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Jan We i ler m e i n l e b e n als mensch Europa aus dem Kopf (4) Frankreich, Polen, Ungarn und Luxemburg Mit einer Illustration von Larissa Bertonasco Teil vier unserer kleinen Sommerserie. Was fällt einem ganz spontan in zwanzig Sekunden zu den Mitgliedsstaaten der EU ein? Bei Frankreich ist das viel, denn es ist das wichtigste Nachbarland der Deutschen. Mit den Franzosen verbindet uns eine lange traditionelle Völkerfreundschaft. Während jedoch die Deutschen die Franzosen für ihre Lebensart, ihre Mode, ihren Wein, ihren Oralsex, das Stangenbrot, die wundervolle Sprache, Victor Hugo, das Klima, Brigitte Bardot, ihr Selbstbewusstsein und die Champs Elysees verehren, nein: vergöttern, hassen die Franzosen die Deutschen. Franzosen gehen drei Wochen nach der Geburt eines Kindes wieder zur Arbeit. Sie weigern sich, etwas anderes zu sprechen als Französisch und wenn sie es ausnahmsweise doch tun, klingt jede Sprache wie ihre eigene. Die Männer pflegen ihre Haare und ihren Chauvinismus. Alain Delon und Jean-Paul Belmondo sind ausgezeichnet gealtert, die Tour de France eher nicht so. Der französische Präsident steht auf hohen Absätzen. Von Pastis wird man impotent und Ferienhäuser in der Bretagne sind kaum noch zu bekommen, lohnen sich aber auch nicht, weil es dort quasi ununterbrochen regnet. Die Franzosen halten das Patent auf die bürgerliche Revolution und die hydropneumatische Federung, stehen auf Atomstrom und krümeln beim Essen noch mehr als die Italiener. Sie bilden sich eine Menge ein auf ihren Käse. Frankophil ist ein ganz unglückliches Adjektiv. Wahrscheinlich, weil sich frank auf krank reimt. Neben den Franzosen halten wir die Polen für unsere engsten Freunde in Europa. Frankreich und Polen verbindet noch mehr, aber ich habe vergessen, was es ist. Der französischste Pole der Polen hieß Frederic Chopin. Der Goethe von Polen heißt Adam Mickiewicz, der Jens Weißflog von Polen heißt Adam Malysz. Die Polen haben dieselben Nationalfarben wie Österreich und pflegen als zweite Gemeinsamkeit eine Ablehnung gegenüber den Deutschen. Polen fahren aber im Gegensatz zu den Österreichern gerne als Erntehelfer nach Deutschland. Der polnische Präsident Lech Kaczyński starb bei einem Flugzeugabsturz und zu seiner Beerdigung erschienen viele Gäste nicht, wegen eines durch die Aschewolke bedingten Flugsicherheitsrisikos. Das nennt man Ironie der Geschichte. Wir müssen uns bei den Polen für die Zeichentrickserie „Lolek und Bolek“ bedanken und für dicke Bratwürste. Die platzen, wenn hinein beißt. Polen hingegen platzen, wenn man sich über die Brille von General Jaruzelski lustig macht. Der hat mal das Kriegsrecht verhängt. Er sah ein bisschen aus wie Yoko Ono. Und das war’s auch schon zum Thema Polen und Popkultur. Die Ungarn haben sich einen Ehrenplatz in unserem Herzen erworben, denn über die ungarische Grenze türmten 1989 zehntausende DDR-Bürger nach Österreich. Außerdem in Ungarn: Die Puszta mitsamt Gefiedel und Hackklößchen. Und: Piroschka. Und der Flohmarktklassiker schlechthin: „Zigeunerin schaut hinter der Birke hervor.“ Ungarn exportiert hervorragende Salami und Aprikosenschnaps. Gemeinsam mit Österreich bildete Ungarn Ende des 19. Jahrhunderts eine Doppelmonarchie, die bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts in der österreichischen Filmindustrie eine gewisse Rolle spielte. Später kam es zu einem Volksaufstand gegen den Stalinismus und noch später hielt der so genannte Gulaschkommunismus Einzug. Dieser zeichnete sich durch eine relativ liberale Haltung des Staates gegenüber seinen Bürgern aus. Und am Plattensee gibt’s ein Büffelreservat. Luxemburg ist total klein. Und deshalb ist der Text über Luxemburg total kurz. Obwohl diese Monarchie so winzig ist, werden hier drei Sprachen gesprochen, nämlich deutsch, französisch und luxemburgisch. Letzteres ist ein unentschieden zwischen den anderen Sprachen pendelndes Idiom, welches angenehm altmodisch klingt und angeblich vom Aussterben bedroht ist. Die meisten Luxemburger sprechen lieber französisch. Deutsch eher nicht so. Nächste Woche: Belgien, Lettland, Litauen, Großbritannien und Schweden 23 . August 2010