TV-Werbung in Deutschland: Volksverblödung auf

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TV-Werbung in Deutschland: Volksverblödung auf
TV-Werbung in Deutschland:
Volksverblödung auf höchstem
Niveau
Konnten wir über die lila angemalte Kuh und den putzigen
Teddybären als Markenzeichen einer Milchmarke noch schmunzeln,
so hört der Spaß da auf, wo man erwachsenen Menschen
klarzumachen versucht, dass ihre Bronchitis durch
„Schleimmonster“ verursacht wird und diese denn auch
tricktechnisch dem Verbraucher bei der Arbeit gezeigt werden.
Geradezu bedenklich ist es, wenn Werbestrategen die Menschen
auffordern, einen Schokoriegel zu verzehren, wenn der Hunger
kommt, um so zu vermeiden, dass man zur „Diva“ mutiert. Da
werden dümmliche Grafiken präsentiert, um den von Haarausfall
geplagten Menschen zu zeigen, dass durch die Verwendung des
beworbenen Shampoos die Wachstumsphasen der Haarwurzeln
verlängert werden oder Rasierklingen angeboten, die sich nur
durch die Anzahl der Klingen von der Konkurrenz unterscheiden:
je mehr Klingen desto besser. Während die einen Zahnbürsten
anbieten, von denen man glaubte, dass es hier nichts mehr zu
verbessern gibt und von denen man den Eindruck hat, dass diese
nur zur Pflege von Tomaten gemacht werden, bieten andere
Medikamente an und schieben dem Verbraucher auch gleich die
Verantwortung zu, diese einzunehmen: Über Risiken und
Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!
„Schrei vor Glück“ lautet die Aufforderung eines Versandhauses
für Kleidung und Schuhe und zeigt in seinem Werbespot auch
gleich, wie man die Kaufbesessenheit per Exorzismus vertreibt.
Ein Herren-Deo suggeriert der leichtgläubigen Männerwelt, bei
Gebrauch sich vor dem weiblichen Geschlecht nicht retten zu
können. Hier werden Cremes angeboten, die in der Lage sind,
Hautfalten von innen aufzupolstern und da Lotionen
angepriesen, die alles andere überflüssig machen, was auf dem
Markt an Kosmetikartikeln angeboten wird.
Die TV-Werbung schließt nahtlos an die einschlägigen DokuSoaps wie The Biggest Loser, Dschungelcamp oder Germany’s next
Topmodel by Heidi Klum an, anspruchslos und so überflüssig wie
ein Kropf. Dabei verfolgen die Werbestrategen längst nicht
mehr das eigentliche Ziel, durch Argumente Produkte
anzubieten, die sich aufgrund ihrer Eigenschaften von der
Konkurrenz abheben, es geht um Marktanteile und darum, der
Konkurrenz
das
Wasser
abzugraben,
wenn
zehn
Waschmittelhersteller behaupten, dass ihr Waschmittel sauberer
wäscht als das der Mitbewerber, müssen zwangsläufig neun von
ihnen lügen.
Im Jahre 2010 wurden in der Werbebranche weltweit Umsätze in
Höhe von 443 Milliarden Dollar (!) erreicht, wovon 40,7
Prozent durch TV-Werbung erzielt wurden, natürlich werden die
Kosten auf die Preise umgelegt und so von uns allen bezahlt.
So betrachtet und in dem Bewusstsein, dass sich die
sogenannten kommerziellen Fernsehsender fast ausschließlich
über die Werbung finanzieren, erscheint die vielgescholtene
GEZ-Gebühr geradezu wie ein „Schnäppchen“.
2011
beliefen
sich
in
Deutschland
die
Einnahmen
der
Werbeträger insgesamt auf knapp 19 Milliarden Euro, wovon vier
Milliarden Euro allein den werbenden Fernsehsendern zuflossen.
Schätzungen zufolge sind in Deutschland 500.000 Menschen in
der Werbebranche beschäftigt, wodurch deutlich wird, dass man
hier keine Mühen scheut, dem allgegenwärtigen Wachstumswahn
gerecht zu werden und den Menschen Produkte anzubieten, die
niemand braucht. Psychologische Tricks, Manipulationen,
Übertreibungen und schlichte Unwahrheiten sollen zum Kaufen
verführen, oft auch unterstützt durch prominente
Persönlichkeiten, deren Gage ebenfalls vom Verbraucher
mitgetragen werden muss. Haben wir eine Wahl?
Werbung muss sein, das ist unbestritten, aber sie sollte
sachlich und überzeugend sein, anstatt mit allen Mitteln und
unsinnigen Einlagen krampfhaft zu versuchen, mit kindlichem
Humor die Menschen zum Kauf zu bewegen.
„Wer auf andere Leute wirken will, der muss erst einmal in
ihrer Sprache mit ihnen reden.“ (Kurt Tucholsky)
Ihr
Horst Wüsten