spezielle aspekte des ischämie
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spezielle aspekte des ischämie
TRANSPLANTLINC, HEFT 10 © PABST SCIENCE PUBLISHERS 2005 1 1 2 1 1 1 P. SCHEMMER , A. MEHRABI , M.-M. GEBHARD , J. SCHMIDT , H. FRIESS , C. N. GUTT , 1 1 E. KLAR , M. W. BÜCHLER 1 Chirurgische Klinik und 2Abt. für Experimentelle Chirurgie, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg SPEZIELLE ASPEKTE DES ISCHÄMIE-/ REPERFUSIONSSCHADENS BEI DER LEBER Der Ischämie-/Reperfusionsschaden hat durch seine starke Assoziation mit einer schlechten initialen Transplantatfunktion bis hin zum primären Transplantatversagen nach wie vor eine große klinische Bedeutung. Eine nahezu unüberschaubare Anzahl experimenteller und klinischer Untersuchungen beschreibt die Aktivierung der Kupfferzellen als entscheidenden Mechanismus, der für die Entwicklung dieses Phänomens eine zentrale Rolle einnimmt. Störungen der intrahepatischen Mikrozirkulation mit Interaktionen zwischen Thrombozyten, Leukozyten und Endothelzellen sowie ausgeprägte Entzündungsreaktionen mit Freisetzung zahlreicher proinflammatorischer Mediatoren, wie TNFα, IL-1, Radikalen und Expression von Adhäsionsmolekülen, stellen weitere essentielle pathophysiologische Determinanten des Reperfusionsschadens dar. Diesbezüglich wird die Transplantatqualität neben Spender-abhängigen Faktoren vor allem durch die Organentnahme und weniger durch die kalte Ischämie in Konservierungslösung beeinflusst. Aufgrund neuerer Publikationen muss vermutet werden, dass Kupfferzellen bereits durch das unvermeidbare Explantationstrauma aktiviert werden können. Der Pathomechanismus wird durch die initiale chirurgische Organmanipulation und das anschließende Zusammenspiel von vegetativem Nervensystem, intrahepatischer Mikrozirkulationsstörung sowie metabolischen Veränderungen bestimmt. Eine Vielzahl experimenteller Therapieansätze zur Verhinderung des Reperfusionsschadens wurde während der letzten Dekade entwickelt. Diese Konzepte müssen nun in prospektiven klinischen Studien auf ihre Wertigkeit überprüft werden. 32 TransplantLinc Heft 10 - 2005 Schlüsselwörter: Kupfferzellen, Endothelzellen, Explantation, kalte Ischämie, Reperfusion, Steatose, Glycin, Mikrozirkulation Special Aspects of Ischemia-/Reperfusion Injury to Liver The clinical relevance of ischemia-/reperfusion injury still remains evident due to its strong association with both poor initial graft function and primary nonfunction after liver transplantation. Numerous experimental and clinical studies revealed that activated Kupffer cells play a pivotal role for the development of this phenomenon; however, the exact underlying mechanism of reperfusion injury remains unclear. Disturbances of the hepatic microcirculation combined with cellular interaction between platelets, leukocytes and endothelial lining cells plus various Kupffer cell-derived proinflammatory mediators, such as TNFα, IL-1 and free radicals, and the expression of adhesion molecules are further essential determinants of pathophysiological changes during reperfusion injury. It has been conclusively demonstrated that reperfusion injury rather than ischemic cell damage developing during cold storage predominates. Further, beside donor-dependent factors, i.e. steatosis, surgical organ manipulation during harvest, which is inevitable with standard harvesting techniques, can be detrimental for viability of the graft most likely due to activation of Kupffer cells. Underlying mechanisms include disturbances of the hepatic microcirculation, autonomous nerve system and metabolic changes. During the last decade a large variety of experimental approaches have been developed to prevent reperfusion injury. Today, clinical trials are SPEZIELLE ASPEKTE DES ISCHÄMIE-/REPERFUSIONSSCHADENS BEI DER LEBER warranted to confirm the most promising therapeutic concepts. Key words: Kupffer cells, endothelial lining cells, organ harvest, cold ischemia, reperfusion, steatosis, glycine, microcirculation EINLEITUNG Während zu Beginn der Transplantationsära chirurgisch-technische Schwierigkeiten und die Organabstoßung als Probleme nach einer Lebertransplantation im Vordergrund standen, werden diese nun vom wachsenden Mangel an Spenderorganen und dem primären Transplantatversagen in ihrer Bedeutung abgelöst. Eine Verstärkung der konventionellen Organspende könnte dem Transplantatmangel entgegenwirken. Ein klinisch validiertes, vom Ansatz vergleichbar einfaches Konzept fehlt jedoch, um eine optimale initiale Transplantatfunktion zu gewährleisten, nicht zuletzt, weil unser Verständnis der zugrunde liegenden komplexen Pathomechanismen des frühen Transplantatschadens noch immer unvollständig ist. Das primäre Transplantatversagen kann bei 5-15 % der Fälle nach Lebertransplantation beobachtet werden, was mit beachtlicher Morbidität und Mortalität einhergeht (26;29;39). Klinisch ist hierbei ein metabolisches Leberversagen mit schnell steigenden Serum-Transaminasen, mangelnder Galleproduktion und substitutionspflichtiger Koagulopathie gepaart mit rasch voranschreitender Enzephalopathie und renalem Versagen. Das Transplantatversagen geht allgemein mit raschem Verfall des Patienten einher. Neben der akuten und chronischen Rejektion ist dies mit 6% aller Fälle der zweit- Faktor Organspender Organentnahme Konservierung Transplantation Empfänger häufigste Grund für eine Retransplantation (26;29;39;62). Generelle Anzeichen eines Reperfusionsschadens wie funktionelle als auch histologisch erkennbare Veränderungen können jedoch auch in Transplantaten vorhanden sein, die überleben. Häufig sind funktionelle Cholestase und steigende Serum-Transaminasen bei vermindertem Gallefluss, erhöhtem Bilirubin im Serum und zentrolobulär geschwollenen Hepatozyten mit beginnender zellulärer Degeneration ausgebildet. Eine initial schlechte Transplantatfunktion tritt sogar 10-25% der lebertransplantierten Patienten auf (67). Bei diesen Patienten wird ein häufigeres Auftreten von Rejektionen diskutiert (40;69). Die Inzidenz dieser Phänomene ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Von Bedeutung sind hierbei Organspender, Organentnahme, Dauer der kalten Ischämie, Besonderheiten bei der Transplantation bzw. beim Empfänger (Tab. 1). Intrahepatische Strikturen der Gallengänge, die so genannten ischemic-type biliary lesions, können sich innerhalb weniger Wochen nach Transplantation manifestieren. Ihre Inzidenz steigt mit längeren Ischämiezeiten und schlechter Konservierung des Gallengangsystems (58;64;80). Dieser Artikel bietet eine Übersicht über die nach unserem heutigen Verständnis wichtigsten gesicherten Aspekte des Ischämie-/ Reperfusionsschadens nach Lebertransplantation unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Kupfferzellen und aktueller, auf dem Sprung zur klinischen Anwendung befindlicher, therapeutischer Konzepte zur Vermeidung solcher Transplantatschäden. Die Entstehung des Reperfusionsschadens ist im Wesentlichen neben Spender-abhängigen Faktoren durch die Organentnahme und die Phase der Reperfusion und weniger durch die kalte Ischämie in Konservierungslösung beeinflusst. Die überwiegende Mehr- Parameter Alter, Steatose, intensivmedizinische Behandlungsdauer, Hypernatriämie, Infektionen, Hypotension, Reanimation chirurgische Organmanipulation, kreislaufinstabiler Spender, technische Probleme Ischämiezeit, Konservierungslösung, Perfusionsdruck warme Ischämie, Dauer der Operation, Transfusion, zentralvenöser Blutdruck, technische Probleme Allgemeinzustand TABELLE 1: Faktoren, die zur initial schlechten Transplantatfunktion prädisponieren. 33 TransplantLinc Heft 10 - 2005 Während der kalten Ischämie imponieren Schwellung der Hepatozyten mit Bildung von Protrusionen und Abrundung der Endothelund Kupfferzellen. Während sich die Hepatozyten nach Reperfusion zunächst erholen, setzen aktivierte Kupfferzellen zahlreiche proinflammatorische Mediatoren frei. Endothelzellen verlieren ihre Vitalität. H E TransplantLinc Heft 10 - 2005 TNFα NO O2• IL-1 Proteasen K H: Hepatozyt E: Endothelzelle K: Kupfferzelle zahl der Studien, die sich mit diesem Phänomen beschäftigten, haben vor allem die Phase der kalten Ischämie und die der Reperfusion untersucht. Die hierbei gewonnenen Daten zeigen eindeutig, dass aktivierte Kupfferzellen während der Reperfusion eine zentrale Rolle für die Entwicklung des häufig mit einer primären Transplantatfunktionsstörung einhergehenden Reperfusionsschadens spielen. STRUKTURELLE UND FUNKTIONELLE VERÄNDERUNGEN IN LEBERN WÄHREND KALTER ISCHÄMIE UND NACH REPERFUSION 34 PGE2 Re pe rfu sio n ABBILDUNG 1: Entwicklung des Ischämie-/ Reperfusionsschadens nach kalter Ischämie einer Leber. ka lte Isc hä m ie P. SCHEMMER ET AL. Seitdem im Eurotransplantbereich eine Organallokation mit streng patientenbezogener Organzuteilung eingeführt wurde, beträgt die kalte Ischämie für Lebern im Median 9 Stunden (62). Basierend auf den Daten der Collaborative Transplant Study kann bei dieser Ischämiezeit ein ebenfalls optimales 3Jahresüberleben von 70% im Vergleich zu 72% bei Ischämiezeiten von ≤ 6 Stunden angenommen werden (62). Die Untersuchungen der letzten Jahre zeigen außerdem, dass der Reperfusionsschaden das Schlüsselereignis für die Entstehung des primären Transplantatversagen darstellt. Obwohl strukturelle Veränderungen, wie Schwellung mit Bildung von Protrusionen (blebs) der Hepatozyten, bereits während der kalten Ischämie zu beobachten sind (48), ist der Kupfferzell-abhängige Untergang der Endothelzellen während der Reperfusion für das konsekutive Transplantatversagen entscheidend (3;8;9;27;38;54-56). Da der Ischämie/Reperfusionsschaden zellspezifische Kom- ponenten aufweist, werden die Veränderungen der unterschiedlichen Zelltypen der Leber im Folgenden separat beschrieben (Abb. 1). Hepatozyten Während der kalten Ischämie kommt es zur Schwellung der Hepatozyten und zum Vorwölben von Hepatozytenbestandteilen im Sinne von Protrusionen, den so genannten „ Blebs“. Diese können von der subsinusoidalen Zelloberfläche durch Fenestrierungen des Endothels bis in die sinusoidalen Gefäße hineinreichen. Gleichzeitig kommt es zu einer an Größe und Anzahl deutlichen Reduzierung der Mikrovilli, was deren Umwandlung in Blebs vermuten lässt (48). Die Folge der Zellschwellung und Bleb-Bildung ist im Extremfall eine Verlegung des Gefäßlumens. Diese morphologischen Veränderungen entwickeln sich unter Bedingungen der warmen Ischämie ungleich schneller (48). Insgesamt sind Hepatozyten nicht sehr kältesensibel, so dass sie selbst nach einer 20stündigen kalten Ischämie ihre Vitalität nicht verlieren. Nach der Reperfusion erweist sich die Schwellung der Hepatozyten wie auch deren Protrusionen als schnell reversibel (11). Sowohl der Sauerstoffverbrauch als auch der Kohlenhydratstoffwechsel, als Zeichen des hepatozellulären Metabolismus, sind nach der Reperfusion im Normbereich (9;11;55). Endothelzellen Sinusoidale Endothelzellen bilden durch Fenestrierungen eine siebförmige Fläche, die SPEZIELLE ASPEKTE DES ISCHÄMIE-/REPERFUSIONSSCHADENS BEI DER LEBER ABBILDUNG 2: Vitalitätsverlust der Endothelzellen nach Explantationstrauma, kalter Ischämie und Reperfusion. Abbildung des durch Organmanipulation während der Organentnahme verursachten Explantationsschadens, der sich im Sinne eines Reperfusionsschadens mit komplettem Vitalitätsverlust der Endothelzellen (24 Stunden kalte Lagerung in UW-Lösung, 15-minütiger Reperfusion) nach Reperfusion mit oxygeniertem, warmen Krebs-Henseleit-Puffer manifestiert. Die markierten dunkelblauen Zellkerne (Trypan Blau) entsprechen denen von Endothelzellen, die ihre Vitalität verloren haben. den Intravasalraum vom subsinusoidalen Raum (Dissé’scher Raum) trennt. Während kalter Ischämie kommt es zur Destruktion bzw. Desquamation des Endothels und damit zur Denudierung des Dissé’schen Raums. Die warme Reperfusion bewirkt eine fulminante Progredienz dieser Schädigung. Ursächlich wird eine starke Kältesensibilität von Zytoplasmafortsätzen angenommen, wodurch initial ein Detachement von darunter liegenden Hepatozyten mit Zellabrundung zustande kommt (65). Nach Reperfusion von Lebern, die einer kurzen Periode kalter Ischämie unterzogen wurden, sind diese morphologischen Veränderungen zumindest teilweise reversibel. Nach einer Periode kalter Ischämie, die mit primärem Transplantatversagen einhergeht, tritt nach Reperfusion ein nahezu kompletter Vitalitätsverlust der Endothelzellen auf (Abb. 2) (9-11;46;48;55;56;59;60). Dieser Zellschaden wird auch durch die Freisetzung des BBIsoenzyms der Kreatininkinase, einem Enzym, das in hepatischen Endothelzellen lokalisiert ist, oder durch Thrombomodulin, welches in seiner löslichen Form aus Endothelzellmembranen freigesetzt wird, angezeigt (81;93). In portal- und zentralvenösen Arealen behalten Kupfferzellen, Endothelzellen und das Gallengangsepithel ihre Vitalität unter Bedingungen, bei denen sinusoidale Endothelzellen bereits vollständig denudiert sind (61). Das Gleiche gilt im Wesentlichen auch für Ito-Zellen (61). Kupfferzellen Kupfferzellen sind die gewebeständigen Makrophagen in der Leber und stellen die größte Population gewebeständiger Makrophagen im menschlichen Körper dar. Sie spielen eine Hauptrolle bei der Entwicklung des Reperfusionsschadens (8). Im Gegensatz zur kalten Ischämie, während der die Kupfferzellen durch Abrundung nur relativ gering strukturell verändert erscheinen, kommt es bei Reperfusion der Leber zur Kupfferzellaktivierung (9;10;46). Innerhalb weniger Minuten entsteht eine starke Vakuolisierung und Aufrauung der Zell-Oberfläche. Die Kupfferzellen degranulieren und steigern ihre Phagozytoserate. Zusätzlich setzen aktivierte Kupfferzellen eine große Anzahl proinflammatorischer Mediatoren, freier Radikale (8;14;21;35;72;73), TNFα, Interleukine (IL-1, IL-6), Prostaglandine und Stickstoffmonoxid (NO) frei (21;73). Es wird angenommen, dass diese Mediatoren sowohl den Reperfusionsschaden als auch das „ systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) auslösen. Der Zusatz von Nisoldipin, einem KalziumKanal-Blocker aus der Gruppe der Dihydropyridine, zur Konservierungslösung vermindert die Kupfferzellaktivierung und verbessert das Transplantatüberleben (86), eine Beobachtung, die zur Entdeckung von potentialabhängigen Kalziumkanälen vom LTyp in der Zellmembran von Kupfferzellen führte (33). Es stellte sich heraus, dass die Aktivierung von Kupfferzellen eine Folge von steigender Konzentration intrazellulärer 35 TransplantLinc Heft 10 - 2005 P. SCHEMMER ET AL. Kalzium-Ionen ([Ca2+]i) ist (36). Der Nachweis, dass sowohl Endothelschädigung als auch Kupfferzellaktivierung die entscheidenden Phänomene der Reperfusion sind, stammt von Untersuchungen, in denen durch Änderung der Konditionen zum Zeitpunkt der Reperfusion die Transplantatschädigung minimiert werden konnte. Des Weiteren stellte sich heraus, dass neutrophile Granulozyten zwar bei der Entwicklung des Reperfusionsschadens in der Leber beteiligt sind, jedoch eine im Vergleich zu Kupfferzellen untergeordnete Rolle spielen, da der Reperfusionsschaden durch Depletion der Kupfferzellen in mit zellfreiem Puffer perfundierten Lebern verhindert werden konnte (8;38;102). Die Endothelschädigung oder Aktivierung von Kupfferzellen konnte u.a. durch den Zusatz von Glycin (22;70;72; 102), Allopurinol (17), Adenosin (17), Prostaglandin E1 (29) und Glutathion (7;25) reduziert werden. Ähnlichen Erfolg hat die Spenderbehandlung mit Gadoliniumchlorid (GdCl3) (8;72). Dieses Salz eines seltenen Erdmetalls wirkt toxisch auf Kupfferzellen (30). Aufgrund seiner Toxizität wurden jedoch bislang keine klinischen Studien durchgeführt. Leberparenchymzellen weisen auch nach langer Konservierungs- und Ischämiezeit keine bleibende primäre Schädigung auf (9-11;56). Gallengänge 36 TransplantLinc Heft 10 - 2005 Galleabflussprobleme treten nach Transplantation bei funktioneller Störung der Papilla vateri, technisch bedingten Anastomosenstenosen, externer Kompression z.B. durch eine Mukozele des Ductus cysticus oder ischämischer Schädigung der Gallengänge bei Patienten mit Gefäßkomplikationen auf. Hiervon abgesehen entwickeln sich bei 2-20% der Patienten nach Transplantation so genannte ischemic-type biliary lesions (ITBL) proximal der Gallengangsanastomose, deren genaue Ursache unbekannt ist. Eine Häufung dieser Gallengangsveränderungen lässt sich jedoch vor allem nach prolongierter kalter Ischämie und nach verzögerter Rearterialisierung beobachten, so dass Konservierungs- bzw. Ischämie-/Reperfusionsschäden eine mögliche Erklärung bieten (58;64;80). ITBL können durch eine optimierte arterielle Druckperfusion mit Konser- vierungslösung unmittelbar nach der Spenderoperation vermieden werden (58). Mikrozirkulation Gemeinsam mit der Schädigung des Endothels verursachen diese von Kupfferzellen stammenden Mediatoren eine intrahepatische Mikrozirkulationsstörung, die bei Transplantatlebern beobachtet wird. Diese Veränderungen beinhalten auch die ICAM1-vermittelte Adhäsion von Leukozyten (16;94) und wahrscheinlich P-Selektin-abhängigen Thrombozyten (57;98), verminderten portalen Blutfluss und eine Ausdehnung des ischämischen Geschehens (18;19;85). Die Folge ist schließlich der Untergang von Leberparenchymzellen und die Funktionsstörung des Organs (18;19;38;82;85). Zusammenfassend kommt es durch prolongierte endothelschädigende Ischämie beim hepatischen Ischämie-/Reperfusionsschaden zum azinären und sinusoidalen no-reflowPhänomen. Durch das so genannten reflowparadox kommt es hingegen durch Kupfferzell-abhängige entzündliche Veränderungen, die durch proinflammatorische Mediatoren und Rekrutierung von Leukozyten vermittelt werden, zur Beeinträchtigung von funktioneller und struktureller Integrität der Leber. Da die Mikrozirkulationsstörung ein zentraler Bestandteil des Reperfusionsschadens ist, kann bereits unmittelbar nach Reperfusion einer Transplantatleber durch die klinisch validierte, kontinuierliche Quantifizierung der hepatischen Mikrozirkulation mittels Thermodiffusionssonde das Ausmaß der Transplantatschädigung abgeschätzt werden (41;42). Zahlreiche Versuche wurden daher unternommen, die Mikrozirkulation zur Reduktion des Reperfusionsschadens zu optimieren (5; 6; 44; 45; 51; 68; 70-72; 76-78; 89;95;99;100;102). MARGINALE SPENDERORGANE Unter „ marginalen Organen“ versteht man heute nur eingeschränkt oder mit deutlich erhöhtem Risiko zur Transplantation geeignete Organe. Neben Spender-spezifischen Gegebenheiten, wie dem Verfettungsgrad der Leber, können Transplantations- und Empfänger-spezifische Faktoren potentiell SPEZIELLE ASPEKTE DES ISCHÄMIE-/REPERFUSIONSSCHADENS BEI DER LEBER zur Marginalität eines Transplantates beitragen (Tab. 1). Eine detaillierte Aufstellung aller Faktoren, die mit einer erhöhten Rate an Ischämie-/Reperfusionsschäden und konsekutivem Transplantatversagen assoziiert sind, würde außerhalb des Fokus dieser Übersichtsarbeit liegen; es wird daher auf aktuelle Übersichtsarbeiten verwiesen (91). Exemplarisch wird in diesem Zusammenhang jedoch aufgrund ihrer Bedeutung auf die Steatose eingegangen: Lebern mit ausgeprägter Steatose werden wegen der Häufigkeit von primärem Organversagen nicht zur Transplantation verwendet (67;90). Hingegen wird die Eignung zur Transplantation von marginal verfetteten Organen aufgrund unterschiedlicher Erfolgsraten kontrovers diskutiert und klinisch unterschiedlich umgesetzt (67;90). Mehr als 35% der potentiellen Organspender weisen eine Leberverfettung unterschiedlichen Ausmaßes auf (2;34;63;92). Bisherige klinische und experimentelle Studien haben frühes Transplantatversagen mit intrahepatischem Fett und Alkoholkonsum verbunden (90); dennoch bleiben die Mechanismen vom Versagen verfetteter Organe unklar (1;53;84;90). Das Versagen steatotischer Lebern ist im Transplantationsmodell mit Störungen in der hepatischen Mikrozirkulation und gesteigerter Leuko- und Thrombozyten-Interaktion mit dem Endothel verbunden (31;47;88). Zusätzlich kommt es zur Kupfferzell-abhängigen Bildung freier Radikale, die gegen Antioxidantien unsensibel reagieren (28;101). Im Falle einer alkoholtoxischen Leberverfettung sind das Transplantatüberleben und das Ausmaß des Reperfusionsschadens nicht vom tatsächlichen Verfettungsgrad, sondern vom Einfluss des Alkohols per se abhängig (77;101;103). Dies kann dadurch erklärt werden, dass Kupfferzellen durch Alkohol auf aus dem Darm stammendes Endotoxin sensibilisiert und schließlich aktiviert werden (23). Alkohol kann sowohl Glutathion, das für die Zytoprotektion gegen reaktive Sauerstoffspezies essentiell ist (49), als auch hepatische Glykogenreserven abbauen, die während der Anoxie eine bedeutende Energiequelle darstellen (13). Hierdurch kann eine Sensibilisierung gegenüber oxidativem Stress bei der Reperfusion verursacht werden, was den gesteigerten Kupfferzell-abhängigen Reper- fusionsschaden in mit Alkohol induzierten Fettlebern zur Folge hat. ORGANENTNAHME Des Weiteren gibt es Hinweise auf eine Beeinflussung des Transplantatüberlebens durch die Spenderoperation (15; 20; 37; 43; 50; 67; 83). Sowohl klinisch als auch experimentell konnte beobachtet werden, dass ausgedehnte in situ Dissektion der Leber während der Spenderoperation die Qualität des Transplantates durch Störung von intrahepatischer Mikrozirkulation und portalvenösen Blutfluss beeinträchtigt (20;43). Die Serum-Transaminasen steigen nach intensiver in situ Dissektion von Lebern, die zusammen mit dem Pankreas explantiert werden (37). Bereits nach großen abdominalchirurgischen Eingriffen sind Zeichen einer Leberschädigung zu beobachten (32;50). Neuere Publikationen scheinen dies zu bestätigen. Es muss vermutet werden, dass Kupfferzellen allein durch das Explantationstrauma aktiviert werden können. Der Pathomechanismus wird durch die während Standardverfahren der Organentnahme unvermeidbare chirurgische Organmanipulation und das konsekutive Zusammenspiel von vegetativem Nervensystem, intrahepatischer Mikrozirkulationsstörung sowie metabolischen Veränderungen bestimmt. Tierexperimentell konnten entsprechend nerval mediierte intrahepatische Mikrozirkulationsstörungen und Hypoxie, gefolgt von Kupfferzellaktivierung demonstriert werden (70;71;73; 74). Tatsächlich kann das Explantationstrauma das Transplantatüberleben durch Steigerung des Kupfferzell-abhängigen Ischämie/Reperfusionsschadens (Abb. 2) beträchtlich reduzieren (72;77;78). Der Einfluss von Steatose auf die Transplantatfunktion ist im Vergleich zum beschriebenen Einfluss der Spenderoperation eher gering (77). GLYCIN Bisherige Studien haben gezeigt, dass der Zusatz von Aminosäuren bei der Perfusion von Nieren die tubuläre Integrität schützt und die Nierenfunktion verlängert (24). Weinberg et al. waren die ersten, die diesen schützenden Effekt mit der Aminosäure Gly- 37 TransplantLinc Heft 10 - 2005 P. SCHEMMER ET AL. Kanälen erschwert, sich zu öffnen. Hierdurch kann Glycin einen Anstieg des intrazellulären Kalziums [Ca2+]i und damit die Aktivierung der Kupfferzellen und der Kalziumabhängigen Proteasen verhindern (36). Ozaki et al. (66) konnten demonstrieren, dass Glycin Lebern in situ vor Reperfusionsschaden durch Minderung der Lipidperoxidation schützt (66). Schilling et al. (79) fanden, dass Glycin die Zellmembran durch Inihibition der Phospholipase A2 stabilisiert, was wiederum die Arachidonsäure und Eicosanoide reduziert, die die hepatische Mikrozirkulation beeinflussen. Dies wird indirekt durch die Tatsache bestätigt, dass GdCl3 den Reperfusionsschaden indirekt über die Verbesserung der Mikrozirkulation mindert (78). Die ersten klinischen Ergebnisse sind viel versprechend (Abb. 3) (75), so dass eine prospektive, plazebokontrollierte Multicenterstudie zzt. zur Validierung der vorläufigen Ergebnisse durchgeführt wird. cin verbanden (96). Glycin schützt in vitro gegen Gewebeschäden durch proinflammatorische Mediatoren, Hypoxie, Reperfusion oder Toxine in verschiedenen Tierspezies (52;96;97;102;104). Außerdem kann Carolina rinse solution mit Glycin den Reperfusionsschaden nach Transplantation von Lebern sowohl im Tierexperiment als auch beim Menschen verhindern (4). Auch die intravenöse Glycin-Gabe kann den Kupfferzellabhängigen Reperfusionsschaden verhindern (70;76). Glycin inhibiert nonlysosomale Kalzium-abhängige Proteasen und schützt Hepatozyten vor anoxischer Schädigung. Auch Proteolyse trägt zur Transplantatschädigung bei (12), was durch Proteaseinhibitoren verhindert werden kann (78;87). Außerdem aktiviert Glycin einen spezifischen Chlorid-Kanal in der Kupfferzellmembran (36). Der Influx von Chlorid-Ionen hyperpolarisiert die Membran, was es spannungsabhängig funktionierenden Kalzium-Ionen- ABBILDUNG 3: 1000 Kontrolle Glycin Erste klinische Ergebnisse mit Glycin nach Lebertransplantation. 800 GOT [U/l] Postoperativer Transaminasenverlauf (GOT / GPT) der ersten Woche nach Lebertransplantation. Eine historische Kontrollgruppe (n=222) steht im Vergleich zu Patienten, denen Glycin vor Reperfusion appliziert wurde (n=7). 600 400 200 0 1000 GPT [U/l] 800 600 400 200 0 0 38 TransplantLinc Heft 10 - 2005 24 48 72 96 Zeit [Stunden] 120 144 168 SPEZIELLE ASPEKTE DES ISCHÄMIE-/REPERFUSIONSSCHADENS BEI DER LEBER SCHLUSSFOLGERUNG Das Thema Ischämie-/Reperfusionsschaden (I/R) scheint vor allem im Bewusstsein der klinischen Transplantationsmedizin aus dem Fokus des Interesses gerückt zu sein und ist daher bei der Planung klinischer Studien nach Lebertransplantation unterrepräsentiert. Forschungsergebnisse zeigen jedoch sehr deutlich, dass der I/R eine enorme Bedeutung für den frühen Organschaden, aber auch für die Langzeitprognose eines Transplantates hat. Die klinische Umsetzung der überwiegend exzellenten experimentellen Konzepte ist bislang nicht zuletzt wegen der finanziell schwierigen Umsetzung klinischer Studien zu diesem Thema rudimentär. Die Nutzung von Foren, die sich speziell mit der klinischen Umsetzung experimenteller Arbeiten zum Thema I/R beschäftigen, wie z.B. die Organ-übergreifende klinische Studiengruppe Ischämie / Reperfusion der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG), die sich während der DTG-Jahrestagungen seit 2001 trifft, erscheint diesbezüglich besonders wertvoll. DANKSAGUNG Dieser Review ist Ronald Glenn Thurman, Ph.D. (* 1941 - † 2001), Professor of Pharmacology, Director of the Laboratory of Hepatobiology and Toxicology, University of North Carolina, USA gewidmet. Sein plötzliches und völlig unerwartetes Ableben am 14.07.2001 ist für die Wissenschaftsgemeinschaft, insbesondere für alle, die ihn persönlich kannten, ein immenser Verlust. Professor Thurman wird uns jedoch durch sein außergewöhnliches Werk und durch die Arbeit der zahlreichen von ihm ausgebildeten Wissenschaftler, die seine Tradition der exzellenten und innovativen Wissenschaft fortführen, immer begleiten. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. LITERATUR 1. Adam R, Reynes M, Johann M, Morino M, Astacioglu I, Kafetzis I, Castaing D, Bismuth H. The outcome of steatotic grafts in liver transplantation. Transplant Proc 1991; 23: 1538-1540. 13. Alexander JW, Vaughn WK. The use of "marginal" donors for organ transplantation. Transplantation 1991; 51: 135-141. Arii S, Monden K, Adachi Y, Furutani M, Mise M, Fujita S, Ishiguro S, Nakamura T, Harada T, Niwano M, Ishigami S, Mizumoto M, Imamura M. Suppression of the reperfusion injury of cold-perserved livers by Kupffer cell blockade. 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