„Ultimate Fighting ist die Bankrotterklärung für die Zivilisation“

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„Ultimate Fighting ist die Bankrotterklärung für die Zivilisation“
PRESSEMITTEILUNG
14. Oktober 2010
MEDIENTAGE MÜNCHEN 2010 vom 13. bis 15. Oktober
Panel 2.5: Wenn Sport fast Mord ist: „Käfigkämpfe“ – ein Fall für den Jugendschutz?
„Ultimate Fighting ist die Bankrotterklärung für die Zivilisation“
München – Tabubruch oder Trendsport? Die viel diskutierten Ultimate-Fighting-Formate und ihre
Wirkung auf Kinder und Jugendliche waren Thema des Panels der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN. Zwar sind die sogenannten „Käfigkämpfe“, bei denen selbst auf einen blutenden, am Boden liegenden Menschen weiter eingeschlagen werden darf, momentan nicht mehr im deutschen Fernsehen zu sehen. Doch kann sich jedes
Kind brutalste Clips aus diesen Veranstaltungen im Internet anschauen. Auch gibt es weiter TVSendungen mit Ultimate-Fighting-Elementen, die „Gewalthandlungen lediglich zu Unterhaltungszwecken zeigen“, problematisierte der KJM-Vorsitzende Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring in seinem Impulsreferat. Gleichzeitig könne man beobachten, dass viele Gewalttabus keine Gültigkeit mehr für
Teile der jungen Generation besäßen: „Es ist durchaus zu befürchten, dass entsprechende mediale Angebote bei einer bestimmten Zielgruppe eine verrohende Wirkung haben.“
Der KJM-Vorsitzende verwies darauf, dass die KJM zum Einstieg in die Veranstaltung einen Zusammenschnitt von aus Jugendschutzperspektive problematischen Inhalten hatte zeigen wollen.
Die Anwälte der Kampfsportorganisation Ultimate Fighting Championship (UFC) hätten aber für
diesen Fall mit juristischen Schritten gedroht. „Wir finden es sehr schade, dass die Bereitschaft zu
kritischem Dialog offenbar fehlt“, sagte Ring.
Groß war dagegen der Wille zur kontroversen Auseinandersetzung auf dem prominent besetzten
Podium: Klaus Schlie, Innenminister Schleswig-Holsteins und Vorsitzender der Sportministerkonferenz, kündigte an, sein Ziel, solche Käfigkämpfe in Deutschland gesellschaftlich zu ächten, konsequent weiter zu verfolgen: „Bei Ultimate Fighting wird eine Grenze überschritten, die immer ein Tabu
war. Auch auf den, der am Boden liegt, wird noch eingeprügelt – und zwar vor einer johlenden Masse. So etwas gehört nicht in eine humanistische Gesellschaft.“ Er lobte in dem Zusammenhang die
wichtige Arbeit der KJM und betonte die Notwendigkeit öffentlicher Auseinandersetzung mit dem
Thema: „Rechtlich haben wir keine Handhabe, diesen Kommerz in öffentlichen Hallen zu verbieten.
Umso wichtiger ist es, das Mittel der gesellschaftlichen Wertediskussion zu nutzen.“
Der Kabarettist und langjährige Box-Kommentator Dr. Werner Schneyder, der sich selbst als „großer Freund von Kampfsportarten“ bezeichnete, beteiligt sich schon seit einiger Zeit öffentlich an
der Diskussion um Ultimate Fighting. Er sagte: „In der Steinzeit hat man getreten, geschlagen,
gebissen. In der Zivilisation hat man daraus Sportarten wie Boxen oder Ringen destilliert. Das Aufkommen von Ultimate Fighting ist die Bankrotterklärung für die Zivilisation.“ Besonders kritisch –
gerade in Bezug auf die Wirkung auf Kinder und Jugendliche – sieht er, dass „die Folgen dieses
Irrsinns verschwiegen werden.“ Sein Fazit: Ultimate Fighting sei „extrem jugendgefährdend“ und
sollte Kindern und Jugendlichen nicht über die Medien zugänglich gemacht werden.
Ganz anders sah das Oliver Copp, Chefredakteur des Magazins „Fighters Only“ und ehemals Käfigkampf-Moderator. Er praktiziert Ultimate Fighting selbst seit sechs Jahren. „Das ist ein Sport wie
jeder andere auch. Mit Regeln und mit Sportlern, die Vorbilder sind. Aber auch mit Verletzungen,
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genau wie beim Fußball oder Tennis.“ Und der Käfig, die martialische Inszenierung? Der Käfig sei
„ein gutes Marketinginstrument“, gab Copp zu, aber letztlich „für die Sicherheit der Kämpfer da. Die
Verletzungsgefahr im Ring ist viel höher.“ Nicht der Jugendschutz, sondern die Eltern stünden in
der Verantwortung, ihre Kinder vor problematischen Medieninhalten zu schützen.
Das wollten die Jugendschützer auf dem Podium so nicht stehen lassen. Verena Weigand, die
Leiterin der KJM-Stabsstelle in München, machte deutlich, dass Medienpädagogik die Aufsicht
niemals ersetzen könne: „Wir haben in Deutschland ein sehr ausdifferenziertes System des Jugendmedienschutzes, das an Hand sinnvoller, guter Kriterien prüft.“ Dabei würde jeder Einzelfall
für sich betrachtet: „Der Vorwurf, wir vermischen verschiedene Formate ist haltlos.“ Prof. Joachim
von Gottberg, Vorsitzender der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) bestätigte das: „Auch
Ultimate-Fighting-Formate kann man nicht generell als schwer jugendgefährdend einstufen. Jugendschutz lebt nicht von Pauschalurteilung, sondern von Entscheidungen mit Augenmaß.“
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