10/2011 - Hospizbewegung Liechtenstein

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10/2011 - Hospizbewegung Liechtenstein
HOSPIZZITIG
Offizielles Publikations-Organ der Hospizbewegung Liechtenstein / Ausgabe Oktober 2011
Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich: Verein Hospizbewegung Liechtenstein, Postfach 360, 9494 Schaan.
Weitere Informationen unter www.hospizbewegung.li
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Einladung zum Benefizkonzert 2011
„Musik zu Allerheiligen“
Editorial
Liebe Vereinsmitglieder, liebe
Freunde der Hospizbewegung,
liebe Leserin, lieber Leser
Das Jahr 2011 neigt sich
schon seinem letzten Drittel
entgegen und die schwülheissen Augusttage und nächte machen den – trotz
des sonnigen Septembers –
schon herbstlichen Temperaturen Platz. So wie im Zyklus
der Natur geht es uns auch mit
unserem Lebenszyklus –
Aufblühen, Ernten und sich
Zurückziehen und Loslassen.
Die junge Harfenspielerin Lisa Maria Hilti aus Feldkirch.
Am Sonntag, 30. Oktober, findet um 17 Uhr in der Josefskirche in
Vaduz-Ebenholz unser traditionelles Benefizkonzert unter dem Motto
„Musik zu Allerheiligen“ statt. Dieses wird bereits im zehnten Jahr
durchgeführt.
Die Hospizbewegung Liechtenstein feiert heuer ihr 10-jähriges
Bestehen. Am 29. Mai 2001 von engagierten Frauen und Männern
aus Liechtenstein gegründet, ist die HBL heute ein kompetenter
Partner im Gesundheits- und Sozialwesen in Liechtenstein.
Wir freuen uns sehr, dass die junge liechtensteinische Harfenspielerin Lisa Maria Hilti aus Feldkirch den musikalischen Teil des
Benefizkonzertes gestalten wird. Sie hat das Vorarlberger Musikkonservatorium besucht und mit Auszeichnung abgeschlossen. Sie
gewann auch zahlreiche erste Preise bei Landes- und Bundeswettbewerben. Seit 2011 ist sie Mitglied bei der Jungen Philharmonie
Wien. Zwischen den einzelnen Musikstücken werden traditionell
besinnliche Texte rund um das Thema Sterben und Tod vorgelesen.
Die freiwillige Kollekte geht auch dieses Jahr vollumfänglich an unser
Partnerhospiz Helderberg in Südafrika. Herzlichen Dank jetzt schon
für die grosszügigen Spenden.
Wir laden Sie, Ihre Freunde, Bekannten und Verwandten ganz
herzlich zu dieser besinnlichen Stunde vor Allerheiligen ein.
Gerne überreichen wir Ihnen
die Herbstausgabe 2011
unserer HOSPIZZITIG.
Herzlich einladen möchten wir
Sie zu unserem traditionellen
Benefizkonzert „Musik zu
Allerheiligen“ am Sonntag, 30.
Oktober in der Josefkirche in
Vaduz-Ebenholz.
Auf den beiden Innenseiten
finden Sie zwei Erlebnisberichte von betroffenen Menschen,
welche in ihrer schwierigen
Zeit Unterstützung durch
Angebote der HBL fanden.
Auf der vierten Seite finden
Sie wie immer Tipps und
Hinweise auf Angebote und
Dienstleistungen der HBL.
Wir wünschen Ihnen eine
interessante Lektüre.
Franz Jehle, Präsident HBL
Meine Mutter war in guten Händen
Abschied von Valentina
Ein Erlebnisbericht einer Angehörigen
Ein persönlicher Bericht Petra Chesi
Als meine Mutter im vergangenen Jahr im
Sterben lag, wollte ich ihr so gut es ging beistehen. Es war allerdings sehr schwierig für mich,
ihre Wünsche und Bedürfnisse zu erraten, vor
allem in den letzten Tagen, als ihr das Reden
immer schwerer fiel und dann plötzlich ganz
ausblieb.
Wir haben unsere Tochter Valentina am 22. Juni
2005 verloren. Sie war zwei Jahre und acht
Monate alt. Es war ein heisser Sommertag und
wir hatten es den ganzen Tag sehr schön.
Valentina ging gegen Abend zu ihrer Tante in den
Garten hinüber. Circa zehn Minuten später ist es
leider passiert. Meine Schwester hatte ihren Pool
offen. Wir wissen nicht wie, was, wo. Die Familie
meiner Schwester befand sich im Garten. Jedoch
hat keiner dahin gesehen, wo er/sie hinschauen
sollte. Ja da war unsere Valentina in den Pool gegangen. Niemand hat etwas gehört oder gesehen. Jeder schaute in die andere Richtung.
Man stellt sich dabei ganz viele Fragen: Möchte
sie überhaupt rund um die Uhr jemanden bei sich
haben? Ist es ihr lieber, wenn ich über etwas
Belangloses rede oder möchte sie über das
Sterben sprechen und vielleicht mit mir zusammen beten? Oder soll ich besser ganz
schweigen?
Ich hatte den Eindruck, dass sie es gerne sah,
wenn immer jemand bei ihr war, vor allem auch
nachts. Andere Familienangehörige und Freunde
waren zwar zur Stelle und haben mich am Tag
regelmässig für einige Stunden bei der Betreuung
abgelöst, aber das Problem war die Nacht.
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Es war für mich eine riesige
Erleichterung.
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Daher bat ich
Innerhalb von
fertig gebracht,
sieren, welche
nahmen.
die Hospizbewegung um Hilfe.
wenigen Stunden hat diese es
vier bis fünf Personen zu organijeweils die Nachtschichten über-
Es war für mich eine riesige Erleichterung, dass
ich spät am Abend nach Hause gehen und
schlafen konnte, im Wissen, dass meine Mutter in
guten Händen ist. Aus ihren Reaktionen am
Morgen meinte ich auch zu erkennen, dass sie
diese Lösung ebenfalls geschätzt hat. Vielleicht
hat es ihr gerade gut getan, einmal eine fremde
Person um sich zu haben. Für Familienangehörige ist es vielfach schwierig, die richtigen Worte
zu finden.
Plötzlich hörte ich meine Schwester ausrufen,
„Heiliger Gott“ und sie sprang auch schon in den
Pool hinein. Ich wusste unmittelbar was los war.
Ich liess einen Schrei und fasste meinen
13monatigen Sohn unter den Arm und rannte
hinüber zu dem Garten meiner Schwester an den
Pool. Da sah ich auch schon wie Valentina da lag
und ganz blau war. Die Nachbarschaft wurde
aufmerksam und sie kamen, um zu helfen. Die
Rettung wurde angerufen. Die Zeit scheint ewig,
bis diese endlich da war. Auch die REGA kam.
Diese Bilder sehe ich immer wieder. Manchmal
geht es besser, andere Male sind sie permanent
präsent. Es sind schon sechs Jahre vorbei, jedoch ist es, als ob es eben erst passiert wäre.
Man begreift es nicht. Man kann es nicht glauben,
dass es so ist.
Valentina wurde mit der REGA nach St. Gallen
gebracht. Man wusste nicht, ob sie es schafft
oder nicht. Während der Fahrt nach St. Gallen
gingen uns die verschiedensten Gedanken durch
den Kopf. Lebt Valentina oder nicht? Mein Mann
und ich wollten die Hoffnung nicht aufgeben.
Sie schlossen Valentina nun an die Maschinen an
und dann musste man nachsehen, was im Hirn
passiert ist. Dabei kommt natürlich die Hoffnung
wieder auf.
Auf diesem Weg noch einmal herzlichen Dank für
die grosse Unterstützung!
Am nächsten Morgen bekamen wir dann den
Bescheid, dass sie tot ist, dass nichts mehr zu
machen ist. Nun ging es um das Ausschalten der
Geräte. Wir wurden aufgeklärt, dass Valentina
Hirntot ist und dies endgültig ist. Zurück gibt es
keines. Wir wurden auch aufgeklärt, dass sie uns
nicht hört, nicht versteht. Dass nichts bei ihr
ankommt. Und dies alles will und kann man nicht
glauben.
Andrea Hoch / im Mai 2011
Wir liessen uns viel Zeit um uns von Valentina zu
verabschieden. Den Zeitpunkt, wann es soweit
Die Helfer/Helferinnen, welche sich darauf einlassen, Menschen in dieser schwierigen Lebenssituation beizustehen und zu begleiten, kann ich
nur bewundern.
ist, um die Maschinen abzustellen, durften wir
selber bestimmen. Dies ist etwas sehr Hartes.
Liechtenstein gemacht. So kam ich zu diesen regelmässigen Treffen, welche mir geholfen haben.
Wir liessen uns beinahe zwei Tage Zeit, um uns
von Valentina zu verabschieden. Alle kamen nach
St. Gallen. Familie, Bekannte. Sie alle haben sich
von Valentina verabschieden können. Sie alle
hatten sehr viel Mühe, denn sie lag ja schlafend
da. Ab und zu zuckte sie. Man will es nicht
glauben. Es gab eine nette Seelsorgerin, welche
uns sehr lieb und hilfreich zur Seite stand.
Mit Valentina spreche ich sehr oft, zu Hause, aber
auch an ihrem Grab. Es ist für uns wichtig, dass
wir gemeinsam oder alleine hingehen können, um
ihr zu erzählen.
Am Freitagnachmittag waren wir Eltern dann so
weit, dass die Maschinen abgestellt wurden. Die
Seelsorgerin war auch wieder bei uns und führte
eine Verabschiedung durch. All jene die es aushielten, durften dabei sein. Als es dann konkret
darum ging, die Maschinen abzuschalten, wollten
mein Mann und ich alleine mit Valentina sein.
Valentina wurde von Gesetzes wegen noch
obduziert. Dies war für uns ein unerträglicher
Schmerz und es war eine sehr schwere Zeit.
Meine jüngste Schwester Tanja hat mir sehr
geholfen. Wir haben einander jedoch beide gebraucht.
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Ich empfehle jedem – wenn
es möglich ist – eine
Verabschiedung zu machen.
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Ich empfehle jedem, egal ob Verlust von Eltern,
Partnern oder Kindern, wenn es möglich ist, eine
Verabschiedung zu machen, dies ist sehr wichtig.
Für mich war es sehr schwer, das erste Mal
meine Kinder wieder jemandem anzuvertrauen.
Dies war etwas Enormes. Was mir dabei half
meine Sorge zu überwinden ist, dass ich an die
Kinder denke, dass ich ihnen nicht alles verweigern kann, nur weil ich diese Angst hatte. Das
Vertrauen wieder aufzubauen ist etwas Zeitaufwendiges.
Persönlich hilft mir immer das Gespräch. Ich
spreche gerne mit jemandem, der Valentina gekannt hat. Ich habe sehr gute Kolleginnen und
Bekannte, welche mich so respektieren.
Bei einem Seminar für „Praktische Hospizarbeit“,
welches ich bereits vor dem Ereignis von
Valentina in Erwägung gezogen hatte, traf ich
eine Frau, welche ein Jahr früher ihren Sohn
verloren hat. Im Gespräch wurde mir von ihr das
Angebot des „Elterntreffs“ der Hospizbewegung
Da ich mich im Moment vom Glauben eher
distanziert habe, mache ich nun alles über
Valentina. Sie gibt uns sehr viel Kraft und
Energie. Wir haben sehr viele Bekannte und Verwandte, welche uns zur Seite stehen und welche
uns auch erzählen, dass sie oft an uns denken
und für uns beten. Auch das ist sehr hilfreich. Wir
hatten viel Glück, die meisten unserer Kollegen
sind uns geblieben.
Zur Gruppe ist noch zu sagen, dass der Austausch in der Gruppe sehr gut war. Es ergab eine
Zusammengehörigkeit, eine Verbundenheit, ein
Verstanden werden. Der Austausch hat weitergeholfen. Die Tipps und Anregungen mussten ausprobiert werden. Ja dies tat mir sehr gut und war
sehr wertvoll. In der Gruppe darf man alles erzählen ohne Ängste, nicht verstanden zu werden
oder zu hinterfragen, was erzählt die jetzt. Mittlerweile leite ich die „Gruppe Vergissmeinnicht für
Eltern, die ein Kind verloren haben“ mit meiner
Kollegin, die auch ihr Kind verloren hat.
Was mich tief verletzt hat war, das Kombinieren
der Leute, unser Kind sei in unserem vor kurzer
Zeit gewonnenen Wirlpool verunfallt. Ich musste
immer wieder erklären, dass dem nicht so war,
sondern dass Valentina im Swimmingpool meiner
Schwester, welche daneben wohnt, ertrank und
dass wir gar keine Schuld hätten und dass wir gar
nicht dabei waren. Ich war im permanenten Erklärungsdrang. Dies war eine grausame Zeit. Mit der
Zeit habe ich gelernt damit umzugehen und nicht
mehr alles an mich herankommen zu lassen. Kein
Mensch sieht, wie es seelisch durcheinander
geht. Es wird nach dem Schein beurteilt, ob es
mir gut oder schlecht geht.
Auf der Heimreise von St. Gallen fragten wir uns:
können wir überhaupt noch in unserem Heim
wohnen? Daneben ist unser Kind gestorben. Bei
näherer Betrachtung kamen wir beide zum
Entscheid, dass das kurze Leben von Valentina in
unserem Heim gelebt wurde, wo wir alle mit ihr
glücklich waren. Es war nicht leicht, denn ich sah
und sehe jeden Tag den Unfallort. Jedoch die
Erinnerung an Valentina, wie sie hier mit uns
glücklich war, überwog, um den Schmerz auszuhalten und hier wohnen zu bleiben.
Valentina würde nun 9 Jahre alt werden. Sie
würde in die 2.Klasse gehen.
Zum Gedenken an Peter Fässler-Weibel
Am 19. August 2011 ist in Winterthur Peter Fässler-Weibel im
Kreise seiner Familie an den Folgen seiner Krebserkrankung im
Alter von 63 Jahren verstorben.
Peter ist für viele Menschen in Liechtenstein kein unbeschriebenes
Blatt, hat er doch Anfang der 90iger Jahre jahrelang Kurse und
Vorträge in Liechtenstein gehalten und prägende Eindrücke und
Erfahrungen bei den Teilnehmenden hinterlassen.
Literaturhinweis
„Wenn der Atem
leiser wird“
Leitfaden für den Umgang mit
Menschen in Grenzsituationen
Hrsg.: Hospizbewegung
Liechtenstein / Okt. 2007
Für mich persönlich war er einfühlsamer Lehrer und guter Freund
zugleich und war indirekt massgeblich an der Gründung der HBL
beteiligt. Auch als Buchautor hat er bei drei Publikationen der HBL
mitgearbeitet.
Lieber Peter, du hast in unserem Land unzählige Samen gesät
und viele davon sind aufgegangen und zu kräftigen Pflanzen
gewachsen. Für all das möchte ich dir von Herzen danken.
Franz-Josef Jehle, Präsident der HBL
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Hinweise auf Angebote der Hospizbewegung
Angebote der HBL für Trauernde
Jeden letzten Samstag im Monat, von 17 bis 19 Uhr im Haus St.
Laurentius in Schaan, findet das Treffen für Trauernde unter der
Leitung von Sonja Walch, ausgebildete ehrenamtliche HospizMitarbeiterin, statt.
Ebenfalls regelmässig finden Treffen für Eltern, welche ein Kind
verloren haben, statt (Gruppe „Vergissmeinnicht“) unter der
Leitung von Petra Chesi und Karin Thaler, beide ausgebildete
ehrenamtliche Hospiz-Mitarbeiter/innen, im Haus St. Laurentius in
Schaan statt.
Die aktuellen Termine finden Sie unter www.hospizbewegung.li
Praktische Hospizarbeit – Baustein 1
Am Samstag, 3. März 2012 startet – wiederum in Zusammenarbeit
mit der Erwachsenenbildung Stein Egerta - ein neuer Grundkurs
zu diesem Thema. Die Daten: 3. März, 31. März, 28. April und 26.
Mai (jeweils Samstag von 13.30 bis 17.30 Uhr im Stein Egerta).
P. Dr. Jörg Müller
Loslassen ist schwer –
Annehmen auch
Maja Bandelier-Luzi
Über die Selbstliebe zur
Nächstenliebe
Pfr. Elmar Simma
Spirituelle Sterbebegleitung
Dr. Friedrich v. Bültzingslöwen
Krankheit als Chance zur
Reifung
Anmeldungen sind direkt bei der Erwachsenenbildung Stein
Egerta, Tel. 232 48 22 oder unter [email protected] möglich.
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Dr. Dr. Alfried Längle
Vergänglichkeit, Sinn und Angst
vor dem Sterben
Hospizbewegung Liechtenstein
Kurt Salzgeber
Psychobiografie
Haus St. Laurentius
Bahnstrasse 20, FL-9494 Schaan
Tel. 233 41 38 / Natel 777 2001
[email protected] / www.hospizbewegung.li
Büroöffnungszeiten:
Montag bis Freitag jeweils von 8.00 bis 11.00 Uhr
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Grafische Gestaltung: HBL; Digitaldruck: Druckerei Jehle AG, Vaduz; Auflage: 1000 Expl.
Diese Publikation ist bei der
Hospizbewegung Liechtenstein
erhältlich (Preis Fr. 25.-).