Praktikumsbericht Shanghai East Hospital

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Praktikumsbericht Shanghai East Hospital
MeinAuslandsaufenthaltinShanghai
Für mein Praktisches Jahr habe ich mir im Internet ein Krankenhaus gesucht, das Lehrkrankenhaus der Partneruniversität meiner Uni ist, um sicher zu gehen, dass das Praktikum auch später in Deutschland anerkannt wird. Vorbereitung: Vorweg muss ich zugeben, dass mir die Planung etwas Kopfschmerzen bereitet hat, da sich, nachdem ich die Zusage der Uniklinik bekommen hatte, einiges das Visa betreffend geändert hatte und meine Kontaktperson vom Krankenhaus mir per Mail einige Male widersprüchliche Informationen zukommen ließ. Es hieß einmal „Oh, alles kein Problem“, dann „Hm, vielleicht geht das doch nicht mehr, das kriegen wir schon hin…“, usw. Die Tatsache, dass dieser Betreuer mich teilweise wochenlang (!) auf eine Antwort per Mail hat warten lassen, hat nicht zu meiner Beruhigung beigetragen. Erst nachdem ich schlussendlich ein paar Wochen vor dem Abflug das Visum sicher in meiner Tasche hatte, haben sich meine Sorgen gelegt. 750 Yuan habe ich für die Bewerbung gezahlt und für diesen hohen Preis war die Betreuung echt mies. Ich bin vom Frankfurter Flughafen nach Shanghai PVG geflogen mit China Eastern Airlines. Der Flug hat Hin‐ und Zurück um die 900 Euro gekostet. Das Essen kann ich persönlich nicht wirklich empfehlen, aber die Nüsse, die man bekommt, waren sehr lecker ;). Vom Flughafen kann man entweder das Taxi nehmen, das, je nachdem wohin man muss, um die 120 Yuan kosten kann. Eine günstigere Variante ist die Metro, da zahlt man 5 Yuan. Wohnen: Shanghai ist eine sehr teure Stadt. Im Wohnheim zahlt man für ein Einzelzimmer 2000 Yuan (300 Euro) und für ein Doppelzimmer 1500 Yuan. Da ich persönlich nicht dort war, kann ich leider nicht sagen, ob es anständige Zimmer waren, ich vermute jedoch, dass sie nicht sehr luxuriös sind. Wenn Wohnheime so teuer sind, kann man sich ausmalen, wie teuer private Wohnungen sind. Außerdem muss man sich sehr früh für diese Wohnheime bewerben. Je früher, desto besser. Praktikumsstelle: Ich wurde nicht vergütet. In China zahlt man für Lehre, also habe auch ich Studiengebühren zahlen müssen in Höhe von 1500 Yuan/ Monat. Die Betreuung vor Ort fand über lokale Medizinstudenten statt. Obwohl ich mit der Email‐
Korrespondenz in Deutschland sehr unzufrieden war, war ich mit der lokalen Betreuung zufriedener. Die beiden Studenten, die sich um uns gekümmert haben, waren sehr engagiert, haben versucht alle unsere Wünsche umzusetzen, sind öfter mit uns Essen gegangen und obwohl sie das in ihrer Freizeit gemacht haben, haben sie sich sehr große Mühe gegeben, uns mit allem zu helfen. Ich durfte mir frei aussuchen, welche Abteilungen ich sehen möchte. Ich war in der ersten Hälfte in der Allgemeinchirurgie und in der zweiten Hälfte in der Unfallchirurgie. Das erste was mir hier aufgefallen ist war, dass chinesische Studenten nicht so viel machen dürfen wie in Deutschland üblich, was ich sehr überraschend fand. Dazu kam, dass ich nicht übersehen konnte, dass hier eine Hierarchie zwischen den Studenten herrscht. Die Universität hat nicht nur ihre einheimischen Studenten, sondern auch eine Abteilung nur für ausländische Studenten, die komplett auf Englisch unterrichtet werden. Diese Studenten können etwas Chinesisch, da sie seit 5 Jahren in China leben, allerdings konnten sie oft weder chinesische Schriftzeichen lesen, noch schreiben und auf mich hatte es den Eindruck, als wären sie Studenten 2. Klasse, obwohl sie das Vielfache an Studiengebühren zahlen und ebenso Studenten der selben Universität sind. Ich denke das hatte mit der Sprachbarriere zu tun. Nicht einmal chinesische Ärzte, die nicht aus Shanghai waren, waren in der Lage, das Shanghai‐Chinesische zu verstehen, also die Mehrzahl der Patienten. Praktisch lief das so ab, dass der Oberarzt oftmals erst einmal das Shanghai‐Chinesisch für seine jüngeren Ärzte übersetzen musste und da blieb häufig keine Zeit mehr, es nochmal für uns Ausländer auf Englisch zu übersetzen. Wir waren sehr dankbar für die chinesischen Studenten, die gewillt waren, es uns dann nochmal im Flüsterton ins Englische zu übersetzen, während die Visite weiterging. Doch man kann sich denken, dass wir so sehr wenig mitbekommen haben. Die Ärzte haben sich auch wegen der Sprachbarriere lieber an die chinesischen Studenten gerichtet, wenn sie etwas zu sagen hatten oder eine Aufgabe, und wir Ausländer haben uns dann an die Fersen von chinesischen Studenten angeheftet, da wir nicht wussten, was wir sonst tun sollten. Dass es mir als externem Studenten, der aus Deutschland kommt und ein Englisches Programm erwartet hatte (laut Homepage sollte es ein englisches, internationales Programm sein) so erging, mag noch zu verkraften sein. Doch dass auch die eigenen Studenten der Universität, die in der ausländischen Abteilung studierten, genauso behandelt wurden und auf die Hilfe ihrer chinesischen Mitstudenten angewiesen waren, kam mir sehr befremdlich vor. Es gibt jedoch Gründe, weshalb diese ausländischen Studenten sich Shanghai ausgesucht haben: Der Unterricht ist komplett auf Englisch, die Studiengebühren jedoch um einiges billiger als in Großbritannien oder in den USA. Wir Studenten konnten den Ärzten etwas bei der Arbeit zusehen, manchmal Verbandswechsel durchführen, bei OPs zuschauen und wenn es keine OPs gab, früher gehen. Es stand uns auch frei, an englischsprachigen Vorlesungen der Universität teilzunehmen. Die anderen Studenten waren alle sehr nett und ich konnte viele Kontakte knüpfen. Die Ärzte haben sehr selten mit uns geredet, vor allem wegen der Sprachbarriere und auch, weil sie sehr beschäftigt und gestresst waren. Für die Patienten und Angehörigen war man als Ausländer allerdings ein großes Spektakel. Es wurde einem zugewunken, man wurde angelächelt und erstaunt gemustert. Zusammenfassend zu dieser Erfahrung kann ich sagen, dass die Sprachbarriere das größte Problem war und ich das nicht in dem Ausmaß eingeschätzt hatte, zumal auf der Homepage ausländische Studenten mit einem „englischen Programm“ gelockt werden. Doch ich hatte sehr viel Freizeit, da wir oft vormittags schon gehen konnten, wodurch ich viel von der Stadt gesehen habe. Zusätzlich dazu waren sie nicht sehr streng, was Urlaubstage anging. Es gab keine fest geregelten Urlaubstage, doch nach Absprache konnte man sich frei nehmen, ohne dass dies notiert wurde. Viele Austauschstudenten konnten so etwas rumreisen und das Land China genießen. Als Student genoss man sehr viel Freiheit und da wir nicht vergütet wurden, finde ich das auch in Ordnung. Als Fazit war das Praktikum eine sehr interessante Erfahrung, die ich weiterempfehlen kann, wenn einen die Sprachbarrieren nicht stören. Stadtprofil: Shanghai ist sehr groß. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln habe ich überallhin um die 1‐1,5 Std gebraucht. Auf Dauer nervt das ziemlich, vor allem da die Busse und Metros immer so überfüllt sind. Das Beste ist es natürlich, wenn man sich Taxis leisten kann. Metro fahren ist dafür sehr günstig. Man zahlt pro Fahrt 3 Yuan und für eine Busfahrt zahlt man entweder 1 oder 2 Yuan, je nachdem, ob der Bus eine Klimaanlage besitzt oder nicht. Ich empfehle, eine Metrokarte zu kaufen, die man aufladen kann. Diese kann man für Bahn, Bus, und Fähre benutzen und bequem an jeder Metrostation am Serviceschalter aufladen. Mit Taxi hat man oft das Problem, dass man an vielen Ampeln steht und noch öfter im Stau, da der Shanghaier Verkehr verrückt ist. Außerdem kann man sich selten anschnallen und wenn der Taxifahrer beschließt, mit 130 durch die Ortschaft zu kurven und sich alles was sich bewegt, aus dem Weg zu hupen, bekommt man es nicht selten mit Todesängsten zu tun. Das Verkehrschaos war für mich am Anfang sehr einschüchternd und furchteinflößend, doch man gewöhnt sich daran. Das Wetter in Shanghai war zu der Zeit, als ich da war, sehr schön. Es war oft sonnig und blauer Himmel. Der gesamte November war jedoch grau und verregnet, mit dem Smog hielt es sich in Grenzen. Verglichen mit anderen Großstädten Chinas hat Shanghai sehr wenig Luftverschmutzung. Als ich nach Peking gereist bin, sah das anders aus. Dort hat man sich nach einem Tag draußen so gefühlt, als hätte man eine ganze Schachtel Zigaretten geraucht. Atemmasken sind ein Muss! Leben in China: Ich konnte einige Kontakte zu lokalen und ausländischen Studenten knüpfen. Der Austausch zwischen den Ländern war sehr interessant. Einige Dinge im Medizinstudium und auch bei der Ausbildung zum Arzt sind in China anders als in Deutschland. Zum Beispiel haben sie hier das Bachelor/Master System und nach dem Master muss man den PhD machen, um überhaupt arbeiten zu dürfen. Der Weg zur Arbeit als Arzt ist in China also länger als bei uns. Geregelte Urlaubstage, wie bei uns 30 Tage Urlaub im Jahr, gibt es in China nicht. Man kann allerdings nach Absprache mit den Kollegen freie Tage nehmen. Allerdings gibt es hier mehr Feiertage als in Deutschland. Zusätzlich zu den 7 Nationalfeiertagen im Oktober hat man noch unter dem Strich weitere 16 Feiertage. Es soll zusammen mit den privaten freien Tagen, die man nach Absprache nehmen kann, genug Zeit für Urlaube und Reisen sein wurde mir von einem Kollegen versichert. Auch ich habe die Nationalfeiertage genutzt, um mit meiner Schwester auf Urlaub zu fahren. Während meines Aufenthaltes hatte ich leider keinen Sprachkurs, daher habe ich ein paar Lektionen auf eigene Faust gelernt. In der chinesischen Sprache Fuß zu fassen ist nicht leicht, da man zuerst die Betonungen lernen muss, die sehr komplex sind. In der Zeit, die ich zum Eigenstudium der Sprache nutzen konnte, bin ich leider nicht so weit gekommen, um mich mit lokalen Chinesen unterhalten zu können, war also stets darauf angewiesen, dass mein Gegenüber etwas Englisch verstand. Mit Händen und Füßen kommt man aber auch hier sehr weit. Das Einkaufen kann in China sehr großen Spaß machen, aber man muss aufpassen, dass man nicht übers Ohr gehauen wird. Als Ausländer wird man stets mit Wucherpreisen konfrontiert, in der Hoffnung, man ist reich und kann es sich leisten. Als arme Studentin hatte ich es also sehr schwer, die Preise zu verhandeln, die ich haben wollte. Wenn einem der Preis nicht passt, sollte man einfach weitergehen und es möglichst vermeiden, klein beizugeben. Anfangs war es noch schwer zu wissen, wo ich was finden kann, aber je länger man hier ist, desto mehr Shops und Einkaufsstraßen findet man. Die neuen Entdeckungen hören nie auf und es lohnt sich, im Internet danach zu suchen und die Kollegen zu fragen. Da ich an Kunst interessiert bin, hat es mich sehr gefreut, Kunstmaterialien sehr günstig kaufen zu können. In der Fuzhou Street in Shanghai findet man viele kleine Schreibwaren‐ und Kunstläden, in denen man günstig einkaufen kann. Fakemarkets gibt es überall und sehr viele Touristen, aber auch Einheimische, werden von ihnen angezogen. Man kann hier alles sehr günstig bekommen. Die Qualität ist oftmals sehr gut, ich konnte sie nicht von Originalen unterscheiden. Man kann alles in China finden, man muss nur wissen wo. Die kulturellen Unterschiede sind sehr groß, wie man sich vorstellen kann. Der Kulturschock, von dem immer alle reden, hat diesmal selbst mich getroffen. China ist dann doch etwas anders. Von der angepriesenen Höflichkeit merkt man im Großstadttrubel kaum etwas, denn in der Metro geht es eher rauer zu. Arbeitskollegen lächeln freundlich, man geht zusammen Essen, wird sogar eingeladen und wird zuvorkommend behandelt. Schlaf ist sehr wichtig in China. Man sieht überall schlafende Menschen. In Parks, in Autos, auf Fahrrädern, in Treppenhäusern und nein, das sind nicht alles Obdachlose. Es ist vollkommen normal, Decke und Kissen mit ins Krankenhaus zu nehmen, wenn man dort zum Beispiel als Putzkraft angestellt ist, um sich dann mittags eine Pause im Treppenhaus zu gönnen. Die Ärzte schlafen im Arztzimmer vor ihren Computern die Patientenangehörigen schlafen auf dem Boden der Krankenzimmer. Eine Nation, die das Schlafen liebt. Daran könnte ich mich gewöhnen! Essen gehen ist in China günstig und lecker. Selbst wenn man jeden Abend auswärts isst, tut es einem finanziell nicht so weh wie in Deutschland. Man muss jedoch aufpassen, denn die Chinesen essen sehr „spicy“. Wenn man das nicht gewohnt ist, können einen Bauchschmerzen oder sogar Krämpfe treffen nach einem wohl gemeinten Hotpot. Es gibt Pfeffersorten, die einem die Haut von den Lippen abtrennen und die Zunge ertauben lassen, also Vorsicht! Die große Obst‐ und Gemüseauswahl in den Supermärkten werde ich vermissen. Man kann sehr günstig in China leben (bis auf die enormen Mietpreise in Shanghai). Für bereits 3 Euro kann man ein gutes Abendessen haben und pappsatt und zufrieden nach Hause gehen. Vor zu fettigem und zu scharfem Essen sollte man sich jedoch in Acht nehmen, denn nicht jede Langnase verträgt das. Etwas, was einem früher oder später auffällt, ist das endlose Starren der Menschen. Es ist sehr befremdlich, so offen angestarrt zu werden. Schlimmer als das Starren ist das ungefragte fotografiert werden. Als ich einmal bei einem männlichen Patienten den Verband gewechselt habe, hat er mich auf Video aufgenommen. Wen das Starren und fotografiert werden stört, Gelöscht: ,
kann eine Atemmaske tragen, das hilft ein wenig. Wenn man nach China kommt, sollte man auf keinen Fall die Gelegenheit verpassen, etwas herum zu reisen. China ist ein sehr großes, kulturell und historisch sehr reiches und interessantes Land. Als Tourist hat man hier sehr viel zu sehen und sollte viel Zeit einplanen, denn es gibt mehr zu sehen als man in einen Urlaub unterbringen könnte. Außerdem sind die Entfernungen von Stadt zu Stadt enorm, das sollte man nicht unterschätzen. Man kann sehr bequem in Schnellzügen reisen. Die Züge sind sehr pünktlich, man hat viel Beinfreiheit und ist mit etwa 300km/h auch schnell am Ziel. Wer an Asien interessiert ist, wird hier seine Freude daran haben. Fazit: Eine sehr wichtige Erfahrung, die ich gemacht habe, ich kann sie jedem empfehlen. Ich habe viele neue Freunde kennengelernt, zu denen ich den Kontakt aufrecht erhalten will und sehr viel über Land und Leute gelernt, einen kleinen Einblick in die komplexe Sprache bekommen und viele neue Eindrücke und interessante Erlebnisse gehabt. Es würde mich freuen, auch chinesische Austauschstudenten in unseren Krankenhäusern in Deutschland zu sehen und den Austausch fortzuführen. Trotz der Sprachbarriere eine wertvolle Zeit, die ich hier verbracht habe. Kosten: Wenn man im Wohnheim wohnt und auch Gebühren zahlen muss wie ich, ist man schnell bei 3000‐4500 Yuan im Monat. Dazu kommen Essen und sonstige Ausgaben. Wenn man für das Praktikum nicht bezahlt wird und auch sonst keine finanziellen Mittel hat, kann es knapp werden. Ein Stipendium ist sehr empfehlenswert. Tipps für künftige Stipendiaten: Unbedingt auch andere Städte bereisen, beim Verkehr die Augen offen halten, beim Einkaufen gut aufpassen und wenn es möglich ist, nicht alleine reisen.