Willi Wachsam und das Beamtenrecht

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Willi Wachsam und das Beamtenrecht
Lehrerausbildung konkret – http://www.learn-line.de/angebote/lakonkret/
Hartmut Lenhard
Willi Wachsam und das Beamtenrecht
Sie lernen heute den Referendar Willi Wachsam kennen. Willi Wachsam ist soeben
zum Beamten auf Widerruf ernannt worden. Sein Studienseminar in der mittelgroßen
Kleinstadt Weisenburg wird von dem ebenso hilfsbereiten wie gütigen Seminarleiter
Rudi Ratvoll geleitet, sein Schulleiter am Einstein-Gymnasium ist Siegfried Sachlich,
der - wie seine Name schon sagt - sein Amt mit Sorgfalt und Akkuratesse ausübt. Wir
haben uns Willi Wachsam als einen engagierten Jungpädagogen vorzustellen, der
mit Feuereifer und der gehörigen Begeisterung zur Sache gehen möchte. Heute ist
WW zum ersten Mal an seiner Schule. Etwas irritiert steht er im Lehrerzimmer herum, die Kolleginnen und Kollegen sind gerade im Aufbruch zur zweiten Stunde, niemand nimmt so richtig Notiz von ihm. Rings herum ellenlange Stundenplanlisten,
Klausurlisten, Vertretungslisten, Aushänge, direktoriale Anordnungen, Lehrerrat usw.
usw. Inzwischen hat sich das Lehrerzimmer geleert, nur hier und da hocken vereinzelt einige Lehrer. WW will die Zeit nutzen (carpe diem!). Sein Seminarleiter Rudi
Ratvoll hat ihm und den anderen Newcomern gerade erst eingeschärft:
Lehrer und Lehrerinnen sind verpflichtet und müssen von dem Schulleiter oder der
Schulleiterin die Möglichkeit erhalten, sich über die für sie maßgebenden Rechtsund Verwaltungsvorschriften zu informieren. [ADO § 3(6)]
und da will sich WW doch mal kundig machen. Mutig wendet er sich einem etwas
kauzigen Altphilologen zu: "Ich bin hier noch neu. Können Sie mir sagen, wo ich das
Heft mit den Vorschriften finde?" "Was meinen Sie denn mit Vorschriften? Das Mitteilungsbuch? Das liegt da drüben auf dem Pult!" "Nein, nein, das kenne ich ja schon,
ich meine die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lehrer." "Ach die, dann
schauen Sie doch mal da hinten in dem Haufen nach, da müsste die BASS liegen,
aber genau weiß ich das nicht, in die guckt ja sowieso kaum keiner rein."
WW durchstöbert sorgsam einen Ablagehaufen, auf dem sich mit der Zeit so einiges
angesammelt hat. Ziemlich weit unten findet er das gesuchte Heft.
Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften, BASS 1999/2000
Gut zwei Pfunde schwer, Format A 4, Dünndruck in 8 Punkt, der Vorsicht halber ohne Seitenzahlen, aber mit dem Lineal gemessen ungefähr 1000 Seiten. WW ist beeindruckt. "Muss man das alles lesen?" fragt er seufzend den Kollegen. "Gott bewahre. Man muss bloß wissen, wo was steht. Und dazu gibt es ein vorzügliches Register.
Schauen Sie mal nach, von Abendgymnasium bis Zweitkorrektur ist alles zu finden.
Höchstens einige grundlegende Sachen sollten Sie sich mal reinziehen: ADO, ASchO, APO GOst und so, wenn Sie das gelesen haben, sind Sie den meisten Kollegen sowieso voraus."
WW versteht nicht viel von den rätselhaften Abkürzungen, aber er ist beruhigt. Der
Kollege ist wohl doch nicht so bärbeißig, wie er ihn zuerst eingeschätzt hatte. Und
den Rat will er - beflissen wie er ist - gern irgendwann befolgen. Aber, wie es so
kommt, WW hat anderes zu tun, viel zu tun, ungeheuer viel zu tun und so gerät seine
gute Absicht in den Orkus des Vergessens. Mit einigen Folgen, wie wir sehen werden.
© Hartmut Lenhard – Studienseminar S II Paderborn
19.03.01
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Lenhard
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Der Einfachheit halber überspringen wir ein halbes Jahr, in dem sich WW seine ersten Sporen verdient hat. Der Schulleiter Siegfried Sachlich hat Lobeshymnen über
den eifrigen Referendar gehört und beschlossen, ihn mit dem selbstständigen Unterricht in einer Klasse 10 und in einem Kurs der Jahrgangsstufe 11 zu betrauen. WW
freut sich unbändig darauf, dass er nun endlich seine pädagogische Freiheit, die ihm
- wie er inzwischen im Seminar erfahren hat - ausdrücklich in der Allgemeinen
Dienstordnung § 4 zugesichert ist, auch auskosten darf. Der Satz
"Es gehört zum Beruf der Lehrer und Lehrerinnen, in eigener Verantwortung und pädagogischer Freiheit die Schüler und Schülerinnen zu erziehen, zu unterrichten, zu
beraten und zu beurteilen."
erscheint ihm wie ein Evangelium. Aber nichts ist es mit der Freiheit. Siegfried Sachlich ordnet für die Schulgruppe der Referendare ein Dienstgespräch an. "Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, bin ich als Ihr Vorgesetzter 'verantwortlich für die
ordnungsgemäße Wahrnehmung der Unterrichts- und sonstigen Dienstpflichten der
Lehrer und Lehrerinnen' und für die gesamte 'Bildungs-, Erziehungs- und Verwaltungsarbeit' der Schule. Nachzulesen in der ADO § 18. Und deshalb steht mir ein
Informations- und Kontrollrecht zu, das ich auch auszuüben gedenke. Denn es ist
Ihnen ja hoffentlich klar, dass ich nicht erst warten kann, bis mir die Eltern und Schüler auf den Füßen stehen."
Betretenes Schweigen bei den Delinquenten. "Na, ganz so schlimm ist das nun auch
wieder nicht. Ich erwarte nur von Ihnen, dass Sie mir unaufgefordert zum Monatsanfang Ihre Kurshefte und das Klassenbuch vorlegen. Außerdem möchte ich von jeder
Klassenarbeit den Notenspiegel und vor der Rückgabe (!) jeweils ein Heft mit einer
sehr guten oder guten, einer befriedigenden oder ausreichenden und eines mit einer
mangelhaften Note einsehen. Und natürlich Ihre Aufgabenstellung. Im übrigen werde
ich mir gelegentlich von Ihrem Unterricht selbst ein Bild verschaffen, ich kündige einen Besuch jeweils ein bis zwei Tage vorher an."
"Darf der das?" flüstert WW seiner Nachbarin Elfi Engel zu. "Natürlich, dafür ist er ja
unser Vorgesetzter. Du weißt doch:
"Vorgesetzter ist, wer einem Beamten für seine dienstliche Tätigkeit Anordnungen
erteilen kann." - Landesbeamtengesetz § 3 (5)
"Na, dann will ich nichts gesagt haben," meint unser Willi Wachsam und beschließt,
seinen Dienstverpflichtungen nolens volens nachzukommen.
Vier Wochen später. In WWs Fach liegt ein Zettel: Bitte um dringende Rücksprache.
Sachlich." WW macht sich - etwas beklommen - auf den Weg zum Chef. Im Allerheiligsten ein Stirnerunzeln. "Also, Herr Wachsam, ich muss mal unbedingt mit Ihnen
sprechen. Sie haben mir vorgestern eine Klausur in der 11 in Englisch vorgelegt. Ich
bin zwar nicht vom Fach, aber mir ist doch einiges unklar. Zum Beispiel: Soviel ich
weiß, gibt es einen Fachkonferenzbeschluss, dass der Fehlerquotient bei der Klausur
auszuweisen und zu berücksichtigen ist. Den finde ich in Ihren Klausurheften aber
nirgends. Außerdem: Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass in einem Kurs, in dem
immer mindestens fünf Leute mit mangelhaften Leistungen auffielen, nun plötzlich
die schlechteste Note eine 3 Minus ist. Was meinen Sie dazu?" WW empfindet plötzlich die Luft im direktorialen Ambiente als heiß und stickig. Er ringt nach Worten, stottert sich eine Entschuldigung zusammen, hat angeblich den Konferenzbeschluss
nicht gekannt. Sachlich lässt nicht locker. "Lieber Herr Wachsam, ich muss leider
Ihre Klausur dienstlich beanstanden gemäß ADO §19 (5). Sie haben sich hier mangelnder Sorgfaltspflicht zu schulden kommen lassen. Ich weise Sie an, die Korrektur
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noch einmal zu überdenken und ggf. nach der Beschlusslage zu korrigieren. Und
merken Sie sich: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!"
Mit hochrotem Kopf schleicht WW von hinnen. Ist ja noch einmal gut gegangen,
denkt er, und nimmt sich fest vor, endlich die Konferenzbeschlüsse der Schule zu
studieren.
Was man so alles erfährt, wenn man in einer Klasse selbständig unterrichtet! Von
Kolleginnen und Kollegen beim Klön in der Pause, unfreiwillig von Schülern, gezielt
von Eltern. Da kommen Scheidungen und Pleiten, Finanzkrisen und Affären zur
Sprache. Jeder scheint über jeden etwas zu wissen. Auch WW wird nicht verschont.
Eines Tages kommt Susi Sänftig aus seiner 10 mit einem blauen Auge in die Schule.
Mitleidsvoll hört sich WW ihre Geschichte an; sie sei vor eine Glastür oder gegen
was auch immer gelaufen und so weiter und so weiter. Aber so ganz wohl ist ihm
dabei nicht. Nach der Stunde bittet er sie, noch dazubleiben. Wie immer, wenn er es
mit einem Mädchen zu tun hat, lässt er die Türe diskret offen. Man weiß ja nie, was
hinterher erzählt wird. Und da bricht der Stausee an Tränen. Nein, es sei natürlich
nicht die Tür gewesen, sondern ihr Vater habe sie geschlagen. Das gehe schon länger so, ihm sei nicht nur die Hand ausgerutscht. Sie wisse gar nicht, was sie tun soll.
Sie wolle ihren Vater doch nicht einfach anzeigen. Wo ihr Vater doch ein so hohes
Tier in der Stadt sei. Stellvertretender Bürgermeister! Wer hätte das gedacht. WW ist
baff. So also sieht es hinter den Mauern einer bürgerlichen Villa aus. Er tröstet Susi
und verspricht ihr, sich nach Rat und Hilfe zu erkundigen. Seine Freundin ist auch
baff. Und deren Freundin auch. Und deren Freund und dessen Freundin. Denn solch
eine Neuigkeit, die kann man doch nicht unter der Decke halten. Die muss man doch
weitererzählen.
Dein Glück, lieber WW, dass Susi den Mut findet, sich der Familienberatungsstelle
anzuvertrauen und diese von Amts wegen gegen Herrn Sänftig vorgeht. Glück, denn
du hättest ganz schön in der Patsche gesessen mit dem § 64 LBG:
Der Beamte hat, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, über die ihm bei
seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit
zu bewahren.
Willi Wachsam hat eine coole Phase. Er startet zu didaktischen und methodischen
Höhenflügen, Bruchlandungen werden immer seltener. Die Schüler seiner Klasse 10
- und vor allem die Schülerinnen - fressen ihm aus der Hand. Auch die Eltern sind's
zufrieden. Auf dem Elternsprechtag gibt es dickes Lob. Und siehe da, es erscheint
auch die Mama von Hansi Hilflos, einem eher mittelprächtigen Schüler, dessen Englisch sich gelegentlich mit Brocken aus dem Weisenburger Umland vermischt. WW
weiß inzwischen: Hansi kommt vom platten Lande, gut gehender Bauernhof,
Schweinezucht. Mama Hilflos ist bepackt mit einer ausgebeulten Einkaufstasche. Sie
erscheint dem braven WW gar nicht so hilflos, wie ihr Name suggeriert. "Ach wissen
Sie, Herr Wachsam, Hansi erzählt immer so tolle Sachen von Ihnen! Er ist ganz begeistert von Ihnen. Und da dachte ich, wo doch Referendare so schlecht bezahlt
werden, ich meine, Sie können doch sicher den Schinken hier gut gebrauchen, oder?"
Gefahr, Gefahr, möchte man als unbeteiligter Zuschauer dem braven Willi Wachsam
zurufen. Mach deinem Namen Ehre! Auch ein Schinken reißt dich ins Verderben!
Und in der Tat, WW hat es geahnt, dass da was faul ist. "Nein, liebe Frau Hilflos, Sie
lesen doch Zeitung: Jeden Tag diese Geldkoffer in der Politik. Da dürfen wir als Beamte doch nicht mitmachen. Landesbeamtengesetz § 76: "Der Beamte darf, auch
nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, Belohnungen oder Geschenke in be-
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zug auf sein Amt nur mit Zustimmung des Dienstvorgesetzten annehmen." Also: sehr
gut gemeint von Ihnen, aber wenn Sie etwas Gutes tun wollen, spenden Sie den
Schinken für das nächste Kurstreffen!"
Au wei, das hätte auch schief gehen können. Aber die Klippe ist glücklich umschifft.
WW etabliert sich allmählich im Lehrerkollegium. Auch im Studienseminar genießt er
zunehmend Ansehen. Da sickert durch, dass das MSWWF (Ministerium für Schule
und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung) plant, dem bayrischen Beispiel zu
folgen, und den Referendaren noch mehr selbständigen Unterricht aufbrummen will.
Helle Empörung bei den Reffis. Der Sprecherrat wird beauftragt, eine Protestnote zu
formulieren. Und WW, sprachgewandt wie er nun mal ist, formuliert den Text:
Sehr geehrte Frau Ministerin,
wie wir aus der Presse erfahren mussten, beabsichtigt ihre Ministerium, bla, bla, bla.
Ab in den Umschlag das Ganze, eine Briefmarke mit Einsteins Konterfei und weg
damit in die Post, Adresse: MSWWF, Postfach, Oberstadt.
Die Antwort kommt postwendend. Aber nicht aus Oberstadt, sondern von der Bezirksregierung. Absender: Leitender Regierungsschuldirektor Wohltat, Dezernat 45,
Lehrerausbildung.
Herr Willi Wachsam
Studienseminar Weisenburg
Auf dem Dienstweg
Sie haben sich mit einem Protestschreiben vom 20.9. d.J. unmittelbar an die Ministerin gewandt. Die Ministerin hat mich beauftragt, Sie an die Einhaltung des Dienstweges zu erinnern. Sollten Sie in einem ähnliche Falle sich nicht an Ihre dienstlichen
Obliegenheiten halten, werde ich dies als ein Dienstvergehen betrachten.
Wohltat
Das war's. Ein Schuss in den Ofen. Die ganze Mühe umsonst. Und obendrein noch
Ärger! Das machst Du nie wieder, schwört sich WW.
Der normale Lehreralltag hat WW fest im Griff. Auch seine Aufsichten nimmt er zwar nicht immer, aber doch im wesentlichen - wahr. Heute ist Inspektion der Jungentoilette angesagt. Arglos betritt WW dar Örtchen, es ist leer und so lässt sich WW
- einem plötzlichen Drange folgend und so das Nützliche mit dem Notwendigen verbindend - in einer Kabine häuslich nieder. Stimmen nähern sich, ah, denkt WW, das
sind doch Klaus und Peter, die er aus etlichen Situationen als renitente Störer in
nicht gerade wohlwollender Erinnerung hat. Unzweifelhaft: da wird gerade ein Deal
verabredet, um was es geht, ist nicht ganz klar, aber es ist eine ganze Menge Geld
im Spiel. Was tun? Auf eigene Faust handeln und den Erziehungsauftrag der Schule
exekutieren. WW hat keine Erfahrungen mit dem Drogenproblem. Also doch besser
jemanden einweihen und um Rat fragen. Aber wen? Elfi, seine Vertraute aus der
Schulgruppe, hilft weiter: "Das ist doch eine klassische Sache für den Chef. Du solltest auf keinen Fall selbst aktiv werden, denn da kann ein Rattenschwanz von Problemen folgen. Guck doch mal im Landesbeamtengesetz nach, was das in solch einem Fall sagt." Inzwischen weiß WW, dass es gar nicht so dumm ist, sich ab und zu
im LBG umzusehen, und richtig, in § 58 findet er die Lösung:
Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen.
Und im Kommentar dazu liest er:
Die Beratungs- und Unterstützungspflicht umfasst die Pflicht des Beamten, seine
Vorgesetzten über alle wesentlichen Vorgänge in seinem Aufgabengebiet zu infor-
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mieren und zu beraten. Die Vorgesetzten haben die Pflicht, Vorschläge, Bedenken
und Hinweise der ihnen unterstellten Beamten entgegen zu nehmen und sorgfältig zu
prüfen und danach ihre Entscheidung zu treffen.
Also: nichts wie hin zum Sachlich. Und siehe da: WW hat zum ersten Mal das Gefühl, richtig ernst genommen zu werden. Der Chef holt sogar seine Einschätzung über die beiden Schüler ein ... und dann beginnt die Mühle der Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen zu mahlen, langsam, aber trefflich fein.
WW ist inzwischen voll integriert. Gegen seine Eloquenz und seinen Scharfsinn können nur wenige aus dem Kollegium anstinken. Seine Meinung wird geschätzt. Auch
in politischer Hinsicht. Denn während der Pausen hat sich im Raucherzimmer eine
Art Club Voltaire etabliert, der das Tagesgeschehen heftig debattiert. WW mittenmang. Er ist schließlich überzeugter Bürgerrechtler und tut seine Ansichten ohne
Schminke und Vollbart kund, ob es die Kollegen hören wollen oder nicht. Da geistert
eines Tages das Gerücht durch die Presse, es werde bald wieder ein CastorTransport rollen, und zwar ausgerechnet auf der Bahnlinie Weisenburg-Niedernstadt.
Die große Stunde des Willi Wachsam kommt. Er setzt einen flammenden Aufruf auf
zu einer Protestdemo mit Schienenblockade, vervielfältigt das ganze auf dem schuleigenen Kopierer und teilt die Blätter in seiner Lerngruppe 11 aus. Es sei staatsbürgerliche Pflicht eines jeden, mitzumachen, so WW. Und um zu demonstrieren, dass
er weder Tod noch Teufel scheut, steckt er sich den uralten Antiatomkraft-Button
seines Vaters an und präsentiert sich den staunenden Schülern.
O du Unglücksrabe! Holzauge sei wachsam! Aber hier hilft nichts mehr. Das Unheil
nimmt seinen Lauf. Schon am nächsten Tag hat WW einen Privattermin beim Direktor. Und diesmal geht es nicht mehr gut. "Was fällt Ihnen eigentlich ein, sich in dieser
Weise zu exponieren? Haben Sie noch nie etwas von der Pflicht zur Mäßigung und
politischen Zurückhaltung gehört? Was Sie sich da geleistet haben, dürfte eine eklatante Verletzung Ihrer Dienstpflichten sein, ein klassisches Dienstvergehen. Und dafür bin ich nicht mehr zuständig, sondern der Dienstvorgesetzte. Dem werde ich den
Vorgang melden."
Dienstvorgesetzter? Wer ist das schon wieder? Ach ja, "der Dienstvorgesetzte ist für
die beamtenrechtlichen Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten der
ihm nachgeordneten Beamten" zuständig (LBG § 3), erinnert sich WW. Also in diesem Fall die Bezirksregierung. Das kann ja heiter werden, denkt WW. Und es wird
heiter. Keine Woche später trifft die Ladung zu einem Dienstgespräch bei ihm ein.
Der zuständige Leitende Regierungsschuldirektor Wohltat nimmt ihn heftig ins Gebet.
WW habe gegen geheiligte Grundsätze des Berufsbeamtentums verstoßen, so z.B.
gegen § 56 LBG:
Der Beamte hat bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu
wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben.
Mit einem blauen Auge kommt WW diesmal davon. Der Dezernent sieht noch einmal
von einem förmlichen Disziplinarverfahren ab und beläst es bei einem förmlichen
Verweis, der allerdings in die Personalakte aufgenommen wird. Und die geht, wie
WW weiß, immer mit, bei jeder Bewerbung, bei jeder Versetzung, bei jeder Beförderung ist die Personalakte präsent. WW beschließt endgültig, sich mit den Rechtsvorschriften näher zu befassen.
Die Zeit geht dahin, das Halbjahr ist fast zu Ende, die Zeugnisse nahen. Und mit ihnen die Zeugniskonferenzen. Die Noten sind in die Listen eingetragen, eigentlich alles eine glatte Sache. An einem Donnerstag ist die 11 dran, in der WW unterrichtet.
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Sachlich hat den Vorsitz, Schüler für Schüler wird durchgehechelt. Die Fachlehrer
und -lehrerinnen sind physisch präsent und mental absent. Bis sie Direktor Sachlich
aus ihrer Lethargie aufschreckt. "Herr Wachsam, ich sehe, dass Sie hier für die
Schülerin Maren Müßig eine Vier notiert haben. In den Vierteljahrsnoten ist aber eine
schriftliche Fünf dabei und eine Vier minus im Mündlichen. Das geht so nicht. Wir
müssen hier strenger durchgreifen. Das Fräulein Müßig muss sitzen bleiben; sie verdient einen kräftigen Denkzettel. Das Schriftliche muss wieder stärker zur Geltung
gebracht werden. Sie müssen die Note ändern in Fünf.. Möchte sich jemand aus der
Konferenz dazu äußern?" Man sieht bewegte Köpfe, Abnicken der direktorialen Entscheidung.. "Ich stelle also fest, Herr Wachsam ändert die Note auf Fünf; Konferenzbeschluss."
WW erstarrt. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Ein massiver Eingriff in seine pädagogische Freiheit. Glücklicherweise ist er in seiner Lektüre des LBG bis § 59 gekommen. Und er weiß, was zu tun ist. "Herr Direktor, nach meiner Auffassung ist dieser Beschluss der Konferenz rechtlich nicht zulässig. Dies darf nur die obere Schulaufsicht, also die Bezirksregierung. Ich mache daher von meiner Remonstrationspflicht Gebrauch und ersuche sie, den Beschluss rückgängig zu machen." Direktor Sachlich ist konsterniert. So etwas ist ihm noch nie untergekommen. Wagt es
doch dieser Grünschnabel, die Rechtmäßigkeit seiner Entscheidungen anzuzweifeln.
Wo kommen wir denn da hin! "Nichts da, ich bin weisungsbefugt und ordne die Festsetzung der Note an." "Dann verlange ich, dass Sie ihre Anordnung schriftlich bestätigen. Vorher ändere ich die Note nicht. Und im übrigen werde ich mich an die vorgesetzte Dienstbehörde wenden und den Vorgang anzeigen."
Gut gekontert, möchte man WW zurufen. Denn das LBG ist auf deiner Seite:
(1) Der Beamte trägt für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle
persönliche Verantwortung.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen hat der Beamte
unverzüglich bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Wird die
Anordnung aufrechterhalten, so hat sich der Beamte, wenn seine Bedenken gegen
ihre Rechtmäßigkeit fortbestehen, an den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden.
Bestätigt dieser die Anordnung, so muss der Beamte sie ausführen, sofern nicht das
ihm aufgetragene Verhalten strafbar oder ordnungswidrig und die Strafbarkeit oder
Ordnungswidrigkeit für ihn erkennbar ist oder das ihm aufgetragene Verhalten die
Würde des Menschen verletzt; von der eigenen Verantwortung ist er befreit. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.
Und siehe da: Die Bezirksregierung hebt den Konferenzbeschluss auf, der Chef
kriegt einen dicken Rüffel, was seine Sympathie für den Querulanten natürlich nicht
unbedingt fördert, WW hat seine Ruhe und Maren Müßig wird versetzt.
WW hat wieder Oberwasser. Die Tage bis zu den Zeugnissen vergehen im Fluge.
WW hat einen Flug nach Griechenland gebucht, mit Freundin natürlich. Endlich Ausspannen unter mediterraner Sonne. Und dann noch ein paar Wochen Faulenzen. Die
Schule fängt ohnehin viel zu früh wieder an. Mitten in die Beschaulichkeit kollegialer
Ferienvorfreude platzt die Bombe. Die Kultusministerin hat sich wieder einmal ein
besonders perfides Stück ausgedacht, um den Neid der braven Bürger auf die Ferien
der Lehrer zu sedieren. Per Erlass wird die letzte Schulwoche flugs zur Dienstwoche
erklärt. Jeder Lehrer hat die Pflicht, in der Schule präsent zu sein, Konferenzen sollen abgehalten, Nachprüfungen organisiert werden. Das Kollegium tobt. WW tobt
mitten drin. Er macht sich zum Wortführer der Aufständischen. "Streik! Jetzt ist Streik
angesagt! Das lassen wir nicht mit uns machen. Ferien sind Ferien. Wir malochen
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uns nicht zu Tode. Ich schlage vor: Wir schreiben keine Zeugnisse und gehen nicht
in den Unterricht. Und das ganze verkaufen wir öffentlichkeitswirksam. Wer hat Kontakt zur Presse?"
Das war es, das böse Wort: Streik! Für einen Super-Beamten wie Fritze Fleißig ein
Unwort aus dem Wörterbuch der Arbeiter und Angestellten. Aber nichts für Beamte.
Das vertrug sich nicht mit der Pflicht, sich mit voller Hingabe dem Beruf zu widmen
(LBG § 58). Da gab es kein Streikrecht, nicht einmal Dienst nach Vorschrift oder
Bummelstreik war erlaubt, wenn man einmal übersah, dass Fritz Fleißig nicht mehr
recht zwischen bummeln und arbeiten unterscheiden konnte. Und Direktor Stein verschlug es die Sprache: Wie konnte sich WW erdreisten, sich an die Öffentlichkeit zu
wenden, wo doch nur er - er allein - berechtigt war, die Schule nach außen hin zu
vertreten.
Auskünfte zur Unterrichtung der Öffentlichkeit erteilt der Leiter der Behörde oder der
von ihm bestimmte Beamte. (§ 66 LBG)
Und überdies: Was sollte die ganze Aufregung: Der Erlass war schlicht rechtskonform.
ADO § 12: "In der letzten Woche vor Unterrichtsbeginn des neuen Schuljahrs müssen sich die Lehrer und Lehrerinnen zur Dienstleistung für schulische Aufgaben bereit halten, soweit dies für die organisatorische Vorbereitung des neuen Schuljahrs
erforderlich ist und vorher angekündigt wurde."
Die Revolte bricht in sich zusammen, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte.
WW ist untröstlich. Am selben Abend kehrt er in seiner Stammkneipe ein. Er hat die
Nase voll, das Weisenburger Landbier rinnt sämig durch seine Kehle, er lässt sich
vollaufen. Als ihm die Stunde schlägt, hält er sich kaum auf den Beinen. Sein Gegröle erschüttert Mark und Bein, als er die Mittelstraße hinuntertorkelt. Passanten verdrücken sich an die Häuserwände, um dem Besoffenen nicht in die Hände zu fallen.
Auch Mutter Sauber ist mit ihrer Tochter Stefanie noch unterwegs. Auf dem Heimweg
vom Konzert in der Musikhochschule. Töchterchen braucht Vorbilder, meint Mutter
Sauber. Die Haare wirr vom Kopfe hängend, die Augen glasig, den Dunst des Bieres
verschwenderisch verströmend kommt WW auf die beiden zu. "Du, Mama, das ist
doch, das ist doch - nein, das kann doch nicht wahr sein, das ist doch Herr Wachsam, unser Referendar." Die Mutter sieht es mit Grausen, sie herrscht den derangierten WW an: "Wir kommen Sie dazu, sich so gehen zu lassen. Sie wollen Lehrer werden? Das werde ich zu verhindern wissen."
Das Unheil schreitet schnell. Am nächsten Tag flattert Direktor Sachlich eine Dienstaufsichtsbeschwerde der besorgten Mutter auf den Tisch. Mit Hinweis auf das LBG
§§ 57 und 83:
Das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert.
Der Beamte begeht ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden
Pflichten verletzt. Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ist ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Angefügt ist von der rechtskundigen Dame noch der Kommentar aus der ADO zu §
3:
Daraus folgt, das der Beamte in seiner äußeren Erscheinung und seinem Benehmen
Vorbild sein muss. Trunksucht, Glücksspiel, Besuch schlecht beleumdeter Lokale,
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Fahren in alkoholisiertem Zustand, Fahrerflucht usw. sind geeignet, den Berufsstand
des Pädagogen zu diskreditieren. An den Pädagogen werden in mancher Hinsicht
höhere Anforderungen gestellt als an andere Beamte. Sein Verhalten wird von der
Öffentlichkeit, besonders von Eltern und Schülern, beobachtet. Aber nur erhebliche
außerdienstliche Verstöße, die in besonderem Maße geeignet sind, Achtung und
Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen
Weise zu beeinträchtigen, stellen ein Dienstvergehen dar.
Und so steht sie jetzt da, die vorgesetzte Dienstbehörde. Ist die Dienstaufsichtsbeschwerde von Frau Sauber nun der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt
und unserem WW die Entlassung aus dem Dienst beschwert. Oder reicht das noch
nicht? Muss er dafür die berühmten silbernen Löffel stehlen und zu einem Jahr Gefängnis verknackt werden? Oder reicht es, mit einer Schülerin seiner 10. Klasse ein
Techtelmechtel anzufangen? Wir verabschieden uns von der Bezirksregierung und
lassen sie mit diesem Problem allein. Und wir verabschieden uns von Willi Wachsam
und wünschen ihm, dass er aus all dem gelernt hat, was ein richtiger Beamter so alles tun darf und was nicht.
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Auszüge aus dem Landesbeamtengesetz (LBG)
§§
Bestimmungen
Beamter im Sinne dieses Gesetzes ist, wer zum Land [...] in einem öffentlich2
rechtlichen Dienst- und Treuverhältnis steht.
Öffentlich-rechtlich: im Unterschied zum privatrechtlichen Arbeitsvertrag wird
Kommentar
das Beamtenverhältnis durch den Hoheitsakt der Ernennung begründet. Der
zum LBG
Beamte steht zum einen Dienstherrn in einem Dienst- und Treueverhältnis.
Vorgesetzter ist, wer einem Beamten für seine dienstliche Tätigkeit Anordnun3 (5)
gen erteilen kann.
In das Beamtenverhältnis darf nur berufen werden, wer [...] 2. die Gewähr
6 (1)
dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt.
(1) Der Beamte auf Widerruf kann jederzeit durch Widerruf entlassen werden
[...]
(2)Dem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst soll Gelegenheit gege35
ben werden, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen.
Mit dem Bestehen oder dem endgültigen Nichtbestehen der Prüfung endet
sein Beamtenverhältnis [...]
(1) Der Beamte dient dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Er hat seine
Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei seiner Amtsführung auf
das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen.
55
(2) Der Beamte muss sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und
für deren Erhaltung eintreten.
Jede Bevorzugung oder Benachteiligung von Interessengruppen ist dem Beamten verboten. Die Pflicht zur Unparteilichkeit schließ auch die Rücksichtnahme auf persönliche Bindungen verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Art aus.
Die parteipolitische Neutralität gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des
Kommentar
Berufsbeamtentums. Insoweit hat der Beamte auch jeder verfassungsmäßizum LBG
gen Regierung ungeachtet seiner persönlichen politischen Überzeugung loyal
zur Verfügung zu stehen.
Die Verletzung der politischen Treuepflicht ist ein schweres Dienstvergehen,
das bei Beamten auf Probe und bei Beamten auf Widerruf regelmäßig die
Entlassung aus dem Amt rechtfertigt.
Der Beamte hat bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhal56
tung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und
aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben.
Auch für den Beamten gelten die Grundrechte der Meinungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit GG Art 5 und 9. Das Recht der freien Meinungsäußerung
findet jedoch seine Grenzen in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Die
Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung ist eine Konsequenz aus der NeutraliKommentar tätspflicht. Das heißt aber nicht, dass der Beamte nicht das Recht hätte, sachzum LBG liche Kritik zu üben. Im Blick auf die Form der Kritik gilt: "Deshalb hat der Beamte bei seiner Wortwahl Zurückhaltung zu üben und plakative, überspitzte
Formulierungen und in reißerischer Form gefasste Kritik zu unterlassen."
Bei parteipolitischer Betätigung gilt: Die Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht
gebietet dem Beamten, "eine klare Trennung zwischen seinem Amte und sei-
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§§
Bestimmungen
ner Teilnahme am politischen Meinungskampf einzuhalten."
Der Beamte hat sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Er hat sein
Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten. Sein Verhalten in57
nerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen
gerecht werden, die sein Beruf erfordert.
Mit der vollen Hingabe an den Beruf sind Arbeitskampfmaßnahmen jeglicher
Art unvereinbar. Das gilt für Streik und auch für streikähnliche Maßnahmen
wie z.B. Bummelstreik oder Dienst nach Vorschrift.
Der Beamte ist zu uneigennütziger Amtsausübung verpflichtet (Verpflichtung
Kommentar zur Unbestechlichkeit)
zum LBG Der Beamte hat die Pflicht zu korrektem Verhalten im Dienst im Verhältnis zu
seinem Vorgesetzten, Untergebenen, Kollegen und Publikum.
Der Beamte darf in dienstlichen Angelegenheiten nicht die 'Flucht in die Öffentlichkeit' wählen. Er ist zur Loyalität gegenüber seinem Dienstherrn und zur
Wahrung von Vertraulichkeit in internen Dienstangelegenheiten verpflichtet.
Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Er ist ver58
pflichtet, die von ihnen erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen [...]
Die Beratungs- und Unterstützungspflicht umfasst die Pflicht des Beamten,
seine Vorgesetzten über alle wesentlichen Vorgänge in seinem AufgabengeKommentar
biet zu informieren und zu beraten. Die Vorgesetzten haben die Pflicht, Vorzum LBG
schläge, Bedenken und Hinweise der ihnen unterstellten Beamten entgegen
zu nehmen und sorgfältig zu prüfen und danach ihre Entscheidung zu treffen.
(1) Der Beamte trägt für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen
die volle persönliche Verantwortung.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen hat der
Beamte unverzüglich bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, so hat sich der Beamte, wenn
seine Bedenken gegen ihre Rechtmäßigkeit fortbestehen, an den nächsthöhe59
ren Vorgesetzten zu wenden. Bestätigt dieser die Anordnung, so muss der
Beamte sie ausführen, sofern nicht das ihm aufgetragene Verhalten strafbar
oder ordnungswidrig und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für ihn erkennbar ist oder das ihm aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen
verletzt; von der eigenen Verantwortung ist er befreit. Die Bestätigung hat auf
Verlangen schriftlich zu erfolgen.
Der Beamte trägt für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die
volle persönliche Verantwortung. Dies umfasst die Pflicht, unter sorgfältiger
Aufklärung des Sachverhalts gewissenhaft zu prüfen, ob das dienstliche Handeln mit den geltenden Rechtsnormen übereinstimmt.
Kommentar
zum LBG Der Beamte darf die Ausführung einer ihm rechtlich bedenklich erscheinenden
Anordnung nicht ohne weiteres unterlassen. Er hat vielmehr bei rechtlichen
Bedenken gegen eine dienstliche Anordnung eine Remonstrationspflicht, d.h.
der Beamte muss in solchen Fällen unverzüglich seine Rechtsbedenken bei
seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend machen.
Der Beamte hat, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, über die
64
ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren.
Auskünfte zur Unterrichtung der Öffentlichkeit erteilt der Leiter der Behörde
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oder der von ihm bestimmte Beamte.
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Lenhard
§§
68
76
83
84
85
102
102 c
Willi Wachsam und das Beamtenrecht
Bestimmungen
Der Beamte bedarf [...] der vorherigen Genehmigung [...] 3. zur Übernahme
einer Nebenbeschäftigung gegen Vergütung, zu einer gewerblichen Tätigkeit,
zur Mitarbeit in einem Gewerbebetrieb oder Ausübung eines freien Berufes.
Der Beamte darf, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, Belohnungen oder Geschenke in bezug auf sein Amt nur mit Zustimmung des
Dienstvorgesetzten annehmen.
Der Beamte begeht ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ist
ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder
das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden
Pflichten, so hat er dem Dienstherrn, dessen Aufgabe er wahrgenommen hat,
den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das
Wohl des Beamten und seiner Familie [...] zu sorgen. Er schützt ihn bei seiner
amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung als Beamter [...].
Über jeden Beamten ist eine Personalakte zu führen; sie ist vertraulich zu behandeln und vor unbefugter Einsicht zu schützen.
Der Beamte hat, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, ein Recht
auf Einsicht in seine vollständige Personalakte.
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Lenhard
Willi Wachsam und das Beamtenrecht
Dienstpflichten (§§ 55-84 LBG)
Allgemeine Pflichten
Besondere Dienstpflichten
l. Allgemeine politische Dienstpflichten
l. Dienstleistungspflicht
! Pflicht zur Dienstleistung im
Haupt- und Nebenamt (§ 67, 78
! Pflicht zum Dienst am ganzen Volk (§
LBG)
55 Abs. l LBG)
! Pflicht zum Bekenntnis und zum Ein2. Verschwiegenheitspflicht
treten für die freiheitlich demokratische ! Pflicht zur Amtsverschwiegenheit
Grundordnung (§55 Abs. 2 LBG)
(§64 Abs. l LBG) - Notwendigkeit
! Pflicht zur Mäßigung und Zurückder Aussagegenehmigung (§64
haltung bei politischer Betätigung (§
Abs. 2 und 65 LBG)
56LBG)
! Auskünfte an die Presse nur
2. Allgemeine Pflichten innerhalb
durch den Schulleiter (§66LBG)
des Dienstes
! Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf
(§ 58LBG)
! Pflicht zur gerechten, unparteiischen
und uneigennützigen Amtsführung (§
55 und 57 LBG)
! Beratungs- und Unterstützungspflicht
des Vorgesetzten (§57LBG)
Pflicht
zu achtungs- und vertrauens!
würdigem dienstlichem Verhalten
(§57LBG)
3. Allgemeine Pflichten außerhalb
des Dienstes
! Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des
Dienstes (§57LBG)
3. Ausnahmebeschränkungen
! Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken
(§76LBG)
! Beschränkung bei der Annahme
von Orden, Titeln und Ehrenzeichen (§77LBG)
! Pflicht zu Einhaltung des Dienstweges (§179 LBG)
4. Tätigkeitsbeschränkungen
! Beschränkungen bei der
Am,tsausübung (§63) und bei der
Ausübung von Nebentätigkeiten
(§§68 ff. LBG)
5. Leistung des Diensteides
! (§ 61LBG)
in: H. Gampe u.a.: Allgemeine Dienstordnung (ADO) für Lehrer und Lehrerinnen
(...), Kommentar, Neuwied, Kriftel, Berlin 1993, S. 7 nach SCHEERBARTH &
HÖFFKEN 1985
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