aufsicht mit gebrüll
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aufsicht mit gebrüll
Unternehmen Aufsichtsräte AUFSICHT MIT GEBRÜLL D a ist einer runde drei Jahrzehnte im Geschäft, hat die 60 rüstig überschritten – und dann muss sich der langjährige Allianz-Vorstand Reiner Hagemann examinieren lassen: Wie sind die Ertragsmechaniken von Lebensversicherungsprodukten? Schon mal einen internationalen Merger gemanagt? Erklären Sie uns doch die Maklerkanäle in der Schweiz, die Vertriebspfade in Österreich – ja, geht’s noch? Hagemann kam sich vor wie bei einem Bewerbungsgespräch, als der Finanz- konzern Fortis seine Eignung für den Board des Unternehmens prüfte; der soll, ähnlich dem deutschen Aufsichtsrat, die Firmengeschäfte kontrollieren. Erst die Befragung durch Headhunter, dann machte sich der Chairman ein Bild von Persönlichkeit und Expertise, schließlich gab das Nominierungskomitee des Boards ein Votum ab: „Ein paar Monate kann sich eine solche Prozedur schon hinziehen“, erzählt Hagemann. In Deutschland sei ein solch intensives Auswahlverfahren „eher die Ausnahme“. Nachdem er im Streit mit Allianz-Chef Michael Diekmann (54) vor drei Jahren den Münchener Konzern verlassen hatte, wandte sich Hagemann einer neuen Beschäftigung zu: Er wollte sein Wissen nicht brachliegen lassen, sich die eine oder andere Prämie hinzuverdienen – und wurde Berufsaufsichtsrat. Dass er seinem Ex-Chef die Meinung geigte, hat ihm geholfen, vor allem im Ausland: Er gilt als unabhängiger, kritischer Geist. Andererseits hat er mit seiner Schelte nach Auffassung des engeren ERHARD SCHIPPOREIT (60) REINER HAGEMANN (61) EX-EONFINANZVORSTAND EX-ALLIANZ-VORSTAND Prüfexperte: Der Anerkannter Versicherungsfachmann („Mister Allianz“). Schied im Streit mit Allianz-Chef Diekmann. Mandate: Eon Energie, Bayer Schering Pharma, Wüstenrot & Württembergische. Kritischer Geist: Finanzer wird gern für den anspruchsvollen Prüfungsausschuss engagiert. Mandate: SAP, Deutsche Börse, Hannover Rück, Fuchs Petrolub; Berater für BNP Paribas, Fidelity. Unternehmen Aufsichtsräte UNTERNEHMENSFÜHRUNG Die Finanzkrise legt die Schwächen der Corporate Governance bloß. Sind Berufsaufseher die Lösung? Zirkels der Deutschland AG wider den Komment verstoßen und deshalb eine Ratskarriere in ihren Kreisen verwirkt. So musste Hagemann hierzulande mit Mandaten aus der zweiten Prestigereihe vorliebnehmen: bei Eon Energie etwa, bei Bayer Schering Pharma, beim Finanzdienstleister Wüstenrot & Württembergische, bei der Hochtief-Tochter Facility Management. Das stört ihn nicht. Er weiß, was er kann. Und er weiß, dass sie Leute wie ihn brauchen in Zeiten der Wirtschafts- CLEMENS BÖRSIG (60) EX-FINANZVORSTAND DEUTSCHE BANK Trendsetter: Prominentester Vertreter der Zunft der Berufsaufsichtsräte. Wechselte im noch rüstigen Manageralter auf den Stuhl des Aufsichtsratschefs der Deutschen Bank. Weitere Mandate: Bayer, Linde, Daimler. krise, mehr als je zuvor. Denn es fehlt an geeignetem Personal, vor allem mit Finanzmarkt-Know-how, in der Unternehmenskontrolle. Der Bedarf ist gewaltig. Nicht nur die rund 14 000 Aktiengesellschaften suchen händeringend nach qualifizierten Aufsehern. Auch immer mehr Familienfirmen wollen externe Expertise für ihre Gremien. Und jetzt tritt auch noch der Staat als zusätzlicher Nachfrager auf den Plan, bei den von ihm alimentierten und kontrollierten Unternehmen wie Commerz- managermagazin 4/2009 41 FOTOS: ANDREAS BUCK, JENS SCHWARZ, ANDREAS POHLMANN bank, Hypo Real Estate (HRE) – und wer auch immer noch folgen mag. „Es muss dringend mehr Professionalität ins System“, fordert der Berliner Wirtschaftsprofessor Axel von Werder, Mitglied der Regierungskommission Corporate Governance. Das Versagen der Räte, die Beinahepleiten (IKB, HRE) nicht wittern, Korruption nicht erkennen (Siemens), sich von Bespitzelungen überrascht zeigen (Bahn, Telekom) und teure Firmenkäufe durchwinken, wird nicht nur zu Turbulenzen bei den anstehenden Hauptversammlungen führen. In einer Zeit, in der staatliche Einflussnahme das Gesellschaftsbild prägt, beschäftigt das Fehlverhalten der Firmenwächter auch Koalitionsrunden und Staatsanwaltschaften – die rezessionsgeplagte Öffentlichkeit ohnehin. Es knarzt und knirscht an vielen Ecken, allen Reformen zum Trotz. Die gesetzlichen Auflagen wurden seit den Bilanzskandalen Ende der 90er Jahre beständig verschärft. Es folgten Novellen unter melodischen Kürzeln wie KonTraG, TransPuG, UmaG. Seit 2002 ist zudem der Deutsche Corporate Governance Kodex, ein Bündel freiwilliger Regeln, in Kraft. Und bis zum Sommer will die Bundesregierung das neue Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) verabschieden, das weitere Kontrollvorschriften vorsieht. So soll der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats zu einer Art Supergremium aufgewertet werden: Unabhängige Finanzexpertise ist Pflicht; die Aufgabe wird um Risikomanagement, Controlling und Compliance erweitert. Auch in der Praxis hat sich tatsächlich einiges bewegt. So haben etliche Firmen mittlerweile einen Nominierungsausschuss, der gezielt Kandidaten für den Aufsichtsrat sucht. Unternehmensberater bilden Aufsichtsräte aus, verleihen sogar TÜV-Zertifikate (für 950 Euro). Sparkassen schicken ihre Beiräte auf die Schulbank. Arbeitnehmer-Aufsichtsräte lassen schon mal Strategiepapiere des Vorstands mit externer Hilfe vorab analysieren, damit sie die betreffenden Rats- Unternehmen Aufsichtsräte Die Krönung der Karriere Eine Exklusivstudie über den Aufstieg bisheriger Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat Das Problem: Der Wechsel von bisherigen Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat des Unternehmens hat aus Sicht der Befürworter einen Vorteil: Firmen-Know-how geht nicht verloren. Dem steht ein gravierender Nachteil gegenüber: Es mangelt den Aufsehern oft an der Souveränität, eigene Entscheidungen aus der Vorstandszeit kritisch zu hinterfragen. In vielen Konzernen ist es gleichwohl Brauch, dass der Chef nach seiner Amtszeit auf den Stuhl des Aufsichtsratsvorsitzenden wechselt. „Dieser Automatismus muss durchbrochen werden“, fordert Axel von Werder, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensführung an der TU Berlin und Mitglied der CorporateGovernance-Kommission der Bundesregierung. Der Kodex dieser Kommission, eine Ansammlung freiwilliger Regeln der Selbstverpflichtung, enthält dazu eine weiche Empfehlung: Solche Wechsel sollen „nicht die sitzungen nicht nur staunend verfolgen, sondern auch mitreden können. KEINE FRAGE, DAS ALLES HILFT. Aber reicht es auch aus? Allzu häufig werden Aufsichtsräte noch nach dem Family-and-FriendsPrinzip ausgewählt: Der Vorstand kennt einen, und der wird’s. Expertise ist wichtig, aber es fehlt oft an der inneren Einstellung, das Wissen auch einzusetzen. „Wenn sich der Geist nicht ändert, helfen auch keine Gesetze“, glaubt der Familienunternehmer Jürgen Heraeus (72), der selbst in vielen Aufsichts- und Beiräten sitzt. „Mut lässt sich eben nur schwer regulieren.“ Es mangelt etwa an der Courage, Vorständen ein, sagen wir ruhig, faires Gehaltsmodell aufzudrücken. Wenn Kontrolleure Garantieboni absegnen, anstatt den Aufschlag erfolgsabhängig zu machen, kann Ökonom von Werder das nicht nachvollziehen: „Manche Aufsichtsräte haben offenbar nicht genau hingesehen und nun Schwierigkeiten, aus den Zusagen wieder herauszukommen.“ 42 managermagazin 4/2009 Regel“ sein, heißt es. Sie sollen den Aktionären auf der Hauptversammlung besonders begründet werden. Die Studie: Professor von Werder hat zusammen mit Till Talaulicar von der Universität Witten/Herdecke die Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat in Börsenunternehmen untersucht, im Zehnjahreszeitraum von 1998 bis 2007. sel verhinderten. Der Kodex habe allerdings eine „kulturbildende Wirkung“; Unternehmen würden Wechselabsichten nun eingehender rechtfertigen müssen. „Krasse Fälle“, in denen ein wenig erfolgreicher Chef als Krönung seiner Karriere auch noch Oberaufseher wird, werde es in Zukunft kaum noch geben, vermutet von Werder. Die Ergebnisse: In den Dax-Gesell- schaften war der personelle Übergang vom Vorstand in den Aufsichtsrat besonders stark verbreitet (siehe Grafik). Seit dem Inkrafttreten der entsprechenden Kodex-Regeln im Juni 2005 hat sich die Lage verbessert. Das sei jedoch nicht zwangsläufig dem Regelwerk gutzuschreiben, so die Autoren der Studie. Eine Einzelfallanalyse habe ergeben, dass auch andere Gründe wie persönliche Lebensplanung oder schlechte Performance den Wech- Immer noch ist es in vielen Unternehmen Tradition, dass bisherige Vorstandsvorsitzende quasi automatisch an die Spitze des Aufsichtsrats rücken. Neuerdings gibt es zumindest die Hoffnung auf eine Wendung zum Besseren, wie von Werder in einer Exklusivstudie für manager magazin herausgefunden hat (siehe Kasten oben). Die aktuellen Missstände provozieren den üblichen Politreflex: das Pochen auf noch schärfere Governance-Regeln. Anfang März verständigte sich die RegierungskoalitionG auf ein härteres Vorgehen gegen Manager und Aufsichtsräte: Wer Manager nicht am Abkassieren hindert, haftet im Zweifel selbst. Doch der Staat ist bei diesem Thema wenig glaubwürdig, schließlich hat er selbst gesündigt. Das Wirken der Aufseher beim Skandalinstitut HSH Nordbank entwickelte sich zum Governance-Desaster. Die staatlichen Kontrolleure haben die riskanten Geschäfte der Landesbank (SchleswigHolstein/Hamburg) nicht nur mitgetragen, sondern offenkundig auch ver- Heiliger Stuhl Wie viele Vorstandsvorsitzende in den Aufsichtsrat wechseln (1998 bis 2007) Dax M-Dax Ausgeschiedene Chefs 41 47 19 18 Wechsel in den Aufsichtsrat Übernahme des AR-Vorsitzes 15 8 Grafik: manager magazin Quelle: von Werder/Talaulicar günstigte HSH-Kredite bekommen – die Staatsanwälte haben Vorermittlungen eingeleitet. Jetzt schieben sich SPD und CDU, Hamburger und Holsteiner, ehemalige und amtierende Aufseher gegenseitig die Schuld zu. Lediglich Aufsichtsratschef Wolfgang Peiner (65) hat, als er im Februar seinen Rückzug ankündigte, Selbstkritik transportiert: Dass die Geschäfte der Bank überdimensioniert waren, so Peiner, „hätte ich erkennen müssen“. Chapeau. Bei der Landesbank Baden-Württemberg haben 30 Verwaltungsräte, zum großen Teil dem politischen Spektrum zugehörig, die Schieflage nicht verhindert. Offenbar sind die Schwaben bei der Konstruktion der Bank-Governance nach der Devise verfahren: Viel hilft viel. Sicher, der Staat hat es nicht leicht bei der Auswahl seiner Kontrollposten. Er sucht vor allem im Finanzgewerbe: Saubermänner mit Niveau, die sich mit bescheidenem Salär zufriedengeben und die er auch noch steuern kann – eierlegende Wollmilchsäue sind im Vergleich dazu Commodity-Ware. Und je häufiger er sich an Unternehmen beteiligt, umso Unternehmen Aufsichtsräte mehr neue Räte braucht er. Zwei für die Commerzbank, womöglich auch einige für die HRE. Die acht Posten des neuen Staatshilfebeirats hat er Anfang März erfolgreich besetzen können, überwiegend mit Leuten aus der Wirtschaft. Gute Aufsichtsräte sind knapp. Da liegt es nahe, dass Staat und Unternehmen im selben Goldfischteich angeln. Clemens Börsig (60) gilt als Trendsetter der Berufsaufseher-Bewegung. 2006 hat er seinen Posten als Finanzvorstand der Deutschen Bank aufgegeben und den Aufsichtsratsvorsitz übernommen. Schnell kamen weitere Großmandate (Bayer, Daimler, Linde) hinzu. Der Zahlenfan kennt das Rechenwerk der Bank besser als mancher Vorstand. Jetzt führt er auch das GovernanceProblem des Geldhauses einer Lösung zu: alles auf Anfang. Bankchef Josef Ackermann (61) hatte den Vorstand verkleinert und eine Hierarchiestufe tiefer das sogenannte GEC als Machtinstrument geschaffen, eine weitgehend kontrollfreie Zone. Börsig füllt den Vorstand nun wieder auf. Auch der frühere Henkel-Chef Ulrich Lehner (62) hat sich KLAUS BUKENBERGER (52) EX-VORSTANDSCHEF HOMAG AG Rat aus der Provinz: Der Schwarzwälder firmiert als „selbstständiger Berufsaufsichtsrat“. Spezialität: der gehobene Mittelstand (200 Millionen bis 2 Milliarden Euro Umsatz). Mandate: Homag, Sick, Rutronik, Mahr, Leitz; Berater für Investcorp (London). Die Fülle der Mandate ist nicht das Problem („Bis zu zehn kann man schaffen, falls kein Aufsichtsratsvorsitz dabei ist“). Es ballt sich nur alles in wenigen Monaten. Für die Reiseplanung der rund 60 Sitzungen im Jahr braucht er die Hilfe einer versierten Sekretärin: „Sonst würde ich an der Organisation ersticken.“ Man nimmt ihn, den Ex-CFO, gern in den Prüfungsausschuss. Dort, wo knifflige Fragen nach Bilanzpositionen, Geschäftsrisiken und Anti-Korruptionsregeln zu klären sind. Immer hart an der Grenze zu Haftung und Schadensersatz. Weil er in vielen Prüfungsausschüssen sitzt, kann er das nutzen, was auf Unternehmensstrategisch „Synergieeffekt“ heißt: „Die vielen ähnlich gelagerten Mandate erleichtern meine Arbeit.“ befördert die Professionalität. In vielen DaxKonzernen verdienen die Räte deutlich besser als früher. Und für den anspruchsvollen Prüfungsausschuss-Job gibt’s Zuschläge zum normalen Salär; der Vorsitz in der Expertenrunde wird – nach dem ARV – am besten dotiert. Gut, die 5000 Euro plus bei SAP sind nicht die Welt. Aber es summiert sich eben für den Berufsaufseher Schipporeit, auf alles in allem rund eine halbe Million Euro im Jahr. Machen wir uns dann noch ein wenig vertraut mit den Dienstreiseplänen von Klaus Bukenberger (52). Der Wirtschaftsingenieur, dessen Antlitz eine hohe Stirn und ein eckiges Brillengestell prägen, wohnt im Schwarzwalddorf Schenkenzell. Mal reist er aus der Provinz, mal von seinem Stuttgarter Büro aus zu den Kontrolleurstreffen, in malerische Orte wie Schopfloch (Mittel-), Waldkirch (Süd-) oder Ispringen (NordSchwarzwald), deren Aufzählung die Gefahr eines Kuckucksuhr-Tinnitus in sich birgt. Er hat sich spezialisiert, auf den gehobenen Mittelstand (200 Millionen bis 2 Milliarden Euro Umsatz), auf technologisch orientierte Unternehmen, wir befinden uns schließlich im Tüftel-Ländle. Die Homag AG (Holzbearbeitungsmaschinen) gehört dazu, dort war er bis 2006 Vorstandschef. Seitdem firmiert Bukenberger als „selbstständiger Berufsaufsichtsrat“. Sein wichtigstes Mandat: Beim Familienunternehmen Sick AG, das Sensoren herstellt, leitet er den Aufsichtsrat. Rund EINE DIFFERENZIERTE BELOHNUNG FOTO: UTE GRABOWSKY 44 als AR-Profi in der Deutschland AG etabliert: Er hat den Vorsitz bei der Deutschen Telekom, kontrolliert Eon und ThyssenKrupp, sitzt als unabhängiger Kapitalvertreter im Aufsichtsrat der Porsche SE. Wer genauer hinguckt, entdeckt weitere Anhänger der Berufsgruppe. Blicken wir etwa einmal in den schwarzen Terminkalender von Erhard Schipporeit (60). Der schlanke, leicht ergraute Mann war einst Chef von Varta und bis Ende 2006 Finanzvorstand des Düsseldorfer Eon-Konzerns. Damals, mit 57, verspürte er noch genügend wirtschaftliche Dynamik in sich, um seine Zeit nicht „mit Kunstgeschichte“ zu vertrödeln. Das hat er nun davon: Aktionärstreffen bei Hannover Rück am 5. Mai (genau: in Hannover), einen Tag später nach Mannheim zu Fuchs Petrolub, SAPHauptversammlung am 19. Mai (wieder Mannheim), tags darauf zur Deutschen Börse nach Frankfurt. Ach ja, Ende Mai muss er noch nach Luxemburg, wo sich – sein neuester Job – der Board der USFondsgesellschaft Fidelity trifft. Unternehmen Aufsichtsräte „Die Alten sitzen noch im Klub“ Headhunter Heiner Thorborg über die Suche nach professionellen Aufsichtsräten Herr Thorborg, wie findet man den idealen Aufsichtsrat? Wann kommt sie an? THORBORG Früher lief das über Family & Friends. Einer aus dem Aufsichtsrat hatte einen guten Freund, der wiederum einen kannte – und der bekam dann den Posten. Heute funktioniert diese Methode nicht mehr. Weil die Aufsichtsratsvorsitzenden oft in einem senioren Alter sind, in dem sie die aktuelle Managergeneration nicht mehr gut genug kennen. Die Alten sitzen noch im Klub, aber die Musik spielt draußen. In den USA ist das längst erkannt worden. THORBORG Es geht langsamer, als wir gedacht haben. Ich schätze, dass ein Drittel aller Aufsichtsratsmandate bei Dax-Gesellschaften mittlerweile extern besetzt wird. Gesucht werden vor allem weibliche AR-Mitglieder. Die sind ja schon auf der Managementebene rar. Auch ausländische Shareholder deutscher Firmen, die hier den Markt nicht kennen, wenden sich an uns. Für deutsche Firmen wiederum suchen wir ausländische Räte, etwa in Frankreich oder den USA. Dort hat der hiesige ARV oft keinen Überblick. Was läuft dort besser? Sind Aufsichtsräte knapp? THORBORG Dort werden Aufsichtsratsmandate fast nur noch über Personalberatungen abgewickelt. Die Amerikaner prüfen die Kandidaten auf Herz und Nieren, sogar die akademischen Titel. Diese Welle wird, wie so viele andere zuvor, auch zu uns herüberschwappen. THORBORG Ja. Deswegen müssen wir ja über die Grenze, um die Besten zu bekommen. Allerdings macht die deutsche Mitbestimmung im Aufsichtsrat es für viele Ausländer nicht besonders attraktiv, weil dadurch die Unternehmenskontrolle doch arg verkrustet ist und die einzelnen Aufseher 46 managermagazin 4/2009 Warum nicht? THORBORG Es gibt eine gewisse Hemmschwelle bei den potenziellen Kandidaten. Die glauben, dass solche Jobs dem Chef vorbehalten sind, weil mit ihnen Prestige verbunden ist. Und dann gab es diese Nachfrage nach einfachen Vorstandsmitgliedern bislang gar nicht in nennenswertem Maße, weil unsere Aufsichtsräte lieber im eigenen Saft geschmort haben. N als Berufsaufsichtsrat. Namen wie Wennemer (ehemals Conti), Walter (ehemals Dresdner Bank), Panke (ehemals BMW) oder Alfred Tacke (ehemals Evonik und Bundeswirtschaftsministerium), ein Mann, der beide Sphären – Politik und Unternehmen – gut kennt. Aber Berufskontrolleure allein, so viel unabhängige Expertise sie auch bündeln, lösen die Probleme der Corporate Governance nicht. „Der Vorstand braucht auch Gesprächspartner, die noch mitten im Tagesgeschäft stehen“, sagt Erhard Schipporeit. „Wenn ich zehn Jahre lang nur Aufsichtsrat bin, habe ich eine zu große Distanz zum Operativen.“ Die gesunde Mischung macht’s. Das betrifft auch das Lebensalter der Kontrolleure. Es müssen ja nicht immer nur der Chef und vielleicht noch sein Finanzvorstand Unternehmen beaufsichtigen. Auch jüngere Topmanager, so Headhunter Thorborg, hätten „großes Interesse“, solche Aufgaben zu übernehmen (siehe Interview oben). Die Chancen für einen Neuanfang sind da. Die Demografie nagt am Status quo. Mit 70 oder 72 ist in vielen Firmen satzungsgemäß Schluss mit Aufsicht. Die Bellheims der Deutschland AG treten kürzer oder ab: Multi-Kontrolleur Manfred Schneider (70) lässt sich bei Daimler am 8. April nur noch für weitere zwei Jahre bestellen. Altersgenosse Ulrich Hartmann (70) reduziert seine Mandate schon seit einiger Zeit, am 22. April ist der Posten bei der Münchener Rück fällig. Jürgen Strube (69) gibt bei BASF den Vorsitz am 30. April ab. Einige freilich kleben noch an ihren Sesseln, als hinge ihr Seelenheil davon ab. Der umstrittene Infineon-Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley (69) hat den rechten Moment des Abgangs längst verpasst (siehe auch Seite 48). Und HansJürgen Schinzler, Aufsichtsratschef der Münchener Rück, kandidiert auf der Hauptversammlung für eine weitere Amtszeit. Das lässt sich sogar mit den Statuten guter Corporate Governance vereinbaren, jedenfalls wenn man sie buchstabengetreu und nicht dem Geiste nach auslegt: Schinzler wird im Oktober erst 69 Jahre alt. Dietmar Student FOTO: BERT BOSTELMANN/BILDFOLIO 60 Tage im Jahr wendet er dafür auf. „So viel muss man schon investieren, sonst wird man seiner Verantwortung nicht gerecht“, sagt Bukenberger. Die Sick-Gründerwitwe Gisela hat ihn weiterempfohlen, so fügte sich Wächteramt an Wächteramt. Sieben Mandate betreut er mittlerweile, Firmen wie Rutronik (elektronische Bauteile), Mahr (Messtechnik), Leitz (Werkzeuge). Die nächsten 10 bis 15 Jahre will Bukenberger den Job des Berufsaufsehers auf jeden Fall noch ausüben. Geld? Ja, spielt ein Rolle. Aber mit seinem Schwerpunkt auf Schwaben und Familienunternehmen, unterliegt er da nicht dem Klumpenrisiko der doppelten Knauserigkeit? „Es entwickelt sich“, sagt Bukenberger. Immer mehr Mittelständler würden für eine gute Governance auch einen guten Preis zahlen. Er rechnet nach Tagessätzen ab, zu Tarifen eines Seniorberaters von McKinsey & Co. – mithin ein paar tausend Euro pro Tag. Hagemann, Schipporeit, Bukenberger – auf den Listen der Headhunter stehen weitere Kandidaten für eine Karriere selbst zu wenig beeinflussen können. Hinzu kommt die Sprachbarriere; die Simultanübersetzung ist da nur eine Krücke. Bei jüngeren Vorständen gibt es ein großes Interesse daran, Posten in anderen Unternehmen zu übernehmen. Dort kann man auch für das eigene Unternehmen etwas lernen. Die Praxis sieht indes so aus, dass der Chef und vielleicht noch sein Finanzvorstand die AR-Mandate wahrnehmen, der versierte Produktionsvorstand oder Vertriebsmanager aber nicht.