Stellungnahme zu Entwurf elektronisch übermittelt / PDF, 175 KB

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36/SN-269/ME XXIV. GP - Stellungnahme zum Entwurf elektronisch übermittelt
BALLHAUSPLATZ 2, A-1014 WIEN
GZ ● BKA-817.386/0003-DSR/2011
TELEFON ● (+43 1) 53115/2527
FAX ● (+43 1) 53115/2702
E-MAIL ● [email protected]
DVR: 0000019
An das
Präsidium des Nationalrates
Parlament
Per E-Mail:
begutachtungsverfahren@parla
ment.gv.at
Betrifft:
Stellungnahme des Datenschutzrates
Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das
KommAustria-Gesetz sowie das VerbraucherbehördenKooperationsgesetz geändert werden
In der Anlage wird die Stellungnahme des Datenschutzrates zu dem im Betreff genannten Gesetzesentwurf übermittelt.
Anlagen:
DSR Stellungnahme
Votum Separatum
4. Mai 2011
Für den Datenschutzrat:
Der Vorsitzende:
MAIER
Elektronisch gefertigt
Dieses Dokument wurde mittels e-Mail vom Verfasser zu Verfügung gestellt. Für die Richtigkeit
und Vollständigkeit des Inhaltes wird von der Parlamentsdirektion keine Haftung übernommen.
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FAX ● (+43 1) 53115/2702
E-MAIL ● [email protected]
DVR: 0000019
An das
Bundesministerium für Verkehr,
Innovation und Technologie
Per Mail:
[email protected]
[email protected]
Betrifft: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das
KommAustria-Gesetz sowie das VerbraucherbehördenKooperationsgesetz geändert werden
Stellungnahme des Datenschutzrates
Der Datenschutzrat hat in seiner 207. Sitzung am 2. Mai 2011 mehrheitlich – mit
einer Gegenstimme – beschlossen, zu dem vorliegenden Gesetzesentwurf
nachstehende Stellungnahme abzugeben:
2) Datenschutzrechtlich relevante Bestimmungen:
Vorbemerkung
Vorweg bemerkt der Datenschutzrat, dass er davon ausgeht, dass die
gegenständliche EU-Richtlinie vollständig und richtig, insbesondere im
Hinblick auf Art. 5 Abs. 3, umgesetzt wird.
Kritisch anzumerken ist allgemein, dass im besonderen Teil der Erläuterungen z.T.
keinerlei Bezüge zwischen vorgeschlagenen neuen Textelementen und den
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zugrunde liegenden EU-Richtlinienbestimmungen hergestellt werden, worunter die
Nachvollziehbarkeit
der
Plausibilität
bzw.
Erforderlichkeit
der
Einfügungen
entsprechend leidet und in der Begutachtung ein unnötig erhöhter Zeitaufwand
entsteht (vgl. bspw. § 96 Abs. 3 TKGneu).
Zu Art. 1 Z. 28 des Entwurfs (§ 16a Abs. 3, 4, 7 und 11)
In § 16a Abs. 3, 4, und 7 ist hinsichtlich verschiedener Aufgabenstellungen jeweils
eine
„wahlweise“
Zuständigkeit
von
„Datenschutzkommission“
und
„Regulierungsbehörde“ vorgesehen. Dieser Regelungsansatz steht in einem
offenkundigen Spannungsverhältnis zu Art. 83 Abs. 2 B-VG. Nach stRsp des
Verfassungsgerichtshofs verpflichtet letztere Norm den einfachen Gesetzgeber dazu,
Behördenzuständigkeiten nach objektiven Kriterien, exakt, klar und eindeutig
festzulegen (vgl. VfSlg. 3156/1953; 9937/1984; 11.288/1987 u.a.). Die Regelung der
Behördenzuständigkeit
muss
präzise
sein
und
strengen
Prüfungskriterien
standhalten (VfSlg. 12.788/1991; 13.029/1992). Die Zuständigkeit darf insbesondere
nicht von Umständen abhängen, die vom Rechtsunterworfenen nicht vorhersehbar
sind (VfSlg. 14.192/1995). Dem vorliegenden Entwurf sind gerade ebensolche
Kriterien,
die
eine
klare
Abgrenzung
der
Zuständigkeiten
zwischen
Datenschutzkommission und Regulierungsbehörde erlauben würden, nicht zu
entnehmen.
Zu Abs. 4 ist festzuhalten, dass die Datenschutzkommission „im Rahmen ihrer
gesetzlichen Aufgaben“ keinerlei Zuständigkeit besitzt, Betreiber der öffentlichen
Kommunikationsnetze zu verpflichten, sich einer Sicherheitsprüfung durch die
Datenschutzkommission zu unterziehen, oder eine solche durchzuführen. Darüber
hinaus
steht
der
Datenschutzkommission
für
diese
vorgesehene
Kontrolltätigkeit kein (insbesondere auch kein hiefür geschultes) Personal zur
Verfügung.
Zu Art. 1 Z. 33 des Entwurfs (§ 23 Abs. 4)
Nach dieser Bestimmung soll „die Übertragung der Rufnummer des Teilnehmers
ohne seine „zumindest in elektronischer Form erteilte Zustimmung“ unzulässig sein.
Das dezidierte Abstellen auf ein bestimmtes Medium, bzw. einen bestimmten
technischen Kommunikationsweg erscheint im vorliegenden Fall nicht unbedingt
sachadäquat. Aus datenschutzrechtlicher Sicht kommt es lediglich auf das Vorliegen
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der Kriterien des § 4 Z 14 DSG 2000 an (informierte, zwangsfreie Einwilligung).
Schriftlichkeit oder gar eine bestimmte mediale Form (Papier, elektronischer Weg)
wird von § 4 Z 14 DSG 2000 nicht verlangt. Im vorliegenden Kontext spricht sicher
einiges dafür, aus Beweissicherungsgründen auf Schriftlichkeit abzustellen. Ob diese
Schriftlichkeit durch eine Einwilligung in elektronischer Form oder durch Unterschrift
auf einem Papierformular gewährleistet wird, ist dagegen sekundär. Die im Text
vorgesehen Formulierung „zumindest in elektronischer Form“ erweckt freilich den
Eindruck, bei Letzterer handle es sich um eine geringwertigere Form. Dies trifft
allerdings nicht zu. Es kommt, wie gesagt vielmehr auf die sonstigen Aspekte (echte
Freiwilligkeit, ausreichende Transparenz etc an). Es sollte daher sichergestellt
werden, dass auch die elektronische Zustimmung als ausreichend angesehen
wird.
Zu Art. 1 Z. 99 des Entwurfs (§ 92 Abs. 3 Z 11)
Diese Ziffer definiert die “Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten“ als
„jede Verletzung der Sicherheit, die auf versehentliche oder unrechtmäßige Weise
zur Vernichtung, zum Verlust, zur Veränderung und zur unbefugten Weitergabe von
bzw. zum unbefugten Zugang zu personenbezogenen Daten führt, die übertragen,
gespeichert oder auf andere Weise im Zusammenhang mit der Bereitstellung
öffentlicher Kommunikationsdienste in der Gemeinschaft verarbeitet werden“.
Diese Textierung entspricht wörtlich der deutschen Fassung des damit umgesetzten
Art. 2 lit. i der Richtlinie (RL) 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener
Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, ABl. L
201 vom 31.7.2002, S. 37, i.d.F. der RL 2009/136/EG, ABl. Nr. L 337 vom
18.12.2009, S. 11.
Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass sich hier allerdings ein sinnstörender Fehler
eingeschlichen hat. Die Verwendung des Bindeworts „und“ nach „Veränderung“
erweckt nämlich den Eindruck, dass nur eine „versehentliche oder unrechtmäßige“
Veränderung, die mit einer unbefugten Weitergabe einhergeht, unter den Begriff der
„Datenschutzverletzung“ fallen soll. Dies wäre aber weder sachlogisch begründbar
noch im Einklang mit Art. 17 Abs. 1 der „allgemeinen“ Datenschutzrichtlinie
95/46/EG, ABl. L 281, vom 23.11.1995, 31. Tatsächlich zeigt ein Blick in die
englische Sprachfassung des Art. 2 lit. i der Richtlinie (RL) 2002/58/EG, dass hier
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ein Übersetzungs- bzw. Redaktionsversehen vorliegen dürfte. Nach der englischen
Fassung bedeutet ein “personal data breach” nämlich “a breach of security leading to
the accidental or unlawful destruction, loss, alteration, unauthorised disclosure of, or
access to, personal data transmitted, stored or otherwise processed in connection
with the provision of a publicly available electronic communications service in the
Community.”
Im
Ergebnis
wäre
somit,
nach
Überprüfung
der
einschlägigen
Sprachfassungen, in § 92 Abs. 3 Z 11 TKGneu das Bindewort “und” durch das
Wort “oder” zu ersetzen.
Zu Art. 1 Z. 101 des Entwurfs (§ 95a)
§ 95 a Abs.1 des Entwurfes legt eine Informationsverpflichtung durch den
Betreiber der öffentlichen Kommunikationsdienste, im Falle einer Verletzung
des Schutzes personenbezogener Daten von Personen fest.
Soweit anzunehmen ist, dass Personen in ihrer Privatsphäre selbst beeinträchtigt
werden, hat der Betreiber auch die betroffenen Personen unverzüglich von dieser
Verletzung zu benachrichtigen.
Mit der Datenschutzgesetz - Novelle 2010 wurde erstmals bereits in § 24 Abs. 2a
DSG 2000, eine neue Informationspflicht bei Datenmissbrauch (Data Breach
Notification Duty) eingeführt. Um einheitliche Informationsverpflichtungen zu
gewährleisten, könnte vom zuständigen Ressort geprüft werden, ob im Zuge dieses
Gesetzgebungsverfahrens und im Einklang mit den Entwicklungen auf europäischer
Ebene, nicht auch eine Anpassung der Bestimmungen des § 24 Abs. 2 a DSG 2000,
an die zukünftige Regelung im Telekommunikationsgesetz erfolgen sollte.
Zu Art. 1 Z. 103 des Entwurfs (§ 96 Abs. 3 Satz 2 und 3)
Zufolge
des
§
96
Abs.
3
Satz
1
TKGneu
sind
Betreiber
öffentlicher
Kommunikationsdienste verpflichtet, den Teilnehmer oder Benutzer darüber zu
informieren, welche personenbezogenen Daten er ermitteln, verarbeiten und
übermitteln wird, auf welcher Rechtsgrundlage und für welche Zwecke dies erfolgt
und für wie lange die Daten gespeichert werden. Diese Regelung entspricht im
Wesentlichen der geltenden Rechtslage.
In Umsetzung des Art. 5 Abs. 3 der RL 2002/58/EG i.d.F. der RL 2009/136/EG wird
nun der zweite Satz neu gefasst. Demnach „ist eine Ermittlung dieser Daten ist
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nur zulässig, wenn der Teilnehmer oder Nutzer seine Einwilligung dazu erteilt
hat“. Dies, so der geringfügig modifizierte Folgesatz, „steht einer technischen
Speicherung oder dem Zugang nicht entgegen, wenn der alleinige Zweck die
Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein Kommunikationsnetz ist
oder, wenn dies unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Dienstes der
Informationsgesellschaft, der vom Teilnehmer oder Benutzer ausdrücklich gewünscht
wurde, diesen Dienst zur Verfügung stellen kann“. Um das Verhältnis der beiden
zuletzt zitierten Sätze zueinander zu verdeutlichen bzw. den Sinngehalt des
Letzteren leichter fassbar zu machen, sollte Satz 3 des § 96 Abs. 3 leg. cit. etwas
zielgerichteter formuliert bzw. eingeleitet werden, uzw. etwa wie folgt: „Keiner
solche Einwilligung bedarf es für eine technische Speicherung oder den
Zugang zu solchen Daten, wenn deren alleiniger Zweck die Durchführung […]
ist […].
Die zunehmende Verwendung so genannter „Cookies“ und vergleichbarer
technischer Gestaltungen werfen Bedenken im Hinblick auf den Schutz des
Grundrechts auf Datenschutz und der Gewährleistung der Vertraulichkeit und
Integrität informationstechnischer Systeme auf. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf
die Gefahr einer Profilbildung durch die Verknüpfung einer Vielzahl von – z. B. unter
Einsatz von „Cookies“ gewonnener - Informationen und Daten, ohne das der Nutzer
hiervon Kenntnis oder Einfluss hierauf hat.
Zur Problematik von „Cookies“ verweist in diesem Zusammenhang der
Datenschutzrat auf Erwägungsgrund 66 der Richtlinie 2009/136/EG, zur
Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte
bei elektronischen Kommunikationsnetzen und –diensten, der Richtlinie
2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz
der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung
(EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, sowie auf
die laufende Diskussion auf europäischer Ebene, wo Guidelines für die
Umsetzung des Artikel 5 Abs. 3 der gegenständlichen Richtlinie erarbeitet
werden.
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Zu Art. 1 Z. 110 des Entwurfs (§ 106 Abs. 2 und 3)
Zur in § 106 TKG schon bisher geregelten „Fangschaltung“ ist anzumerken, dass
dem Gesetz keinerlei Befristungen – etwa im Sinne einer Höchstdauer - für solche
Maßnahmen zu entnehmen sind. Da in bestimmten sensiblen Zusammenhängen
(Bsp.: Hotline für psychische Krisenfälle uä.) ein grundsätzliches Interesse von
Anrufern bestehen kann, insbesondere durch die angerufene Stelle nicht identifiziert
zu werden, böte es sich im Zuge der Novellierung an, auch diese Frage zu regeln.
Sonstiges
In den Erläuterungen zu § 16a ist sinnstörender Weise die Rede davon, dass „[…]
diese Probleme auch Gefahren der Sicherheit oder Vertraulichkeit der Daten selbst
verursachen [können], die die Datenschutzkommission gemäß § 95a zu vollziehen
hat“.
Abschließend hält der Datenschutzrat aus grundsätzlichen Überlegungen
Folgendes fest:
Um die Tätigkeit der Datenschutzkommission als Kontrollbehörde in diesem
Zusammenhang sicherzustellen, wäre für deren Kontrolltätigkeit zuerst die
gesetzliche Zuständigkeit klarzustellen.
Sollten der Datenschutzkommission Kontrollaufgaben nach dem TKG im Sinne
dieses Entwurfes übertragen werden, muss allerdings sichergestellt sein, dass zur
Erfüllung dieser Aufgaben auch die dafür erforderlichen Ressourcen zur Verfügung
gestellt werden.
Darüber hinaus ersucht der Datenschutzrat, vor Erlassung der im Gesetzesentwurf
vorgesehenen
Verordnungsermächtigungen
und
im
Falle
eines
datenschutzrechtlichen Bezugs, dem Datenschutzrat die Möglichkeit zur Abgabe
einer Stellungnahme zu geben.
Anlage:
Votum Separatum Dr. Zeger
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Für den Datenschutzrat
Der Vorsitzende:
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Hans G. Zeger1,
Datenschutzrat - Votum Separatum Dr. Hans G. Zeger vom 2. Mai 2011
betreffend den Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes
2003 (TKG 2003)
VORBEMERKUNG
Die Stellungnahme des Datenschutzrates zum Entwurf Änderung des
Telekommunikationsgesetzes 2003 wird ausdrücklich begrüßt, erfordert
jedoch an entscheidender Stelle, die offenbar aus klientenpolitischen
Gründen nicht konsensfähig ist, eine Klarstellung.
UNZUREICHENDE UMSETZUNG DER RICHTLINIE 2009/136/EG
Die Richtlinie 2009/136/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom
25. November 2009 enthält wesentliche Verbesserungen des Schutzes der
Bürger, insbesondere im Bereich des Datenschutzes.
Unter anderem erfolgt eine Neuformulierung des Art. 5 Abs. 3 der
Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und
den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation.
Kern der Neuformulierung ist eine verbesserte Rechtsstellung von
Teilnehmern und Nutzern bei der Verwendung und Übertragung von
Nachrichten (inklusive persönlicher Daten der Teilnehmer und Nutzer).
Dies betrifft alle Formen der elektronischen Kommunikation, also sowohl
alle "elektronischen Kommunikationsdienste", alle "Dienste mit
Zusatznutzen", als auch alle "Dienste der Informationsgesellschaft".
Auch aus dem Erwägungsgrund 66 der RL 2009/136/EG, der detaillierte
Hinweise zur Speicherung von Informationen auf Endeinrichtungen des
Benutzers enthält (inklusive der Speicherung sogenannter Cookies oder des
Einsatzes von Smartfon-Apps), geht hervor, dass das Ziel der Richtlinie
nicht bloß die Regelung von Systemen, Diensten oder Webseiten von
Telekom- und Internetanbietern (Netzbetreibern) ist, sondern alle
elektronischen Kommunikationsdienste und Kommunikationsformen
einschließt, egal unter welchen Titeln und von wem sie angeboten werden,
jedenfalls auch alle öffentlich nutzbaren Internetangebote,
Smartfondienste, soweit sie zur Kommunikation geeignet sind, egal wer sie
erbringt (etwa "Anbieter" von "Diensten der Informationsgesellschaft"
oder von "Diensten mit Zusatznutzen").
Eine entsprechende Klarstellung findet sich auch in den bestehenden
Erwägungsgründen zur Datenschutzrichtlinie für elektronische
Kommunikation (2002/58/EG), u.a. werden in EW 18 und 35 beispielhaft
1
Autor von "MENSCH. NUMMER. DATENSATZ. Unsere Lust an totaler Kontrolle",
Residenzverlag 2008, "Paralleluniversum Web2.0", Kremayr&Scheriau 2009 und
zahlreicher weiterer Fachpublikationen, Lektor am Juridicum Wien, Mitglied des
Datenschutzrates im Bundeskanzleramt und Geschäftsführer der "e-commerce monitoring
GmbH", Obmann der "ARGE DATEN - Österreichische Gesellschaft für Datenschutz"
(http://www.zeger.at)
03.05.2011, 12:22/neu [korrigiert/endgültig]
tkg-novelle-2011.doc, 1/4
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Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes 2003 (TKG 2003)
Navigationshilfen, Wetterdienste oder Verkehrsdienste als Beispiele für
derartige Dienste genannt und auf die Verarbeitung sonstiger, über die
Standortdaten der Netzbetreiber hinausgehenden Daten bezug genommen, die
detaillierter als die Daten der Netzbetreiber sein können.
Es ist systemwidrig und für Bürger nicht nachvollziehbar, warum ein
bestimmtes Kommunikationsangebot, z.B. eine webbasierte E-Mail-Plattform
unter den besonderen Schutz der Richtlinie 2009/136/EG (inkl. 2002/58/EG
und 2002/22/EG) fällt und eine andere, möglicherweise sogar technisch
idente E-Mail-Plattform nicht, bloß weil der Anbieter in einem Fall unter
die im Entwurf nach § 3 Z 3 einschränkende Definition des "Betreibers
eines Kommunikationsdienstes" (Z 6 des Entwurfs) fällt und im anderen
Fall nicht, da in einem Fall eine eigene Signal- bzw. Netzinfrastruktur
betrieben wird und im anderen Fall nur die Infrastruktur eines Dritten
genutzt wird.
Gleiches gilt auch bei Diensten, die über intelligente Telefongeräte
(sog. "Smartphones") erbracht werden. Nach dem derzeitigen Entwurf wäre
zwar die Verwendung und Aufzeichnung von Standortdaten durch den
Telefondienstbetreiber geregelt, nicht jedoch die Aufzeichnung und
Verwendung derartiger Daten durch den Hersteller des Mobiltelefons, dem
Hersteller des Smartphone-Betriebssystems oder durch sonstige Dritte. Die
Aufzeichnung und Verwendung dieser Daten hätte jedoch dieselbe
Eingriffsintensität und wäre für die Betroffenen in den Auswirkungen auf
seine Grundrechte und Privatsphäre nicht unterscheidbar.
Aus der Regelung würden auch alle Dienstangebote herausfallen, die
Internetverkehrsdaten zum Zwecke des "Behavioral targeting" für UserTraking verwenden. Auch hier ergibt sich dasselbe Bild, Netzbetreiber
wären strengen Regelungen unterworfen, sonstige Dienstanbieter, die kein
eigenes Netz verwenden - das ist die Mehrzahl der Dienstanbieter - wären
diesen Regelungen nicht unterworfen, obwohl in der Richtlinie kein
derartiger Unterschied gemacht wird.
Ebenfalls nicht geregelt wäre der Einsatz von sogenannten Apps durch
Dritte (etwa Verkehrsinformationen, Navigations- und Wetterdienste, wie
sie in der Richtlinie ausdrücklich als Beispiele für "Dienste mit
Zusatznutzen" angeführt wurden). Betreibern von Kommunikationsnetzen wäre
deren Einsatz größtenteils verboten bzw. auf Grund der Richtlinie streng
reguliert, Dritte könnten dieselben Apps mit derselben Funktionalität
weitgehend unreguliert einsetzen.
Im Ergebnis erlegt der Entwurf einerseits den Betreibern von
Kommunikationsnetzen sachlich unbegründet strengere
Datenschutzbestimmungen auf als sonstige Dienstanbieter ohne eigene
Infrastruktur ("Dienste mit Zusatznutzen", "Dienste der
Informationsgesellschaft"), andererseits ist das Gesetz geradezu eine
Einladung zu Umgehungskonstruktionen. Betreiber von Kommunikationsnetzen
die Zusatzdienste an Tochterunternehmen oder Dienstleister ohne eigene
Infrastruktur auslagern, wären von der Regelung nicht (mehr) betroffen.
Der Änderungsentwurf des TKG 2003 zitiert zwar an verschiedenen Stellen
Datenschutzbestimmungen aus der Richtlinie, u.a. in § 96 (Z 103 des
Entwurfes) bzw. § 3 Z 23 (Z 11 des Entwurfes), unterlässt jedoch in den
Begriffsbestimmungen (§ 3) bzw. in den speziellen Datenschutzbestimmungen
(§ 92) eine Klarstellung wer und in welcher Form als "Anbieter" von
03.05.2011, 12:22/neu
tkg-novelle-2011.doc, 2/4
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Datenschutzrat - Votum Separatum Dr. Hans G. Zeger vom 2. Mai 2011 betreffend den
Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes 2003 (TKG 2003)
Diensten der Informationsgesellschaft zu verstehen ist und was unter
"Dienste der Informationsgesellschaft" zu verstehen ist.
Es wird daher dringend empfohlen den Entwurf dahingehend zu korrigieren,
dass alle modernen Angebote und Formen von Kommunkationsdiensten erfasst
werden. Insbesondere ist sicherzustellen, dass
a) die Definition der "Dienste der Informationsgesellschaft" und der
"Dienste mit Zusatznutzen" in die Begriffsbestimmungen (§ 3)
aufgenommen wird und dazu auf die bewährte Definition des
Notifikationsgesetzes 1999 (§ 1 Abs. 1 Z 2 lit b2) zurückgegriffen
wird (inklusive der Korrektur der fehlerhaften und unvollständigen
Definition von Z 23a "zugehörige Dienste" (Z 12 des Entwurfes)3,
b) die "Anbieter" von "Diensten der Informationsgesellschaft" und von
"Diensten mit Zusatznutzen" ausdrücklich als Normadressaten der
Datenschutzbestimmungen in § 92 aufgenommen werden und
c) der gesamte Entwurf dahingehend überarbeitet wird, dass die
Datenschutzbestimmungen jedenfalls auf alle "Dienste der
Informationsgesellschaft" und "Dienste mit Zusatznutzen" - wie in der
Richtlinie vorgesehen - anwendbar ist.
KONSEQUENZ EINER MANGELHAFTEN UMSETZUNG
Es sei abschließend darauf hingewiesen, dass die Regelungen der
Kommunikationsrichtlinien zwar vorrangig Anbieter und Betreiber von
Telefon- und Internetnetzen betreffen, dass aber auch schon bisher
einzelne Regelungen auch alle anderen Benutzer und Teilnehmer
einbeziehen. Dies betrifft insbesondere die Datenschutzbestimmungen oder
die Bestimmungen zu unerbetener Werbung.
Schon bei der letzten Umsetzung des Kommunikationsrahmens wurde versucht
in einem Teilbereich (den Spam-Bestimmungen) von den Richtlinienvorgaben
abzuweichen.
Mit der vorhersehbaren Konsequenz, dass die fehlerhafte Bestimmung vom
EUGH aufgehoben wurde und Österreich eine Novellierung vornehmen musste.
Die aus der damalig fehlerhaften Umsetzung resultierenden Unsicherheiten
hatten sowohl das Vertrauen der Benutzer in elektronische
Kommunikationsmittel belastet, als auch erhebliche Kosten bei den
umsetzenden Unternehmen verursacht.
2
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§ 1 Abs. 1 Z 2 NotifG 1999: "„Dienst”: eine Dienstleistung der
Informationsgesellschaft, das ist jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im
Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung,
wobei im Sinne dieser Definition bedeuten:
a) „im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung”: eine Dienstleistung, die ohne
gleichzeitige physische Anwesenheit der Parteien erbracht wird,
b) „elektronisch erbrachte Dienstleistung”: eine Dienstleistung, die mittels Geräten
für die elektronische Verarbeitung, einschließlich digitaler Kompression, und
Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen und
vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischen Weg
gesendet, weitergeleitet und empfangen wird, und
c) „auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung”: eine
Dienstleistung, die durch die Übertragung von Daten auf individuelle Anforderung
erbracht wird;
Die fehlende Berücksichtigung der "Dienste mit Zusatznutzen" und der "Dienste der
Informationsgesellschaft" könnte sowohl als Korrektur der bestehenden Z 9 des § 3 TKG
2003 (“Kommunikationsdienst”) erfolgen oder durch zusätzliche Definition der
beiden Dienste.
03.05.2011, 12:22/neu
tkg-novelle-2011.doc, 3/4
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Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes 2003 (TKG 2003)
Abgesehen von grundrechtlichen Überlegungen zum Schutz der Privatsphäre
ist auch aus Wettbewerbsgründen die völlige und durch das
Richtlinienpaket vorgegebene Gleichstellung aller Anbieter von
Kommunikationsdiensten, Diensten mit Zusatznutzen und Diensten der
Informationsgesellschaft, unabhängig von der Art der Nutzung der
Kommunikationsnetze erforderlich.
03.05.2011, 12:22/neu
tkg-novelle-2011.doc, 4/4
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