Scharmützel am Schloss Treuen Syrauer - Vogtland

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Scharmützel am Schloss Treuen Syrauer - Vogtland
Vogtland-Cowboys in Texas ein Hit
Vor fast 15 Jahren war Eric O’Connell erstmals im Vogtland. Der studierte Anthropologe und
begeisterte Fotokünstler ist seither oft hier gewesen und hat viel fotografiert – die Cowboyszene
der Region vor allem. Seine „Fotomodels“ kommen nun in Texas ganz groß raus.
230 kostenlose WLAN-Hotspots im Vogtland
Freies Internet für alle und an allen Orten: Das ist das Motto der Freifunker aus dem Vogtland.
Die Stadtwerke Plauen Strom haben den Verein in ihr Projekt „schnelles Internet“ einbezogen.
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Im Monat bleiben 100 Euro
Plauen – Elsa und Klaus
Leskien sind ein altes Plauener Ehepaar. Zusammen in einer Bleibe lebt das Paar nicht
mehr. Sie ist im AWO-Pflegeheim Kastanienweg 1 am Chrieschwitzer Hang in Plauen
untergebracht, er im Haus nebenan in einem kleinen Appartement für betreutes
Wohnen. Sie sehen sich, wenn Herr Leskien seine Frau besucht. Zum Kaffeetrinken
gegen 15 Uhr und wenn sie Hilfe gebrauchen kann. Sie kann sie oft gebrauchen.
Elsa Leskien sitzt im Rollstuhl, beide Beine amputiert wegen der Zuckerkrankheit. Still sitzt sie
da, silbern liegt ihr gut frisiertes Haar, den Blick hat sie nach vorn gerichtet. Laut klingt ihre
Stimme. Ihr Mann ist auch gehandicapt. Es wurden Teile seiner Füße amputiert, ebenfalls
wegen Zucker. Frau Leskien hat Pflegestufe II. Seine Anträge auf Pflege wurden bisher
abgelehnt. Er muss allein zurechtkommen. Klaus Leskien, ein kleiner Herr mit freundlichen
Augen und einem ostpreußischen Dialekt, kann kaum laufen.
Gern mal Plauen ansehen
Elsa Leskiens Bleibe im fünften Stock des Heimes sieht einem Krankenzimmer ähnlicher als
einer Wohnung. Tisch, Stuhl, Bett mit Haltegriff, ein alter Fernseher, drei Bilder an der Wand
und eine schlichte Lampe. Der Vorraum ist die Garderobe. Wenn die 81-Jährige aus dem
Fenster schaut, sieht sie auf den Stadtrand, den Wald. Entspannend. Auch beim Fernsehen
erlebt die alte Dame Entspannung. „Volksmusik am Morgen im Bayerischen und die Landschaft
– das ist schön.“ Raus komme sie nicht. Dafür würde sie Helfer brauchen, die gäbe es nicht. Ihr
Mann, 76 Jahre, könne nicht mehr wie er möchte. Frau Leskien ist seit drei Jahren hier: „Plauen
habe ich seitdem nicht gesehen. Würde gern durch die Stadt gerollt werden.“
Im Großen und Ganzen sei das im Heim ordentlich, erzählt Elsa Leskien. In der Tat: Die Gänge,
die Aufenthaltsräume, die Wände, die Wiesen, die Bepflanzungen, die Dekoration, der
Eingangsbereich – alles sieht wie in einem Drei-Sterne-Hotel aus. Auf Anschlagtafeln liest man
von Programmen und Musik und Kino. Im ausliegenden Heft des Betreibers erfährt man, wie die
Landesgeschäftsführerin von hochwertiger Arbeit in der Pflege spricht.
Elsa Leskien hat eine andere Meinung, die klingt konträrer. „Die Rentner werden ausgenommen
wie eine Weihnachtsgans“, schimpft sie auf die Politik. Sie rechnet ihr Budget vor. Die Rente ist
klein, weil sie zwar hart als Stepperin zu Hause arbeitete, aber nicht viel verdiente. Alles weg,
alles gehe zusammen mit dem Pflegegeld für das Heim drauf. „100 Euro Taschengeld bleiben.
Wäre gut, wenn ich das für meine Sachen ausgeben könnte. Doch ich muss selbst bezahlen, was
zur Pflege dazugehören müsste.“ Pflaster, Toilettenpapier, Intimcreme, Medikamente, Seife –
vom Taschengeld. Die Wundsalbe koste 14 Euro die Tube. Selbst die Pfleger hätten kein Pflaster
oder Zellfleckchen für die Stiche beim Spritzen. „Muss ich selbst kaufen.“ Die internen
Telefonate von Haus zu Haus im Heim seien kostenpflichtig.
„Muss vieles selbst zahlen“
Wenigstens zweimal im Monat zum Frisör und ab und zu bissel Obst kaufen, blieben ihr, sagt sie.
Sie freut sich, als ihr Sohn eine Packung Frischkäse bringt für ein paar Euro. „Mal was anderes“.
Als Diabetikerin bekomme sie keine spezielle Nahrung. „Aber meinen Pfannenkuchen lasse ich
mir nicht nehmen“, verrät sie lächelnd.
In der Mitte des Etagenganges befindet sich ein Klubraum, der Essenraum, da man seine
Mahlzeit nicht in seinem Domizil einnimmt. „Ich muss vor fahren, mich holt keiner, ob ich kann
oder nicht“, erzählt Leskien. Hier sitzt oft eine alte Frau im Rollstuhl, allein vor sich hin
starrend. „Die alte Frau bekommt nie Besuch, die sitzt immer nur da, sie hat niemanden.
Schlimm“, erzählt Elsa Leskien. Die 81-jährige schüttelt beim Anblick der Wäsche vom Heim
den Kopf: „Ich bekomme Handtücher, die sind zig Mal gereinigt und dünn, dass man
durchschauen kann.“ Laut wird sie beim Thema Körperpflege. „Man wäscht mich im
Intimbereich nachlässig“, sagt sie. Alle acht Tage werde gebadet.
Leben lang gearbeitet
Rückblick. Sie lernt Klaus in den 1950ern kennen. Sie hat schon ein Kind, eine Tochter. Beide
beschließen trotz schiefer Blicke zusammen zu bleiben. Aus ihrer Ehe erwächst ein Sohn. Vater
Klaus Leskien arbeitet viel. Er ist Enttrümmerer, Zuarbeiter in einer Weberei, im
Kohlenbahnhof, in einer Lackfabrik, im Lebensmitteltransport und im Stahlbau, zuletzt beim
Betriebsschutz. Elsa arbeitet daheim an der Steppmaschine wegen der Kinder und um etwas
dazu zu verdienen. „Wir haben nicht gehungert, aber es war nicht viel drin. Meine Kinder haben
Butter, wir haben Margarine gegessen.“ Ein Mal fahren sie in den Urlaub. Ins Erzgebirge.
Sie leben in Chrieschwitz. Ihr Block wird in den 1990ern abgerissen, sie kommen in die
Seniorenresidenz Neundorf. Doch Frau Leskien geht es immer schlechter. Ihren damaligen
größten Schicksalsschlag jedoch erleben die Leskiens schon in den 1970ern. „Meine Mutter
wurde von einem Milchauto auf der Reusaer Straße erfasst. Der Fahrer hat im Haltebereich der
Straßenbahn überholt und meine Mutter mitgerissen. Tot.“
Ihren jetzigen größten Schicksalsschlag empfinden die Leskiens mit ihrer „Abschiebung“ in das
Heim und wie sich die Pflege entwickle. Die Rentnerin erinnert sich: „Wissen Sie, früher waren
vier Pflegerinnen auf einer Etage, es sind fünf Stock im Haus. Jetzt sind es zwei Pflegerinnen.
Die rennen wie die wilden. Es geht hier nach Minuten.
Es geht im Minutenakt
Ich kann ihnen keinen Vorwurf machen und auch der Heimchefin. Die sagt, ihr sind die Hände
gebunden. Sparen, sparen, sparen. Aber ich frage mich, mein Platz kostet 2500 Euro und auf
einer Etage sind 23 Rentner, wie wird das ganze Geld verwendet? Gern wäre sie im Neubau
Kastanienweg 2 untergekommen. Dort ist es schöner, heller, besser. „Das kann ich mir mit
meiner kleinen Rente aber nicht leisten.“
Klaus Leskien schlürft an einer Tasse Kaffee und nickt. Er schimpft mehrfach dazwischen.
Erzählt, dass er für seine kleine Bleibe nebenan im anderen Haus, ein Zimmer mit Bad, 300
Euro bezahlen müsse. In der Stadt kriege man dafür eine 50 Quadratmeter-Wohnung. Er mache
sich seine Gedanken.
„Die Merkel soll sich das mal anschauen, die Großen kümmern sich nur um sich. Die kleinen
Leute müssen zusehen. Ich hatte schon einer Ministerin, der Schmidt geschrieben. Keine
Antwort. Nicht ein Wort.“ „Was soll‘s, murmelt er resigniert. Seine Frau versorgt Herr Leskien
liebevoll. 17 Uhr gibt es Essen. Er verabschiedet sich zuvor. „Ich muss um 19 Uhr ins Bett, die
Pflegerinnen wollen fertig werden. Morgen um halb sieben wird geweckt, der Tagesablauf ist
streng. Was ich mir wünsche: Bissel mehr Taschengeld, mehr Hygiene und ab und zu in die
Stadt“, sagt Elsa Leskien zum Abschied. „Wenn ich meinen Mann nicht hätte, hätte ich die Brille
auf.“ Der nickt mild lächelnd.
Von Frank Blenz
2010-08-26