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'.~!'({IPORTRÄT
omedas Musik war kühl und modern, aber in ihr schlug ein menschliches Herz. Er war der Filmmusiker
par excellence. Er gab meinen Filmen
Wert. Sie wären bedeutungslos ohne seine
Musik." So äußerte sich Roman Polanski auf
Joachim-Ernst Berendts Platten-Album "We'll
Remember Komeda" (MPS). Polanski hatte
Krzysztof Komeda 1957 im Umfeld der Filmhochschule in Lodz kennengelernt, als dieser
sich der ersten polnischen Jazz-Gruppe "Melomani" anschloss, gegründet 1952 von dem
Krakauer Underground-Jazz-Aktivisten Jerzy
Matuszkiewicz und dem Filmstudenten aus
Lodz Witold Sobocinski, der später berühmt
wurde als Kameramann von Jerzy Skolimowski ("Hände hoch", 1967; "The Adventures of Gerard", 1970), Andrzej Wajda
("Alles zu verkaufen", 1969; "Hochzeit",
1973; "Das gelobte Land", 1974), Krzysztof
Zanussi ("Familienleben", 1971; "Wege in
der Nacht", 1979), Andrzej Zulawski ("Ein
Drittel der Nacht", 1971) und Roman Polanski ("Piraten", 1986; "Frantic ", 1988).
K
Auf einer der ersten Platten in der Geschichte
des polnischen Jazz überhaupt - "Melomani
1952-57" - nahm Komeda gemeinsam mit
Matuszkiewicz, Sobocinski, Andrzej "Idon"
Wojciechowski und Witold Kujawski noch unter seinem bürgerlichen Namen Krzysztof
Trzcinski Duke Ellingtons Klassiker "Caravan"
auf. Es waren die Kindertage der polnischen
Jazz-Szene, die sich in der politischen "Tauwetter"-Periode nach 1956 rasant entwickelte
und das neue Lebensgefühl einer unangepassten Jugend-Generation beflügelte, für die
Kriegserlebnisse und Schrecken des stalinistischen Terrors, denen sie mit existenzialistischem Gestus begegnete, prägend waren. Eine
wahre Eruption der Kreativität und Talente erfasste damals das Land, die in literarischen Kabaretts wie "Bim-Bom" in Danzig und "Piwnica pod baranami" ("Keller unter den Widdern") in Krakau, in kiassischer, atonaler Musik von Krzysztof Penderecki, Witold Lutoslawski oder Wojciech Kilar, in Inszenierungen
avantgardistischer Theatermacher wie Tadeusz
Kantor, Erwin Axer oder Jozef Szajna, in den
Filmen der "Polnischen Schule" (Munk,
Wajda, Kawalerowicz) und der so genannten
Dritten Generation (Polanski, Skolimowski), in
den Animationen von Jan Lenica, Walerian
Borowczyk oder Miroslaw Kijowicz sowie in
der Etablierung einer vitalen, einzigartigen
Jazz-Szene ihren Ausdruck fand.
Die professionelle Jazz-Pianisten-Karriere von
Krzysztof Komeda-Trzcinski begann im Sommer 1956, als er mit der Dixieland-Band von
Jerzy Grzewinski beim l. Jazz-Festival in Sopot auftrat. Sein Interesse für die noch verbotene Musik erweckte der Swing-Bassist Witold Kujawski, in dessen Krakauer Wohnung
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film-dienst 11/2009
Anfang der 1950er-Jahre illegale Jam Sessions
stattfanden. In dieser "Katakomben"-Periode
gehörte Kujawski zu den Vorreitern der polnischen Jazz-Szene. Über Dixieland und Bebop fand Komeda schnell zu zeitgenössischem Jazz und gründete 1956 mit dem Saxofonisten Jan "Ptaszyn" Wroblewski und
dem Vibrafonisten Jerzy Milian das "Komeda
Sextett", dessen Repertoire als Synthese aus
europäischem und Cool Jazz der damals wegweisenden Formationen The Gerry Mulligan
Quartet und Modern Jazz Quartet gilt. Da
Jazz immer noch im Verdacht stand, billige
Nachtklub-Musik zu sein, und Krzysztof
Trzcinski in seinem bürgerlichen Leben in einer Posener Klinik als Hals-Nasen-Ohren-Arzt
arbeitete, verbarg er seine Faszination für
Jazz unter dem Künstlernamen Komeda. In
Posen war er 1931 auch zur Welt gekommen
und hatte seit frühester Kindheit Klavierunterricht genommen, was ihm angesichts
seines außergewöhnlichen Talents im Alter
von acht Jahren die Aufnahme in das Posener
Konservatorium ermöglichte. Der Kriegsausbruch 1939 durchkreuzte Komedas angestrebte musikalische Laufbahn. Nach Abitur
und Musik-Gymnasium entschied er sich für
ein Medizin-Studium.
1958 beschloss Komeda endgültig, Jazz-Musik
zu seinem Beruf zu machen. Zu dieser Zeit
schrieb er gerade seine erste Filmmusik zu
dem Studentenfilm von Roman Polanski
"Zwei Männer und ein Schrank" - es wurde
der Beginn einer engen Freundschaft und einer kongenialen Zusammenarbeit zwischen
dem bald weltberühmten Regisseur und einem der Wegbereiter des modernen Jazz in
Polen und in Europa. Ein melancholischer
Score mit einem lyrischen Sax-Klavier-Thema
für die beiden Außenseiter und hektischen
Einlagen mit Vibrafon-Klängen für die ihnen
feindlich gegenüberstehenden Menschen in
der Stadt. 1959 entstand die Filmmusik zu
einem weiteren Studentenfilm von Polanski,
"Wenn die Engel fallen", oszillierend zwischen Cool Jazz und einem von Harmonium,
Vibrafon, Glocken und Chor im Stil eines
Oratoriums überhöhten Thema des fallenden
Engels. Nach einem Festivalaufenthalt in Grenoble besuchte Komeda 1961 Polanski in Paris und untermalte musikalisch den Kurzfilm
"Le gros und le maigre", gefolgt von "Die
Säugetiere" (1962) mit einer gewitzten, ironisch das groteske Geschehen kommentierenden Banjo-Musik in Anlehnung an
Django Reinhardt, bis hin zu wilden
Saxofon-Improvisationen bei den beidseitigen
Versklavungsversuchen der Figuren. Ab 1959
nahm er am Jazz Jamboree in Warschau teil,
einem hochkarätig besetzten Festival für modernen Jazz, wo er 1962 seine von der heimischen Kritik kühl aufgenommene Komposition "Ballet-Etudes" vorstellte, die den
Auftakt zu seiner europaweiten Karriere bildete. Bereits 1960 präsentierte Komeda beim
Jazz Jamboree und später in der Warschauer
Philharmonie das Programm "Jazz und Poesie", bei dem zwei Schauspieler Lyrik polnischer Dichter zu Jazz-Impressionen seines
Sextetts rezitierten. Noch im selben Jahr unternahm er seine erste Skandinavien-Reise,
wohin er fortan jedes Jahr zurückkehrte. Komedas Auftritte in "Gyllene Cirkeln" in
Stockholm und im Kopenhagener "Jazzhus
Montrnartre", beide erste Adressen für amerikanische Jazz-Stars in Europa, waren von
nachhaltigem Erfolg gekrönt, sodass das Hamburger Label Metronome seine Kompositionen, aufgenommen vom "Komeda
Quintett" in der internationalen Besetzung
Allan Botschinsky (Trompete), Jan "Ptaszyn"
Wroblewski (Tenorsaxofon), Krzysztof Komeda (Klavier), Roman "Gucio" Dylag (Bass)
und Rune Carlsson (Schlagzeug) 1963 auf
der LP "Ballet etudes - The Music of Komeda" herausbrachte.
Daraufhin erhielt Komeda vom dänischen Regisseur Hennig Carlsen den Auftrag, Musik
zu seinen Filmen "Hvad med os?" ("How
About Us?", 1963), "Kattorna" ("The Cats",
1965) und "Sult" ("Hunger", 1966), einer im
Wettbewerb von Cannes uraufgeführten
Knut-Hamsun-Adaption, zu schreiben. Die
Komposition zu "Kattorna" findet sich auf
seiner wohl wichtigsten Platte wieder: "Astigmatic", eingespielt 1965 für das polnische Label Muza vom "Komeda Quintett" in der Besetzung Krzysztof Komeda, Tomasz Stanko
(Trompete), Zbigniew Namyslowski (Altsaxofon), Günter Lenz (Bass), Rune Carlsson
(Schlagzeug), die in der Fachwelt bis heute
als exemplarischer Ausdruck einer eigenständigen europäischen Jazz-Ästhetik gilt. Komeda gastierte auf Jazz-Festivals in Prag, Bled/
Jugoslawien und KonsbergiNorwegen; ging
auf Tournee nach Bulgarien, in die DDR und
die Bundesrepublik Deutschland. Aus den
wechselnden Besetzungen seines Quintetts
rekrutieren sich die großen Namen der polnischen Jazz-Szene wie Tomasz Stanko, Jan
"Ptaszyn" Wroblewski, Zbigniew Namyslowski, Michal Urbaniak. Sein unverwechselbarer

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