Kein Rappeln in der Kiste
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Kein Rappeln in der Kiste
GESELLSCHAFT KULTUR MEDIEN 2 H E LG E S C H N E I D E R Lebenswerk I Lebenswerk II Seit drei Jahren ist Boris Palmer Oberbürgermeister von Tübingen. Wie er sich so macht an der Macht, davon erzählt nun der SWR-Dokumentarfilm „Das Palmerprinzip“. Im Interview mit der taz erläutert Palmer, warum es durchaus Zeit ist für einen Blick auf sein bisheriges Lebenswerk SEITE 17 Helge Schneider hat sie alle schon gesehen, die schönen und weniger schönen Städte, groß und klein, in Deutschland. Jetzt war er mal wieder in Göttingen, der stadtgewordenen Mittelmäßigkeit – und bekam gleich einen Preis. Den Göttinger Elch, den einzigen Satirepreis in Deutschland SEITE 16 www.taz.de [email protected] Foto: ddp B O R I S PAL M E R MONTAG, 7. DEZEMBER 2009 13 Kein Rappeln in der Kiste BEHÄLTNISSE Mehr als 90 Prozent aller Waren werden in Containern transportiert. Mit der Krise geriet auch der Containerverkehrins Stocken. Eine Geschichte über die wichtigste Box unserer Zeit VON ANNE HAEMING Alles sieht aus wie immer. Container stapeln sich turmhoch und bunt entlang der Häfen. Auf Schiffen vor den Anlegestellen und weit in die Kaianlagen hinein. Kräne überragen das Ganze. Die gleiche Szenerie in Hamburg, Hongkong oder Barcelona. Man kennt diese Bilder aus den Fernsehnachrichten und den Wirtschaftsteilen der Zeitungen. Die riesigen Behälter stehen für internationalen Warenhandel, illustrieren weltweite Exporttrends, kurz: Sie sind Symbol der Globalisierung. Jeder sechs Meter lang, 2,44 Meter breit, 2,60 Meter hoch, aus Stahl: Sie stehen für die Containerisierung der Welt. Ja, alles sieht aus wie immer, doch in den Containerhäfen ist derzeit nichts wie immer. Die Fracht liegt teilweise seit Monaten in den Schiffsbäuchen, weil die Kunden kein Geld haben, sie auszulösen, viele der Container sind auch einfach leer. Und zwar Der Container – Symbol der Globalisierung und gleichzeitig ihr Symptom. Und leer Foto: Felix Clouzot/Stone/Getty Images immer mehr. Allein in China waken, hoch über einem Hafenbe- Länge, der üblichen Maßeinheit, Diese Stahlkiste ist ein Modul, sich hinter den gestanzten Stahlren es Anfang des Jahres 160.000 cken schwebend. Auch wenn sich auch abgekürzt als TEU für eine Einheit. Ein Transportmittel wänden verbirgt, ist letztlich so Stück. Im Vergleich zum Vorjahr Einerseits ist der in den USA und Europa parallel „Twenty-foot equivalent unit“. im Wortsinn – ein Medium. Es be- unfassbar und unbestimmt wie sind die Transportraten weltweit ähnliche Transportprinzipien 2008 waren weltweit 525 Millio- fördert Inhalt von einem Ort das Wesen einer globalisierten um 15 Prozent gesunken, die Container zu einer entwickelten: Es war McLean, der nen TEU unterwegs. Vor zwanzig zum anderen. Allerdings ist die- Weltgesellschaft. Preiskurven krachten mit Wucht Ikone geronnen, die erkannte, dass sich uniforme Be- Jahren war es gerade einmal ein ses Medium das direkte GegenKein Wunder stürzten sich die nach rechts unten. Es sei die bisüberall und sofort hältnisse standardisiert beför- Sechstel. Diese Box, erklärt Klose, teil von anderen Formen der Küstenbewohner in Cornwall alle lang größte Krise der Branche, dern lassen würden und man so hat „unser Denken verändert“. Kommunikation; in der Contai- an den Strand, als dort vor fast heißt es. Auch jetzt spiegelt sich von allen wiedereine Menge Zeit und somit auch Und, ganz unaufdringlich, unse- nersprache gibt es nur absolutes drei Jahren Container an den die Situation der globalen Wirterkennbar ist. Geld sparen könnte. 58 Kisten ren Alltag. Selbst der Erdbeerjo- Verstehen, es fehlen Missver- Strand gespült worden waren, schaft in den Containern. Sie packte er an einem diesigen ghurt im Kühlregal ist aus Einzel- ständnisse, falsche Interpretatio- weil die „MSC Napoli“ auf Grund sind gestrandet, ins Stocken ge- Andererseits aber: Apriltag auf die „Ideal X“, die teilen aus allen Ecken der Welt nen, irgendetwas zwischen den gelaufen war. Es ging weniger raten. Sie sind Symbol der Globa- Geheimniskrämerei Fahrt des allerersten Container- zusammengerührt. Wir alle sind Zeilen gibt es nicht. Reibungslos ums Plündern, schien es, als darlisierung – und gleichzeitig ihr Frachtschiffs ging von New York umgeben von den immer glei- eben. Fast. um, den Inhalt endlich zu sehen. Symptom. ........................................................................................................................................................................................................ Denn auch wenn das Medium, Und jetzt sind sie dank der ins texanische Houston. Das war chen Containerspuren. Damit hätte wahrlich nieDas Phänomen Container der Beginn der „Just in time“-Liemand gerechnet, als die Box er- ........................................................................................................................................................................................................ Und in der Tat: Der Container der Inhaltstransporter, problem- Krise zu wahren Leerstellen geferung, der Anfang vom Ende steht wie sonst kaum ein Ding los überall andocken kann, in worden, bloße Hülsen, ohne Lafunden wurde. Logistik hieß ■ Alexander Klose: „Das Contaigroßer Lagerhallen. Die Meere, für die zunehmende Homogeni- Empfang genommen wird, als dung. Das war zuvor undenkbar – noch schlicht Transport, als der nerprinzip. Wie eine Box unser Schienen und Straßen wurden sierung der Welt. Bei weltweit das erkannt wird, was es ist, so Container waren voll, ihr Wesen US-amerikanische Spediteur Denken verändert“. Mare Verlag, zum ortlosen Warendepot. Malcolm McLean 1956 auf die cle- Hamburg 2009. Die Perspektive vertretenen Marken wie McDo- gibt es doch eine markante Leer- ist immerhin, etwas zu beinhalDas Ganze hätte genauso gut nald’s, Coca-Cola oder etwa Ikea stelle: den Inhalt selbst. Völlig zu ten. Doch die in den Häfen der vere Idee kam, seine Fracht in je- des Buches ist streng kulturwissennen Boxen vom Land übers Was- schaftlich und sehr detailverliebt – scheitern können. Denn, klar: gibt es hier und da regionale Un- Recht spricht der Kulturwissen- Welt gestrandeten Stahlkisten ser aufs Land zu transportieren, die Buchfassung der Doktorarbeit. Dieses Prinzip funktioniert nur, terschiede, die Zutaten sind an- schaftler Klose daher von der werden fortan zu mehr taugen wenn an allen Verladestationen ders, der Geschmack, die Aus- „Blackbox des Transports“, stellt als zum Sinnbild des florierenstatt alles jedes Mal entladen und www.containerwelt.info die gleichen Vorrichtungen pa- wahl sind nicht identisch. Doch einen Vergleich her zur sagen- den Globalhandels. wieder aufladen zu müssen. Er ■ Olaf Preuß: „Eine Kiste erobert Wer Container als Symbol abratstehen, um die Stahlboxen beim Container gilt: Die Unifor- haften Büchse der Pandora, der war 43, es war die Zeit, als Herren die Welt. Der Siegeszug einer einnoch Hüte trugen, im deutschen fachen Erfindung“. Murmann Ver- vom Lkw aufs Schiff, auf die mität ist seine Existenzbedin- „großen Behälterfigur abendlän- druckt, wird nun immer beide Fernsehen lief damals noch lag, Hamburg 2007. Der Redakteur Schiene und zurück auf den Lkw gung. Er ist von vorneherein dar- dischen Denkens“. Was drin ist, Interpretationen mitliefern: den Aufschwung und die Krise. Denn nicht einmal Werbung. Wann ge- der Financial Times Deutschland nä- zu hieven. Mit der „Macht einer auf ausgelegt, international ab- merkt man erst hinterher. Dieses Zusammenspiel macht ob etwas drin ist, sieht man nau der Container selbst erfun- hert sich dem Phänomen über Re- Naturerscheinung“ habe sich solut kompatibel zu sein. Er passt den wurde, ist umstritten. portagen – er war in Häfen und auf diese Transportweise durchge- immer, egal wohin er kommt. es so leicht, diese Stahlkiste als schließlich nicht. Dass es weltsetzt, schreibt der Kulturwissen- Wer ihn transportiert, ihn entge- Bild für etwas so Abstraktes wie umspannende Netzwerke gibt, So gründete die Internationa- Frachtern unterwegs. schaftler Alexander Klose in sei- gennimmt, weiterbefördert, hat die Globalisierung einzusetzen. davon zeugt allein ihre Existenz, le Handelskammer bereits 1933 ■ Die Performance-Künstlerin Jedas „Bureau International des katerina Anzupowa ist der Entsteh- nem jüngst erschienenen Buch Kräne, Sattelschlepper, Waggons Auf der einen Seite ist der Contai- stählern und berechenbar. Vielleicht sang Phillip Boa „Das Containerprinzip“. War die auf exakt jene Maße abge- ner zu einer Ikone geronnen, die Containers“ in Paris, das bis heu- tung eines Bechers Erdbeerjo„Ideal X“ gerade einmal knapp stimmt, runter, rauf, zack, zack. überall und sofort von allen wie- deshalb einst eine Hymne auf te die Interessen der Branche ghurt hinterhergereist. http:// 160 Meter lang, messen die größ- Die Liberalisierung der Weltwirt- dererkennbar ist. Auf der ande- „Container Love“, die Liebe zu eivertritt. Der Aufmachertext der erdbeerjoghurt150g.wordten ihrer Art heute knapp 400 schaft war streng genommen ren Seite aber: Geheimniskräme- nem Container. Nichts ist verersten Ausgabe der Verbands- press.com Meter. zeitschrift klärte erst einmal auf: ■ „Container Story“ ist ein Dokunur dank dieses Systems mög- rei. Von außen ein Kasten, so sim- lässlicher als die Kiste selbst. Du Am meisten Cargo fasst der- lich. Geschätzte 90 Prozent aller pel und schnörkellos wie ein Le- bekommst nur, was du siehst, „Was ist ein Behälter“ lautete die mentarfilm über ebendas: die zeit die „MSC Daniela“: 14.000 Waren werden heute so beför- gostein, und innen, tja, das In- und unkaputtbar sind sie obenSchlagzeile, darunter ein Foto Geschichte des Containers. nenleben bleibt rätselhaft. Was drein. Standardcontainer von 20 Fuß dert. von einer Art Bauwagen am Ha- www.containerstory.com