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Theater
Frank Castorf inszeniert »Im Dickicht der Städte«
Titel, Im Dickicht der Städte
Autor, Bertolt Brecht
Regie, Frank Castorf
Produzent, Bert Neumann
Kostüm, Bert Neumann
Darsteller, Hendrik Arnst, Rosalind Baffoe-Neef, Herbert Fritsch, Marc Hosemann, Irina Kastrinidis, Astrid Meyerfeld,
Milan Peschel, Jeanette Spassova, Volker
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Der junge Brecht an der Berliner Volksbühne
w w w. s u m m a c u l t u r a . d e
9. Woche | 2006
Volksbühne am
Rosa-Luxemburg-Platz
Rosa-Luxemburg-Platz
10178 Berlin
Kartentelefon
+49(0)30 - 2476772
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Spengler
Termine, 23./25./26. Februar, 04./11./19.
SUMMA-METER
März 2006
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MEDIEN-ECHO
© Wikipedia
Inhalt
Besonderheit
Kampf. Der malaiische Holzhändler Shlink tritt eines Tages un-
Sportmetaphern. Bertolt Brecht beschrieb sein Stück als den un-
vermittelt in das Leben George Gargas, dem Angestellten einer
Leihbibliothek im Chicago der 1910er Jahre, und fordert ihn zu
einem metaphysischen Kampf um Leben und Tod heraus. Die
Auseinandersetzung der beiden ungleichen Männer, die keineswegs so unerklärlich ist, wie Brecht sie zu charakterisieren
pflegte, ist ein Ringen um Nähe, um den Versuch, der sie umgebenden Einsamkeit zu entkommen. Der Kampf ist dabei bloÿ die
ihnen eigene Art der Kontaktaufnahme, die Frank Castorf an der
Berliner Volksbühne in Szene setzt.
erklärlichen Ringkampf zweier Menschen und rückte es damit
in ein von ihm durchaus explizit sportlich verstandenes Umfeld.
Theater als Kampf offenbart seiner Meinung nach zahlreiche
Parallelen zum sportlichen Wettstreit: Theater ist Kampf ohne
Grund und ohne Feindschaft. Es geht nicht um den Sieg nach
Punkten, sondern um die Existenz ... Zerbrechen Sie sich nicht
den Kopf über die Motive dieses Kampfes, sondern beurteilen
Sie unparteiisch die Kampfform der Gegner und lenken Sie Ihr
Interesse auf das Finish.
Kritikenspiegel
Ideenlos. Fast ratlos scheint die Kritik auf die für Frank Castorf
gänzlich untypische Ideenlosigkeit zu reagieren, die seine Interpretation von Bertolt Brechts Im Dickicht der Städte durchziehe. Ohnehin - so Bert Rebhandl (Der Standard) - gebe das
Stück für die Gegenwart nicht viel her ... Was Frank Castorf
daraus macht, ist Beschäftigungstherapie für ein Theater, von
dem er im Moment nicht zu wissen scheint, was es soll. Irene
Bazinger (FAZ) erkennt in dem Werk des jungen Brecht auÿer
etlicher Poesie und Sportmetaphorik ein gerüttelt Maÿ an sozialkritischem Potential ; ähnlich verhalten beurteilt sie den erlebten
Theaterabend: Die knapp dreistündige Aufführung begnügt sich
mit biederen Erzählarrangements, eingeschobenen darstellerischen Mätzchen und viel Leerlauf. Castorf biete dem Zuschauer
nicht mehr als Schlamperei, Belanglosigkeit und Trivialität ,
sei offenbar inzwischen im Umgang mit Stücken aus der Übung
geraten . Petra Kohse (FR) zeigt sich enttäuscht darüber, dass
Castorf den menschlichen Kampf, der dem Werk innewohne,
nicht einmal im Ansatz skizzieren könne. Auch die Darsteller
könnten die Inszenierung nicht retten: Die Interessenlosigkeit,
die diese Inszenierung verströmt, muss daran liegen, das schauspielerisch zu viele Leerstellen bleiben. Solcherlei konnte Eva
Behrendt (taz) hingegen keineswegs ausmachen: Castorf arbeite
mit bewährten Castorf-Mitteln und einem exzellent exzentrischen Ensemble . Auch Reinhard Wengierek (Die Welt) erlebte
eher eine bunt bewegte und doch unheimlich schwarzumflorte
Brecht-Inszenierung . Mit seiner Einschätzung, dass Castorfs
Arbeit ein Glück für den ollen armen BB und für die bei aller
Deftigkeit doch hoch artifizielle Volksbühne darstelle, dürfte er
unter seinen Kritikerkollegen jedoch recht isoliert dastehen.
Biografisches
Frank Castorf, *17.07.1951 in (Ost-)Berlin, ist Intendant der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und eine der zentralen Gestalten der deutschen Theaterlandschaft. Er studierte an
der Humboldt-Universität Theaterwissenschaft und ging 1976 als
Dramaturg nach Senftenberg. Nach ersten eigenen Regiearbeiten
wurde er 1981 Oberspielleiter am Theater in Anklam und inszenierte ab 1986 an zahlreichen Bühnen der DDR. Von 1990 bis
1992 war Castorf Hausregisseur am Deutschen Theater in Berlin.
1992 trat er seinen jetzigen Intendantenposten an. Schon nach
einem Jahr seiner Amtszeit wurde die Volksbühne zum Theater
des Jahres gekürt. Er selbst erhielt zweimal die Auszeichnung
Regisseur des Jahres (2002 und 2003). Gastinszenierungen
führten ihn unter anderem nach Basel, Hamburg, Stockholm,
Wien und Zürich.
Ähnliche Werke
Bertolt Brechts Im Dickicht der Städte läuft zur Zeit auch
in Hamburg auf Kampnagel. In seiner Inszenierung verlagert
Regisseur Dariusch Yazdkhasti allerdings den Fokus weg vom
überzeitlichen Existenzkampf hin zu einer Betrachtung der familiendynamischen Momente der Vorlage: Es interessiert ihn
vor allem, wie im Verlauf des Dramas die Familie Gargas als ursprünglicher Hort von Zuversicht und Verlässlichkeit zerbricht.
Von der Presse wurde dies unterschiedlich aufgenommen: Frank
Keil (Die Welt) erkennt dank dieser Inszenierung erst, wie schön
Brecht das Dickicht der Städte gedichtet habe; andere sehen in
ihr eine Abkehr von Brechts eigentlicher Intention.
sr