung mit Filmevent „Mein Leben in Rosarot“ und Ausstellungseröffnung: „Frauenförderung – Familienfreundlichkeit – Gendergerechtigkeit – Soziale Gerechtigkeit: eine Chronik der Gleichstellungsarbeit an der Fachhochschule Potsdam 1991 bis 2013“ 14 Dorothea Kitschke führte mit ihrem Beitrag „im Fokus von Diversity: Forschendes Lernen als Haltung des Verstehen-Wollens“ in das Konzept des Forschenden Lernens ein. Dabei lassen sich als wichtige Elemente von Diversity gerechtem, professsionellem Handeln innerhalb und jenseits der Sozialen Arbeit und frühkindlichen Bildung Offenheit und die Fähigkeit benennen, die Realität aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Forschendes Lernen ist in Zusammenhang mit der so genannten Kompetenzorientierung derzeit sehr präsent im Diskurs um „gute Lehre“ an Hochschulen. In dem Vortrag reflektierte sie Forschendes Lernen nicht als didaktisches Konzept mit bestimmten intendierten Effekten, sondern als eine bewusste Lern- und Forschungshaltung, die auf Verstehen abzielt und deren Leitbild in einer größtmöglichen Offenheit gegenüber dem subjektiv als „fremd“ oder „anders“ Empfundenen besteht. Die Wichtigkeit von „verwertbaren“ Forschungsergebnissen tritt dabei hinter der Auseinandersetzung mit forschungsethischen Prämissen und dem eigenen Lernprozess zurück. Hans-Christoph Hobohm ging in seinem Vortrag, „warum es gesellschaftlich gefährlich ist, in Bibliotheken auf Diversity zu verzichten. Zu Schlüsselkompetenzen in den Informationsberufen“, auf Bibliotheken und Archive im internationalen Vergleich ein, die sich im Kontext Globalisierung und der Digitalen Revolution grundlegend gewandelt haben. Ihre zentrale Funktion als Garant des Informationsund Bildungszugangs für alle Gesellschaftsbereiche trat nach dem Ende der Gutenberg Galaxis wieder immer mehr in den Vordergrund. Die Digitalisierung verdeutlicht zunehmend, dass Informationsarbeit sich nicht in erster Linie um physische Medien wie Bücher und gedruckte Dokumente dreht, sondern persönliche Wissenstransferprozesse als Fokus hat. Im Vortrag wurde in Bezug auf z.B. Gender und Kultureller Herkunft („Migrationshintergrund“) mittels existierender Studien gezeigt, wer welche Medien nützt und im Zusammenhang damit diskutiert, dass Wissen vorwiegend zwischen Personen ausgetauscht wird, die sich gleichen. Auf Diversity Konzepte ist, so ein zentraler Aspekt des Vortrages, nicht zu verzichten: hinsichtlich des Nutzungsverhaltens, aber auch der Personalpolitik (zumeist sind es Bibliothekarinnen; es fehlen „männliche Bibliothekare mit Migrationshintergrund“). Im Bildungsbereich besonders erfolgreiche Länder wie Finnland zeigen, dass mit Diversity Management nicht nur unter Gender-Aspekten die informelle Bildung gestärkt werden muss. 15 Franziska Homuth zeigte in ihrem Vortrag „Prozesse von Othering im interdisziplinären Diskurs von Gender, Race und Bodies“ am Beispiel von „MuslimWomen und HipHop“ und thematisiert den Widerstand gegen das Schweigen. Ausgangspunkt waren dabei grundlegende Verschiebungen in der Sozialen Arbeit, aber auch in den Sozialwissenschaften, in denen Fragen nach den Möglichkeiten von Inklusion und Exklusion innerhalb der Gesellschaft bedeutsam wurden. Dabei stellte sie Überlegungen zur Einverleibung fremder oder neuer Kulturen in die dominanten kulturellen Normen einer Mehrheitsgesellschaft (Birgit Rommelspacher) den Überlegungen von Mariam Popal gegenüber. Während innerhalb der „bürgerlichen, linken, Weißen Frauenbewegung“ in Deutschland das Kopftuch muslimischer Frauen Ausdruck für deren Unterdrückung in einer patriarchalen islamischen Ordnung für Rückständigkeit, traditionelle Frömmigkeit und fehlende Emanzipation ist, zeigen junge Muslimas, so die Referentin, dass dies nur eine von vielen möglichen Interpretationen ist. Sie stellen zur Debatte, dass das Kopftuch auch Ausdruck von Selbstbestimmung, Rückeroberung der eigenen Körper und Umdeutung hegemonialer Diskurse ist. In Bezug darauf wurde in dem Vortrag vor allem die Dimension des Widerstandes gegen das Besprochen-Werden zur Diskussion gestellt, das sich mit widerständischer Präsentation eigener Definitionen durch HipHop verbindet (zu Wort kamen Vertreterinnen dieses Bereichs von HipHop). Hermann Staats brachte mit seinem Beitrag „sinnliche Entwicklungen: Zur Geschlechterdifferenz aus psychoanalytischer Perspektive“ eine andere Dimension ins Spiel. Dabei pointierte er, dass das körperliche Erleben, bewusste und nicht bewusste Phantasien und die Beziehungen zu anderen Menschen zentrale Themen im Verhältnis der Geschlechter sind und zugleich zentrale Arbeitsfelder der Psychoanalyse. Zur Diskussion standen psychoanalytische Autoren (z.B. Sigmund Freud), die in ihren Beiträgen zu Geschlechterdifferenzen eine ursprüngliche Bisexualität annehmen. In einem komplexen Entwicklungsprozess entwickeln sich daraus vielgestaltige männliche und weibliche Identitäten. Sexualität wird in einem umfassenden Sinn verstanden. Sie ist Organisator seelischer Entwicklung. Lustvolles sinnliches Erleben spielt daher für die Gestaltung der Beziehungen zu anderen Menschen von Beginn des Lebens an eine entscheidende Rolle. In dem Vortrag wurde verdeutlicht, dass das Herausbilden individueller und gesellschaftlicher 16 Konstruktionen zu Geschlecht und Gender aus psychoanalytischer Sicht auf und neben dem „gewachsenen Fels“ der Biologie steht. Der Abschluss der Ringvorlesung wurde als Filmevent und einer Ausstellungseröffnung gestaltet Der Spielfilm „Mein Leben in Rosarot“ (1997) thematisiert die Schwierigkeit der Identitätssuche in einer von Rollenmustern dominierten Welt. So wünscht sich Ludovic im Alter von sieben Jahren nichts sehnlicher denn als Mädchen wahrgenommen zu werden und stößt dabei doch schnell an die Grenzen gesellschaftlicher Toleranz. Im Anschluss daran war die neu konzipierte Ausstellung „Frauenförderung – Familienfreundlichkeit – Gendergerechtigkeit – Soziale Gerechtigkeit: eine Chronik der Gleichstellungsarbeit an der Fachhochschule Potsdam 1991 bis 2013“ zu sehen. Resümee Die Vortragenden, die für die Ringvorlesung als Expert_innen gewonnen werden konnten, wählten aus ihren jeweiligen Fachbereichen selbst das Thema im Kontext der oben beschriebenen Grundlagen, das sie zur Diskussion stellen wollten. Dabei entstand einerseits eine große Spannbreite an Themenfelder und andererseits boten die einzelnen Vortragenden die Möglichkeit zur vertiefenden Diskussion. Studierende aus verschiedenen Fachbereichen, Mitarbeitende und Lehrende der Fachhochschule Potsdam sowie Teilnehmende, die nicht an der Fachhochschule verankert sind, konnten ihr eigenes Wissen vertiefen und sich mit den Expert_innen der einzelnen Vorträge austauschen. Auffallend (und des Öfteren auch als Feedback vermittelt) waren die sehr offenen und anregenden Diskussionen zwischen Publikum und Vortragenden, aber auch unter dem Publikum selbst. Die Anzahl des Publikums war alternierend und unterschiedlich bei den einzelnen Vorträgen. Eine Gesamtschau zeigt aber einen kontinuierlichen Anstieg: waren es zu Beginn im Wintersemester 2011/12 zwischen 15 und 30 Personen, so kam es bereits im Sommersemester 2012 bis zu 40 Personen und im Wintersemester 2012/13 sowie Sommersemester 2013 zwei Mal sogar bis zu 50 Personen. Die Ringvorlesung kann insgesamt als ein großer Erfolg angesehen werden und hat auch mediale 17 Wirkung erzielt. Eine Schwierigkeit bei der Organisation der Ringvorlesung, Expert_innen für Vorträge gewinnen zu können, lag in der finanziellen Einschränkung. Aufgrund des geringen Budgets für Honorar-, Reise- und Übernachtungskosten konnte insgesamt nur eine Expert_in aus Österreich eingeladen werden (Wintersemester 2012/13). Um die Thematik im internationalen Diskurs an der Fachhochschule Potsdam verankern zu können, bedürfte es ausreichender Mittel (dasselbe gilt für eine Publikation der einzelnen Beiträge). 18 Zu den Vortragenden Ammann, Birgit: Dr., Professorin im Fachbereich Sozialwesen, arbeitet schwerpunktmäßig zu den Themen Migration, Minderheiten und Diaspora, Interkulturelle Kommunikation, Mittlerer Osten, Islam, Kurdologie, Internationale und vergleichende Politik, Europäische Sozialpolitik und Soziale Gerechtigkeit. Czollek, Leah Carola: BA, Geschäftsleiterin des Instituts „Social Justice und Diversity“. Lehrbeauftragte an der Alice-Salomon-Hochschule und an der Fachhochschule Potsdam/ Sozialwesen; Mediatorin, Supervisorin, Erwachsenentrainerin. Mitbegründung und Geschäftsleitung des Instituts „Social Justice und Diversity“ mit den Schwerpunkten Gender, Queer, Migration, Diversity, Interkulturelle Mediation. Distelmeyer, Jan: Dr., Professor für Geschichte und Theorie der technischen Medien im Kooperationsstudiengang Europäische Medienwissenschaft der Fachhochschule Potsdam und Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte bewegen sich zwischen Film und digitalen Medien. Dabei beschäftigt er sich u. a. mit Perspektiven des Computerspiels, der Wiederkehr des 3D-Films und das flexible Kino. Grawinkel, Katja: BA, MA, Studium der Medien- und Kulturwissenschaft an der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf und der Europäischen Medienwissenschaft an der Universität und Fachhochschule Potsdam. Journalistische Arbeiten für Magazine, Zeitungen, Radio und Internet. Seit 2008 Zusammenarbeit mit der freien deutsch-schweizerischen Theatergruppe Schauplatz International. Hobohm, Hans-Christoph: Prof. Dr., ist seit 1995 Professor für Bibliothekswissenschaft an der Fachhochschule Potsdam. Nach sozial- und geisteswissenschaftlichen Studien in Köln und Paris sowie Promotion zu einem Thema der historischen Sozialforschung war er lange Zeit Marketingleiter bei einem Informationsproduzenten. Einer seiner Forschungs- schwerpunkte ist Informationsverhaltensforschung. Homuth, Franziska: hat Soziologie, Gender Studies und Psychologie an der FU Berlin studiert, ist Diplom-Soziologin und derzeit akademische Mitarbeiterin an der Fachhochschule Potsdam im Fachbereich Soziale Arbeit. Jank, Dagmar: Dr., Professorin im Studiengang Bibliotheksmanagement am Fachbereich Informationswissenschaften, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit verschiedenen Aspekten 19 frauenspezifischer Bibliotheks- und Informationsarbeit. Derzeit arbeitet sie an der Studie „Frauenspezifische Informationsmittel der ersten Frauenbewegung in Deutschland“. Kirndörfer, Elisabeth: war während und nach ihrem Master der Soziokulturellen Studien an der Europa-Universität Viadrina in der migrationspolitischen Arbeit tätig und arbeitet seit April 2011 als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Dr. Birgit Ammann im Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Potsdam. Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind Fragen um Migration und Interkulturalität. Kitschke, Dorothea: hat Erziehungswissenschaft, Neuere Geschichte und Literaturwissenschaft in Potsdam und Växjö (Schweden) studiert. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FHP und als Dozentin des Netzwerks „Studienqualität Brandenburg“ im Kontext von Hochschuldidaktik, Forschendem Lernen und Gender Mainstreaming/Diversity Management. Kelly, Natasha A.: ist Doktorandin am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Münster und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt Universität zu Berlin. Sie ist als Autorin und Journalistin tätig und seit vielen Jahren in der anti-rassistischen Bewegung aktiv. Im Mai 2012 wurde sie in den Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen des Berliner Senats als Repräsentantin der Europäischen Union gewählt. Kleve, Heiko: Dr., Professor für soziologische und sozialpsychologische Grundlagen und Fachwissenschaft Sozialer Arbeit am Fachbereich Sozialwesen, beschäftigt sich insbesondere mit Theorien und Methoden Sozialer Arbeit und der Sozialwissenschaften aus systemisch-konstruktivistischer, systemtheoretischer und postmoderner Perspektive; er arbeitet seit Jahren an einer postmodernen Sozialarbeitstheorie. Knösel, Peter: Dr., Jurist, Professor für Rechtswissenschaften und Dekan am Fachbereich Sozialwesen an der FH Potsdam, war als Rechtsanwalt von 1981 bis 2001 tätig. Schwerpunkte: verschiedene Rechtsgebiete; Forschungsschwerpunkt: Migration. Mertlitsch, Kirstin: Mag.a, Philosophin, geschäftsführende Leiterin des Zentrums für Frauen- und Geschlechterstudien sowie Universitätslektorin an der Universität Klagenfurt. Schwerpunkte u. a.: Gender/ Queer, feministische Studien, Kultur und Konflikt. Dissertation zum Thema: „Sisters, Cyborgs, Drags. Denkfiguren auf der Bühne des Geschlechterimaginären.“ 20 Perko, Gudrun: Mag.a Dr., Philosophin, derzeit Gastprofessorin zu Gender und Diversity an der Fachhochschule Potsdam. Mediatorin, Mitbegründerin des Instituts „Social Justice und Diversity“. Schwerpunkte: Gender/Queer, Diversity, Social Justice, Ethik, Kommunikation/ Dialog. Redemeyer, Angela: M.A., Sozialarbeiterin, arbeitet seit Oktober 2011 in halber Stelle als akademische Mitarbeiterin von Gudrun Perko an der Fachhochschule Potsdam. Darüber hinaus ist sie in der Praxis Sozialer Arbeit in einem Obdach für wohnungslose Frauen (auch) mit psychischen Erkrankungen in Berlin tätig. Redzewsky, Patricia: Mag.a Genderstudies und Erziehungswissenschaften; Ausbildnerin und Trainerin für Social Justice und Diversity; Assessorin für Potenzialermittlung in der beruflichen Orientierung, Mentorin im Sista Abla Projekt bei LIFE e.V. Berlin und examinierte Krankenschwester. Derzeit Lehrbeauftragte an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin (Gesundheits- und Pflegemanagement) und an der Hochschule Neubrandenburg (Bildung und Erziehung im Kindesalter). Schmiedt, Marika: Aktivistin, Filmemacherin, bildende Künstlerin. Seit 1999 Recherchen zur Verfolgung von Roma und Sinti; die Auseinandersetzung mit der Situation der Roma vor und nach 1945 bildet einen Schwerpunkt der künstlerischen Arbeit. Tätigkeiten in der Jugendund Erwachsenenbildung. Schmidt, Andrea: Dr., Professorin für Sozialpädagogik an der FH Potsdam. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist gendersensible Soziale Arbeit. Aktuell arbeitet sie im Rahmen eines InterFlexProjektes zum Thema Castingshows. Staats, Hermann: Prof. Dr., Arzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker und Paar- und Familientherapeut ist Sigmund - Freud Professor für psychoanalytisch orientierte Entwicklungspsychologie und Leiter des Familienzentrums an der Fachhochschule Potsdam. Arbeitsschwerpunkte sind Beziehungen in Paaren, Familien und Gruppen, Ergebnisse von Psychotherapien und Beratungen, Säuglings-Kleinkind-Eltern Therapien und Supervision. Thürmer-Rohr, Christina: Prof. e. m., Dr. phil., Dipl. Psych., seit 1972 Professorin an der TU Berlin. Feministin und feministische Theoretikerin der ersten Stunde in der BRD. Schwerpunkte: feministische Theorie, Menschenrechte, Dialog. Zahlreiche Publikationen. Mitinitiatorin des „Forum Akazie 3“ (Veranstaltungen, Lesungen, Vorträge, Konzerte in 21 Verbindung von philosophischem, politischem und musikalischem Denken). 22